| Titel: | Ueber die Theorie des Hrn. Leplay hinsichtlich der Reduction der Metalloxyde durch die Kohle; von Hrn. Gay-Lussac. | 
| Fundstelle: | Band 101, Jahrgang 1846, Nr. XXIX., S. 122 | 
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                        XXIX.
                        Ueber die Theorie des Hrn.
                           									Leplay hinsichtlich der Reduction der
                           								Metalloxyde durch die Kohle; von Hrn. Gay-Lussac.
                        Aus den Annales de Chimie et de Physique, Jun. 1846, S.
                              								221.
                        Gay-Lussac, über die Theorie des Hrn.
                           								Leplay hinsichtlich der Reduction der Mettaloxyde durch die
                           								Kohle.
                        
                     
                        
                           Man verdankt Hrn. Leplay eine neue
                              									Theorie der Reduction der Metalloxyde durch Kohle.Polytechn. Journal Bd. LXIII S. 282. Dieselbe läuft darauf hinaus, daß dem Kohlenstoff als
                              									festem Körper alle directe Wirkung auf die Oxyde abgesprochen
                              									und deren Reduction durch das Kohlenoxydgas erklärt wird,
                              									welches sich in allen Oefen bildet, worin man die Erze
                              									behandelt. Man hatte früher allgemein angenommen, daß die
                              									Reduction der Oxyde entweder direct durch die Kohle
                              									bewerkstelligt wird, nämlich im Fall ihrer Vermengung damit,
                              									oder durch Cementation bis ins Innere der Massen, wenn keine
                              									hinreichende Berührung stattfindet. Da nun die Cementation nach
                              									Hrn. Leplay eine unerklärte,
                              									geheimnißvolle Operation ist, so hielt er den Kohlenstoff für
                              									einen anormalen Körper und gerade dieß lenkte seine
                              									Aufmerksamkeit auf die Reduction der Metalloxyde. Als er die
                              									Zinkhütten im nördlichen Deutschland besuchte, wo man das Zink
                              									durch Erhitzen eines Gemenges von Zinkoxyd und Kohle gewinnt,
                              									bemerkte er mit Erstaunen, daß man die mehr oder weniger große
                              									Innigkeit des Gemenges als einen für das Gelingen der Operation
                              									sehr gleichgültigen Umstand betrachtet und dieß brachte ihn auf
                              									den Gedanken, daß die Reduction der Oxyde nicht durch Kohle,
                              									sondern durch Kohlenoxyd hervorgebracht wird. Diese Operation
                              									wird allerdings sehr leicht begreiflich mittelst der
                              									Dazwischenkunft des Kohlenoxyds, wenn sich solches erzeugen
                              									kann; dieses Gas würde eine Atmosphäre um die mineralischen
                              									Massen bilden und muß sie, indem es in ihre kleinsten
                              									Zwischenräume eindringt, viel schneller reduciren, als die
                              									Kohle, womit ihre Berührung weniger innig ist. Man muß folglich
                              									das Kohlenoxyd als das reducirende Agens und das Mittel
                              									betrachten, welches den Sauerstoff des Metalloxyds auf die Kohle
                              									überträgt. Seine Wirkung pflanzt sich in der Art fort, daß wenn
                              									man sich zwei Massen von Kohle und einem Oxyd vorstellt –
                              									welche sich in Entfernung von einander in einem geschlossenen
                              									Gehäuse befinden, aus dem jedoch die Gase
                              									austreten können – sie dennoch auf einander wirken
                              									werden, vorausgesetzt, daß das Gehäuse anfänglich mit Kohlenoxyd
                              									oder Kohlensäure oder bloß mit atmosphärischer Luft gefüllt war,
                              									und die Temperatur so hoch ist, daß sich die Kohlensäure im
                              									Augenblick ihrer Berührung mit der Kohle in Kohlenoxyd
                              									verwandeln kann.
