| Titel: | Ueber die Anwendung des Chlorjods in der Photographie; von Dr. Fr. Heeren in Hannover. | 
| Fundstelle: | Band 101, Jahrgang 1846, Nr. V., S. 15 | 
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                        V.
                        Ueber die Anwendung des
                           							    Chlorjods in der Photographie; von Dr. Fr. Heeren in Hannover.
                        Aus den polytechnischen Mittheilungen von Volz und Karmarsch, 3tes und 4tes Heft.
                        Heeren, über die Anwendung des Chlorjods in der
                           								Photographie.
                        
                     
                        
                           Unter den verschiedenen, bis jetzt empfohlenen
                              									Beschleunigungsmitteln finden unstreitig die Brompräparate die
                              									häufigste Anwendung; ja, in den vorhandenen gedruckten
                              									Anleitungen zur Daguerreotypie geschieht, mit seltenen
                              									Ausnahmen, des Chlors nur beiläufig kurze Erwähnung.
                           Seit längerer Zeit bei meinen photographischen Versuchen
                              									vorzugsweise das Chlorjod benutzend, nachdem in früheren Jahren
                              									mit Brom und Bromverbindungen gearbeitet wurde, habe ich
                              									Gelegenheit gehabt, über die außerordentliche Bequemlichkeit und
                              									Sicherheit in der Anwendung des Chlorjods, so wie über die
                              									Bereitung und Behandlung desselben vielfältige Erfahrungen zu
                              									sammeln, welche dem gegenwärtigen Aufsatz zu Grunde liegen.
                           Die Schwierigkeit und Unsicherheit des Jodirens mit
                              									Bromverbindungen liegt in der so großen Veränderlichkeit dieser
                              									Präparate, so bald sie Jod und Brom in dem günstigsten
                              									Verhältnisse enthalten; und das ältere, noch jetzt so vielfältig
                              									übliche Verfahren, trocken zu jodiren, und darauf mittelst
                              									Bromwassers zu bromiren, ist der doppelten Operation wegen
                              									umständlich, und durch die Aufgabe, stets genau dasselbe
                              									Verhältniß zwischen Jod und Brom zu treffen, außerordentlich
                              									schwierig.
                           Die feste krystallinische Verbindung von Jod und Brom, welche
                              									entsteht, wenn Brom so lange mit pulverisirtem Jod versetzt
                              									wird, bis das Ganze zu einer krystallinischen Masse erstarrt
                              									ist, bietet schon bei der Bereitung große Unsicherheit, weil es
                              									nicht möglich ist, genau den Punkt zu erkennen, wo man mit dem
                              									Zusatz des Jods aufhören muß. Dem Gewicht nach beide Theile
                              									zusammenzubringen dürfte bei der außerordentlichen Flüchtigkeit
                              									des Broms kaum ausführbar seyn, und doch bildet die richtige
                              									Zusammensetzung des Präparats besonders dann eine wesentliche
                              									Bedingung, wenn man sich, nach dem neuerdings von Knorr gemachten Vorschlag, einer
                              									Auflösung von festem Bromjod in Aether bedient, weil sich in
                              									diesem Menstruum das ganze Präparat, gleichviel, ob es einen
                              									Ueberschuß des einen oder des anderen Bestandtheils enthalte,
                              									auflösen muß.
                           Bei Anwendung einer wässerigen Auflösung von Bromjod soll, um
                              									sicher einen Ueberschuß von Brom zu vermeiden, absichtlich mehr
                              									Jod angewendet werden, als das Brom binden kann, sofern beim
                              									nachherigen Auflösen in Wasser das überflüssige Jod sich
                              									ausscheidet. Die auf solche Art erhaltene Flüssigkeit kann zwar
                              									ziemlich lange unverändert aufbewahrt werden, allein das Jod ist
                              									in ihr zu sehr vorherrschend, wodurch die Empfindlichkeit der
                              									Jodirung gegen das Licht bedeutend abnimmt. Um diesem letzten
                              									Fehler abzuhelfen, versetzen einige Daguerreotypisten die zu
                              									jodhaltige Bromjodlösung beim Gebrauch mit Bromwasser, und
                              									richten sich dabei nach der Farbe der Flüssigkeit. Ich halte
                              									diese Methode für die leichteste und sicherste, habe jedoch
                              									selbst keine Erfahrungen darüber.
