| Titel: | Das telegraphische Excentric; ein Vorschlag zur Sicherung an den Ausweichstellen der Eisenbahnen, von Oscar v. Schellerer, königl. bayer. Bahnhofverwalter. | 
| Autor: | Oscar v. Schellerer | 
| Fundstelle: | Band 99, Jahrgang 1846, Nr. LXI., S. 243 | 
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                        LXI.
                        Das telegraphische Excentric; ein Vorschlag zur
                           								Sicherung an den Ausweichstellen der Eisenbahnen, von Oscar v. Schellerer, königl. bayer.
                           								Bahnhofverwalter.
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              									IV.
                        Ueber Sicherheitsvorrichtungen an den Ausweichstellen der
                           								Eisenbahnen.
                        
                     
                        
                           Die Mangelhaftigkeit der gegenwärtig gebräuchlichen mechanischen Vorrichtungen, um
                              									bei den Eisenbahnen den Wechsel von einem Geleise auf das andere zu bewerkstelligen,
                              									war schon seit längerer Zeit Gegenstand meines Nachdenkens und ich war bemüht auf
                              									ein Mittel zu sinnen, 
                              									wodurch die gehörige Fest- und Richtigstellung des Hebels zugleich für den
                              									ankommenden Locomotivführer das Zeichen wird, sowohl bei Tag als Nacht, daß er in
                              									das gehörige Geleise gefahrlos einfahren kann.
                           Bekanntlich wurde ein großer Theil der Unglücksfälle, die je auf Eisenbahnen
                              									vorgekommen, durch Mangelhaftigkeit in der Construction des Excentric oder durch
                              									unrichtiges Stellen desselben veranlaßt; das letzte traurige Ereigniß in St. Ilgen
                              									ist leider ein neuer Beweis für das Gesagte.
                           Endlich glaubte ich obigem Problem in allen seinen Erfordernissen nachgekommen zu
                              									seyn und theilte meine Idee Sachverständigen mit, deren günstiges Urtheil darüber
                              									mich veranlaßt meinen Vorschlag der Oeffentlichkeit zu übergeben.
                           Die immer wiederkehrenden Unglücksfälle an den Wechseln werden theils durch die
                              									mangelhafte Construction der gebräuchlichen mechanischen Vorrichtungen zur
                              									Sicherstellung des Geleises, theils durch zu geringe Beaufsichtigung der Wechsel und
                              									Wechselwärter veranlaßt; eine Hauptursache derselben ist aber der Mangel eines
                              									bestimmten untrüglichen Zeichens für den kommenden
                              									Locomotivführer.
                           Beiden Anforderungen suchte ich nun dadurch zu entsprechen, daß ich an dem Excentric
                              									selbst eine Telegraphie anbrachte, welche aufs genaueste und unmittelbar mit den
                              									Bewegungen desselben übereinstimmen muß. Ist demnach der Wechsel richtig gestellt,
                              									so darf der ankommende Maschinenführer nicht mehr im Geringsten in Zweifel seyn.
                              									— Dieses Zeichen muß ferner ein solches seyn, daß es keine Verwechslung im
                              									Gedächtnisse zuläßt, auch muß es hoch und groß genug seyn, um auf eine Entfernung
                              									gesehen zu werden, welche dem Locomotivführer noch jede Freiheit in der Manipulation
                              									seiner Maschine gestattet. Eben so im umgekehrten Falle, stellt der Bahnwärter das
                              									Excentric falsch, so müssen die Zeichen auch eben so sicher darthun, daß der
                              									Maschinist nicht passiren kann, damit es dem Wechselwärter selbst bei Nacht und im
                              									trunkenen Zustande unmöglich gemacht ist ein Unglück zu veranlassen.
                           Die gegenwärtig auf den königl. bayerischen Bahnen gebräuchlichen Excentrics sind
                              									allerdings oben mit einer kleinen Scheibe versehen, welche durch eine Winkelsteckung
                              									von ungefähr 45° vor- oder rückwärts der Senkrechten dem
                              									Maschinenführer die Stellung für das eine oder andere Geleise anzeigen soll; dabei
                              									befindet sich aber die ganze Vorrichtung nur 2 bis 2½ Fuß über dem Boden, so
                              									daß sie bei nebligem Wetter oder eintretender Dunkelheit auf eine Entfernung, welche
                              									noch ein Anhalten möglich macht, kaum mehr gehörig zu
                              									erkennen ist. Ueberdieß ist eine Winkelstellung immerhin ein sehr vages, leicht zu
                              									Irrthümern  führendes
                              									Erkennungszeichen. Bei Nacht, wo Sicherheits-Maaßregeln um so nöthiger sind,
                              									entbehrt der ankommende Locomotivführer jedweden Zeichens. Hunderte von
                              									Menschenleben sind also in die Hand eines einzigen Menschen gegeben, welcher aus
                              									Leichtsinn, Trunkenheit oder Bosheit großes Unglück veranlassen und den Staat
                              									plötzlich um Tausende bringen kann.
