| Titel: | Ueber den Einfluß verschiedener Arten von Futter auf die Erzeugung von Milch und Butter; von Dr. Thomson. | 
| Fundstelle: | Band 101, Jahrgang 1846, Nr. XCVIII., S. 473 | 
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                        XCVIII.
                        Ueber den Einfluß
                           								verschiedener Arten von Futter auf die Erzeugung von Milch und
                           								Butter; von Dr. Thomson.
                        Aus der Chemical Gazette, Jul. 1846, Nr. 89.
                        Thomson, über den Einfluß von Futter auf die
                           								Erzeugung von Milch und Butter.
                        
                     
                        
                           Der Verfasser hat eine ausgedehnte Reihe von Versuchen über die
                              									Wirkung verschiedener Arten von Viehfutter als Nahrungsmittel
                              									angestellt; sie wurden mit zwei Kühen während 3 1/2 Monaten
                              									fortgesetzt. Die erzeugte Milch, das verzehrte Futter, die
                              									ausgezogene Butter und der Dung wurden für jede Kuh genau notirt
                              									und sind in Tabellen zusammengestellt. Die verschiedenen Arten
                              									verzehrten Futters und der erzeugte Dung wurden analysirt, um
                              									ihre näheren Bestandtheile, darunter ihren Gehalt an Wachs und
                              									Oel kennen zu lernen; dasselbe geschah mit der Milch und Butter.
                              									Auch wurde die Elementar-Zusammensetzung des Futters und
                              									Dungs bestimmt, um den verzehrten Stickstoff zu erfahren.
                              									Endlich wurde auch die Asche der verschiedenen zur Fütterung
                              									angewandten Substanzen analysirt. Als Viehfutter wurden nach
                              									einander versucht: Gras, Gerste, Malz, ein Gemenge von Gerste
                              									und Malz, ein Gemenge von Gerste und Leinsamen, endlich Bohnen.
                              									Folgende Tabelle enthält die Milch und Butter aus denselben nach
                              									einem Durchschnitt von fünf Tagen:
                           
                              
                                 
                                  Gras.
                                 Gerste.
                                 Malz.
                                 Gerste und Malz.
                                 Gerste und Leinsamen.
                                 Bohnen.
                                 
                              
                                 Milch
                                 114,0
                                 107,0
                                 102,0
                                     
                                    											106,0
                                           108,0
                                   108,0
                                 
                              
                                 Butter
                                     3,5
                                     3,43
                                     3,2
                                         
                                    											3,44
                                               3,48
                                       3,72
                                 
                              
                                 Dung bei 80° R.
                                    											getrocknet
                                   33,6
                                   34,6
                                   31,6
                                       
                                    											38,0
                                             34,6
                                     31,5
                                 
                              
                                 Stickstoff im
                                    											Futter
                                     2,3
                                     3,89
                                     3,34
                                         
                                    											3,6
                                               4,14
                                       5,27
                                 
                              
                           Man ersteht hieraus, daß Gras, welches kein Oel enthält, die
                              									größte Menge Milch und fast das größte Gewicht Butter liefert;
                              									dann daß Bohnen, welche zunächst die geringste Menge wirklichen
                              									Oels enthalten, das größte Gewicht Butter lieferten. Ferner
                              									ersieht man daraus daß, das Gras ausgenommen, die Butter mit dem
                              									Stickstoffgehalt im Futter zunahm. Den Umstand, daß das Gras
                              									eine Ausnahme bildet, sucht der Verf. dadurch zu erklären, daß
                              									es die für das System nöthigen Ingredienzien – nämlich
                              									einerseits die eiweißstoffartigen oder nährenden und
                              									andererseits die wärmeerzeugenden oder zur Unterhaltung der
                              									thierischen Wärme durch das Athmen erforderlichen
                              									– in den geeigneten Verhältnissen enthält.
                           