                           Hr. Leplay hat sich auf zahlreichen
                              									metallurgischen Reisen überzeugt, daß in allen Oefen mit
                              									gepreßtem Luftstrom, worin man die Oxyde des Eisens, Bleies,
                              									Kupfers und Zinns reducirt, keine bemerkliche Berührung zwischen
                              									den Erzen und der Kohle stattfindet; daß die Operation sogar
                              									mißlingt, wenn die Vermengung derselben so vollkommen als
                              									möglich ist und daß im Gegentheil der Gang der Oefen um so
                              									vollkommner ist, je unbedeutender die Berührung ist. Hieraus zog
                              									er den Schluß, daß die Behandlung der Oxyde und der Metalle mit
                              									Kohle sowohl auf dem Wege der Vermengung, als durch Cementation,
                              									in allen Fällen bloß ein einfaches und wohlfeiles Mittel ist,
                              									sie der Wirkung des Kohlenoxyds zu unterziehen, und er stellte
                              									als Grundsatz auf, daß das Kohlenoxyd alle Verbindungen reducirt
                              									und alle Metalle mit Kohlenstoff verbindet, welche durch
                              									Cementation reducirt und mit Kohlenstoff verbunden werden
                              									können.
                           Bei dieser Theorie bietet der Kohlenstoff nichts anormales mehr
                              									bar, weil sich seine Wirkung durch diejenige des Kohlenoxyds und
                              									der Kohlensäure erklärt, welche ihm bei den meisten
                              									Erscheinungen im Großen, wobei er intervenirt, als Vehikel
                              									dienen. Obgleich die angegebene Theorie sich auf eine große
                              									Anzahl metallurgischer Beobachtungen gründete, wollte sie Hr.
                              										Leplay doch noch durch Versuche
                              									im Kleinen auf die Probe stellen und verband sich zu diesem
                              									Zweck mit Hrn. Laurent. Die
                              									Abhandlung, welche diese zwei ausgezeichneten Gelehrten
                              										veröffentlichten,Polytechn. Journal Bd. LXVIII S. 49. führt den Titel: „Theorie
                                    											der Cementation, mit dem Denkspruch: Corpora non agunt nisi
                                    										soluta.“
                              								
                           Ich will zuerst auf den Sinn dieses Denkspruchs aufmerksam
                              									machen, durch welchen die Ansicht der HHrn. Leplay und Laurent sich eigentlich erst recht klar herausstellt;
                              										die Körper wirken nur im aufgelösten
                                 										Zustand und können folglich, so lange sie im festen
                              									Zustand bleiben, unter den Umständen, worin sie sich befinden,
                              									nicht wirken. Wir wollen nun zu den erwähnten Versuchen über
                              									gehen.
                           
                           Die HHrn. Leplay und Laurent haben verschiedene Oxyde und
                              									Salze einem Strom Kohlenoxydgas in einer Porzellanröhre
                              									ausgesetzt, welche auf 25 oder 30 Grade Wedgwood erhitzt war und
                              									dabei folgende Resultate erhalten.
                           Ein Stück faseriger Rotheisenstein und ein Krystall von
                              									Oligonspath wurden vollkommen reducirt. Als man sie gegen die
                              									Mitte der Operation herausnahm, fand man sie in sehr compactes
                              									Oxydul-Oxyd verwandelt, welches mit einem Häutchen
                              									weichen Eisens überzogen war. Die Oxyde von Kobalt, Nickel und
                              									Zinn wurden zu Metall reducirt. Die Wolframsäure wurde in
                              									Wolfram verwandelt. Die Oxyde von Cerium, Chrom und Titan
                              									hingegen erlitten keine Veränderung.
                           Krystalle von schwefelsaurem Baryt und schwefelsaurem Kalk wurden
                              									vollkommen in Schwefelmetalle verwandelt.