                           Ich gehe nun zur Erklärung meines Excentric über. Zur Bewegung der Schienen benutzte
                              									ich die häufig angewandte excentrische Scheibe a, b, Fig. 22; dieselbe wird
                              									bewegt durch eine in sie fest eingelassene viereckige Stange c, d, welche wenigstens eine Höhe von 6 Fuß
                              									erhalten muß. Zur Sicherung von beiden ist eine entsprechende Hülse über sie
                              									gesetzt. Die Stange selbst wird durch einen 3 bis 3½ Fuß langen eisernen
                              									Hebel e, f bewegt, welcher
                              									selbst sich in einem um die Stange gelegten eisernen Kloben bewegt. Dieser Hebel
                              									liegt in einem Scharnier und läßt sich aufwärts bis zur rechtwinkeligen Stellung mit
                              									der Drehstange bringen, wo er dann auf einer Platte g,
                              										h fest liegt, auf welcher er sich bequem ohne
                              									Kraftanstrengung hin und her schieben läßt. Diese Platte hat zwei den beiden
                              									Ausweichen entsprechende Einschnitte i, k und l, m. Angenommen i, k sey die richtige Stellung für den einlaufenden
                              									Wagenzug, so muß der Hebel gerade in den Einschnitt i,
                              										k kommen, wenn der Wechselwärter sein Excentric
                              									richtig gestellt hat, worauf er ihn fallen läßt und dem Wechsel dadurch eine
                              									Sperrung gibt, die nichts im Stande ist zu verrücken. Zu gleicher Zeit wird sich bei
                              									dieser Stellung dem ankommenden Locomotivführer eine Blechscheibe n, o von wenigstens
                              									1½ Fuß Durchmesser ganz voll präsentiren. Sollte
                              									der Bahnwärter aus irgend einer Ursache den Hebel in den Einschnitt l, m gestellt haben, so
                              									wirft sich, wie Fig. 23 zeigt, die Scheibe ins vollkommene Viertel und man sieht von der
                              									großen Scheibe auch nicht das Geringste. Ein weiterer möglicher Fall wäre, daß der
                              									Wechselwärter den Wechsel gar nicht gestellt, d. h. daß er den Hebel zwischen beiden
                              									Einschnitten gelassen hatte; auch hier weiß der Maschinenführer aufs deutlichste
                              									woran er ist, denn er sieht nicht nur die Scheibe nicht mehr voll, sondern es
                              									streckt sich auch noch der 3 bis 3½ Fuß lange Hebel horizontal hinaus, weil
                              									er nur vermöge der Einschnitte herabfallen kann und sonst immer auf der Platte
                              									gehalten wird. Sollte bei stark nebligem Wetter der Hebel nicht genügend sich
                              									zeigen, so könnte man sehr leicht, um dieses wichtige Zeichen der Mittelstellung
                              									noch zu vervollkommnen, am Ende desselben eine halbkreisförmige Blechscheibe
                              									befestigen, die selbst beim Herabklappen in keiner Weise geniren würde.
                           Gegen diese Vorrichtung lassen sich wohl keine erheblichen Einwendungen  machen; sie ist auch bisher zum
                              									Theil und ähnlich, mit Ausnahme des Zeichens der Mittelstellung, schon angewendet
                              									worden; nun fragt es sich aber, welches untrügliche Zeichen kann man bei Nacht
                              									geben? Dieser Anforderung glaubte ich am besten dadurch zu genügen, daß ich den
                              									Wechselwärter zwinge, irgend ein angenommenes Zeichen nur dann
                                 										anwenden zu können, wenn der Wechsel richtig gestellt ist.
                           Bei Nacht gibt es fürs Auge nur ein Zeichen und dieses ist das Licht; ich schlage
                              									deßhalb eine Laterne mit farbigem Glase vor und zwar mit einer Farbe, die
                              									verschieden von allen sonst auf der Bahn leuchtenden seyn muß. Diese Laterne ist
                              									rund, hat einen Stiel und kann nur mittelst desselben angebracht werden;
                              									niedergesetzt auf den Boden wird sie dem Gesetze der Schwere gemäß augenblicklich
                              									umschnappen und verlöschen.
