| Titel: | Ueber den Einfluß des Kochsalzes auf die Vegetation und seine Anwendung in der Landwirthschaft, von Becquerel. | 
| Fundstelle: | Band 107, Jahrgang 1848, Nr. L., S. 220 | 
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                        L.
                        Ueber den Einfluß des
                           								Kochsalzes auf die Vegetation und seine Anwendung in der
                           								Landwirthschaft, von Becquerel.
                        Aus den Comptes rendus, Oct. 1847, Nr. 16.
                        Becquerel, über den Einfluß des Kochsalzes auf
                           								die Vegetation und seine Anwendung in der
                           								Landwirthschaft.
                        
                     
                        
                           In einer Abhandlung, welche ich am 7. Juli d. J. der k.
                              									Central-Ackerbau-Gesellschaft übergab, betreffend
                              									den Zustand der Vegetation in salzführendem Boden unter dem
                              									Einfluß des Wassers, stellte ich den Satz auf, daß Salz und
                              									Wasser, nacheinander und in kleiner Menge mit den Pflanzen in
                              									Berührung gebracht, das beste Mittel seyen, um in einem von
                              									Natur trockenen Boden bessere Futtergewächse zu erhalten; die
                              									Schlußfolgerungen, zu welchen ich gelangte, waren aus den von
                              									mir in den alten königl. Salinen des Ostens angestellten
                              									Beobachtungen und Analysen gezogen. Diese Arbeit war indessen
                              									nur der erste Theil der Untersuchungen, welche ich über die
                              									Anwendung des Salzes als Düngmittel anzustellen beabsichtigte,
                              									wobei ich damit anfing, die Rolle zu studiren, welche dieses
                              									Agens in den verschiedenen Stadien des Wachsthums der
                              									Futterkräuter und der Getreidearten spielt.
                           Ehe man auf die Anwendungen übergeht, müssen nothwendig die
                              									vorzüglichsten physiologischen Erscheinungen, welche das Salz
                              									hervorbringt, beobachtet werden, um sie, je nachdem sie der
                              									Entwicklung der Pflanzen förderlich oder nachtheilig sind,
                              									hervorrufen oder verhüten zu können.
                           Diejenigen, welche den vortheilhaften Einfluß läugnen, den das
                              									Salz unter gewissen Umständen auf die Vegetation hat, sind
                              									vielleicht in der bei den Alten herrschenden Idee zu sehr
                              									befangen daß, um ein Erdreich unfruchtbar zu machen, man Salz in
                              									dasselbe streuen müsse. Diese Behauptung ist richtig für
                              									Gegenden, wo es nur selten regnet und folglich der Boden beinahe
                              									immer sehr trocken ist, für in der Regel feuchtes Land ist sie
                              									es aber nicht.
                           Da der hygroskopische Zustand des Bodens bei dieser Frage von
                              									hoher Bedeutung ist, so wird deren Lösung durch Nichtbeachtung
                              									desselben nur verwickelter.
                           Andererseits hat man sich beim Verbreiten von Salz auf einen
                              									Boden zugleich mit dem Saatkorn, noch niemals die Frage
                              									gestellt, wie dasselbe wirke und ob seine Wirkungsweise sich
                              									gleich bleibe:
                           1) bei der Keimung;
                           
                           2) während der Pflanzenentwicklung vom Ende der Keimung bis zur
                              									Blüthezeit, also während das Kraut treibt;
                           3) von der Blüthezeit bis zur Fruchtbildung;
                           4) endlich von der Fruchtbildung bis zum Aufhören aller
                              									Vegetation oder dem Tod der Pflanze.
                           Hätte man dieses früher gethan, so würden gewiß viele ihre
                              									Meinung in diesem Betreffe geändert haben, da aber die Frage
                              									sehr complicirt ist, muß man sie zerfällen um jeden ihrer
                              									Bestandtheile besonders zu beantworten.
                           Was nun meine Versuche über die Wirkung des Salzes auf die
                              									Keimung betrifft, so führten sie mich zu folgenden
                              									Schlüssen:
                           1) das Kochsalz oder Seesalz in geeignetem Verhältniß angewandt,
                              									hält die Keimung des Vieh- oder Rispengrases (ray-grass) und des weißen
                              									Senfs auf oder verhindert sie sogar völlig;
                           2) es verhindert gänzlich diejenige des Weizens und der
                              									Wicke;
                           3) es hält die Keimung und das Wachsthum einiger Pflanzen,
                              									obgleich unbedeutend, doch unzweifelhaft ein wenig auf.
