| Titel: | Verfahren den Nicotingehalt des Tabaks zu bestimmen; von Th. Schlösing. | 
| Fundstelle: | Band 104, Jahrgang 1847, Nr. LXXVIII., S. 341 | 
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                        LXXVIII.
                        Verfahren den Nicotingehalt des Tabaks zu
                           bestimmen; von Th.
                              Schlösing.
                        Aus den Annales de Chimie et de Physique, Febr. 1847, S.
                              230.
                        (Nachtrag zu der im polytechn. Journal Bd. CIII. S. 373 enthaltenen
                           Abhandlung.)
                        Schlösing's Verfahren den Nicotingehalt des Tabaks zu
                           bestimmen.
                        
                     
                        
                           Um das Nicotin in irgend einem Tabak zu bestimmen, muß man dasselbe mittelst Ammoniak
                              isoliren und in Aether auflösen; durch Kochen des Aethers vertreibt man das
                              überschüssige Ammoniak, daher die alkalische Reaction des Rückstandes nur von
                              Nicotin herrührt: letzteres kann man dann leicht mittelst Schwefelsäure von
                              bekanntem Gehalt bestimmen.
                           Man beginnt damit den Tabak in Pulver zu verwandeln, wenn er es nicht schon ist; dieß
                              geht sehr leicht wenn sein Wassergehalt nicht über 10 Proc. beträgt. Das erhaltene
                              Pulver vermengt man gut und wiegt davon 10 Gramme für die Analyse ab: 10 andere
                              Gramme werden im
                              Wasserbad zwei Stunden lang ausgetrocknet, um den Wassergehalt des Tabaks zu
                              erfahren.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 104, S. 341
                              
                           Die Verdrängung des Nicotins durch Ammoniak und die Behandlung mit Aether geschehen
                              gleichzeitig in einem kleinen Apparat zur ununterbrochenen Destillation, ähnlich dem
                              von Hrn. Payen angegebenen. Er
                              besteht in einem tubulirten Kolben welcher den sechsten Theil eines Liters faßt,
                              worin das Kochen des Aethers vorgenommen wird. An seinem Hals ist eine Röhre
                              angebracht, welche durch eine gläserne Hülse geht, worin von unten nach oben ein
                              Strom kalten Wassers circulirt, so daß die aus dem Kolben durch die Röhre B entweichenden Dämpfe verdichtet in eine dritte Röhre
                              D von 2 Centimeter Durchmesser, die den Tabak
                              enthält, gelangen. Das untere Ende der Röhre D ist
                              ausgezogen und gebogen, um die mit Nicotin beladene Flüssigkeit in den Kolben
                              zurückzubringen. Die 10 Gramme Tabak werden in kleinen Portionen in die Röhre D eingetragen; auf jede hineingebrachte Portion gießt
                              man einen Tropfen Ammoniak. Hierauf bringt man in den Kolben die erforderliche Menge
                              Aether und seht den Apparat in Gang. Die Aetherdämpfe verdichten sich so
                              vollständig, daß man den Kolben ohne die geringste Gefahr über freiem Feuer erhitzen
                              kann. Die Behandlung dauert zwei bis vier Stunden, je nachdem der Tabak mehr oder
                              weniger leicht ist: das Kochen muß man so leiten, daß der Tabak immer von
                              Flüssigkeit bedeckt ist. Um sich zu überzeugen daß der Tabak vollständig erschöpft
                              ist, sammelt man einige Tropfen von dem aus der Röhre ablaufenden Aether, läßt sie
                              verdunsten, und probirt ob der Rückstand bei gelindem Erhitzen noch den Geruch des
                              Nicotins verbreitet.
