| Titel: | Ueber die Fortschritte welche die Rübenzuckerfabrication in den letzten zwei Jahren in der Gegend von Magdeburg gemacht hat; von Professor K. Siemens in Hohenheim. | 
| Fundstelle: | Band 99, Jahrgang 1846, Nr. LXVIII., S. 263 | 
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                        LXVIII.
                        Ueber die Fortschritte welche die
                           								Rübenzuckerfabrication in den letzten zwei Jahren in der Gegend von Magdeburg gemacht
                           								hat; von Professor K.
                              									Siemens in Hohenheim.
                        Aus Riecke's Wochenblatt für Land- und
                                 										Hauswirthschaft, 1846, Nr. 3.
                        Siemens, über Fortschritte in der
                           								Rübenzuckerfabrication.
                        
                     
                        
                           Auf einer Reise nach Norddeutschland hatte ich im Monat October v. J. Gelegenheit,
                              									mehrere Rübenzuckerfabriken der Madeburger Umgegend in
                              									Augenschein zu nehmen und mich von den Verbesserungen, welche diese Fabrication hier
                              									in den letzten zwei Jahren erhalten, wiederum zu unterrichten. Wer sich für das
                              									immer schönere Aufblühen dieses segensreichen Gewerbzweigs interessirt, wird mit
                              									Freuden die rastlose Thätigkeit beobachten, womit man hier unter den bisher nicht
                              									günstigen Verhältnissen an seiner Vervollkommnung arbeitet. Diese Thätigkeit scheint
                              									gegenwärtig mit der festen Begründung der Fabrication für Deutschland gekrönt zu
                              									seyn, denn die jetzigen höheren Zuckerpreise sind sicher zum Theil auch eine Folge
                              									des Siegs, den die deutschen Zuckerfabriken über die Bestrebungen, sie durch die
                              									Concurrenz zu erdrücken, errungen haben. Man hat sich überzeugt, daß die Intelligenz
                              									mit deutscher Beharrlichkeit hier mehr leistete, als sich
                              									nach den Ergebnissen der Vervollkommnung, die die Rübenzuckerfabrication seit so
                              									vielen Jahren den Bemühungen der Franzosen verdankte,
                              									erwarten ließ. Die mütterliche Pflege hat das deutsche Kind schnell erstarken
                              									lassen; seit mehr als zehn Jahren dankt es nur dieser jede begründete Verbesserung.
                              									Soll die Fabrication aber eine allgemeinere Verbreitung finden, so ist es nöthig,
                              									daß man die Kräfte derer, die ihre ganze Thätigkeit ihrer Vervollkommnung widmen,
                              									nicht jetzt schon durch höhere Besteuerung lähmt, sollte diese auch später nöthig
                              									und bei Einzelnen bereits ohne Nachtheil auferlegt werden können.
                           Daß die einheimische Zuckerfabrication für die Folge im Stande ist, dem Staate das zu
                              									leisten, was sie demselben durch die Concurrenz mit dem ausländischen Zucker
                              									entziehen wird, steht nach den bis jetzt schon erlangten Resultaten sicher zu
                              									erwarten. Der Staat darf aber nicht glauben, auf dem bisher befolgten Wege durch
                              									eine höhere Besteuerung der Fabrication des Zuckers eben so zu nützen, wie dieß
                              									durch die Besteuerungsweise der Brennereien in Preußen
                              									wirklich der Fall gewesen ist. Bei letzteren erforderte die Art der Besteuerung das
                              									Bestreben, eine möglichst concentrirte gegohrene Masse zu gewinnen, wodurch  zugleich eine
                              									vollkommnere Gährung und dadurch eine größere Ausbeute an Branntwein erlangt wurde.
                              									Die Besteuerung der verarbeiteten Rübenmenge trägt aber direct nichts dazu bei, die
                              									möglichste Zuckerausbeute aus denselben zu erhalten. Mehr würde die Besteuerung der
                              									Fabrication schon nützen, wenn sie den Verbrauch an Brennmaterial möglichst zu
                              									beschränken geböte, womit ich jedoch die Zweckmäßigkeit einer solchen Besteuerung
                              									nicht aussprechen will.
