| Titel: | Bericht über die Versuche des Hrn. Niepce hinsichtlich der Wirkung des Jod-, Phosphor-, Salpetersäure-Dampfs etc. auf Kupferstiche und Metallflächen etc. und die Anwendung derselben zur Erzeugung von Lichtbildern; von Chevreul. | 
| Fundstelle: | Band 107, Jahrgang 1848, Nr. XXIX., S. 111 | 
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                        XXIX.
                        Bericht über die Versuche des
                           								Hrn. Niepce hinsichtlich der Wirkung des
                           								Jod-, Phosphor-, Salpetersäure-Dampfs etc. auf
                           								Kupferstiche und Metallflächen etc. und die Anwendung derselben zur
                           								Erzeugung von Lichtbildern; von Chevreul.
                        Aus den Comptes rendus, Nov. 1847, Nr. 22.
                        Chevreul, über die Wirkung des Jod-,
                           								Phosphor- und Salpetersäure-Dampfs auf Kupferstiche,
                           								Metallflächen etc.
                        
                     
                        
                           Die Chemiker und Physiker haben den verschiedenen Arten von
                              									Molecularwirkungen, welche die Materie der Beobachtung
                              									darbietet, bei weitem nicht gleiche Aufmerksamkeit
                              									zugewendet.
                           Mit den Processen durch welche bestimmte Verbindungen erzeugt
                              									werden, beschäftigten sich beinahe nur die Chemiker; dahin
                              									gehören einerseits die aus den kräftigsten Verwandtschaften
                              									hervorgehenden Verbindungen, vermöge welcher sich Körper, wie
                              									der Sauerstoff, das Chlor etc. mit Kalium, Natrium etc.
                              									verbinden, andererseits die durch wechselseitige Neutralisation
                              									der Säuren und Alkalien entstehenden Verbindungen; ferner die
                              									bestimmten ternären und quaternären Verbindungen, bei welchen
                              									man eines ihrer Elemente, z.B. den Wasserstoff, durch einen
                              									andern Körper, wie Sauerstoff, Chlor etc. austreibt. Die
                              									Chemiker beschränkten ihr Studium aber nicht auf die
                              									vorübergehenden Erscheinungen dieser Processe, sondern
                              									erstreckten es auch auf die Eigenschaften der Producte.
                           Die Molecularwirkungen, vermöge welcher sich die unbestimmten
                              									Verbindungen bilden, z.B. die meisten Metalllegirungen, die
                              									Auflösungen fester oder gasförmiger Körper in neutralen
                              									Flüssigkeiten, und die durch Cementation entstehenden Producte,
                              									wie der Stahl, zogen nicht nur die Aufmerksamkeit der Chemiker,
                              									sondern auch einiger Physiker auf sich, weil es den Anschein hat
                              									daß bei diesen unbestimmten Verbindungen die schwächere
                              									Molecularwirkung die Erscheinungen den in das Bereich der Physik
                              									gehörigen mehr annähert.
                           Die Molecularwirkungen, durch welche in Flüssigkeiten aufgelöste
                              									Körper sich auf festen fixiren, ohne daß die Gestalt dieser
                              									letztern dadurch verändert wird, wie dieß bei den in Farbbädern
                              									gefärbten Zeugen der Fall ist, wurden bis jetzt nur von den
                              									wenigen Chemikern, die sich mit der Theorie der Färbekunst
                              									beschäftigten, näher untersucht.
                           Endlich beschäftigten sich Chemiker sowohl als Physiker mit der
                              									Untersuchung der Wirkungen, welche gewisse feste Körper,
                              									vorzüglich die porösen oder in unfühlbares Pulver
                              									verwandelten, auf elastische Flüssigkeiten ausüben. Ihre
                              									Aufmerksamkeit war dabei mehr auf die während des Processes
                              									stattfindenden Erscheinungen, als auf die bleibenden
                              									Eigenschaften gerichtet, welche die daran theilnehmenden Körper
                              									erhalten; was sehr natürlich ist, da die Verwandtschaft, von
                              									welchen man die bestimmten Verbindungen abhängig macht, nach der
                              									Ansicht vieler Chemiker in letzterm Fall nicht existirt.