                           In der schon vorhin erwähnten höchst lehrreichen und praktischen
                              									Abhandlung des Hrn. Knorr
                              									Polytechn. Journal Bd. XCVI S. 448. sind die Schwierigkeiten in der Anwendung von
                              									Bromverbindungen ausführlich entwickelt, so daß sie keiner
                              									weiteren Darlegung bedürfen werden.
                           Wenden wir uns nunmehr zu der Anwendung des Chlorjods. Nach
                              									meinem, weiter unten ausführlich vorkommenden Verfahren
                              									dargestellt, bietet dieses Jodirmittel so große Leichtigkeit in
                              									der Anwendung, daß selbst unerfahrne Personen seine
                              									Instandhaltung und Anwendung in Zeit von wenigen Stunden so gut
                              									erlernen, daß ihnen das Jodiren der Platten selten mißlingt.
                              									Eine und dieselbe Portion dieser Flüssigkeit kann Monate lang
                              									gebraucht werden, wenn man nur Sorge trägt, sie täglich Morgens
                              									durch Vergleichung ihrer Farbe mit der Farbe einer
                              									unveränderlichen Normalflüssigkeit zu untersuchen, und
                              									nöthigenfalls durch Zusatz einiger Tropfen Jodtinctur zu
                              									restauriren. In Zeit von wenigen Minuten ist dieses Geschäft
                              									verrichtet, und man kann sodann den ganzen Tag hindurch mit
                              									stets gleichem Erfolg sich ihrer bedienen. Die Flüssigkeit
                              									bleibt vom Morgen bis zum Abend in dem mit genau schließender
                              									Glasplatte versehenen Jodirkästchen stehen, und wird Abends
                              									mittelst des weiter unten beschriebenen Hebers in die
                              									Vorrathsflasche zurückgegeben.
                           Gern gebe ich zu, daß die Empfindlichkeit des Chlors als
                              									Beschleunigungsmittel hinter der des Broms in etwas zurücksteht;
                              									wer würde aber nicht bei Anfertigung eines Bildes gern einige
                              									Secunden zugeben, wenn dadurch die Sicherheit der Arbeit
                              									wesentlich gefördert wird!
                           Die Ursache der bei den Freunden der Daguerreotypie vielfach
                              									verbreiteten Abneigung gegen das Chlorjod liegt ohne Zweifel
                              									darin, daß die bis jetzt veröffentlichten Anweisungen zur
                              									Bereitung desselben ein Präparat liefern, welches in Folge eines
                              									zu reichlichen Gehalts an Jod allerdings eine wenig empfindliche
                              									Jodirung gibt. Man erhält bekanntlich das gebräuchliche
                              									Chlorjod, wenn zu dem in einem Kölbchen befindlichen Jod so
                              									lange Chlorgas geleitet wird, bis sich beide zu einer dunkel
                              									braunrothen Flüssigkeit verbunden haben. Das so gewonnene
                              									flüssige Chlorjod wird zum Gebrauch in Wasser gelöst, dessen,
                              									gewiß nicht gleichgültige Menge verschieden, meistens zu dem
                              									sechzehnfachen des angewendeten Chlorjods, angegeben wird. Es
                              									scheidet sich hiebei jederzeit eine kleine Quantität Jod in
                              									Gestalt eines glänzend grauen krystallinischen Pulvers aus,
                              									welches man nach einiger Ruhe durch Filtration entfernt. Die so
                              									erhaltene Flüssigkeit gibt zwar sehr kräftige Bilder, ist aber
                              									wenig empfindlich, und bessert sich erst bei langer
                              									Aufbewahrung, indem sich das Verhältniß zwischen Chlor und Jod
                              									allmählich dergestalt ändert, daß das erstere mehr und mehr zum
                              									Vorherrschen gelangt, wodurch dann empfindlichere
                              									Jodirungen entstehen. Die Ursache dieser Aenderung liegt zum
                              									Theil in einer noch lange fortdauernden Ausscheidung von Jod,
                              									zum Theil in dem Eintritt einer Säurebildung, wobei
                              									verhältnißmäßig mehr Jod als Chlor aus der Verbindung tritt.