                           Ist nun der Wechsel richtig im Einschnitt i, k gestellt, so zeigt sich uns in der Scheibe eine Spalte
                              										p, q, Fig. 24, welche doppelt
                              									so groß als der Laternenstiel seyn muß; dadurch wird dem Wechselwärter die
                              									Möglichkeit genommen, die Laterne allein, ohne weitere Verbindung anzubringen; sie
                              									würde in Folge ihrer Schwere sogleich herabstürzen. Um sie nun richtig zu
                              									befestigen, befindet sich auf der Platte ein eisernes Säulchen, welches in der Höhe
                              										p, q der Scheibe, Fig. 24,
                              									ebenfalls einen Einschnitt r, s hat. Beide Einschnitte fallen nur dann in eine Vertical-Ebene,
                              									wenn der Wechsel richtig gestellt ist, wie man es ganz
                              									deutlich in der Seitenansicht von Fig. 24 und im
                              									Horizontaldurchschnitt A, B
                              									sieht. Es ist selbst bei der geringsten Abweichung rein unmöglich mit dem
                              									Laternenstiel in beide Oeffnungen gleichzeitig zu kommen. Der Einschnitt am Säulchen
                              									ist gerade so groß als der Laternenstiel und die einzige Befestigung besteht in
                              									einem Ausschnitt des letztern, welcher sich von selbst einhängt, da die Laterne
                              									vermöge ihrer Schwere vorne bedeutend herunterdrückt. Diese einfache Art der
                              									Anhängung verdanke ich dem ausgezeichneten Mechanikus Mannhardt in München, welcher die von mir beabsichtigte Befestigung
                              									fraglichen Stiels durch ein Stiftchen als unzweckmäßig verwarf, weil bei sehr kalter
                              									Witterung die Finger des Bahnwärters so erstarrt seyn können, daß es demselben
                              									unmöglich, wenigstens sehr schwer würde, ein eisernes Stiftchen durch ein kleines
                              									Loch zu schieben.
                           Da durch den größern Einschnitt in der Scheibe eine Verticalbewegung des
                              									Laternenstiels möglich ist, so gab ich der zweiten Oeffnung ein kleines
                              									Blechtrichterchen, welches ihn leicht in den Einschnitt leitet.
                           
                           Wollte man auf Bahnen, wo ein sehr frequenter Verkehr stattfindet, auch ein zweites
                              									Ankunfts-Geleise für die Nacht signalisiren, so ist der abgebildeten
                              									Vorrichtung nur noch ein zweites Säulchen beizugeben, welches mit der hiezu
                              									erforderlichen Stellung der Scheibe nebst Loch correspondirt und welchem man, um
                              									Verwechselungen zu vermeiden, eine mit dem Stiel der zweiten Laterne
                              									übereinstimmende, von ersterer Oeffnung ganz verschiedene Form gibt. Vor allem
                              									schien es mir Aufgabe, die hie und da angewandte Laterne mit zwei
                              									verschiedenfarbigen Gläsern, durch etwas viel Bestimmteres und Untrüglicheres zu
                              									ersetzen, denn die Erfahrung lehrt, daß in dem Falle, wo beide Gläser sich zugleich
                              									zeigen, also in der gefährlichen Mittelstellung, das rothe Licht das grüne gänzlich
                              									aufsaugt und die gefährlichste Täuschung verursachen kann.
                           Ich glaube nun meine Vorrichtung in einer Weise erklärt zu haben, welche keinen
                              									Zweifel mehr zuläßt; die ganze Einrichtung ist so einfach, daß sie Jedermann
                              									verständlich seyn kann. Aller genauern Maaßangabe habe ich mich enthalten und
                              									überlasse die Ausführung der Details Mechanikern von Fach; nur empfehle ich bei
                              									Anwendung dieses telegraphischen Excentric meine mechanische Grundlage beizubehalten
                              									und Federn und Stiftchen zu vermeiden; beide werden stets unpraktisch und
                              									unverläßlich bei Mechanismen befunden werden, welche unter freiem Himmel zu
                              									functioniren haben.
                           
                        
                           Zusatz der Redaction.
                           Unseres Wissens ist die Anwendung einer bestimmten Zeichengebung an den Excentrics,
                              									einer Telegraphie wie sie Hr. v. Schellerer vorschlägt,
                              									bisher nur auf der Wien-Gloggnitzer, auf den badischen Eisenbahnen und auf
                              									der Bahn von Frankfurt nach Mainz eingeführt.