                           Man ersetzt dann die Röhre mit Tabak durch einen kleinen Recipient, und nachdem man
                              die Tubulatur des Kolbens verpfropft hat, läßt man den Aether kochen, um das in
                              demselben aufgelöste Ammoniak auszutreiben. Die Aetherdämpfe sind anfangs stark
                              alkalisch, diese Eigenschaft derselben verschwindet aber bald; man hört mit dem
                              Kochen auf, sobald man befürchten muß, daß ein größeres Einengen der Flüssigkeit,
                              welches eine höhere Temperatur erfordert, einen Verlust an Nicotin zur Folge hat. Uebrigens muß man
                              sich überzeugen daß die Aetherdämpfe, welche sich in dem Augenblick verdichteten wo
                              die Operation unterbrochen wurde, weder Nicotin noch Ammoniak enthalten.
                           Nach dem Austreiben des Ammoniakgases gießt man die Flüssigkeit in dem Kolben in eine
                              kleine Schale, wascht den Kolben mit ein wenig Aether aus, welchen man der
                              Flüssigkeit beifügt und läßt sie an freier Luft verdunsten: man darf nicht zu viel
                              Flüssigkeit auf einmal in die Schale gießen, denn die Nicotinauflösung breitet sich
                              über die Wände der Schale aus und sucht über deren Rand zu gelangen. In dem Maaße
                              als der Aether verdunstet, sondern sich in der Flüssigkeit braune Flocken ab, die
                              sich beim Umrühren vereinigen und eine weiche Substanz von harzartigem Ansehen
                              bilden, welche den Geruch des Tabaks besitzt. Ungeachtet der Absonderung dieser
                              Substanz bleibt die Flüssigkeit gefärbt, weil das freie Nicotin eine gewisse Menge
                              davon auflöst: im Zustand eines Salzes verliert es glücklicherweise diese
                              Eigenschaft, so daß schon vor seiner vollständigen Neutralisation mit Schwefelsäure
                              die Angaben des Lackmuspapiers alle wünschbare Empfindlichkeit haben. Um sicher zu
                              seyn, daß der harzartige Körper kein Nicotin zurückhält, muß man ihn, wenn die
                              Neutralisation beendigt scheint, in der Flüssigkeit selbst kneten; eine merkliche
                              Wiedererscheinung des basischen Charakters beweist daß diese Vorsicht nicht unnütz
                              ist.
                           Bei mehreren Analysen von verschiedenen Sorten von Tabak habe ich mich überzeugt, daß
                              man von denselben eine solche Quantität anwenden muß, daß die Nicotinauflösung 200
                              bis 800 Milligramme dieser Basis enthält, weil sonst ihre Bestimmung durch
                              Neutralisation mit einer Säure von bekanntem Gehalt nicht mehr genau genug
                              bewerkstelligt werden kann. Mit einer Probeflüssigkeit welche nur 1/100 wasserfreie
                              Schwefelsäure enthält, kann man eine Annäherung von 1/200 erreichen. 500 wasserfreie
                              Schwefelsäure neutralisiren 2025 Nicotin.
                           Um den Nicotingehalt des Schnupftabaks zu bestimmen, braucht man dieses Verfahren gar
                              nicht abzuändern. Bei der Analyse von Schnupftabakmustern, die in einem Zwischenraum
                              von vier Monaten fabricirt worden waren, fand ich in dem ersten 2,01 Nicotin auf 100
                              trockenen Tabaks; im zweiten 2,09; im Mittel 2,04.
                           Der Schnupftabak enthält gewöhnlich 33 Proc. Wasser; sein Nicotingehalt reducirt sich
                              also auf 1,36 Procent. Nach der bekannten Zusammensetzung der Gemenge von Blättern,
                              welche zu seiner Fabrication dienen, habe ich berechnet daß diese Gemenge anfänglich
                              5 bis 6 Proc. Nicotin
                              enthielten; sie verloren also ungefähr zwei Drittel davon während ihrer zwei
                              Währungen in Masse und in den Kästen. Es wäre interessant zu untersuchen, was aus
                              diesem verlorenen Nicotin wird, ob die Güte des Schnupftabaks bei dessen Zerstörung
                              gewinnt, oder ob der Fabrikant diesen Verlust zu bedauern hat. Die Auflösungen von
                              Blättertabak reagiren in der Regel merklich sauer und wenn man solchen Tabak in dem
                              beschriebenen Apparat mit reinem Aether (ohne Zusatz von Ammoniak) behandelt, löst
                              sich nur sehr wenig Nicotin auf weil dasselbe als ein in Aether schwer auflösliches
                              Salz vorhanden ist.