                              									Durch Zersetzung eines Antheils Wasser nämlich wird aus dessen
                              									Wasserstoff und dem Chlor Chlorwasserstoffsäure gebildet,
                              									während sich der Sauerstoff des Wassers mit dem Jod
                              									wahrscheinlich zu jodiger Säure vereinigt.
                           Es lag unter diesen Umständen gewiß sehr nahe, dem Präparat
                              									gleich von vornherein eine größere Menge Chlor einzuverleiben,
                              									wodurch dann eine feste Verbindung in Gestalt einer braunen
                              									krystallinischen Masse entsteht. Schon Dörffel in seiner trefflichen kleinen BroschüreBeschreibung des Daguerreotyps, von Dörffel. Berlin 1843. erwähnt sehr richtig, S. 22, daß die an Chlor reichere
                              									krystallinische feste Verbindung den Vorzug verdient. Sie löst
                              									sich in Wasser ohne Abscheidung von Jod vollständig auf, und
                              									besteht aus 1 Atom Jod gegen 2 Atome Chlor, ist also
                              									Doppelt-Chlorjod. Es ist nur praktisch fast unmöglich,
                              									diese Verbindung von genau constantem Chlorgehalt darzustellen,
                              									weil beim fortgesetzten Hinzuleiten des Chlorgases die flüssige
                              									Verbindung allmählich erstarrt, und sich in dem durch den
                              									Ueberzug von Chlorjod fast undurchsichtigen Glase der Augenblick
                              									nicht erkennen läßt, wo gerade alle Flüssigkeit krystallisirt
                              									ist, ohne daß die dritte noch höhere Chlorverbindung in Gestalt
                              									hellgelber Krystalle sich theilweise schon gebildet hätte.
                              									Selbst die Aufbewahrung und der Gebrauch des
                              									Doppelt-Chlorjods wird durch den Umstand unbequem, daß es
                              									an der Luft durch Verlust von Chlor gern in die jodreichere
                              									flüssige Verbindung zurückkehrt.
                           Die Leichtlöslichkeit des Doppelt-Chlorjods im Wasser gab
                              									einen Weg an die Hand, dasselbe zum Gebrauch in flüssiger
                              									Gestalt und in genau richtiger Zusammensetzung darzustellen. Man
                              									durfte nur eine genau gewogene Menge trocknes Jod mit wenigem
                              									Wasser übergießen und sodann getrocknetes Chlorgas so lange
                              									hinzuleiten, bis das Gefäß eine bestimmte Gewichtszunahme
                              									zeigte. Es entstand dann nur noch die Aufgabe, die
                              									solchergestalt erhaltene, genau nach dem günstigsten
                              									Gewichtsverhältniß zusammengesetzte concentrirte Chlorjodlösung
                              									vor der allmählichen Säuerung zu sichern, um sie in
                              									unverändertem Zustande aufbewahren und zum Gebrauch mit Wasser
                              									verdünnen zu können.
                           Da, allem Anschein nach, der Säurebildung die sogenannte
                              									disponirende Verwandtschaft zum Grunde liegt, oder,
                              									mit andern Worten, da die Affinität zwischen dem Wasser und der
                              									Chlorwasserstoffsäure (weniger wohl die zwischen Wasser und
                              									jodiger Säure) die Entstehung dieser Säuren aus den vorhandenen,
                              									nur noch nicht verbundenen Bestandtheilen veranlaßt, so war zu
                              									vermuthen daß, wenn dem Wasser eine andere Säure zugesetzt
                              									würde, zu welcher es ebenfalls große Affinität besitzt, dadurch
                              									die Anziehung zur Chlorwasserstoffsäure geschwächt, und somit
                              									die Säuerung des Chlors vermieden werden könne. Der Erfolg
                              									entsprach dieser Erwartung vollkommen. Ich versetzte nämlich das
                              									Wasser mit einer gewissen Menge Schwefelsäure, und habe gefunden, daß das so bereitete
                              									Chlorjod in concentrirtem Zustand, so weit meine bisherigen
                              									Erfahrungen reichen, bei der Aufbewahrung keiner Aenderung
                              									unterliegt.