                           Nach dem Bericht in Förster's allgem. Bauzeitung besteht
                              									auf der Wien-Gloggnitzer Bahn die Einrichtung, daß die Leitschienen durch
                              									einen Hebel, an welchem sich eine Scheibe befindet, hin und her geschoben werden.
                              									Die Scheibe zeigt sich auch bald voll, bald nur an der Kante. Bei Nacht jedoch
                              									signalisirt man daselbst nur Wechsel, welche an Stützmauern oder Brücken stehen, und
                              									zwar mit rothem oder weißem Licht, ohne besondere Vorrichtung.
                           Auf den badischen Eisenbahnen hat man — nach der im J. 1844 veröffentlichten
                              									Beschreibung derselbenAusführliche Nachweisung über den Eisenbahnbau im Großherzogthum Baden am 1.
                                    											Januar 1844, mit 22 Beilagen und einem besondern aus 60 lithographirten
                                    											Blättern bestehenden Hefte. Bearbeitet und herausgegeben von den Beamten der
                                    											großherzogl. Oberdirection des Wasser- und Straßenbaues. Karlsruhe
                                    											1844. — keine Telegraphie für den  Tag; bei Nacht befindet sich
                              									oben auf dem Excentric eine Laterne, welche wahrscheinlich auch aus zweierlei
                              									Gläsern besteht.
                           Auf der Taunus-Eisenbahn benutzt man die in Fig. 20 und 21 abgebildete
                              									Vorrichtung, damit der Locomotivführer sowohl zur Tagesals Nachtzeit die jedesmalige
                              									Stellung der Ausweichen von Ferne erkennen kann. Auf der verticalen Welle des
                              									Excentric ist oben außer der Kurbel noch ein kleines Getrieb a befestigt, welches in das auf der neben dem Ständer parallel zur
                              									Excentricumwelle gelagerten Stange b befindliche
                              									Zahnradsegment c greift; die Stange b trägt oben eine 2½ Fuß große, auf beiden Seiten
                              									weiß und roth angestrichene runde Scheibe d von
                              									Eisenblech, welche beim Wechsel der Bahn sich jedesmal mit der Stange b um einen Winkel von 45° dreht und dadurch, daß
                              									sie von dem nach der einen oder anderen Richtung gehenden Wagenzug aus voll, wie in
                              										Fig. 20
                              									gesehen werden kann, dem Locomotivführer von Ferne schon anzeigt, daß die Ausweiche
                              									für die Hauptbahn geöffnet ist; sieht man dagegen die Scheibe nur auf der Kante, wie
                              									in Fig. 21,
                              									so zeigt dieß an, daß die Nebenbahn geöffnet ist. Zur Nachtzeit wird eine Laterne
                              									mit zwei rothen und zwei grünen einander gegenüberliegenden Gläsern auf eine
                              									Verlängerung der Stange so gesteckt, daß bei derselben das rothe Licht der vollen
                              									Scheibe oder dem Oeffnen der Hauptbahn, das grüne aber dem Oeffnen der Nebenbahn
                              									entspricht.
                           Diese Einrichtung hat sich, wie uns Hr. Edmund Heusinger,
                              									Maschinenmeister der Taunusbahn (bekanntlich Herausgeber des schätzbaren
                              										„Organs für die Fortschritte des Eisenbahnwesens“)
                              									berichtet, seit sechs Jahren bewährt, so daß im Vergleich mit anderen Bahnen nur
                              									sehr wenige Fälle vorkamen, wo durch falsches Stellen der Ausweichen die Maschinen
                              									von der Bahn abliefen und daher vorzugsweise die Locomotivenführer zu bestrafen
                              									waren.
                           Auf den bayerischen Bahnen sollen dem Vernehmen nach die in England schon vielfach
                              									gebräuchlichen sich selbst stellenden Ausweichen
                              									eingeführt werden; wir sind — so lange die Erfahrung nicht das Gegentheil
                              									bewiesen hat — der Ansicht, daß bei denselben eine telegraphische
                              									Zeichen-Anwendung nicht nur nicht überflüssig, sondern sogar wünschenswerth
                              									wäre, denn begreiflicherweise ist es nicht möglich, daß irgend eine einzelne
                              									Sicherheitsvorrichtung, auf welches Princip sie auch gegründet seyn mag, unter allen
                              									denkbaren Umständen eine absolute Sicherheit gewährt.
                           
                              E. D.
                              
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