                           Um zu beweisen, daß das Kohlenoxyd das reducirende Agens in den
                              									(mit Kohle) gefütterten Tiegeln ist, haben die HHrn. Leplay und Laurent in eine auf 30 bis 35 Grade Wedgwood erhitzte
                              									Porzellanröhre einen Krystall von rothem Eisenoxyd und ein Stück
                              									Holzkohle gebracht, wovon sich jedes besonders in einer kleinen
                              									Platinschale befand. Während der ganzen Dauer der Operation
                              									entwickelte sich ein Gemisch von Kohlenoxyd und Kohlensäure,
                              									wovon ersteres gegen letztere immer im Ueberschuß war. Nach
                              									beendigter Operation fand sich das Oxyd vollkommen zu Metall
                              									reducirt. Bei diesem Versuch beginnt die chemische Wirkung durch
                              									die Erzeugung von Kohlenoxyd mittelst des Sauerstoffs der im
                              									Apparat enthaltenen Luft: wenn dieses Gas nun mit dem Eisenoxyd
                              									in Berührung kommt, so reducirt es dasselbe und verwandelt sich
                              									dadurch in Kohlensäure, welche sich ihrerseits an die Kohle
                              									begibt und neuerdings Kohlenoxyd bildet. Auf diese Art wird das
                              									Oxyd nach und nach vollständig reducirt.
                           Was in der Porzellanröhre zwischen einer Masse Oxyd und einer
                              									Masse Kohle, welche von einander getrennt sind, vorgeht, muß
                              									nach den HHrn. Leplay und Laurent auch in den gefütterten
                              									Tiegeln stattfinden; nach ihrer Meinung liefert dieser Versuch
                              									den evidentesten Beweis, daß der Contact nicht nöthig ist.
                              										„Man hat uns eingewandt, sagen sie, unser Versuch
                                 										beweise nicht, daß der Contact gar keinen Einfluß in den
                                 										gefütterten Tiegeln habe und daß das Oxyd nicht gleichzeitig
                                 										sowohl durch das Kohlenoxydgas als durch Cementation
                                 										reducirt werde. Was versteht man aber unter Cementation?
                                 										Dieses Wort wurde erfunden, um eine unbekannte Ursache, eine
                                 										unerklärliche Wirkung, eine Anomalie anzuzeigen. Wir haben
                                 										gezeigt, daß diese Anomalie nur eine scheinbare ist; warum
                                 										will man also noch ferner eine geheimnißvolle Wirkung
                                 										annehmen, nachdem sich eine einfache Erklärung darbietet,
                                 										welche mit den allgemeinen chemischen Gesetzen vereinbar ist
                                 										und darin besteht, z.B. hinsichtlich der Verwandlung des
                                 										Eisens in Stahl zu sagen, daß er keineswegs durch Berührung
                                 										der Kohle selbst mit dem Eisen, sondern vielmehr durch das
                                 										Kohlenoxydgas erzeugt wird?“ Die HHrn. Leplay und Laurent haben zwar diese Theorie der
                              									Kohlenstoffaufnahme selbst umgestürzt, indem sie später
                              									anerkannten, daß das Eisen das Kohlenoxyd nicht zersetzt; neuere
                              									Versuche aber, welche von Hrn. Laurent angestellt wurden, führten ihn auf die
                              									Annahme, daß sich der Kohlenstoff bei einer sehr hohen
                              									Temperatur in Dampf verwandelt und daß die Kohlenstoffung des
                              									Eisens diesem Dampf zuzuschreiben ist, während der Kohlenstoff,
                              									so lange er im festen Zustand bleibt, sie nicht bewirken
                              									kann.
                           Dieß ist also die neue Theorie der HHrn. Leplay und Laurent
                              									hinsichtlich der Reduction der Metalloxyde durch die Kohle und
                              									der Kohlenstoffung durch Cementation. Diese zwei Operationen
                              									werden beide entweder durch das Kohlenoxyd oder den
                              									Kohlenstoffdampf bewerkstelligt; und da sie durch
                              									Dazwischenkunft dieser zwei elastischen Flüssigkeiten ganz klar
                              									und begreiflich werden, auch mit dem Princip der alten Chemiker
                              											„Corpora non agunt nisi
                                    											soluta“ Harmoniren, so muß die Wirkung
                              									des Kohlenstoffs als fester Körper Null seyn, weil man sie nicht
                              									begreift, weil sie geheimnißvoll ist. Wie viele Erscheinungen
                              									sind jedoch für uns in das tiefste Geheimniß gehüllt! Wenn man
                              									sie läugnet, werden sie dadurch erklärt? Die HHrn. Leplay und Laurent, obgleich sie bewiesen, daß das Oxyd und der
                              									Dampf des Kohlenstoffs Oxyde reduciren und Metalle mit
                              									Kohlenstoff verbinden können, hätten doch auch beweisen sollen, daß der Kohlenstoff als fester
                              									Körper unfähig ist dieselben Wirkungen hervorzubringen; die
                              									Erklärungen, welche so leicht zu finden sind, wären
                              									nachgekommen. Ihre Theorie ist also eine unvollständige,
                              									vielleicht in gewisser Hinsicht ungenaue, was ich durch einige
                              									kurze Bemerkungen nachweisen werde.