                           
                        
                           Bereitung des flüssigen
                                 									Chlorjods.
                           Nach Darlegung dieser Betrachtungen gehe ich nunmehr zur
                              									Darstellungsweise des Chlorjods über. Ein Gläschen, etwa ein
                              									kleines Mixturglas, wird auf einer sehr empfindlichen Wage genau
                              									ins Gleichgewicht gebracht, und hierauf das Jod, welches der
                              									genauen Gewichtsbestimmung wegen vollkommen trocken seyn muß,
                              									hinein gethan, und genau gewogen. Das Gewicht desselben betrage
                              									z.B. 100 Gran. Man setzt nun genau das doppelte Gewicht, also
                              									200 Gran, verdünnter Schwefelsäure, durch Mischung von
                              									gewöhnlicher concentrirter, arsenikfreier Schwefelsäure mit der
                              									fünffachen Gewichtsmenge Wassers bereitet, hinzu, und beginnt
                              									sodann mit dem Hinzuleiten des Chlors, wobei natürlich das
                              									Gläschen von der Wage hinweggenommen wird. Das Chlor wird auf
                              									bekannte Art in einer gläsernen Retorte aus Braunstein und
                              									Salzsäure mittelst gelinder Erwärmung entwickelt. Um es
                              									ebenfalls nur der genauen Wägung halber von anhängenden Dämpfen
                              									zu reinigen, läßt man es vorher durch ein mit Stückchen Kreide
                              									und Chlorcalcium gefülltes Gläschen streichen. Die Kreide dient
                              									zur Beseitigung der etwa mit übergehenden Salzsäure, das
                              									Chlorcalcium zur Trocknung des Gases. Das Ende des
                              									Zuleitungsrohrs darf nicht bis in die Flüssigkeit hinabreichen,
                              									sondern bleibt etwa 1/2 Zoll davon entfernt.
                           Sobald die Chlorentwickelung, die übrigens nicht zu rasch
                              									erfolgen darf, im Gange ist, beginnt man das Gläschen
                              									fortwährend gelinde hin- und herzuschaukeln, um die
                              									Absorption des Chlors zu erleichtern. Das Jod löst sich nun in
                              									der Flüssigkeit mit braungelber Farbe allmählich auf, wobei eine
                              									sehr bemerkliche Erwärmung eintritt, der man, um jedem Verlust von Chlorjod durch Verdampfung vorzubeugen, durch
                              									Herumlegen eines mit kaltem Wasser befeuchteten Tuches begegnet.
                              									Wenn alles Jod gelöst ist, fährt man mit dem Hinzuleiten des
                              									Chlors noch eine Weile fort, und beginnt dann von Zeit zu Zeit
                              									die Gewichtszunahme des Gläschens auf der Wage zu untersuchen.