                           Einer größeren Verbreitung der Rübenzuckerfabrication tritt, wie die Erfahrung so
                              									vielfältig zeigt, zunächst aber noch das Hinderniß entgegen, daß der Landwirth bis
                              									jetzt nur beschränkt den Rübenbau zweckmäßig auszuführen
                              									versteht. Es fehlt im allgemeinen noch an der dazu nöthigen höheren Cultur des
                              									Bodens, deren dieser aber fähig ist und sicher auch, bei dem jetzigen Streben die
                              									Landwirthschaft zu fördern und zu pflegen, bald erlangen wird. Die Provinz Sachsen liefert hievon mit jedem Jahre neue Beweise,
                              									indem man dort immer häufiger Zuckerfabriken mit den größeren Wirthschaften
                              									verbunden findet.
                           In diesen Wirthschaften wird der Rübencultur die geeignete Bodenfläche zugetheilt und
                              									für diese eine nach Beschaffenheit derselben passende Rotation gewählt, worin meist
                              									mehrere Rübenernten auf einander folgen und diese häufig nur mit einer Sommerfrucht
                              									wechseln. Bei der Auswahl der Fläche ist hauptsächlich ein warmer thätiger Boden
                              									wünschenswerth, da ein solcher zum Gedeihen der jungen Pflanzen unbedingt nöthig
                              									ist, denn wenn diese nicht freudig wachsen, so liefern sie später keine
                              									zuckerreichen, gehörig ausgebildeten, länger haltbaren Rüben. Aus diesem Grunde sind
                              									kalte oder feuchte, sich nicht leicht erwärmende Böden für den Rübenbau nicht
                              									geeignet und müssen, wenn sie dazu benutzt werden sollen, durch Aufführen von Kalk
                              									und solchem Compostdünger verbessert werden, dessen Bestandtheile den Boden lockern
                              									und wo möglich dunkler färben. Da, wo bereits Fabriken vorhanden sind, werden solche
                              									weniger zum Rübenbau geeignete Felder durch die Abfälle der Fabrik sehr bald in den
                              									erforderlichen Stand gesetzt. Diese Abfälle sind so geeignet zur Verbesserung des
                              									Bodens, daß man jetzt schon nicht selten Güter findet, die bei der Einräumung von
                              									1/6–1/5 ihrer Ackerfläche zum Zuckerrübenbau dennoch nicht weniger Getreide
                              									ernten als früher; was zum Theil aber auch durch die Futterabfälle der Fabrik
                              									verursacht wird.
                           Durch eine tiefe Auflockerung des Bodens im Herbst und fleißige Bearbeitung im
                              									Frühjahr sucht man das Gedeihen der jungen Pflanzen zu befördern, denn in einem
                              									flachen, nicht gelockerten Boden erhalten die Rüben viele Nebenwurzeln, wodurch sie
                              									viel Abfall und weniger Saft liefern. Frische Düngung wird möglichst vermieden, und
                              									wo diese  der Acker und
                              									die Fruchtfolge verlangt, wählt man dazu einen gut verrotteten Compostmist, der vor
                              									Winter untergepflügt wird. Die Aussaat geschieht möglichst früh und auf guten Böden
                              									meist so dicht, daß nur eine Bearbeitung mit der Hand möglich wird. In der Nähe von
                              										Magdeburg sah ich viele Rüben breitwürfig und so
                              									dicht gesäet, daß jede Pflanze kaum ½ Fuß von der andern entfernt stand. Die
                              									Leute haben dort durch den starken Cichorienbau, den man zugleich betreibt, eine
                              									große Fertigkeit in der Behandlung, dem Reinigen und Auflockern solcher dicht
                              									bepflanzten Aecker. Das jährliche Pachtgeld eines solchen, unter Spatencultur
                              									stehenden Ackers ist gegenwärtig auf 24–26 Thaler per Magdeburger Morgen (51–55 fl. per
                              									württemberger Morgen) gestiegen.