                        
                           Zusatz.
                           Ein aus London datirter Artikel in der Augsburger Allg. Ztg. vom
                              									6. Sept. d. J. berichtet über die Veranlassung und
                              									Hauptergebnisse dieser Versuche in wissenschaftlicher und
                              									praktischer Hinsicht folgendes:
                           
                              „In der vorjährigen Parlamentssitzung verlangten
                                 										gewisse Gutsbesitzer die Aufhebung der in England so hohen
                                 										Malzsteuer für den Fall, daß das Malz zur Viehfütterung und
                                 										nicht zur Branntweindestillation verwandt würde. Sie
                                 										behaupteten nämlich, daß das Malz viel besser nähre, ein
                                 										viel besseres Mästungsmittel sey als die Gerste. Die
                                 										Regierung befand sich in einem Dilemma; denn da bis jetzt
                                 										noch kein Mittel bekannt ist, das Malz zur Brennerei
                                 										untauglich zu machen und ihm doch seinen Werth als
                                 										Viehfutter zu erhalten, so fürchtete sie durch ein Nachgeben
                                 										Beförderung des Unterschiefs und Beeinträchtigung der
                                 										Revenüen. Sie wandte sich deßhalb an einige Chemiker zur
                                 										Entscheidung der Frage: ob denn überhaupt die Behauptung
                                 										gegründet sey, daß das Malz besser nähre als die Gerste, und
                                 										auch Liebig gab sein Gutachten
                                 										ab. Wie zu erwarten stand, fiel die Antwort verneinend aus,
                                 										da in dem Proceß des Malzens unter der Form von Kohlensäure
                                 										und Stickstoff nicht nur ein Antheil der zur Fett-
                                 										und Fleischbildung im Thierkörper dienenden Elemente
                                 										verloren gehe, sondern daß durch das Einweichen der Gerste
                                 										ein gar nicht unbedeutender Theil der für die Blutbildung so
                                 										wichtigen mineralischen Bestandtheile, namentlich der
                                 										löslichen alkalischen Silicate und Phosphate, entfernt
                                 										werde. Das einzige was von theoretischem Gesichtspunkt aus
                                 										zu Gunsten der Fütterung mit Malz gesagt werden konnte, war
                                 										seine leichtere Verdaulichkeit, indem das Stärkmehl der
                                 										Gerste während des Keimacts in Zucker verwandelt wird,
                                 										dieser sich leichter im Magen auflöst und assimilirt wird.
                                 										Auch fressen die Kühe das Malz wegen dieses Zucker gehaltes
                                 										gerne. Aber dieselbe Wirkung kann man auch erreichen, indem
                                 										man die Gerste vorher mit heißem Wasser übergießt, wodurch
                                 										man schon nach einigen Stunden denselben Vorgang, nämlich
                                 										die Umwandlung der Stärke in Zucker, herbeiführt, ohne den
                                 										großen Verlust beim Malzen; dann verwandelt auch eine
                                 										Handvoll Malz das Stärkmehl von mehreren Pfund Gerste
                                 										alsbald in Zucker, und selbst im Magen des Thiers ist diese
                                 										Umsetzung so schnell, daß im Grunde wenig durch eine
                                 										Erlaubniß gewonnen wird, wodurch der Schatz möglicherweise
                                 										beeinträchtigt werden könnte. Um indessen durch directe
                                 										Versuche den immer sich wiederholenden
                                 										Forderungen der Landwirthe entgegentreten zu können, wurden
                                 										die beiden Chemiker Thomson in
                                 										Glasgow, Oheim und Neffe, vom Bureau der Accise beauftragt
                                 										Fütterungsversuche anzustellen, und in der dießjährigen
                                 										Sitzung wurden ihre mit einem bedeutenden Geldaufwand
                                 										gewonnenen gemeinsamen Resultate dem Parlament vorgelegt.
                                 										Diese haben nicht nur die Vorzüge der Gerste über das Malz
                                 										zur Evidenz bewiesen, sondern es sind dabei auch recht
                                 										interessante Thatsachen über die Bildung von Butter und Fett
                                 										gewonnen worden, die durchaus die schon vor einigen Jahren
                                 										von Liebig aufgestellte Ansicht
                                 										bestätigen, daß der Thierkörper sein Fett nicht von dem in
                                 										den Pflanzen oder Früchten enthaltenen Oel oder Fett
                                 										entnehme, sondern daß er sich dasselbe aus dem Stärkmehl und
                                 										dem Zucker seiner Nahrung bilde. Schon vor einem