                              									Man sieht den Proceß als beendigt an, wenn das Gewicht des
                              									hinzugekommenen Chlors 66 Proc. von dem des Jods, also in
                              									unserem Beispiel 66 Gran beträgt. Um nicht aus Versehen diesen
                              									Punkt zu überschreiten, ist es rathsam, die Chlorentwickelung
                              									gegen das Ende sehr langsam fortgehen zu lassen, und die Wägung
                              									sehr oft zu wiederholen. Sollten indessen, was schwer zu
                              									vermeiden, jene 66 Proc. dennoch um ein Geringes überschritten
                              									seyn, so kann man diesen Ueberschuß durch Zusatz einer
                              									entsprechenden Menge Jods wieder ausgleichen. Die äußerste Genauigkeit ist bei diesen
                              									Wägungen erforderlich, so daß die Darstellung des Chlorjods nach
                              									meinem Verfahren auch nur von Personen ausgeführt werden kann,
                              									die in chemischen Arbeiten einige Uebung haben, und im Besitz
                              									einer sehr empfindlichen Wage sind. Die genaue Beobachtung des
                              									richtigen Verhältnisses zwischen Chlor und Jod ist so wichtig,
                              									daß schon 1 Proc. über oder unter jenen 66 einen sehr
                              									bemerklichen Einfluß auf die Güte des Jodirmittels übt. Es ist
                              									aber doch jedenfalls besser, eher etwas zu viel, als zu wenig
                              									Chlor anzuwenden, weil ein kleiner Ueberschuß desselben bei der
                              									weiter unten vorkommenden Regulirung der verdünnten Flüssigkeit
                              									mittelst Jodtinctur leicht zu beseitigen ist.
                           Es muß hier in theoretischer Beziehung darauf hingewiesen werden,
                              									daß das Verhältniß von 100 Jod zu 66 Chlor keineswegs allgemeine
                              									Gültigkeit hat, wie es sich ja auch mit keinem einfachen
                              									stöchiometrischen Verhältnisse reimt; daß es vielmehr ein
                              									durchaus relatives, und nur unter Voraussetzung der oben
                              									vorgeschriebenen Menge Schwefelsäure und Wasser, so wie der
                              									sogleich anzugebenden Verdünnung ermittelt und gültig ist.
                              									Wollte man z.B. die Schwefelsäure mit mehr oder weniger als der
                              									fünffachen Menge Wassers verdünnen, das angegebene Verhältniß
                              									des Chlors zum Jod aber beibehalten, so würde das Präparat ganz
                              									unbrauchbar ausfallen.
                           Das erhaltene Chlorjod bildet eine Flüssigkeit von dunkel
                              									orangegelber Farbe, und muß in einem Gläschen mit gut
                              									schließendem Glasstöpsel an einem dunkeln Orte aufbewahrt
                              									werden.
                           Für diejenigen HHrn. Daguerreotypisten, welche Versuche mit dem
                              									hier beschriebenen Chlorjod zu machen wünschen sollten, und
                              									keine Gelegenheit haben, es sich von einem geübten Chemiker
                              									verfertigen zu lassen, bemerke ich, daß der Laborant
                              									des polytechnischen Instituts zu Hannover, Hr. Nicolai, dasselbe unter meiner
                              									unmittelbaren Aufsicht bereitet, und gegen portofreie Einsendung
                              									des Betrags die Unze zu 1/2 Rthlr. abgibt.
                           
                        
                           Gebrauch des Chlorjods.
                           Das concentrirte Chlorjod muß zum Gebrauch mit destillirtem
                              									Wasser in dem Verhältniß von 1 : 32 verdünnt werden, so daß
                              									mithin 1 Loth desselben zur Verdünnung 1 Pfd. Wasser erfordert.
                              									Die so erhaltene Flüssigkeit besitzt gewöhnlich anfangs eine
                              									goldgelbe Farbe, wird aber nach einigen Stunden dunkel orange,
                              									und kann erst dann gebraucht werden. Es ist daher unerläßlich,
                              									die frisch angesetzte Flüssigkeit vor dem Gebrauch mindestens
                              									3–4 Stunden, lieber aber noch länger, etwa einen Tag
                              									stehen zu lassen. Offenbar bedürfen die in ihr wirksamen
                              									Anziehungskräfte zwischen Chlor, Jod, Wasser und Schwefelsäure
                              									einiger Zeit, um sich in den nachher bleibenden
                              									Gleichgewichtszustand zu setzen.
                           Die so erhaltene Flüssigkeit kann zwar, wie schon oben erwähnt,
                              									Monate lang fortgebraucht werden; sie bedarf indessen von Zeit
                              									zu Zeit einer kleinen Nachhülfe zum Ersatz des abgedunsteten
                              									Jods.