                           In Beziehung der Rübenvarietät gibt man jetzt auch im Magdeburgischen der röthlichen
                              										Quedlinburger Rübe immer mehr den Vorzug, obgleich
                              									immer noch einige Fabrikanten die ganz weiße schlesische Rübe allen andern
                              									vorziehen, weil sie mehr adstringirende Bestandtheile enthalte, wodurch ihr Zucker
                              									weniger einer Zersetzung unterworfen sey. Inwieweit dieß begründet ist, müßten
                              									comparative Versuche entscheiden; jedenfalls ist die röthliche Rübe zuckerreicher
                              									und weit haltbarer, auch liefert sie weniger Abfall als die ganz weiße, indem sie
                              									eine weit kleinere Blattkrone treibt und nicht leicht aus dem Boden hervorwächst.
                              									Hiebei ist aber zu bemerken, daß nicht alle Rüben mit röthlicher Schale diese guten
                              									Eigenschaften besitzen. Nach meinen Beobachtungen finden sie sich nur bei solchen
                              									Rüben, die verhältnißmäßig kleine Blätter mit langen dünneren Blattstielen haben und bei welchen
                              									letztere oberhalb einen scharf begränzten, rothen, 2–3 Linien breiten
                              									Streifen zeigen. Nur diese Rübe halte ich für die geeignetste zur Zuckerfabrication
                              									und war schon seit einer Reihe von Jahren bemüht, sie durch sorgfältige Auswahl der
                              									Samenträger constant und in größerer Menge zu gewinnen.
                           Wie wenig richtige Sorgfalt bis jetzt noch auf die Auswahl der Samenträger verwendet
                              									wird, zeigt die große Verschiedenheit, welche man noch immer in der Form der Rübe
                              									und Beschaffenheit der Blätter findet, die doch die mannichfaltigen Spielarten
                              									derselben gewiß näher bezeichnen, als die Größe der Rübe, nach welcher man meist
                              									noch die Samenträger wählt. Nur die Form der Rübe ist in etwas zu berücksichtigen,
                              									sonst sollte man allein nach dem Stand, der Form, der verhältnißmäßigen Größe der
                              									Blätter und ihrer besondern Beschaffenheit die Samenträger wählen. Erst wenn man die
                              									richtige Sorgfalt hierauf verwendet, wird es sich zeigen, ob die Ausartung der
                              									Rübenvarietäten 
                              									wirklich so groß ist, wie man es jetzt immer vorschützt, um die Qualität der Rüben
                              									auf einem solchen Felde zu entschuldigen.
                           Die Pflege der Rübenfelder wird nur den jungen Pflanzen zugewendet und besteht in der
                              									zeitigen Zerstörung alles Unkrauts und fleißigem Auflockern der Ackerkrume. Bei der
                              									sorgfältig ausgeführten Ernte und Aufbewahrung der Rüben habe ich nichts neues
                              									Bemerkenswerthes kennen gelernt. Vollständige Trennung der Blattkronen und der
                              									möglichste Schutz gegen Sonne und Luft, also schnelle Bedeckung der geernteten Rüben
                              									werden als nöthige Bedingung zur guten Erhaltung derselben immer mehr anerkannt.
                           Mehrere Fabrikanten wollen gefunden haben, daß die Bedeckung der Rübenhaufen mit
                              									Stroh schädlich sey, weil dieß die so nachtheilige Erwärmung trotz aller Luftzüge zu
                              									sehr begünstige, und ziehen es deßhalb vor, die Rüben zunächst mit Erde zu bedecken,
                              									da diese die erzeugte Wärme besser ableitet. Eine Bedeckung der Erde mit Laub, Stroh
                              									oder sonstigen Abfällen zum Schutze gegen Frost macht eine stärkere Lage von Erde
                              									unnöthig. Unstreitig ist die Ableitung der sich erzeugenden Wärme äußerst wichtig,
                              									da letztere das Keimen der Rüben befördert. Wie nachtheilig aber dieses Keimen auf
                              									die Fabrication einwirkt, davon ist man zum Theil durch traurige Erfahrungen
                              									überzeugt und sucht es deßhalb auch um jeden Preis zu verhüten, was durch Gewinnung
                              									einer reifen oder zeitigen Rübe zunächst geschieht. Diese erhält man aber nur auf
                              									geeignetem und gut vorbereitetem Boden, durch Vermeidung einer frischen Düngung,
                              									durch zeitige Aussaat und durch eine sorgliche Pflege der jungen Pflanzen.