                           Wir glaubten an diesen Standpunkt der Wissenschaft erinnern zu
                              									müssen, um die Beziehungen zum Verständniß zu bringen, in
                              									welchen die Untersuchungen des Hrn. Niepce damit stehen; denn in den von ihm beschriebenen
                              										VersuchenBeschrieben im vorhergehenden Heft des polytechn.
                                    											Journals S. 58. ist der Einfluß der Verwandtschaft unbestreitbar; es
                              									bilden sich bestimmte Verbindungen, denen ähnlich, wie sie sich
                              									in der Färberei erzeugen, wenn sich die Zeuge mit Säuren, Basen,
                              									Salzen, Farbstoffen verbinden, ohne in ihrem festen Zustande
                              									eine Veränderung zu erleiden; ferner verbinden sich die Dünste
                              									mit festen Körpern vermöge einer Attractiv-
                              									(Anziehungs-)kraft, welche bloß einen Theil ihrer
                              									Spannung zu besiegen im Stande ist, so daß im luftleeren Raum
                              									oder in einem Raum, der sich unter einer gewissen Gränze der
                              									Sättigung mit dem Dunste befindet, die in denselben gebrachten
                              									festen Körper den Dunst, welchen sie anfangs fixirt hatten, ganz
                              									oder wenigstens zum Theil wieder entweichen lassen.
                           Wir gehen nun auf die Wiedererzeugung eines Kupferstichs oder
                              									eines mit fetter Schwärze gemachten Abdrucks auf gestärktem
                              									Papier oder einem Stärke-Ueberzug, mittelst Joddampfes
                              									über.
                           Die Wiedererzeugung ist unbestreitbar, und sicherlich kann man
                              									sich eines Gefühles der Verwunderung nicht erwehren, wenn man
                              									die Treue sieht, mit welcher die zartesten Striche des Originals
                              									auf der Copie wiedergegeben sind.
                           Vom wissenschaftlichen Gesichtspunkt aus ist das Studium dieser
                              									Wiedererzeugung sehr interessant. Wird nämlich das Original dem
                              									Joddampf ausgesetzt, so schlägt sich dieser auf die schwarzen
                              									Stellen lieber nieder als auf die weißen; damit soll aber nicht
                              									gesagt seyn, wie es von Einigen verstanden wurde, daß die weißen
                              									Stellen ganz ausgeschlossen bleiben, denn bei längerer
                              									Einwirkung des Dampfs nehmen diese durch den sich darauf
                              									verdichtenden Joddampf eine bräunlich-orangegelbe Farbe
                              									an. Was ist also das Wahre an den Erfahrungen des Hrn. Niepce?
                           
                           1) Daß die schwarzen Stellen den Joddampf schneller und in
                              									größerer Menge absorbiren als die weißen; daß daher, wenn man
                              									ihm einen Kupferstich nur so lange aussetzt, daß die weißen
                              									Stellen sich nicht färben können, die jodirten schwarzen Stellen
                              									ihr Bild auf Kupfer und sogar auf einem Stärke-Ueberzug
                              									wieder erzeugen;
                           2) daß wenn ein Kupferstich lange genug dem Joddampf ausgesetzt
                              									war, damit die weißen Stellen sich jodiren konnten, das Jod,
                              									wenn man ihn dann lange genug der freien Luft aussetzt, die
                              									weißen Stellen wieder verläßt, während an den schwarzen Stellen
                              									soviel davon zurückbleibt, daß diese ihr Bild reproduciren
                              									können.
                           Alle diese Erscheinungen finden statt, wenn man die Körper bei
                              									einer und derselben Temperatur dem Dampf aussetzt, man mag sie
                              									an zerstreutes Licht oder ins Dunkle, an die Luft oder in den
                              									luftleeren Raum bringen.
