| Titel: | Ueber die Eigenschaft der in Fluß befindlichen Bleiglätte, den Sauerstoff aufzulösen, und einige die Erzeugung der Bleiglätte beim Abtreiben im Großen begleitende Umstände; von H. T. Leblanc. | 
| Fundstelle: | Band 98, Jahrgang 1845, Nr. XIII., S. 34 | 
| Download: | XML | 
                     
                        XIII.
                        Ueber die Eigenschaft der in Fluß befindlichen
                           								Bleiglaͤtte, den Sauerstoff aufzuloͤsen, und einige die Erzeugung der
                           								Bleiglaͤtte beim Abtreiben im Großen begleitende Umstaͤnde; von H. T. Leblanc.
                        Aus den Comptes rendus, Jul. 1845, Nr.
                              								4.
                        Leblanc, über die Sauerstoff-Absorption der in Fluß
                           								befindlichen Bleiglätte.
                        
                     
                        
                           Das Treiben, welches man in den Bleihütten vornimmt, hat bekanntlich zum Zwek, das
                              									Silber vom Blei zu trennen, indem sich lezteres im oxydirten Zustand abscheidet. Das
                              									Abtreiben im Großen oder das Feinmachen (affinage), wie
                              									man es in mehreren Hütten nennt, unterscheidet sich von der Kupellation, wie sie in
                              									den Probir-Laboratorien vorgenommen wird, dadurch, daß die durch die
                              									Einwirkung des atmosphärischen Sauerstoffs auf das schmelzende Blei bei hoher
                              									Temperatur sich bildende Bleiglätte, statt durch Einsaugung in die Masse der Kapelle
                              									abgesondert zu werden, aus dem Ofen, durch Vermittlung einer beständig im Niveau des
                              									Bades unterhaltenen Abzugsrinne, in dem Maaße, als sie erzeugt wird, abfließt; es
                              									ist  diese Rinne die
                              									sogenannte Glättgasse. Die die Kapelle des Ofens bildende Masse muß dem Eindringen
                              									der schmelzenden Bleiglätte oder ihrer Auflösungskraft bestmöglich widerstehen.
                           Der atmosphärische Sauerstoff wird auf die Oberfläche des Bades durch einen
                              									künstlichen Luftstrom hingetrieben.
                           Während ich mich vor kurzem in Poullaouen aufhielt, hatte ich Gelegenheit mehreren
                              									Abtreibungen silberhaltigen Bleies beizuwohnen und einige Beobachtungen zu sammeln,
                              									welche vielleicht nicht ohne wissenschaftliches Interesse sind.Das Abtreiben wird zu Poullaouen gewoͤhnlich mit ungefaͤhr
                                    											10,000 Kil. Blei vorgenommen; nach 6 bis 8 Stunden ist meistens Alles
                                    											voͤllig geschmolzen und man geht an das Abstreichen des Bades (l'écumage); bald darauf gibt man den Wind und es
                                    											beginnt das Abfließen des Abstrichs oder der Schwarzglaͤtte; diese
                                    											ist Bleioxyd, mit Oxysulfuriden vermengt. Die Dauer des Abflusses der
                                    											Schwarzglaͤtte ist nach der Reinheit des Bleies verschieden; sie kann
                                    											16 bis 20 Stunden betragen, ehe man Kaufglaͤtte zu sammeln beginnt.
                                    											— Die Dauer der ganzen Operation beim Abtreiben von 10,000 Kilogr.
                                    											betraͤgt 48 bis 50 Stunden.
                           Wie bekannt, muß die Bleiglätte, um im Handel Absaz zu finden, gewisse Eigenschaften
                              									besizen, welche man bis zu einem gewissen Grad nach Belieben hervorbringen kann,
                              									indem man die Dauer der Abkühlung der aus dem Ofen abfließenden Bleiglätte gehörig
                              									leitet. Die schnell erkaltete Glätte ist gelb oder grünlichgelb, die unter den von
                              									Hrn. Fournet angegebenen Umständen langsam erkaltete aber
                              									fällt in ihrem Gefüge und in der Farbe anders aus und erhält Eigenschaften, welche
                              									sie im Handel gewöhnlich sehr gesucht machen.
                           Um die physischen und chemischen Veränderungen, welche bei dieser Verwandlung
                              									stattfinden, kennen zu lernen, stellte ich einige Versuche an, die ich weiter unten
                              									angeben werde und welche, wie mir scheint, mit den bisherigen Ansichten über diese
                              									Erscheinungen nicht vereinbar sind.
                           Hr. Fournet nimmt an, daß die schmelzende Bleiglätte
                              									Sauerstoff absorbiren und sich überoxydiren kann und zwar bei einer höhern
                              									Temperatur, als derjenigen, wobei sich der Mennig zersezt; die im Handel so
                              									gesuchten rothen Bleiglätten verdanken nach ihm ihre Eigenschaften einem Ueberschuß
                              									von Sauerstoff.
