| Titel: | Ueber Verbesserungen in der Dampfschifffahrt; von Hrn. v.Seguier. | 
| Fundstelle: | Band 107, Jahrgang 1848, Nr. XXXVI., S. 161 | 
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                        XXXVI.
                        Ueber Verbesserungen in der
                           								Dampfschifffahrt; von Hrn. v.Seguier.
                        Aus den Comptes rendus, Octbr. 1847, Nr. 16.
                        Seguier's Verbesserungen in der
                           								Dampfschifffahrt.
                        
                     
                        
                           In einem früheren ArtikelPolytechn. Journal Bd. CVI S. 339. beschrieb ich die verschiedenen Veränderungen, welche
                              									die Dampfschiffe seit ihrer Erfindung erfuhren; ich erörterte
                              									die vorzüglichsten Versuche sie zu verbessern, mußte aber nach
                              									unparteiischer Prüfung gestehen, daß Veränderungen in der
                              									Einsetzung der Treibapparate und Vergrößerung der Dimensionen
                              									der Rümpfe alles war, was durch so viele Bestrebungen errungen
                              									wurde. Doch schien mir die Rückkehr zu einem, vom ersten Anfang
                              									an schlecht probirten Treiborgan, der Schraube (deren Wirkung beinahe null blieb, so lange
                              									mit derselben nicht eine Kraft verbunden wurde, die hinreichte,
                              									um ihr eine große Geschwindigkeit mitzutheilen), als eine der
                              									merkwürdigsten Epochen in der Geschichte der Dampfschifffahrt
                              									betrachtet werden zu müssen. Ich stellte aufrichtig sowohl die
                              									Vorzüge als die Mängel der Schraube dar; da mir aber letztere
                              									die ersteren zu überwiegen schienen, sprach ich mit einiger
                              									Scheu die Meinung aus, daß noch viel zu thun übrig sey. Der
                              									sicherste Weg um zu einem Fortschritt zu gelangen, schien mir
                              									die gemeinschaftliche Anwendung des Windes und des Dampfes zum
                              									Treiben der Schiffe zu seyn; ich schöpfte die Ueberzeugung, daß
                              									eine mechanische Vorrichtung, durch welche es möglich wäre,
                              									unter den günstigsten Umständen wechselweise sich bald des
                              									Windes allein, bald des Dampfes allein, dann wieder beider als
                              									verbundener Kräfte zu bedienen, einen wesentlichen Fortschritt
                              									in der Dampfschifffahrt begründen würde. Mit diesem Urtheile
                              									stimmt die franz. Akademie der Wissenschaften überein, indem sie
                              									die deßfallsigen Bestrebungen des Capitäns Béchameil, Commandanten des Schiffes
                              										„Véloce“, belobte. Was von
                              									diesem mit allen dem Staat zu Gebote stehenden Hülfsmitteln in
                              									großem Maaßstabe ausgeführt wurde, bemühte ich mich in sehr
                              									kleinen Verhältnissen zu wiederholen, wobei ich mir die
                              									Aufschlüsse der praktischen Erfahrung zu nutze machte. Ich
                              									versuchte auch einen Schritt weiter zu gehen.
                           Das zu lösende schwierige Problem stellte ich mir auf folgende
                              									Weise klar dar: ein Dampfschiff muß mit wenig Kosten vom Wind in
                              									Bewegung gesetzt werden können, ohne seine eigenthümlichen
                              									Vorzüge zu verlieren, welche eine Folge seines geringen
                              									Tiefgangs sind, einer zum sichern Schiffen längs der Ufer so
                              									wichtigen Eigenschaft. Seine Stabilität muß folglich in etwas
                              									anderm liegen als in dem Tieferlegen des Schwerpunkts und in der
                              									Tiefe seines Ganges; auch kann dieselbe nicht durch bloße
                              									Vergrößerung der Breite erzielt werden, ohne daß dieß seine
                              									Fortschaffung lediglich durch Dampfkraft gefährden könnte. Die
                              									Maste und das Takelwerk, welche zur Anwendung des Windes
                              									beitrugen, werden in letzterm Falle zu Hindernissen; eben so die
                              									mechanischen Treiborgane, sobald sie vorwärts zu treiben
                              									aufhören; sie halten dann auf, ihre Oberfläche vermehrt den
                              									Widerstand des Hauptquerschnitts des Schiffes. Diese und jene
                              									sollen daher, wo ihr Dienst nicht mehr erforderlich ist,
                              									verschwinden oder doch kleiner werden; der Rumpf des Schiffes
                              									selbst muß für die Fortschaffung mittelst Dampf die
                              									vollendetsten Formen beibehalten, und doch muß er im Augenblick,
                              									wo der Gebrauch der Segel ihn durch einen Seitenwind aus seiner
                              									Horizontalität zu bringen droht, einer größern Verrückung von
                              									der Seite her zu begegnen vermögen. Diese verschiedenen,
                              									einander beinahe widersprechenden Bedingungen sind es, welche
                              									ich zu vereinigen suchte durch Anwendung eines Rades mit sich
                              									drehenden Schaufeln.