                           Schlußfolgerung. Es existirt eine
                              									Anziehungskraft in der Materie der schwarzen Farben, welche die
                              									abstoßende Kraft des Joddampfs zu überwältigen vermag. Jene
                              									Kraft besitzt zwar auch die weiße Materie des Papiers, aber in
                              									einem schwächern Grade.
                           Sie ist mit der Kraft identisch, welche die Condensation der
                              									elastischen Flüssigkeiten auf der Oberfläche der Körper
                              									bewirkt.
                           Die Anziehungskraft, vermöge welcher die schwarzen Stellen den
                              									Joddampf fixiren, zeigt sich auch, wenn man einen Kupferstich
                              									vier Minuten lang in Jodwasser taucht; das Jod verläßt dann sein
                              									Auflösungsmittel, um sich mit der Materie der schwarzen Stellen
                              									zu verbinden, gerade so wie die Farbstoffe des Waus, Krapps etc.
                              									das Wasser verlassen, um sich mit den gebeizten Stellen eines
                              									Zeuges zu verbinden, während die nicht gebeizten frei bleiben.
                              									Die Anziehungskraft vermöge welcher die Farbstoffe sich mit dem
                              									gebeizten Zeuge verbinden, ist aber größer als diejenige welche
                              									das Jod disponirt, sich mit der schwarzen Materie des
                              									Kupferstichs zu verbinden, indem dieser, nachdem man ihn
                              									gewaschen hat, dasselbe an das feuchte Stärkmehl eines Papiers
                              									abtritt um das bekannte violettblaue Jodür zu bilden. Legt man
                              									endlich einen jodirten Kupferstich auf einen feuchten
                              									Stärkmehlüberzug, welcher einer Kupferplatte anhängt, so verläßt
                              									das Jod die schwarzen Stellen, geht durch das Stärkmehl
                              									hindurch, schlägt sich auf das Metall nieder, verbindet sich mit
                              									demselben und zeichnet das Bild darauf. Dasselbe Resultat erhält
                              									man auf noch elegantere Weise, wenn man ein auf Glas
                              									angebrachtes violettblaues Jodstärkebild befeuchtet und dann auf
                              									eine Kupferplatte legt; das gefärbte Bild verschwindet nach und
                              									nach, um sich auf der Kupferplatte in Jodkupfer zu
                              									reproduciren.
                           Gewiß gibt es hinsichtlich der chemischen Mechanik nur wenige so
                              									merkwürdige Erscheinungen als diese Aufeinanderfolge von
                              									Fixirung und Verdrängung des Jods bei einer Reihe von Körpern,
                              									deren jeder mit einer andern Attractivkraft begabt ist. So
                              									erinnert die schwarze Substanz eines Kupferstichs, welche das
                              									Jod stärker anzieht als das weiße Papier, zugleich an die
                              									Einwirkung der porösen Körper auf die Dämpfe und an diejenigen
                              									der gebeizten Zeuge auf die im Wasser gelösten Farbstoffe; das
                              									feuchte Stärkmehl, welchem die schwarze Substanz der
                              									Kupferstiche das Jod entzieht, bildet ein blaues Jodür, dessen
                              									Zusammensetzung ziemlich bestimmt zu seyn scheint; endlich
                              									bildet das Kupfer welches seinerseits der Stärke das Jod
                              									entzieht, mit diesem ohne Zweifel eine bestimmte Verbindung und
                              									– ein merkwürdiger Umstand bei allen diesen Verdrängungen
                              									– das von der schwarzen Materie, welche das Jod
                              									zuallererst absorbirte, erzeugte Bild besteht immer aus Jod!
                           Wir erachten es für zweckmäßig, ehe wir weiter gehen, einige
                              									Thatsachen beizufügen, welche beweisen daß die Joddämpfe auf den
                              									schwarzen Stellen eines Kupferstichs oder Druckbogens in Folge
                              									einer Attractivkraft condensirt werden; daher nicht angenommen
                              									werden kann, daß der Joddampf darauf stehen bleibe wie auf einem
                              									(bloß mechanisch) ihn aufhaltenden Körper, während er durch die
                              									weißen Stellen ungehindert hindurchsickere.