                           In Bezug auf die Verarbeitung der Rüben behauptet noch
                              									immer das ältere Reib- und Preßverfahren seine allgemeinere Verbreitung. Es
                              									hat, wie schon erwähnt, in neuester Zeit wieder manche Vervollkommnungen erhalten,
                              									die uns dem gewünschten Ziele immer näher bringen. Im wesentlichen bestehen diese in
                              									einer erlangten größeren Vereinfachung und dadurch möglichen Beschleunigung der
                              									Fabrication. Es ist kein Arcanum entdeckt worden, wodurch man aus denselben Rüben
                              									und mit demselben Aufwande mehr und besseren verkäuflichen Zucker gewinnt, und
                              									dennoch ist alles dieses erlangt worden.
                           Um das Reiben zu erleichtern und einen feineren Brei und
                              									dadurch mehr Saft zu gewinnen, leitet man häusiger als früher eine geringe Menge
                              									Wasser auf den Reibcylinder, welchem Wasser einige Fabrikanten zur sofortigen
                              									Abstumpfung der in der Rübe enthaltenen Säure eine kleine Quantität Ammoniak
                              									beimischen.
                           Das Auspressen des Breies geschieht jetzt allgemein
                              									zwischen  Blechtafeln
                              									statt der früheren Weidengeflechte, die nie gehörig rein zu halten sind. Zur
                              									Gewinnung von mehr Saft findet man das Erwärmen der einmal gepreßten Kuchen häufig
                              									wieder eingeführt, wobei man aber große Sorgfalt darauf verwendet, daß die Erhitzung
                              									nicht bis zum Erweichen des Breies fortgesetzt werde, was, in Verbindung mit der
                              									rascheren Verarbeitung des gewonnenen Safts, die so leicht erfolgende Alteration des
                              									erwärmten Safts beseitigt zu haben scheint. Daß aber der früher bemerkte Nachtheil
                              									einer Erwärmung des Breies hauptsächlich durch das zu starke Erhitzen desselben
                              									herbeigeführt wurde, bestätigen die Beobachtungen, welche man hier in Hohenheim bei
                              									der Ausführung des Dombasle'schen Macerationsverfahrens
                              									machte, indem man fand, daß bei der Verarbeitung der hier bis jetzt immer noch nach
                              									frischer starker Düngung gewachsenen Rüben hauptsächlich das Kochen nachtheilig
                              									einwirke. Da aber dieses Kochen bei der Ausführung der Dombasle'schen Methode im Winter 1841 zu Roville ohne Nachtheil stattfand,
                              									so führt dieß auf die Vermuthung, daß es hauptsächlich bei der Verarbeitung
                              									schlechterer Rüben nachtheilig einwirke.
                           Die Läuterung des Safts geschieht ganz auf bisherige
                              									Weise, man sucht die Erhitzung bis auf 60° R. möglichst zu beschleunigen,
                              									setzt dann eine reichliche Portion Kalk hinzu und läßt mit diesem die Erhitzung bis
                              									zum Kochen langsam erfolgen, damit der Kalk zu seiner Wirkung die nöthige Zeit
                              									behält. Ohne ein stärkeres Aufwallen des Safts eintreten zu lassen, wird diese
                              									Temperatur, bei welcher man auch die richtige Menge des Kalkzusatzes beurtheilen
                              									kann, so lange erhalten, bis sich die hinreichende Wirkung des Kalks durch die
                              									Entwickelung eines mehr oder weniger starken Ammoniakgeruchs zu erkennen gibt, was
                              									jedoch noch von Wenigen, wohl nur aus Mangel an Beobachtung, als ein Zeichen der
                              									richtigen Scheidung bemerkt worden ist. Nach der Läuterung ist am sichersten die
                              									Güte des Safts zu beurtheilen; er wird hier um so heller oder reiner (blank) und
                              									weniger gefärbt erscheinen, je besser die Rüben waren und je rascher er gewonnen und
                              									erhitzt wurde. Schlechtere Rüben, sowie eine langsamere Gewinnung und Erhitzung des
                              									Safts machen die Anwendung einer größeren Menge von Kalk erforderlich, aber es wird
                              									nicht nur durch dessen Verbindung mit dem in größerer Menge vorhandenen
                              									Schleimzucker der Saft dunkler gefärbt, sondern durch die Menge des Kalks auch die
                              									Wirkung der später anzuwendenden Kohle bedeutend geschwächt.