                           Thenard theilte nicht die Meinung Fournet's; er verwarf die Hypothese der Ueberoxydirung des Bleies bei der
                              									Temperatur des Treibherds und hielt dagegen eine Auflösung des Sauerstoffs in der
                              									Glätte, ähnlich derjenigen desselben Gases in geschmolzenem Silber, für möglich.
                              									Dieser Sauerstoff verbände sich mit dem Bleioxyd, wenn die Erkaltung langsam
                              									stattfindet, würde aber bei raschem Erkalten frei werden.
                           
                           Hr. Pernolet, gegenwärtig Director der Bleibergwerke und
                              									-Hütten zu Poullaouen und Huelgoat, hatte schon bemerkt, daß die schmelzende
                              									Bleiglätte, in je nach dem Stadium des Processes verschiedenen Verhältnissen, Gas
                              									aufgelöst enthält, welches im Augenblik der Erstarrung zu entweichen sucht. Seine
                              									Gefälligkeit gestattete mir Bleiglätte in verschiedenen Graden der Reinheit und
                              									verschiedenen Zuständen mit Vorsicht herauszunehmen; ferner sammelte ich die Gase
                              									auf, die sich daraus entwikelten und analysirte sie. Diese Versuche bestätigten
                              									vollkommen Thenard's Vermuthung hinsichtlich der
                              									Auflösung von Sauerstoff; denn das aufgesammelte Gas besaß die Eigenschaften des
                              									beinahe reinen Sauerstoffs; die Analyse ergab 82 bis 90 Proc. Sauerstoff. Vielleicht
                              									rührte der vorhandene Stikstoff nur von zufällig beigemischter atmosphärischer Luft
                              									her; in der That fand ich bei Wiederholung des Versuchs unter denselben Umständen
                              									mit Silber aus der Raffinirkapelle nicht über 90 Proc. (durch Phosphor in der Wärme
                              									absorbirbaren) Sauerstoff.
                           Die Quantität des in der Bleiglätte aufgelösten Sauerstoffs ist zu groß, um annehmen
                              									zu können, daß das in der Glätte enthaltene Silber das Lösungsmittel des Gases sey;
                              									sie beträgt nämlich nicht weniger als 50 Kubikcentimeter per Kilogr., ungeachtet des bei diesen Versuchen unvermeidlichen
                              									Verlustes. Nun enthält aber die lezte, reichste Bleiglätte nicht über 0,001 bis
                              									0,0015 Silber; es ist die dem Silberblik vorausgehende.
                           Es scheint mir hiedurch erwiesen zu seyn, daß die Bleiglätte, ein bei der Temperatur
                              									des Ofens unoxydirbarer Körper, unter dem Einfluß eines Luftstroms den Sauerstoff
                              									gerade so wie das Silber aufzulösen vermag und sich hierin wie die meisten mit Gasen
                              									in Berührung gebrachten Flüssigkeiten verhalte.
                           Die unreine oder Schwarzglätte vermag nach meinen Versuchen das Gas nicht aufzulösen;
                              									wenigstens war die darin gefundene Quantität so gering, daß sie als zufällig
                              									betrachtet werden kann; übrigens ergab auch die Analyse den Sauerstoff und Stikstoff
                              									darin so ziemlich in demselben Verhältniß wie in der Luft. Dieser Umstand wird nicht
                              									befremden, wenn man bedenkt, daß diese Glätte oxydirbare Schwefelmetalle
                              									enthält.
                           Ist die Auflösung des Sauerstoffs in einer in feurigem Fluß befindlichen Flüssigkeit,
                              									welche auf dieses Gas ohne Einwirkung bleibt, als eine allgemeine Erscheinung zu
                              									betrachten, oder auf die Bleiglätte und das Silber beschränkt? Diese Frage hoffe ich
                              									durch spätere Versuche zu lösen. Gegenwärtig beschränke ich mich auf die
                              									Untersuchung dessen, was im Schooße der geschmolzenen Bleiglätte bei ihrem Austritt
                              									aus dem Herde vorgeht, und auf die Erörterung  der Rolle, welche der in dieser fest werdenden und nach
                              									und nach ihre innere Structur verändernden Masse eingeschlossene Sauerstoff spielen
                              									kann.
                           Zu Poullaouen wird die Bleiglätte, wenn sie aus dem Herd kömmt und einen
                              									hinlänglichen Grad von Reinheit erlangt hat, in kegelförmigen eisernen Töpfen, die
                              									etwa 30 Liter fassen, aufgesammelt. Sie erstarrt bald auf der Oberfläche und hat
                              									dann eine gelbe oder grünlichgelbe Farbe. Nach Verlauf von ein paar Stunden,
                              									manchmal schon nach einer halben Stunde, reißt die Masse, springt in allen
                              									Richtungen und man sieht sie in eine zerreibliche, krystallinische Masse von
                              									deutlich rother Farbe zerfallen; nur die rasch erstarrte Kruste behält ihre Farbe
                              									und Cohäsion bei. Bloß die sorgfältig zerriebene rothe Bleiglätte ist Handelsgut;
                              									die gelbe wird bei Seite gethan und zum Glättanfrischen benuzt.