                           Als ich der Akademie das Modell desselben vorsetzte, versäumte
                              									ich nicht anzuerkennen, daß der Gedanke der nach dem Radius sich
                              									in Zapfen drehenden Schaufeln sehr alt ist; daß schon im J. 1819
                              									ein in England gebautes eisernes Fahrzeug, der
                              										„Aaron-Mamby“, nach Frankreich
                              									kam, wobei man sich von den Mängeln überzeugte, welche dieses
                              									Rad besitzt, wenn die Functionen der Schaufeln nicht unter jenen
                              									mathematischen Bedingungen geschehen, welche ich dafür zuerst
                              									vorgeschrieben zu haben glaube. Buchanain in Amerika und Sciardo in Frankreich hatten auch schon dieselbe Idee,
                              									aber wahrscheinlich nicht hinlänglich bedacht, daß, damit solche
                              									Organe rasch und lange Zeit ihren Dienst verrichten können, ihre
                              									Bewegungen unter solchen Umständen stattfinden müssen, daß die
                              									Masse der Schaufeln am Anfang und am Ende jeder Drehung
                              									Null-Geschwindigkeit passirt. Auch ist zu erwähnen, daß
                              									keiner der Erfinder dieser Art von Rädern aus den
                              									Gedanken kam, sie so einzurichten, daß man den Zeitpunkt der
                              									Drehung variiren kann, um die Wirkung der Schaufeln während
                              									ihrer Ruhe, wenn das Schiff mit Segeln geht, aufzuheben.
                              									Folgendes sind die Vorzüge meines Rades; ich brauche dasselbe
                              									nicht mit allen früher vorgeschlagenen, versuchten und wieder
                              									aufgegebenen, sondern nur mit denjenigen zu vergleichen, deren
                              									man sich heutzutage mit gutem Erfolge bedient und deren
                              									Anwendung täglich sich mehr zu verbreiten scheint.
                           Diese Räder sind nach ihren Erfindern benannt und unter dem Namen
                              										Cavé'sches und Morgan'sches Rad bekannt. Sie
                              									bestehen aus horizontal sich drehenden Schaufeln, welche ihre
                              									Bewegung von einem einzigen Excentricum erhalten, womit sie
                              									durch eine Reihe von Treibstangen in Verbindung stehen. Wenn man
                              									die von ihnen zu verrichtende Arbeit sorgfältig untersucht, so
                              									findet man bald die Ursache ihrer schnellen Zerstörung. Jede
                              									Schaufel nämlich strebt am Anfang und am Ende ihrer Wirkung sich
                              									um ihre Achse zu drehen; dieser dem Widerstand des Schiffs oder
                              									der Kraft der Maschine gleiche Kraftaufwand bringt durch
                              									Vermittelung der Treibstangen einen Druck hervor, welchem die
                              									Oberfläche des Excentricums, die umsonst mit Oel oder Fett
                              									geschmiert wird, weil sie unaufhörlich wieder weggewaschen
                              									werden, nicht lange widerstehen kann. Das Excentricum, welches
                              									während seiner Ruhe schon unter dem zerstörenden Einfluß des
                              									Seewassers leidet, wird bald dienstunfähig. Die solidarische
                              									Verbindung aller Schaufeln in Folge der Befestigung der
                              									Treibstangen am Halsstück, welches sie mit dem Excentricum
                              									vereinigt, macht das Rad dienstunfähig, sobald nur eine einzige
                              									dieser Treibstangen unter der bedeutenden Last, die sie alle
                              									zugleich beim Eintauchen und Austauchen jeder Schaufel zu tragen
                              									haben, nachgeben muß. Bei meinem Rad findet alles dieses nicht
                              									statt; hier sind alle Schaufeln von einander unabhängig, sie