                           Man ersteht hieraus, daß wenn das Salz die Keimung auch nicht
                              									vernichtet, dennoch die jungen Pflanzen im Verlauf ihres
                              									Wachsthums eine Nachwirkung von der Veränderung zu erleiden
                              									haben, welche die Embryonen (Keime) bei der anfangenden
                              									Entwicklung des Lebens erfuhren.
                           Diese nachtheilige Einwirkung des Salzes auf diesen ersten Act
                              									des Pflanzenlebens ließe sich vielleicht wie folgt erklären.
                              									Wenn ein Samenkorn dem vereinigten Einfluß des Wassers und der
                              									Wärme ausgesetzt wird, so schwillt es auf, die Stärkmehlsubstanz
                              									des Samenlappens (Cotyledons) verwandelt sich in Gummi und
                              									Zucker, welche dem Pflanzenkeim zur Nahrung und Entwicklung
                              									dienen. Diese Substanzen vertreten hier dieselbe Stelle wie die
                              									Milch im frühesten Alter der Thiere. Da sich aber das Salz in
                              									der Regel der Zersetzung der organischen Körper widersetzt, wie
                              									es auch zum Verzögern der Fäulniß thierischer Substanzen dient,
                              									so folgt daß, weil die Stärkmehlsubstanz die nothwendigen
                              									Veränderungen nicht erleiden kann, um dem Keime die ihm
                              									unentbehrliche Nahrung zu liefern, dieser Keim nothwendig zu
                              									Grunde gehen muß. Wird er nicht gänzlich zerstört, so empfindet
                              									die Pflanze doch nachträglich während ihres Wachsthums die
                              									nachtheiligen Veränderungen, welche ihre Constitution während
                              									der Keimung durch das Salz erlitten hat.
                           Was nun die Wirkung des Salzes während des zweiten Stadiums der
                              									Vegetation anbelangt, so kann a
                              									priori angenommen werden, daß es von der
                              									vollendeten Keimung an bis zur eintretenden Blüthezeit nicht auf
                              									dieselbe Art wie während der Keimung auf die Entwicklung der
                              									Pflanze einwirke; in jenem Fall scheint es sich, wie gesagt, der
                              									Gummi- und Zuckerbildung aus dem Stärkmehl zu
                              									widersetzen, während im letztern Fall, wenn die Keimung
                              									vollendet ist und die Erscheinungen der Respiration in den
                              									Blättern vor sich gehen, das Salz mit dem Wasser in die
                              									verschiedenen Gewebe und Organe geführt wird und, je nach der
                              									eingeführten Menge, nur noch in der Art zu wirken hat, daß es
                              									diese Thätigkeit und die Bereitung der verschiedenen zur Nahrung
                              									und Entwicklung der Pflanze dienenden Säfte lebhafter oder
                              									träger vor sich gehen macht. Das Salz kann sonach in diesen
                              									beiden Fällen nicht dieselbe Rolle spielen. Zahlreiche Versuche
                              									bestätigten wirklich diese, aus bekannten Thatsachen gezogenen
                              									Schlußfolgerungen.
                           Die in meiner ausführlichen Abhandlung zusammengestellten
                              									Thatsachen lassen folgende Schlüsse zu:
                           1) Das aufgelöste Salz scheint in der Regel der Keimung
                              									nachtheilig zu seyn; je nach den angewandten Mengen ist es den
                              									Keimen schädlich oder zerstört sie ganz. Wenn sie einen merklich
                              									nachtheiligen Einfluß davon erlitten, so geht die Entwicklung
                              									der jungen Pflanzen nicht so vor sich, wie wenn sie kein Salz
                              									erhalten hätten.