                           Wenn man einen jodirten Kupferstich 8–10 Minuten lang
                              									zwischen zwei Kupferplatten legt, so kommt das Bild auf jeder
                              									dieser Platten zum Vorschein. Die rechte Seite des Kupferstichs berührende Platte zeigt
                              									das Bild in umgekehrter Richtung zu
                              									der des Originals, während die die Rückseite berührende Platte das Bild in der geraden Richtung zeigt. Wären die
                              									schwarzen Stellen für den Joddampf undurchdringlich, würden sie
                              									sich nur verschließend gegen ihn verhalten, so hätte sich auf
                              									letzterer Platte kein Bild reproducirt. Hr. Niepce hat vollkommen dargethan, daß
                              									diese Reproduction auch ohne wirklichen Contact stattfindet,
                              									eine für die Theorie der Moser'schen
                              									Bilder sehr wichtige Thatsache.
                           Endlich, wenn man einen Kupferstich, ehe man ihn dem Joddampf
                              									aussetzt, mit einem fetten Körper überzieht, so absorbiren
                              									ebenfalls die schwarzen Stellen diesen Dampf und der Kupferstich
                              									kann sein Bild reproduciren, obgleich etwas schwächer, als wenn
                              									das Papier nicht geölt wurde.
                           Ein Unterschied in der Porosität zwischen den schwarzen und den
                              										weißen Stellen, kann die auf jenen leichter als auf diesen
                              									erfolgende Verdichtung des Jods nicht erklären. Während ein
                              									Lineal von Ebenholz, neben ein Lineal von porösem, weißen Holz
                              									gelegt, sein Bild auf einer Metallplatte reproducirt und
                              									letzteres Holz nicht, erzeugt ein Lineal von demselben weißen,
                              									aber mit Hutschwärze gefärbten Holz, neben ein Lineal von viel
                              									dichterm Holz gelegt und dem Joddampf ausgesetzt, sein Bild
                              									wieder und das zweite bleibt aus.
                           Diesen Versuchen zufolge reicht also eine Verschiedenheit der
                              									Porosität nicht hin, um das verschiedene Vermögen zweier Hölzer,
                              									eines schwarzen und eines farblosen, sich von Joddampf
                              									durchdringen zu lassen, zu erklären.
                           Die Eigenschaften von Bildern, welche man erhielt, indem man
                              									einen Kupferstich oder ein Druckblatt, die zuerst dem Joddampf
                              									oder auch den Dämpfen von Schwefel, Schwefelarsenik,
                              									Doppeltschwefeleisen, Salpetersäure, oder an der Luft langsam
                              									verbrennenden Phosphors aussetzte und diese Papiere dann auf
                              									Metalle auflegte, bieten dem Beobachter nicht minder
                              									bemerkenswerthe Thatsachen dar, als die eben besprochenen.
                           Das durch Jod auf Kupfer erzeugte Bild verlischt gerne wieder.
                              									Wenn nicht eine Veränderung des Jodürs hiezu beiträgt, so hat
                              									die Oxydation des nicht jodirten Kupfers sicher einen Theil
                              									daran.
                           Setzt man aber das Bild einige Minuten dem Dampf von
                              									Ammoniakflüssigkeit aus, so geht eine bedeutende Veränderung
                              									damit vor; das nicht jodirte Kupfer wird weiß und verliert
                              									seinen Metallglanz, während das jodirte Kupfer braun wird. Das
                              									Bild tritt dadurch deutlicher hervor, weil einerseits der
                              									Metallglanz vernichtet ist und andererseits der Gegensatz
                              									zwischen den Lichtern und Schatten größer wird als er war. Die
                              									mikroskopische Untersuchung klärt uns, wie wir unten sehen
                              									werden, diese Erscheinungen auf.