                              									drehen sich nach dem Radius in langen Zapfenlagern von hartem
                              									Stoff; die Kurbel, womit ihre Achse versehen ist, macht sie ohne
                              									Mühe einer Leitcurve folgen, welche keinen andern Widerstand zu
                              									überwinden hat, als bloße Achsenreibungen. Diese Curve ist
                              									beweglich, um den Zeitpunkt ihrer Functionen abändern zu können;
                              									meine Schaufeln, vorbereitet durch eine leichte Abweichung ihrer
                              									Stellung zur Winkelbewegung, welche sie von der Flüssigkeit
                              									selbst, auf die sie wirken, fortwährend empfangen, geben nach,
                              									statt Widerstand zu leisten. Diese Bemerkung allein macht schon
                              									die Vorzüge einleuchtend, welche meine Einrichtung bezüglich der
                              									Dauer der Organe hat. Ich sagte oben, daß alle Stöße dadurch
                              									vermieden werden, daß ich die Leitcurve so zu führen suchte, daß
                              									die Masse der Schaufel Null-Geschwindigkeit
                              									passirend in Bewegung gesetzt und angehalten wird; diese
                              									Eigenschaft meines Rades ist es, welcher ich den größten Werth
                              									beilege, weil sie allein dessen Dauerhaftigkeit verbürgt. Die
                              									Breite meines Rades kann eine unbeschränkte seyn; eine und
                              									dieselbe Leitcurve kann mehreren nebeneinander befindlichen
                              									Reihen von Schaufeln eine gleichzeitige Bewegung mittheilen; es
                              									brauchen zu diesem Behufe nur die Schaufeln der verschiedenen
                              									Reihen durch eine gemeinschaftliche Treibstange solidarisch
                              									verbunden zu werden.
                           Die Gliederung der Schaufel nach dem Radius hat den großen
                              									Vortheil, es ihr möglich zu machen, daß sie jedesmal den Schnitt
                              									darbietet, wenn die Bewegungen des Schiffs oder das Austreten
                              									des Wassers aus seinem Niveau derart sind, daß die antreibende
                              									Bewegung des Rades dadurch verzögert wird.
                           Der Reibung erster Art am Halsstück des Excentricums konnte ich
                              									bei meiner Leitcurve eine Reibung durch Drehung von Rollen
                              									substituiren, deren beinahe gar keinem Drucke ausgesetzte Achsen
                              									nicht mehr zerstört werden, wie es bei jenen der Fall war, mit
                              									welchen man vergebens das Cavé'sche Rad versehen wollte. Wenn meine Räder in
                              									Ruhe sind, so wirken sie vermöge ihrer nach dem Radius sich
                              									drehenden Schaufeln gewissermaßen lavirend, nachdem meiner
                              									Leitcurve eine solche Stellung gegeben wurde, daß die Schaufeln
                              									an ihrem untern Theil austreten; sie tragen in dieser Stellung
                              									nicht wenig bei, um bei Anwendung der Segel den guten Gang eines
                              									Schiffes zu sichern, welches nicht mit hohem Kiel versehen ist
                              									und dessen geringer Tiefgang als ein schätzbarer Vortheil
                              									erhalten werden soll.
                           In einer künftigen Mittheilung werde ich, durch die
                              									einsichtsvolle Beihülfe des Hrn. Delamorinière, ehemal. Oberingenieur der
                              									Marine, und den guten Erfolg ähnlicher Constructionen, welche
                              									seit der meinigen in England ausgeführt wurden, ermuthigt,
                              									auseinandersetzen, wie der Rumpf eines Dampfschiffes behufs der
                              									gleichzeitigen Wind- und Dampfschifffahrt construirt
                              									werden muß.