                                 										Jahrhundert, im Jahr 1742, stellte Beccaria von Bologna die Idee auf, daß Thiere und
                                 										Pflanzen aus denselben Substanzen zusammengesetzt sind,
                                 										welche sie verzehren, und in neuern Zeiten war es besonders
                                 											Dr. Prout, der dieselbe Theorie vertheidigte, und auf
                                 										die Milch als den Typus aller Nahrung hinwies. In dieser
                                 										Flüssigkeit sind die Hauptbestandtheile Oel, Casein und
                                 										Zucker; diese oder analoge Körper müßten nach ihm in die
                                 										Zusammensetzung aller gesunden Nahrung eingehen. Es war aber
                                 										besonders Liebig vorbehalten die
                                 										Abhängigkeitsverhältnisse, in denen die Gewebe des Körpers
                                 										zu den genossenen Dingen stehen, durch eine Reihe der
                                 										schönsten Versuche und durch scharfe lichtvolle Schlüsse als
                                 										physiologische Wahrheiten der Wissenschaft einzuverleiben.
                                 										Nur über die wirkliche Rolle der Stärke oder des Zuckers in
                                 										dem thierischen Haushalt entstand eine
                                 										Meinungsverschiedenheit. Man hatte erkannt, daß der
                                 										Faserstoff sich nur wenig in dem Körper verändere, aber ob
                                 										es nothwendig sey daß die Nahrung Oel enthalte um Fett zu
                                 										erzeugen, und daß keine andere Form der kohlenstoffigen
                                 										Elemente der Nahrung dieses hervorbringen könne, war ein
                                 										vielbestrittener Punkt. Boussingault behauptete, daß die Gegenwart des
                                 										Oels in der Nahrung, wenn nicht wesentlich, doch sehr nöthig
                                 										sey, um die Ablagerung von Fett im Körper zu vermehren,
                                 										während Liebig schon früher die
                                 										Meinung aufstellte, daß das Oel wohl in Butter und Fett
                                 										verwandelt, daß aber dieses Resultat in dem Thierkörper
                                 										hauptsächlich durch Desoxydation der Stärke und des Zuckers
                                 										herbeigeführt werde – eine Thatsache von ziemlicher
                                 										Wichtigkeit für den Landwirth, da sie ihn in der Auswahl und
                                 										Zubereitung der Nahrung für seine Milchkühe und beim Mästen
                                 										des Viehes leiten könnte. Die Untersuchungen des jüngeren
                                 											Thomson beweisen nun, daß
                                 										sich in dem Gras zwar eine durch Aether ausziehbare
                                 										wachsartige grüne Materie, aber kein Oel
                                 										befindet, und zwar befanden sich in 200 Gran getrockneten
                                 										Grases 42,3 Gran; in dem getrockneten Dünger waren auf 500
                                 										Gran 13,2 eines ganz ähnlichen grünen Wachses vorhanden. Die
                                 										Menge des Wachses in dem Futter der beiden zu dem Versuch
                                 										benützten Kühe war in 14 Tagen 57,3 Pfd., in dem Dünger 6,3
                                 										Pfd., sie hatten also 51 Pfd. Wachs consumirt. Die Menge
                                 										reiner Butter in 14 Tagen war 16,7 Pfd., woraus sich der
                                 										Ueberfluß des Wachses in der Nahrung auf 34,3 Pfd.
                                 										herausstellt. Das Wachs gehört zwar zu derselben Reihe
                                 										chemischer Verbindungen wie der Zucker, das Fett und das
                                 										Amylum, aber es enthält weniger Sauerstoff wie das Oel oder
                                 										die Butter, und es ist darum nicht anzunehmen, daß sich die
                                 										Butter aus demselben in dem Thierkörper gebildet habe,
                                 										dessen Thätigkeiten nicht auf Sauerstoffersatz, sondern auf
                                 										Sauerstoffentfernung hinausgehen. Hingegen läßt sich bereits
                                 										jetzt außerhalb des Körpers Buttersäure, ein
                                 										Hauptbestandtheil der Butter, aus Zucker erzeugen, und es
                                 										ist viel wahrscheinlicher, daß sich die letztere aus der
                                 										Stärke und dem Zucker der Nahrung, nicht aber aus dem Wachs
                                 										bildet. Die Bienen bilden Wachs aus Zucker; das Fett steht
                                 										in seiner chemischen Constitution zwischen beiden;
                                 										wahrscheinlich entsteht in dem Körper der Biene aus dem
                                 										Zucker zuerst Fett, und dieses wird dann durch den Verlust
                                 										eines kleinen Theils seines Kohlenstoffs und Sauerstoffs in
                                 										Wachs verwandelt, den niedrigsten Oxydationszustand der sich
                                 										im Thierkörper findet.
                              