                           Ist es wahr, daß der Kohlenstoff als fester Körper, weder die
                              									Metalloxyde reduciren, noch die Metalle in Kohlenstoffmetalle
                              									verwandeln kann? Wenn man mit stark calcinirtem Lampenschwarz
                              									ein leicht reducirbares Metalloxyd, wie die Oxyde von
                              										Silber,Wenn das Silberoxyd mäßig mit Lampenschwarz in einer
                                    											Glasröhre erhitzt wird, reducirt es sich rasch mit einer
                                    											sehr starken Explosion. Quecksilber, Kupfer, Blei, Wismuth etc. erhitzt, so
                              									erfolgt die Reduction vor der Rothglühhitze und weit
                              									unter der Temperatur, wobei der Kohlenstoff die Kohlensäure in
                              									Kohlenoxyd verwandeln kann, und es entwickelt sich nur
                              									vollkommen reine Kohlensäure. Bei allen diesen Oxyden wird also
                              									die Reduction direct durch den Kohlenstoff bewerkstelligt und
                              									kann nicht dem Kohlenoxyd beigemessen werden, welches gar nicht
                              									vorhanden ist. Ohne Zweifel würde das Kohlenoxyd diese
                              									Metalloxyde bei einer geeigneten Temperatur ebenfalls sehr gut
                              									reduciren und gewiß schneller als der Kohlenstoff; darum handelt
                              									es sich aber nicht; es genügt mir zu zeigen oder vielmehr daran
                              									zu erinnern, daß der Kohlenstoff allein und bei einer sehr
                              									mäßigen Temperatur die Metalloxyde ohne alle Dazwischenkunft von
                              									Kohlenoxyd oder irgend einer andern elastischen Flüssigkeit
                              									reducirt.
                           Aber abgesehen von den Oxyden, welche der Kohlenstoff direct
                              									reducirt, bei einer niedrigem Temperatur als diejenige ist,
                              									wobei er die Kohlensäure zersetzen könnte – gibt es noch
                              									viele andere Oxyde, welche dem Kohlenoxyd sogar bei einer sehr
                              									hohem Temperatur widerstehen, hingegen durch den Kohlenstoff
                              									reducirbar sind. Solche sind die Oxyde von Mangan, Chrom,
                              									Cerium, Titan, Kalium etc.
                           Da nun der Kohlenstoff sowohl diejenigen Oxyde reducirt, welche
                              									nur eine mäßige Hitze erheischen, als auch diejenigen, welche
                              									eine sehr hohe erfordern, während unter diesen Umständen das
                              									Kohlenoxyd unwirksam bleibt, so ist es klar, daß er auch die
                              									Oxyde wird reduciren können, welche eine dazwischenliegende
                              									Hitze erfordern, bei welcher das Kohlenoxyd seine Wirkung äußern
                              									könnte; indem ich aber bemerke, daß der Kohlenstoff in diesem
                              									Fall gemeinschaftlich mit dem Kohlenoxyd die Reduction der Oxyde
                              									bewerkstelligen würde, will ich bloß die Thatsache hinstellen,
                              									indem ich übrigens überzeugt bin, daß das Kohlenoxydgas wegen
                              									seiner viel innigern Berührung mit dem Erz die Reduction viel
                              									schneller als die Kohle bewirken muß.