                           Beim fortgesetzten Gebrauch des verdünnten Chlorjods nämlich
                              									stellt sich eine langsam fortschreitende Mischungsänderung ein,
                              									wobei das Chlor mehr und mehr zum Vorwalten kommt, wie sich aus
                              									der matten, aschgrauen Farbe der mit einer so veränderten
                              									Flüssigkeit erhaltenen Bilder, so wie auch aus dem Hellerwerden
                              									der Flüssigkeit selbst ergibt. Ein geringer Zusatz von Jod hilft
                              									diesem Fehler sofort vollständig ab. Um sich nun in dieser
                              									Hinsicht von der richtigen Beschaffenheit der Flüssigkeit, sey
                              									dieselbe frisch angesetzt oder schon älter, zu überzeugen,
                              									richtet man sich mit großer Sicherheit nach ihrer Farbe, welche
                              									um so Heller orangegelb erscheint, je geringer der Jodgehalt,
                              									und umgekehrt. Es könnte hiegegen der Einwurf gemacht werden,
                              									daß die Farbe auch von der Concentration abhängig ist; da aber
                              									die Verdünnung des Chlorjods nach einem genau bestimmten
                              									Verhältniß (1 : 32) vorgenommen wurde, so können Unterschiede
                              									der Farbe nur von dem Verhältnisse zwischen Chlor und Jod
                              									herrühren. Zur sicheren Erkennung der Farbe bereitet man sich
                              									eine, selbst bei langer Aufbewahrung ganz unveränderliche gelbe
                              										Normalflüssigkeit durch Auflösen
                              									von doppelt-chromsaurem Kali
                              									in der 150fachen Gewichtsmenge destillirten Wassers. Die Farbe
                              									dieser Auflösung stimmt genau mit der Farbe überein, welche das,
                              									nach meiner Methode bereitete, verdünnte Chlorjod
                              									besitzen muß, vorausgesetzt, daß beide Flüssigkeiten in Gläsern
                              									von etwa 1 1/4 Zoll innerem Durchmesser sich befinden, denn in
                              									dickeren oder dünneren Schichten verglichen, ist die
                              									Uebereinstimmung nicht mehr so vollkommen. Man verschafft sich
                              									also zwei mit eingeriebenen Stöpseln versehene Glasfläschchen
                              									von dem angegebenen Durchmesser, und füllt das eine derselben
                              									ein für allemal mit der Normallösung; das andere wird dann
                              									jedesmal mit der zu untersuchenden Flüssigkeit gefüllt, und
                              									beide werden neben einander gegen das helle Tageslicht gehalten.
                              									Stimmt die Farbe beider Gläser genau
                              									überein, so kann man die Flüssigkeit als richtig beschaffen in
                              									Gebrauch nehmen. Sollte dagegen die Farbe zu hell erscheinen,
                              									was, wie erwähnt, nach mehrtägigem Gebrauch der Fall zu seyn
                              									pflegt, so muß durch Zusatz von Jod nachgeholfen werden, welches
                              									ich in weingeistiger Auflösung als Jodtinctur anwende. Da nun
                              									aber beim Hinzutröpfeln von Jodtinctur zu der kalten
                              									Chlorjodlösung sich gern ein Theil des Jods in Substanz
                              									ausscheidet, so ist es besser, eine kleine Menge Flüssigkeit in
                              									einem besonderen kleinen Gläschen über der Spirituslampe gelinde
                              									zu erwärmen, und unter Schütteln mit einigen Tropfen Jodtinctur
                              									zu versetzen. Hiebei scheidet sich kein Jod aus, und man bedient
                              									sich der gewonnenen, sehr jodhaltigen Flüssigkeit, nachdem sie
                              									durch Eintauchen des Gläschens in kaltes Wasser abgekühlt
                              									worden, zu dem in Rede stehenden Zweck.
                           Man wird dieses Verfahren, die Jodixflüssigkeit nach der Farbe zu
                              									restauriren, auf den ersten Anblick vielleicht für weitläufig
                              									halten; es ist aber in der That so leicht ausführbar, daß wenige
                              									Minuten hinreichen, die Flüssigkeit mit der Normallösung auf
                              									gleiche Farbe zu bringen, worauf sie dann sofort zum Jodiren
                              									benutzt werden kann.