                           Manchmal geht die Erscheinung rascher vor sich; es entsteht eine Art Explosion,
                              									welche die kegelförmige Bleiglättemasse in mehrere große Blöke zerklüftet; zu
                              									gleicher Zeit wird eine gewisse Quantität, im Innern noch flüssig oder teigig
                              									gebliebener Bleiglätte herausgeschleudert.
                           Mir ist es sehr wahrscheinlich, daß der während der Erstarrung eingeschlossene
                              									Sauerstoff bei dem Zerfallen der Bleiglätte in Schuppen (exfoliation), eine mechanische Rolle spielt.Die ersten Toͤpfe von Glaͤtte zerfallen nicht allemal;
                                    											nichtsdestoweniger habe ich mich uͤberzeugt, daß sie manchmal
                                    											Sauerstoff in Gasform, wenn auch nur wenig, enthalten.
                           Hiebei muß ich bemerken, daß alle Umstände, welche der Schnelligkeit des Erkaltens
                              									und Erstarrens Einhalt thun, auch die Menge der sich bildenden rothen Bleiglätte
                              									vermehren. Läßt man die Glätte in Gefäße von zu geringem Rauminhalt auslaufen, wobei
                              									sie zu rasch erkaltet, so wird sie gelb und zerfällt nicht.
                           Hr. Fournet nimmt an, daß die rothe Bleiglätte mehr
                              									Sauerstoff enthält als die gelbe, und ihre Farbe einer gewissen Quantität Mennig
                              									verdankt; in mehreren Sorten fand er unzweifelhaft etwas Mennig. Thenard und die meisten Chemiker schreiben auch die Farbe
                              									der käuflichen Bleiglätten der Gegenwart von etwas Mennig zu.
                           Ohne in Abrede stellen zu wollen, daß die langsam erkaltete Glätte unter gewissen
                              									Umständen Sauerstoff (chemisch) absorbiren und Mennig erzeugen kann — eine
                              									wohl nachgewiesene Thatsache — glaube ich doch gezeigt zu haben, daß für die
                              									Erscheinung des Zerfallens der Bleiglättemasse und die Erzeugung der rothen Glätte
                              										 eine andere
                              									Erklärung gesucht werden muß. Auf folgende Versuche glaube ich diese Behauptung
                              									stüzen zu können:
                           1) die rothe Bleiglätte, welche ich untersuchte, gab in der Hize keinen Sauerstoff
                              									aus;
                           2) dieselbe Glätte lieferte mit reiner Salpetersäure sorgfältig behandelt, kein
                              									flohbraunes Oxyd; eine Spur Mennig, gelber Bleiglätte zugesezt, deren Farbe er aber
                              									nicht merklich veränderte, war mittelst Salpetersäure leicht zu entdeken;
                           3) rothe Bleiglätte bis zu einer Temperatur erhizt, wobei sie keinen Sauerstoff
                              									entwikelte, und dann rasch in Wasser geworfen, wurde gelb.
                           Es ist sonach durch Versuche dargethan, daß diese Veränderungen im Gefüge und in der
                              									Farbe der Bleiglätte, je nach den ihre Erzeugung begleitenden
                              									Temperatur-Verhältnissen, nicht von Modificationen in ihrer chemischen
                              									Zusammensezung herrühren, sondern von solchen, welche durch Isomerie oder
                              									Dimorphismus veranlaßt werden, jenen ähnlich, die den Unterschied zwischen der
                              									glasigen und der undurchsichtigen arsenigen Säure, dem Gerstenzuker und dem
                              									Kandiszuker, dem rothen und dem gelben Jodqueksilber etc. bedingen.
                           Diese Modificationen in der Structur und Farbe des Bleioxyds, haben meinen Versuchen
                              									zufolge auf die Dichtigkeit der verschiedenen Sorten einen nicht verkennbaren
                              									Einfluß; so ist die abgeschieferte rothe Bleiglätte minder dicht als die
                              									krystallisirte gelbe.
                           Die hier mitgetheilten Thatsachen lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:
                           1) Der Sauerstoff kann sich in der schmelzenden Bleiglätte auflösen, wie er sich im
                              									Silber auflöst, ohne sie höher zu oxydiren; vielleicht löst sich sogar der Stikstoff
                              									in kleiner Menge darin auf.
                           2) Zwischen der gelben und der rothen Bleiglätte bestehen nur physische Unterschiede,
                              									nämlich im Gefüge, der Farbe und der Dichtigkeit, welche aber auf ihre chemische
                              									Zusammensezung gar keinen Einfluß haben. Diese verschiedenen Sorten lassen sich auf
                              									troknem Wege, je nach der angewandten Temperatur und der Dauer des Erkaltens, nach
                              									Belieben hervorbringen.