                           Man wird ohne Zweifel sagen, daß wenn ein Oxyd zu seiner
                              									Reduction durch Kohle eine sehr hohe Temperatur erfordert, nicht
                              									die Kohle, sondern der Kohlenstoffdampf das reducirende Agens
                              									ist. Dagegen läßt sich einwenden, daß die Dazwischenkunft des
                              									Kohlenstoffdampfs bei der Reduction der Oxyde und sogar dessen
                              									Existenz noch sehr problematisch ist; aber abgesehen hievon,
                              									warum soll man dem Kohlenstoff die Eigenschaft absprechen, bei
                              									einer hohen Temperatur die Oxyde unmittelbar (etwa durch
                              									Cementation) reduciren und die Metalle mit Kohlenstoff verbinden
                              									zu können, während es unbestreitbar ist, daß er unter den
                              									ungünstigsten Umständen, bei einer wenig hohen Temperatur direct
                              									eine große Anzahl von Metalloxyden reducirt?
                           
                           Wir müssen also nach directen Versuchen und den stärksten
                              									Analogien zugeben, daß der Kohlenstoff im festen Zustande auf
                              									andere ebenfalls feste Körper wirken kann, obgleich seine
                              									Wirkung unter gleich günstigen Umständen langsamer seyn muß, als
                              									die des Kohlenoxyds. Die HHrn. Leplay
                              									und Laurent nehmen, um die
                              									Cementation und Kohlenstoffung durch einfache Berührung zu
                              									erklären, Operationen welche für sie dunkle und geheimnißvolle
                              									sind, ihre Zuflucht zum dampfförmigen Zustand, welchen der
                              									Kohlenstoff annehmen kann und glauben damit alle Schwierigkeiten
                              									gelöst zu haben; aber die Cementation oder die Fortpflanzung
                              									einer chemischen Wirkung durch die Masse eines festen Körpers
                              									erfolgt eben so gut durch Hinzuthun von Substanz als durch
                              									Entziehen solcher; und wenn im letztern Fall die entzogene
                              									Substanz, z.B. der Sauerstoff eines Oxyds, wirklich Poren
                              									hinterläßt, welche einem elastischen Fluidum wie dem Wasserstoff
                              									oder Kohlenoxyd zugänglich sind, so ist dieß doch keineswegs bei
                              									der Cementation mittelst Zugabe von Substanz der Fall, z.B. bei
                              									der Vereinigung des Eisens mit Kohlenstoff, wobei das Metall
                              									seine ganze Undurchdringlichkeit beibehält. Wenn man also auch
                              									annimmt, daß der Kohlenstoffdampf anfangs eine Schicht
                              									Kohlenstoff auf der Oberfläche des Eisens abgelagert und
                              									daselbst eine Verbindung stattgefunden hat, wie soll sich diese
                              									Kohlenstoffung in das Innere der Masse fortpflanzen, welche dem
                              									Kohlenstoffdampf unzugänglich ist, und worin wird sie sich von
                              									derjenigen unterscheiden, welche sich durch die bloße Berührung
                              									der Kohle bewerkstelligt? Inwiefern wird sie endlich weniger
                              									geheimnißvoll seyn? Allerdings ist die Cementation in ihrer
                              									Allgemeinheit genommen, noch nicht hinreichend erklärt, aber man
                              									kann behaupten, daß sie gänzlich unabhängig ist von dem
                              									Flüssigwerden des cementirenden Körpers; denn sobald man
                              									annimmt, daß die Flüssigkeit in die Poren des festen Körpers
                              									eindringen und darin ihre Wirkung ausüben kann, findet
                              									eigentlich keine Cementation oder Fortpflanzung einer chemischen
                              									Wirkung durch seine Masse mehr statt, sondern bloß eine Wirkung
                              									vermittelst der Berührung oder Vermischung.
                           Dem Kohlenoxyd wird Niemand die Eigenschaft bestreiten, daß es
                              									als reducirendes Agens wirken kann; dieß weiß man schon lange;
                              									dafür zeugt seine große Verwandtschaft zum Sauerstoff genügend,
                              									und letztere wird durch die große Hitze bewiesen, die es während
                              									seiner Verbrennung hervorbringt; aber Hr. Leplay hat das Verdienst, auf die Wichtigkeit dieses
                              									Umstandes in der Metallurgie zuerst aufmerksam gemacht zu haben.