                           Auf die Defecation folgt in der Regel Filtration über
                              									Kohle, wozu man in den meisten Fabriken nicht mehr wie früher die bereits zur
                              									zweiten Filtration benutzte, sondern eine andere wiederbelebte Kohle  verwendet. Man hat die
                              									Benützung jener Kohle zur Filtration des dünnen Safts meist deßhalb aufgegeben, weil
                              									selten beide Filtrationen in einem und demselben Locale ausgeführt werden und
                              									dadurch der Transport und selbst schon das Umpacken der Kohle aus einem Filter ins
                              									andere nicht bloß umständlich, sondern auch nur zum größten Nachtheil für den darin
                              									noch vorhandenen Saft geschehen kann. Ganz zweckmäßig läßt sich dieser Nachtheil
                              									namentlich bei der jetzigen Anwendung sehr großer Filter beseitigen, wenn man die
                              									Einrichtung trifft, daß der geläuterte Saft zu demselben Filter geleitet wird,
                              									welches bereits zur Filtration des abgedampften Safts diente. Die dadurch erlangte
                              									Ersparung an Kohle und namentlich die Vermeidung einer größeren Verdünnung des Safts
                              									ist doch nicht unbedeutend und wird die Kosten einer solchen Einrichtung bald
                              									lohnen.
                           Die erste Concentration oder Abdampfung wird in der Regel bis auf
                              									18–20° Baumé fortgesetzt, worauf die zweite Filtration folgt. Bei den
                              									zum Abdampfen gebräuchlichen Hallet'schen Pfannen hat man
                              									in neuerer Zeit die Einrichtung getroffen, daß die Retourröhren das condensirte
                              									Dampfwasser nicht aufwärts ableiten, sondern durch die Mitte des Bodens, wie bei den
                              										Pecquer'schen Pfannen, direct dem Dampfkessel wieder
                              									zuführen, was eine nicht unbedeutende Menge Dampf erspart. Meist findet man aber
                              									statt dieser runden Schlangenpfannen entweder Pecquer'sche oder den Crespel'schen ähnliche
                              									Pfannen, die eine weit leichtere Reinigung der Dampfröhren zulassen als jene Hallet'schen. Die leichtere Reinigung ist aber in Bezug
                              									des Dampfverbrauchs bei dem ersten Abdampfen von größter Wichtigkeit, weil der sich
                              									hier absetzende Kalk die Röhren sehr bald mit einer für die Durchleitung der Wärme
                              									nachtheiligen Kruste überzieht.
                           Eine von dem verdienstvollen Fabrikanten Hrn. Hecker in
                              									Staßfurt zuerst eingeführte Neuerung ist die Anwendung sehr großer, ganz
                              									geschlossener Filter, wodurch augenscheinlich bedeutende Vortheile erreicht werden.
                              									Es erhalten diese Filter eine Höhe von 10 bis 20 Fuß bei 1½ bis 3 Fuß
                              									Durchmesser; sie sind von Eisenblech angefertigt und haben oben und unten Mannlöcher
                              									zum Einfüllen und Ausleeren der Kohle. Die Zuleitung des Safts geschieht von einem
                              									10–20 Fuß höherstehenden Reservoir, wodurch ein stärkerer Druck verursacht
                              									wird, der die Wirkung der Kohle zu befördern scheint; zugleich wird aber auch
                              									dadurch das Durchfließen des Safts durch die hohe Kohlensäule beschleunigt. Vor
                              									Beginn der Filtration wird die Kohle in dem Filter durch oben zugeleiteten Dampf
                              									erhitzt oder ausgedämpft, was ihre Wirksamsamkeit erhöht und das so nachtheilige
                              									Erkalten des Safts verhindert.  Zu demselben Zweck wird der Saft auch in den Reservoiren
                              									durch Dampfröhren stets auf einer höheren Temperatur erhalten. Es ist zwar schon
                              									eine alte Erfahrung, daß das Erkalten des Safts nachtheilig einwirkt, man hat es
                              									aber nicht für so wichtig gehalten, um allem aufzubieten es zu verhüten. Dieses
                              									Erkalten des Safts findet bei einem unordentlichen und namentlich bei einem
                              									kleineren Betriebe so häufig statt und schmälert dadurch den Erfolg desselben nicht
                              									unbedeutend.