                           Was zwischen dem Jodkupfer und dem Ammoniak vorgeht, ist uns
                              									nicht bekannt.
                           Die durch den alkalischen Dunst bewirkte Veränderung der
                              									Oberfläche des nicht jodirten Metalls verschwindet nicht durch
                              									Behandlung derselben mit kaltem Wasser oder einer Auflösung von
                              									Blutlaugensalz; aber eine Flocke befeuchteter Baumwolle, mit
                              									welcher man das Ammoniakkupfer (cuivre
                                 										ammoniaque) reibt, färbt sich grünlichblau und nach dem
                              									Ansäuern wird sie sogleich kastanienbraun; die Baumwolle war
                              									nämlich mit Kupferoxyd und Ammoniak getränkt. Dieß erklärt uns,
                              									warum die Phosphorsäure, Essigsäure etc. auf das Ammoniakkupfer
                              									gegossen, eine metallische Oberfläche bloßlegen und Kupferoxyd
                              									und Ammoniak aufgelöst enthalten, welche durch
                              									Blutlaugensalz und Platinchlorid darin nachgewiesen werden
                              									können. Bemerkenswerth ist, daß das Ammoniakkupfer, nachdem man
                              									es zuerst der Wirkung der Säuren ausgesetzt, dann mit Tripel
                              									behandelte, ein dem reinen Kupfer ähnliches Ansehen hat, während
                              									Ammoniakkupfer, an welches keine Säuren kamen, unter gleichen
                              									Umständen zwar allerdings Glanz annimmt, immer aber etwas man
                              									und weiß bleibt, wodurch es sich von dem nicht modificirten
                              									Kupfer unterscheidet.
                           Durch letztere Wirkung geschieht es, daß ein auf der Kupferplatte
                              									jodirtes Bild, nachdem es dem Ammoniak ausgesetzt wurde, nicht
                              									verlischt, wenn man das Metall mit einer befeuchteten und in
                              									Tripel getauchten Flocke Baumwolle in der Richtung des
                              									ursprünglichen Schliffs der Platte reibt; ja, was noch mehr ist,
                              									es erhält sich jahrelang, also viel längere Zeit als ein auf
                              									Kupfer jodirtes Bild, welches von Ammoniak dunst nicht berührt
                              									wurde.
                           Die mikroskopische Betrachtung zeigt einen großen Unterschied
                              									zwischen der Oberfläche des polirten Kupfers und derjenigen von
                              									Kupfer, welches entweder dem Jod- oder dem Ammoniakdampf,
                              									oder beiden nacheinander ausgesetzt worden war. Die Oberfläche
                              									des in einer Richtung polirten Kupfers zeigt nämlich
                              									geradlinige, parallele Furchen mit einigen irisirenden Punkten,
                              									während die Oberfläche des durch obige Agentien modificirten
                              									Metalls kleine krummlinige irisirende Zeichnungen darbietet,
                              									deren Höhlungen nicht so tief sind, wie die Furchen des polirten
                              									Kupfers; kurz sie sieht aus wie feine Körnchen, welche durch
                              									einen schwachen Druck abgeplattet wurden.
                           Diese Verschiedenheit in der Art das Licht zu reflectiren, welche
                              									zwischen dem reinen metallischen Kupfer und dem durch Ammoniak
                              									modificirten Kupfer zu beobachten ist, erklärt uns vollkommen
                              									die Entstehung der Bilder des Hrn. Niepce. Sie ist offenbar eine Folge des Gegensatzes
                              									zwischen den Wirkungen des Lichts, welches von Oberflächen
                              									reflectirt wird, wovon die eine wie parallele Cylinder wirkt,
                              									die andere aber wie perpendiculär zu ihrer Achse cannelirte
                              									Cylinder, oder wie Punkte welche das Licht nach allen Richtungen
                              									ausstrahlen, statt es spiegelartig zu reflectiren. Die Theorie
                              									der optischen Wirkungen der Seidenzeuge (polytechn. Journal Bd.