                           
                              Aus diesen interessanten Untersuchungen ergibt sich ferner
                                 										eine Thatsache die von praktischem Nutzen für den Landwirth
                                 										werden kann. Wenn nämlich das Gras zuerst aufsproßt, so
                                 										enthalten die Blätter als Hauptbestandtheil Wasser, und die
                                 										Menge der festen Stoffe ist nur sehr geringfügig. Mit dem
                                 										weiteren Wachsthum bilden sich immer festere Formen von
                                 										Kohlenstoff, wobei sich der Zucker und die löslichen Stoffe
                                 										zwar zuerst vermehren, dann aber abnehmen und der Holzfaser
                                 										Platz machen. Wenn nun der Zucker ein so wichtiges Element
                                 										in der Nahrung ist, so sollte das Heu zu einer Zeit gemacht
                                 										werden, wann das Gras die größte Menge von in Wasser
                                 										löslichen Bestandtheilen enthält. Dieß ist aber der Fall in
                                 										einer früheren Periode seines Wachsthums, nicht wenn es
                                 										bereits Samen angesetzt hat, wo die Holzfaser bedeutend
                                 										vorwiegt, die viel weniger geeignet ist in einen löslichen
                                 										Zustand überzugehen. Auch durch die Art des Trocknens
                                 										verschlechtert sich das Heu; die Untersuchung ergab daß ein
                                 										großer Antheil der löslichen Stoffe des Grases bei dem
                                 										Trocknen verschwunden war, indem der Zucker und andere
                                 										löslichen Bestandtheile ausgewaschen oder zersetzt wurden.
                                 										Hieraus erklärt sich warum das Rindvieh eine größere Menge
                                 											Heu verzehrt, als einer
                                 										verhältnißmäßigen Menge Gras entspricht. Kühe die bei 100
                                 										Pfd. Gras bestehen konnten, sollten dafür nur 25 Pfd. Heu
                                 										brauchen, wenn das letztere durch das Trocknen nichts
                                 										verloren hätte. Thomsons Versuche
                                 										zeigen indessen daß eine Kuh 25 Pfd. Heu und 9 Pfd. Gerste
                                 										oder Malz bedürfte um dieselbe Menge Milch zu liefern und an
                                 										Gewicht nicht abzunehmen. Die Ursache dieser
                                 										Verschlechterung des Heues ist sein Gehalt an Wasser,
                                 										entweder durch unvollständiges Trocknen oder durch eine
                                 										Absorption dieser Flüssigkeit aus der Atmosphäre: der
                                 										stickstoffhaltige Bestandtheil des Grases erzeugt bei der
                                 										Gegenwart von Wasser Gährung, wodurch einer seiner
                                 										wichtigsten Bestandtheile, der Zucker, zerstört wird und
                                 										sich in Alkohol und Kohlensäure verwandelt. Bisweilen läßt
                                 										sich diese Zersetzung durch den Geruch wahrnehmen, der dann
                                 										dem in einer Brauerei ähnlich ist. Es ist zweifelhaft ob
                                 										selbst bei dem besten Trocknen an der Luft dieser
                                 										Wassergehalt in dem Heu hinreichend entfernt wird. Durch
                                 										künstliche Hitze würde dieser Zweck freilich erreicht;
                                 										solche Einrichtungen mögen auch wohl in England, wo die
                                 										Regenmenge viel bedeutender ist als in Deutschland, und wo
                                 										sie sich über das ganze Jahr vertheilt, wo überhaupt viele
                                 										Fragen aus der Landwirthschaft der Natur der Dinge nach ganz
                                 										anders beantwortet werden müssen, wie bei uns, mit Nutzen
                                 										anzuwenden seyn.“