                           Die Anwendung größerer Filter vereinfacht die Arbeiten der Fabrik ungemein, denn
                              									selbst der größte Betrieb macht nur drei solcher Filter nöthig, wovon eines für den
                              									abgedampften, ein anderes für den geläuterten Saft in Gebrauch ist, während das
                              									dritte ausgeleert, gereinigt und gefüllt werden kann. Die Benützung eines solchen
                              									Filters dauert in der Regel 24 Stunden; man kann sie aber auch auf länger ausdehnen,
                              									nur darf sie nicht unterbrochen werden. Die Größe der Filter richtet sich nach der
                              									Menge der täglich verarbeiteten Rüben. Ihre Wirkung ist höchst überraschend; ich sah
                              									bei einem solchen, mit etwa 20 Cntr. nur wiederbelebter Kohle gefüllt, den
                              									20grädigen Saft von 300 Cntr. Rüben anfangs wasserhell und erst nach 24 Stunden
                              									weingelb gefärbt durchfließen. Die Gewinnung eines so schönen Safts ohne Anwendung
                              									von frischer Kohle verdankt man zum Theil aber auch der großen Sorgfalt, welche man
                              									auf die Wiederbelebung der gebrauchten Kohle verwendet, wovon ich später noch
                              									einiges sagen werde.
                           In den meisten Fabriken benützt man zum Einkochen des gereinigten Safts
                              									Vacuumpsannen, bei welchen die Luftleere durch Luftpumpen und Condensation erhalten
                              									wird. Ein solcher Apparat liefert denn aber auch aus dem schönen Safte eine
                              									Zuckermasse, aus der man in vielen Fabriken sogleich einen guten Meliszucker
                              									darstellt. Der vom ersten Product gewonnene Syrup wird sofort in Reservoiren
                              									gekocht, wozu man gegenwärtig meist eiserne Behälter von 3–4 Fuß Breite, 2
                              									Fuß Höhe und 10–15 Fuß Länge anwendet. Sobald die Krystallisation erfolgt
                              									ist, wird die Melasse aus mehreren im Boden des Behälters angebrachten Oeffnungen
                              									abgelassen, die Krystalle aber in den fast allgemein eingeführten Schützenbach'schen Kästen weiter gereinigt und als feiner
                              									Farinzucker verkauft. Das Reinigen des Zuckers sowohl in den Formen als Kästen
                              									geschieht nur durch Decken mit Zuckerwasser und Klärsel.
                           In neuerer Zeit hat man angefangen aus dem auf den Kasten gereinigten Zucker
                              									gleichfalls einen Hutzucker darzustellen, wozu man ihn nach dem Zerreiben etwas
                              									angefeuchtet in eine Messingform schlagen soll. Ich hatte keine Gelegenheit diese
                              									Operation mit anzusehen, kann  sie daher auch nicht näher beschreiben, eben so wenig den
                              									damals in der Fabrik von Hennige und Wiese gemachten Versuch, das Decken des Zuckers durch
                              									Aussaugen des Syrups zu beschleunigen, wie man dieß schon früher in Frankreich
                              									versuchte und was ich hier nur erwähne, um zu zeigen, wie unermüdlich thätig man an
                              									der Vervollkommnung der Fabrication arbeitet.
                           Hieher gehören auch die Versuche, die man anstellte, um den Saft durch
                              									Centrifugalkraft aus dem Breie zu gewinnen, wobei man zwar zu keinem befriedigenden
                              									Resultate gelangte dagegen aber dieselbe Vorrichtung und zwar mit gutem Erfolge zur
                              									Reinigung der zweiten und dritten Producte anwandte, indem diese damit sehr rasch
                              									vom Syrup befreit wurden. Ich sah die letztere Vorrichtung in der gräflich Stollberg'schen Maschinenfabrik zu Magdeburg, wo sie nach
                              									dem Entwurfe des dortigen Fabrik-Inspectors, Hrn. Schöttler, angefertigt worden ist.