                                 									C S. 23) läßt sich sonach zur Erklärung der physischen Erzeugung
                              									der Bilder des Hrn. Niepce de
                                 										Saint-Victor anwenden; man kann wirklich
                              									annehmen, daß das nach einer und derselben Richtung polirte
                              									metallische Kupfer nach Art des Atlasses und das modificirte
                              									Kupfer nach Art des Taffets wirkt.
                           Diese sehr einfache Theorie erklärt, weßhalb beim Beschauen eines
                              										Bildes, welches unmittelbar durch Auflegen eines jodirten
                              									Kupferstichs auf eine Kupferplatte entstand, die Schatten die
                              									jodirten Stellen des Metalls und die Lichtstellen jene sind,
                              									welche, da sie nicht jodirt wurden, ihren Spiegelglanz
                              									beibehielten, während nachdem die Platte dem Ammoniak ausgesetzt
                              									und mit Tripel überfahren wurde, die Schatten das metallische
                              									Kupfer und die Lichtstellen das Ammoniakkupfer sind. Es versteht
                              									sich von selbst daß, um deutlich zu sehen, der Beschauer im
                              									ersten Fall so stehen muß, daß das spiegelartig reflectirte
                              									Licht an seine Augen gelangt, während im letztern Fall das von
                              									dem Kupfer, dessen Jodirung durch den Tripel beseitigt wurde,
                              									spiegelartig reflectirte Licht nicht an sie gelangen darf.
                           Das Kupfer ist nicht das einzige Metall, auf welchem mittelst
                              									Joddampfs Bilder reproducirt werden können; denn Hr. Niepce zeigte daß solche auch auf
                              									Eisen, Zinn, Blei, Messing und Silber erzeugt werden können.
                              									Letzteres Metall aber setzt er, um das Bild zu fixiren, statt
                              									dem Ammoniakdampf, dem Quecksilberdampf aus.
                           Anderseits theilen viele elastische Flüssigkeiten mit dem
                              									Joddampf die Eigenschaft, die Bilder der einige Minuten mit
                              									ihnen in Berührung gebrachten Kupferstiche auf Metall wieder zu
                              									erzeugen. Wir werden davon einige Beispiele anführen.
                           Das Chlor fixirt sich auf den schwarzen Stellen eben so wie das
                              									Jod; doch sind die so erzeugten Bilder weniger deutlich.
                           Der Dampf des an der Luft erhitzten Schwefels und
                              									Schwefelarseniks ertheilen dem ihm ausgesetzten Kupferstich die
                              									Eigenschaft, sein Bild an eine Kupferplatte abzugeben, wenn er
                              									10 Minuten lang darauf gepreßt wird.
                           Der Dampf des Doppeltschwefeleisens bringt eine ähnliche Wirkung
                              									hervor, welche jedoch nicht so leicht hervorzurufen ist und
                              									weniger deutlich auftritt.
                           Sobald eine Wahlanziehung zwischen Dämpfen und verschiedenen
                              									festen Körpern dargethan ist – welche letztere
                              									miteinander ein Ganzes bilden, wie die verschiedenen schwarzen
                              									Substanzen, die auf einem weißen Papier so vertheilt sind daß
                              									sie Bilder irgend einer Art darstellen und die Dämpfe stärker
                              									anziehen als das weiße Papier – so kann der Schluß
                              									gezogen werden, daß es andere Dämpfe gibt, welche die
                              									entgegengesetzte Eigenschaft besitzen.