                              									Ich wollte auch mit diesen Bemerkungen nur den von ihm
                              									aufgestellten Grundsatz bestreiten, daß feste Körper nicht
                              									aufeinander wirken können, wenn nicht wenigstens
                              									einer von ihnen flüssig ist. Hr. Leplay täuschte sich dadurch, daß er auf den Hütten
                              									die Oxyde im großen Maßstab scheinbar durch die bloße Beihülfe
                              									des Kohlenoxyds reduciren sah und daß er folgerte, die Wirkung
                              									des Kohlenstoffs sey Null, weil sie ihm unbedeutend schien. Der
                              									Unterschied in der Wirkung des Kohlenoxyds und Kohlenstoffs,
                              									wenn diese Körper mit einem Oxyd zusammenkommen, welches sie
                              									beide zu reduciren vermögen, ist ohne Zweifel sehr groß; er
                              									beruht jedoch auf rein mechanischen Ursachen, derentwegen man
                              									die chemische Wirkung nicht vernachlässigen darf, welche jeder
                              									von ihnen, je nach den Umständen worin sie sich befinden,
                              									ausüben kann.
                           Wir wollen nicht bestreiten, daß die Cementation eine dunkle und
                              									geheimnißvolle Operation ist, wie die HHrn. Leplay und Laurent glauben; wir wollen aber auch nicht zugeben,
                              									daß dieß in so hohem Grad der Fall ist, daß man, um sie zu
                              									erklären, die evidentesten chemischen Sähe vergessen müßte. Die
                              									Cementation läßt sich begreifen, wenn die vorhandenen Körper in
                              									unbestimmten Proportionen wirken, wie der Kohlenstoff bezüglich
                              									des Eisens; wenn die Körper aber einmal im Zustand der
                              									Verbindung von Atom mit Atom sind, so ist die Mittheilung der
                              									einen Schichte an die andere sehr schwierig zu erklären.
                              									Indessen gestatten die merkwürdigen Versuche des Hrn. Berthier über die Cementation nicht
                              									zu zweifeln, daß sie hinsichtlich der stöchiometrischen
                              									Verhältnisse auch sprungweise erfolgt. Er fand nämlich, daß eine
                              									Masse rothen Eisenoxyds sich in einem gefütterten Tiegel
                              									gänzlich in magnetisches Oxyd verwandelt, bevor sich noch
                              									metallisches Eisen bildet; dann pflanzt sich die Reduction von
                              									der Oberfläche gegen den Mittelpunkt fort und zwar so, daß in
                              									dem Maaße als metallisches Eisen auf der Oberfläche entsteht,
                              									sich Hammerschlag im Innern und bis zum Mittelpunkt bildet, aber
                              									in abnehmenden Verhältnissen von der Oberfläche gegen diesen
                              									Punkt. Endlich wenn die Cementation sehr vorgerückt ist, besteht
                              									die Oberfläche des Königs bis auf eine beträchtliche Dicke aus
                              									stahlartigem Eisen. (Berthier.
                              										Essais par la voie sèche, Tom.
                                 										II pag. 186.)
                           Die HHrn. Leplay und Laurent haben auch gefunden, daß ein
                              									Stück faserigen Rotheisensteins und ein Krystall von Oligonspath
                              									durch Einwirkung des Kohlenoxyds vollkommen reducirt werden
                              									können, daß sie aber gegen die Mitte der Operation
                              									herausgenommen, in sehr compactes Oxyd-Oxydul verwandelt
                              									waren, welches mit einer Schicht weichen Eisens überzogen
                              									war.
                           
                           Dieses Resultat scheint zu beweisen, daß die Reduction sogar mit
                              									dem Kohlenoxyd (obgleich dasselbe in die durch die Entziehung
                              									von Sauerstoff freigelassenen Poren eindringen kann) durch bloße
                              									Cementation wie mit dem Kohlenstoff bewirkt wurde, nämlich durch
                              									successive Uebertragungen von der Oberfläche gegen den
                              									Mittelpunkt. Es ist sogar möglich, hievon eine genügende
                              									Erklärung zu geben.