                           Man mache es sich zur Regel, die Flüssigkeit so wenig, wie irgend
                              									möglich, dem Zutritt der freien Luft darzubieten, da sie sonst
                              									durch Verdunstung bedeutend verliert. Das gläserne oder
                              									porzellanene Jodirkästchen muß in dieser Absicht mit einer fast
                              									hermetisch schließenden aufgeschmirgelten Glasplatte geschlossen
                              									werden können, die beim Jodiren mit einer Pappe schnell
                              									vertauscht wird, in welche das zur Aufnahme der Platte bestimmte
                              									Loch eingeschnitten ist. Nach beendigter Jodirung, welche
                              									durchschnittlich etwa 4 Minuten erfordert, wird die Glasplatte
                              									sogleich wieder aufgelegt.
                           Um auch beim Einfüllen der Flüssigkeit in das Jodirkästchen, so
                              									wie beim Zurückgeben in die Vorrathsflasche den Zutritt der Luft
                              									zu vermeiden, bediene ich mich eines eigenen Hebers, dessen
                              									Beschreibung hier noch um so eher eine Stelle verdienen dürfte,
                              									als er auch bei anderen Flüssigkeiten dieselbe nützliche
                              									Anwendung finden kann. Die Vorrathsflasche nämlich ist mit einem
                              									Kork verschlossen, durch welchen zwei Löcher gebohrt sind. In
                              									das eine dieser Löcher ist eine, unten nur gerade durch den Kork
                              									hindurchreichende, oben dagegen etwa 4 Zoll hervorstehende
                              									Glasröhre eingesetzt; das andere Loch enthält eine heberförmig
                              									gebogene, zweischenkelige Glasröhre, deren einer Schenkel bis
                              									auf den Boden der Flasche herabreicht, während der andere,
                              									kürzere Schenkel nur einige Zolle lang ist. Soll nun die
                              									Flüssigkeit in das Jodirkästchen gebracht werden, so schiebt man
                              									die Glasplatte desselben nur eben so weit zur Seite, um den
                              									kürzeren Schenkel des Hebers hineinbringen zu können, nimmt das
                              									aufstehende Glasrohr in den Mund, und treibt durch Blasen die
                              									nöthige Menge der Flüssigkeit durch den Heber aus. Wünscht man
                              									später die Flüssigkeit zurückzubringen, so verfährt man im
                              									Uebrigen ebenso, saugt aber, statt zu blasen, wodurch sich der
                              									Heber sogleich füllt, und nun ohne ferneres Saugen zu fließen
                              									fortfährt. Um nachher die Vorrathsflasche, an welcher der Heber
                              									sitzen bleibt, völlig zu verschließen, darf man nur das offene
                              									Glasrohr mit einem Körkchen versehen.
                           Das Jodirkästchen wird am besten so weit gefüllt, daß die
                              									Flüssigkeit etwa 3/4 Zoll von der Platte entfernt ist. Man
                              									erhält so die gleichförmigste Jodirung.
                           Es ist bei Anwendung des Chlorjods ziemlich gleichgültig, ob die
                              									Jodirung ein wenig stärker oder schwächer ausfällt,
                              									vorausgesetzt daß die Platte mindestens zur rothen, oder
                              									höchstens zur dunkelblauen Farbe gebracht wird. Die günstigste
                              									Farbe scheint mir die röthlich violette zu seyn.