                           Die ganze Rübenzuckerausbeute, welche man gegenwärtig erhält, ist zu 7–8 Proc.
                              									anzunehmen, wovon man 3–4 Proc. als Melis, 2–3 Proc. als Farinzucker
                              									und 1–2 Proc. als Syrup in den Handel bringt. An Melasse erhält man höchstens
                              									2 Proc. der verarbeiteten Rüben, sie wird theils verfüttert, meist aber zu
                              									Branntwein verarbeitet.
                           Die Wiederbelebung der Kohle geschieht, wie erwähnt, mit
                              									großem Fleiße und beschränkt dadurch die Anschaffung neuer Kohlen auf ein sehr
                              									geringes Quantum. Nach dem Gebrauche gibt man die Kohle sogleich in größere Behälter
                              									und übergießt sie hier mit Wasser, dem man auf 100 Quart etwa 1 Pfd. Salzsäure
                              									zusetzt; mit diesem Wasser erfolgt sehr bald eine lebhafte Gährung, die nach 8 Tagen
                              									vollendet ist. Nach dieser Gährung und dem Ablassen des Wassers übergießt man die
                              									Kohle noch einigemale in dem Behälter mit frischem Wasser und bringt sie dann in
                              									kleine Standen, wo man sie so lange mit salzsäurehaltigem Wasser übergießt, bis sie
                              									den aufgenommenen Kalk verloren hat. Um dieß genau zu erkennen, wendet man in
                              									einigen Fabriken das von dem Hrn. Chemiker Schatten in
                              									Halberstadt angegebene VerfahrenPolytechn. Journal Bd. XCV S. 104. an, was darin
                              									besteht, daß man eine gewisse Menge der Kohle mit einer bestimmten Menge Essig
                              									erhitzt und dann durch völlige Neutralisation untersucht, wie viel Kalk noch in der
                              									Kohle vorhanden war. Es soll dieser verdiente Chemiker seit einiger Zeit ein
                              									besseres Verfahren zur Wiederbelebung der thierischen Kohle erfunden haben, welche
                              									Erfindung  mir von
                              									einigen Fabrikanten, die sie anwenden wollten, sehr gerühmt wurde. Worin dieß
                              									bessere Verfahren besteht, konnte mir als Geheimniß nicht mitgetheilt werden; so
                              									viel ich aber vermuthe, besteht es in einer besseren Befreiung der Kohle von den
                              									aufgenommenen schleimigen Theilen, die selbst durch fleißiges Waschen nicht entfernt
                              									und wodurch beim späteren Glühen die Poren der Kohle nach und nach ganz verstopft
                              									werden.
                           Zum bequemeren Waschen findet man noch selten ganz
                              									geeignete Vorrichtungen, und ich glaube hier nochmals auf die hier in Hohenheim zu diesem Zweck angewandte Vorrichtung
                              									aufmerksam machen zu dürfen, die früher beschrieben und dadurch noch zu verbessern
                              									ist, daß man den Boden des unteren Theils vom Schlemmcanal aus einem fein
                              									durchlöcherten Eisen- oder besser Kupferblech anfertigt, von welchem das
                              									Wasser in den darunter stehenden Schlammbehälter abfließt, die gröbere Kohle aber
                              									zurückgehalten wird.
                           Das Ausglühen der Kohle geschieht im Magdeburgischen fast
                              									allgemein in den bekannten schmalen aufrechtstehenden Cylindern, die unten durch
                              									Schieber, oben aber durch Kapseln verschlossen werden. Durch sorgfältigen Verschluß,
                              									namentlich oberhalb, ist ein Verbrennen der Kohle wohl zu vermeiden, jedenfalls ist
                              									die Ersparung an Brennmaterial bei dieser Art des Ausglühens größer als der
                              									Vortheil, den man bei der Wiederbelebung in Töpfen durch größere Schonung der Kohle
                              									erlangen will.