                           Man muß sich erinnern, daß das Kohlenoxyd das Eisenoxyd reducirt
                              									und daß das metallische Eisen seinerseits die Kohlensäure
                              									zersetzt.
                           Wir wollen nun annehmen, daß das Kohlenoxyd gerade so stark
                              									reducirend wirke, als die Kohlensäure oxydirend. Es würde daraus
                              									folgen, daß ein Gemenge von einem Molekül Kohlenoxyd und einem
                              									Molekül Kohlensäure in Gegenwart eines Moleküls Eisenoxyd oder
                              									eines Moleküls metallischen Eisens, weder ersteres reduciren
                              									noch letzteres oxydiren könne. Es muß, damit eine Wirkung
                              									stattfinden kann, eines der beiden Gase im Verhältniß zum andern
                              									im Ueberschuß vorhanden seyn, und sie wird stets im Sinne des
                              									vorwaltenden Gases erfolgen.
                           Wenn wir uns also vorstellen, es sey eine molekulare Pore durch
                              									die Entziehung des Sauerstoffmoleküls, welches sie ausfüllte,
                              									frei geworden, und es habe sich ein Molekül Kohlenoxyd in sie
                              									gelagert, so ist kein Grund vorhanden, daß dasselbe auf ein
                              									Molekül umgebenden Oxyds wirken sollte; denn wenn die Reduction
                              									stattfinden könnte, hätte man ein Molekül Eisen und ein Molekül
                              									Kohlensäure nebeneinander, welche durch ihre gegenseitige
                              									Wirkung eben so gut Eisenoxyd und Kohlenoxyd reproduciren
                              									könnten. Unter der Voraussetzung, welche wir uns gestellt haben,
                              									wäre die Reduction nur möglich, wenn in die moleculare Pore
                              									mehrere Moleküle Kohlenoxyd gelangen könnten, was
                              									begreiflicherweise nicht stattfinden kann.
                           Es könnte also in dem gewählten Beispiel und vielen andern
                              									ähnlichen Fällen das Kohlenoxyd nicht in das Innere der Massen
                              									durchdringen und darin die Reduction bewirken. Wenn es also, wie
                              									wir glauben, wirklich das Hauptagens bei der Reduction der
                              									Eisenerze ist, so ist der Grund davon keineswegs, daß sich in
                              									denselben molekulare Poren befinden, sondern unzählige Spalten,
                              									welche seinen Zutritt in Masse zu jedem Molekül Eisen
                              									erleichtern. Wenn die Reduction auf diese Weise nicht
                              									vollständig erfolgte, weil die Massen von dem Kohlenoxyd nicht
                              									hinreichend durchdringbar sind, so gestattet das Schmelzen der
                              									Gangart diesem Gase sie vollends zu bewerkstelligen.
                           Dieses Beispiel zeigt, daß das Kohlenoxyd selbst unter solchen
                              									Umständen nicht ausreicht, wo seine Kraft zur Reduction
                              									hinreicht, und daß seine Wirkung weder so einfach noch so
                              									allgemein ist, wie die HHrn. Leplay und Laurent
                              									glaubten. Wenn ich nun auch keineswegs die Ansicht dieser Herren
                              									theile, daß die Cementation eine ganz geheimnißvolle Operation
                              									ist, so gestehe ich doch zu, daß sie besser studirt werden muß,
                              									als es bisher geschah und ich bin überzeugt, daß die Bemühungen
                              									in dieser Hinsicht nicht fruchtlos bleiben werden.
                           Wir dürfen nicht mehr blind an den Grundsatz der alten Chemiker
                              									glauben: „Corpora non agunt
                                    											nisi soluta,“ im Gegentheil wirken alle
                              									Körper, feste, flüssige und gasförmige auf einander, nur ist von
                              									diesen drei Zuständen der Körper der feste Zustand für die
                              									Ausübung ihrer Verwandtschaft der ungünstigste.