                           Wir haben jetzt noch einige Worte über die Empfindlichkeit des
                              									Chlorjods als Beschleunigungsmittel zu sagen, in welcher
                              									Hinsicht, wie schon erwähnt, dasselbe allerdings gegen
                              									Bromverbindungen in etwas zurücksteht. Mit einem kleinen Voigtländer'schen Apparat von 18 und
                              									19 Linien Oeffnung habe ich bei mäßig Hellem Wetter Nachmittags,
                              									die sitzende Person nach Nord-Ost gewendet, zur
                              									Herstellung hinreichend heller Bilder etwa 12–15 Secunden
                              									gebraucht. Ein großer Apparat von 36 Linien Oeffnung verlangt
                              									aus Gründen, die ich noch nicht habe entdecken können, gegen die
                              									sonst herrschende Annahme der schnelleren Wirkung, etwas mehr,
                              									etwa 20–25 Secunden. Mit der kleineren Maschine habe ich
                              									mehrfach die Mondsbahn aufgenommen, welche so kräftig
                              									hervortrat, daß sie einen fast ganz weißen Bogen auf schwarzem
                              									Hintergrunde darstellte.
                           Zum Schluß dieses Aufsatzes mag in der Kürze das Verfahren
                              									angegeben werden, nach welchem, meinen Erfahrungen zufolge, ohne
                              										Schwierigkeit und mit großer Sicherheit eine völlig
                              									gleichmäßige hohe Politur und vollkommene Reinigung der Platten
                              									erzielt wird.
                           Die auf dem mit Kautschuk überzogenen Polirholz festgeklebte
                              									Platte wird zuerst mit Tripel und einer Mischung von ungefähr
                              									gleichen Theilen starkem Weingeist und Aether geschliffen, wobei
                              									das Baumwollbäuschchen stets in kleinen Kreisen unter mäßigem
                              									Druck herumgeführt wird. Ist das Bäuschchen trocken, so feuchtet
                              									man die Platte wieder an und schleift abermals zur Trockne. Gute
                              									Platten bedürfen eines längeren Tripelns nicht. Hierauf wird
                              									ebenso mit Polirroth verfahren, wobei nur zu berücksichtigen
                              									ist, daß man sich eines nicht zu schwach gebrannten, also nicht
                              									zu weichen, mehr dunkelfarbigen, gehörig angreifenden Roths
                              									bediene. Es soll diese Behandlung nicht sowohl zum Poliren, als
                              									vielmehr zum Feinschleifen dienen. Nächstdem wird trocken mit ganz feinem Polirroth und
                              									Filz polirt. Der hiezu dienende Filz muß vom allerfeinsten Hasenhaar mit Sorgfalt
                              									angefertigt und nur schwach gewalkt seyn. Man reinigt ihn durch
                              									zweimaliges Auskochen mit starkem Weingeist, und Pressen. Ein
                              									Stück dieses Filzes von etwa 2 1/2 Zoll im Quadrat wird auf eine
                              									Unterlage von sehr dickem weichem Filz, und diese auf ein
                              									Brettchen von gleicher Größe geleimt. Die Oberfläche des Filzes
                              									wird nach dem Trocknen mit einer feinen Kratzbürste übergangen,
                              									wodurch sich das weiche seidenartige Haar länger hervorzieht.
                              									Beim Gebrauch wird dieser Filzballen mit ein wenig feinem Roth
                              									bestäubt, dasselbe mittelst der Kratzbürste eingerieben, und die
                              									Platte in allen Richtungen, kreuz und quer unter gelindem Druck
                              									damit polirt. Nachdem dieß einige Minuten fortgesetzt ist, folgt
                              									die letzte Politur, ebenfalls mit Filz, jedoch ohne weiteres
                              									Polirmittel und bei sehr gelindem Druck, wobei zuletzt nur in
                              									einer Richtung, quer polirt wird. Ist der Filz von guter
                              									Beschaffenheit und mit der Kratzbürste gehörig gerauht, so
                              									erhält man nicht nur eine rein schwarze Politur, sondern, was
                              									noch wichtiger, die Silberfläche ist überall gleichmäßig rein
                              									metallisch bloßgelegt, so daß die Bilder an Zartheit und
                              									Sauberkeit nichts zu wünschen übrig lassen.
                           Es versteht sich von selbst, daß die Filzballen mit größter
                              									Sorgfalt vor jeder Verunreinigung geschützt werden müssen. Sie
                              									sind dann von fast unvergänglicher Dauer.