                           Letzteres Verhalten zeigt der Dampf einer Salpetersäure von 1,34
                              									Dichtigkeit; ein ihm ausgesetzter Kupferstich gibt sein Bild an
                              									eine Kupferplatte ab; allein der Dampf wurde hier von den weißen
                              									Stellen des Papiers absorbirt und folglich werden die Schatten
                              									vom metallischen Kupfer gebildet. Der Beweis daß es
                              									sich so verhalt, ist, daß wenn man den Kupferstich an blaues
                              									Lackmuspapier gepreßt hätte, die weißen Stellen roth und die
                              									schwarzen Stellen blau reproducirt worden wären. Wenn dieser
                              									Versuch auch nicht absolut beweist, daß die schwarzen Stellen
                              									den sauren Dampf nicht absorbirt haben – denn die
                              									Erscheinungen würden auf die besagte Weise auch in dem Fall
                              									eintreten, wenn die schwarzen Stellen den Dampf mit größerer
                              									Kraft anzögen als die weißen Stellen und ihn festhielten,
                              									während die weißen Stellen ihn an andere Körper abträten
                              									– so wäre doch die Wahlanziehung des sauren Dampfes
                              									bezüglich einer Reihe von Körpern nicht weniger vorhanden.
                              									Endlich ist beizufügen, daß Hr. Niepce sich überzeugte, daß eine weiß und schwarze
                              									Schwanzfeder vom Kibitz, dem Jod ausgesetzt, das Bild ihres
                              									schwarzen Theils dem Metall mittheilte, während sie, in
                              									Salpetersäure getaucht, den weißen Theil übertrug.
                           In einer Zeit wie die unserige, wo man die Dinge vom
                              									Gesichtspunkt ihres Nutzens zu betrachten gewohnt ist, werden
                              									ohne Zweifel viele mehr oder weniger wichtige Anwendungen von
                              									den Untersuchungen des Hrn. Niepce
                              									gemacht werden; insbesondere ist zu hoffen, daß die Photographie
                              									den Stärkeüberzug, und um so mehr den Einweißüberzug auf
                              									Glasplatten sich zu nutze machen und daß man dieselben in vielen
                              									Fällen beim Fixiren der im Focus der Camera obscura sich
                              									erzeugenden Bilder anstatt der Metallplatten oder des Papiers
                              									verwenden wird. Vom wissenschaftlichen Gesichtspunkt aus
                              									scheinen die Entdeckungen des Hrn. Niepce in folgenden Beziehungen die Beachtung der
                              									Physiker und Chemiker zu verdienen:
                           1) Hinsichtlich der Wahlanziehung, mit welcher ein und derselbe
                              									Dampf von verschiedenen Körpern fixirt werden kann.
                           So hat das Jod ein größeres Bestreben sich auf mehreren schwarzen
                              									Substanzen zu fixiren als auf weißem Papier, sowohl wenn es sich
                              									im Dampfzustande, als im Zustande einer flüssigen Auflösung
                              									befindet. Im erstem Fall wirken die schwarzen Substanzen wie
                              									poröse feste Körper, welche die Dämpfe verdichten; im andern
                              									Fall wie Beizen, welche die Farbstoffe auf Geweben fixiren.
                              									Andererseits treten die schwarzen Substanzen ihr Jod an
                              									Stärkmehl und dieses tritt es wieder an Metalle ab.
                           2) Hinsichtlich der Wahlanziehung gewisser Dämpfe, welche sich
                              									auf weißem Papier lieber fixiren als an den schwarzen Stellen
                              									einer fetten Schwärze; dieß ist z.B. bei dem Dampf der
                              									Salpetersäure der Fall.
                           3) Hinsichtlich der Schnelligkeit mit welcher ein Dampf auf einen
                              										festen Körper von der Dichtigkeit der Metalle wirken kann,
                              									z.B. der Dampf der Ammoniakflüssigkeit auf Kupfer.
                           4) Hinsichtlich des Abstandes, in welchem ein von der Substanz
                              									eines Bildes sich entwickelnder Dampf dieses Bild auf einer
                              									Fläche zu reproduciren vermag, an welcher sich dieser Dampf
                              									condensirt.
                           5) Hinsichtlich des sehr verschiedenen Einflusses, welchen
                              									verschiedene feste Körper auf die thierische Oekonomie ausüben
                              									dürften, nachdem sie einem und demselben Dampf ausgesetzt
                              									waren.