                           2) Wenn die Keimung mit Ausschluß der Einwirkung von Salz vor
                              									sich gegangen ist, und die jungen Pflanzen aus der Erde
                              									hervorgekommen sind, so kann man ihrer Nahrung durch Vermittlung
                              									des Wassers Salz zusetzen, und zwar in starker Dosis, ohne
                              									befürchten zu müssen, die Gewebe zu benachtheiligen und das
                              									Wachsthum, bis zur Blüthe wenigstens, irgend zu stören; die
                              									angefangenen Versuche über die weitern Vorgänge werden erst im
                              									nächsten Jahr beendigt werden. Die Pflanzen gewinnen dadurch,
                              									vorausgesetzt jedoch daß die Quantität des Salzes eine gewisse
                              									Gränze nicht überschreite, in der Regel mehr Kraft, als die
                              									unter gewöhnlichen Umständen wachsenden; sie können von dem
                              									Kochsalz bis zu 8 Procent ihres Gewichtes aufnehmen, wenn sie
                              									stark ausgetrocknet waren.
                           3) Der Einfluß des Salzes auf die Keimung, selbst bei Gegenwart
                              									von Wasser, kann bis zu einem gewissen Grad die Wirkungen
                              									erklären, welche von mehreren beobachtet wurden, die bei ihren
                              									Versuchen auf die Zeit der Salzdüngung nicht die gehörige
                              									Rücksicht nahmen.
                           4) Wenn Salz als Düngmittel beim Bau von Cerealien dienen soll,
                              									darf es, wie die Theorie lehrt, nicht zur Saatzeit verbreitet
                              									werden, weil es sonst der Keimung schaden würde; besser scheint
                              									es zu seyn, es im Monat März anzuwenden, wenn die Erde noch
                              									recht feucht ist und ehe die Vegetation sich mit Kraft
                              									entwickelt. Dadurch wäre auch vermieden, daß die Winterregen das
                              									Salz weit fort (oder tief in den Boden hinab) führen, wo es dann
                              									nicht mehr dienen könnte das Wachsthum im Frühjahr zu
                              									beleben.
                           Die Menge des auf einem Boden zu verbreitenden Salzes hängt von
                              									der Natur der angebauten Gewächse ab, indem bei weitem nicht
                              									alle durch dasselbe zu gedeihen scheinen.
                           Kuhlmann's Versuche ergaben daß das
                              									Salz, namentlich unter Mitwirkung stickstoffhaltigen Düngers,
                              									für die Vegetation ein Reizmittel sey. Wahrscheinlich müßte also
                              									hinsichtlich gewisser Pflanzen, welche einer kräftigen Nahrung
                              									bedürfen, erst ermittelt werden, ob das Salz, wenn kein solcher
                              									Dünger vorhanden, sie nicht durch eine Art von Ueberreizung
                              									entkräften würde.
                           5) Die große Menge Salz, welche die Halme der Getreidearten unter
                              									den angegebenen Umständen aufnehmen, kann beitragen sie zum
                              									Futter geeignet zu machen.
                           6) Alle diese Resultate greifen jenem hinsichtlich des
                              									Fruchtkorns nicht vor, die wir nach Vollendung der Versuche im
                              									nächsten Jahre erst kennen lernen werden.
                           7) Auf Wiesen muß, wenn sie feucht sind, das Salz zur Zeit der
                              									sich entwickelnden Vegetation verbreitet werden; sind sie
                              									trocken, so muß Regen abgewartet werden, um dieß
                              									vorzunehmen.
                           8) Bei einem Erdreich, welches das Wasser nicht leicht
                              									durchdringen läßt, wäre es gefährlich oft zu salzen, weil das
                              									zuerst gestreute Salz großentheils im Boden liegen bleibt und
                              									daher lange ausreichen kann, sofern es nur nicht der spätern
                              									Keimung schadet. Läßt hingegen der Grund das Wasser hindurch, so
                              									muß bei jedem frischen Anbau nothwendig wieder gesalzen werden.
                              									Vorderhand kann hierin die Erfahrung noch am sichersten leiten.
                              									Da das Salz mehr oder weniger lange Zeit im Boden bleibt, je
                              									nachdem der Boden das Wasser mehr oder weniger durchläßt, und da
                              									nicht alle Pflanzen das Salzen in gleichem Grabe vertragen, wie
                              									wir an der Wicke ein Beispiel haben, so werden bei der
                              									Wechselcultur Hülsenfrüchte (Leguminosen) oder andere Gewächse,
                              									die das Salz nicht gut vertragen, zu vermeiden seyn.
                           9) Der Zweck dieser Abhandlung war, den Gang anzugeben welchen
                              									man bei Versuchen über die Anwendung des Salzes als Düngmittel
                              									mit oder ohne stickstoffhaltigen Dünger zu befolgen hat.