                           Anders ist es bei dem Schnupftabak; ich konnte ihm mit Aether ohne Zusatz von
                              Ammoniak in drei Stunden das Nicotin vollständig entziehen, so zwar, daß er nur noch
                              den Geschmack des Kochsalzes hatte. Soll man daraus schließen daß das Nicotin im
                              Schnupftabak frei ist? Nein; denn die beim vorhergehenden Versuch erhaltene
                              Auflösung erforderte, obgleich sie sogar nach dem Kochen noch alkalisch reagirte, zu
                              ihrer Neutralisation nur so viel Schwefelsäure als 0,59 Nicotin auf 100 trockenen
                              Tabaks entspricht. Nun enthält aber letzterer 2,04 Proc. Nicotin; der größere Theil
                              desselben ist also als ein in Aether auflösliches Salz darin enthalten, wenn nicht
                              das Ganze als basisches Salz. Das Nicotin hat folglich seine Säure während der
                              Gährung gewechselt und sich zuletzt ohne Zweifel mit Essigsäure verbunden: denn
                              einerseits ist das essigsaure Nicotin eines der wenigen Salze dieser Basis, welche
                              in Aether auflöslich sind; andererseits färbt das im Schnupftabak enthaltene
                              Nicotinsalz eine verdünnte Auflösung von schwefelsaurem Eisenoxyd roth und entbindet
                              beim Erhitzen mit Schwefelsäure den Geruch der Essigsäure.
                           Aus dem Vorhergehenden folgt, daß die große Menge Ammoniak, welche der Schnupftabak
                              enthält, darin als Salz vorkommt; denn neben einem Nicotinsalz kann kein freies
                              Ammoniak bestehen.
                           Das Ammoniaksalz und das Nicotinsalz bringen mit einander durch ihre Auflösung den
                              Reiz der Nasenschleimhaut hervor.
                           Der stechende Geruch des Schnupftabaks rührt vielleicht von kohlensaurem Ammoniak
                              her, welches bei seiner Verflüchtigung Nicotin in freiem oder salzartigem Zustande
                              mit sich reißt. Das Arom rührt von anderen Substanzen her.
                           Zu einem genügenden Studium des Tabaks gehören noch viele Untersuchungen, besonders
                              um die so dunkle Frage seiner doppelten Gährung aufzuklären. Man müßte hiezu nicht
                              nur die Substanzen bestimmen, welche er ursprünglich enthält, sondern auch die bei
                              seiner Zersetzung
                              entstehenden, nämlich das Ammoniak, den Stickstoff, die Aepfelsäure und
                              Citronensäure, Essigsäure, Kohlensäure, das Harz, den Holzstoff, das wesentliche
                              Oel, die Asche etc.; man müßte zuerst das Verhältniß dieser Substanzen im
                              Blättertabak bestimmen und dann ihre Veränderungen während der ganzen Dauer der
                              Gährung verfolgen.
                           Diese Untersuchungen wurden im Laboratorium der königl. Tabakfabrik zu Paris bereits
                              begonnen, und das Resultat derselben wird seiner Zeit veröffentlicht werden.
                           Ich habe noch einer Eigenschaft des Nicotins zu erwähnen, welche in den Lehrbüchern
                              der Chemie nicht angegeben ist, nämlich daß es sehr schnell Feuchtigkeit aus der
                              Luft anzieht; in einem Tag kann es dadurch um ein Zehntel an Gewicht zunehmen; es
                              hält aber diese Feuchtigkeit nicht zurück, wenn man es in ein trockenes Gas
                              bringt.