| Titel: | Versuche über die Ursachen der Dampfkessel-Explosionen, von Boutigny. | 
| Fundstelle: | Band 107, Jahrgang 1848, Nr. LII., S. 242 | 
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                        LII.
                        Versuche über die Ursachen
                           								der Dampfkessel-Explosionen, von Boutigny.
                        Boutigny's Versuche über die Ursachen der
                           								Dampfkessel-Explosionen.
                        
                     
                        
                           Nachdem Hr. Boutigny in seinem Werke
                              										Nouvelle branche de physique ou
                                 										études sur les corps à l'état
                                 										sphéroïdal die traurigen Folgen der
                              									Explosion von Dampfkesseln an Bord amerikanischer, englischer
                              									und französischer Schiffe erwähnt hat, erklärt er, daß die
                              									Mittel, welche bisher angewandt wurden, um diese Explosionen zu
                              									verhindern, ganz unzureichend sind.
                           Seit einigen Jahren wurden drei Theorien über die Ursachen dieser
                              									fürchterlichen Explosionen aufgestellt: einige schrieben sie der
                              									Elektricität zu; andere der Zersetzung und Wiederzusammensetzung
                              									des Wassers; andere endlich einer Veränderung im Zustand des
                              									Wassers durch seinen plötzlichen Uebergang von dem
                              									sphäroidischen Zustand in den dampfförmigen. Hr. Boutigny theilt letztere Ansicht,
                              									nachdem er zur Prüfung derselben folgende Versuche angestellt
                              									hatte.
                           1) Man erhitzte über der Weingeistlampe eine halbkugelförmige
                              									silberne Schale, in welche man ein wenig Wasser goß. Die Schale
                              									übertrug ihre Wärme an das Wasser, welches bei 80° R. ins
                              									Kochen kam; hierauf erhitzt sich die Schale nicht weiter und
                              									alle Wärme wird im Dampf latent. Wenn das Sieden ungestüm ist
                              									und wenig Wasser zurückbleibt, werden Tropfen von Flüssigkeit in
                              									die Luft geschleudert und fallen im sphäroidischen Zustand in
                              									die Schale zurück; gießt man dann Wasser, selbst kochendes,
                              									hinein, so siedet es nicht mehr und seine Temperatur erhöht sich
                              									nicht über 77 3/10° R. (96 1/2° C.), während
                              									diejenige der Schale sich unbeschränkt erhöhen kann. Wenn man
                              									unter diesen Umständen plötzlich eine große Masse Wasser in die
                              									Schale gießt, so breitet es sich in derselben aus und verdampft
                              									fast augenblicklich; löscht man aber die Lampe aus, so daß die
                              									Schale erkaltet und ihre Abstoßungskraft verliert, so
                              									geht das Wasser wieder in den gewöhnlichen flüssigen Zustand
                              									über und verdampft mit Explosion.
                           2) Bei einem andern Versuch brachte der Verf. eine Schale von 5
                              									Decimeter Durchmesser und einer gewissen Dicke zum Rothglühen
                              									und goß nach und nach 2 und sogar 3 Liter Wasser hinein. Eine
                              									ungestüme Bewegung, dem Sieden ähnlich, zeigte sich nun in der
                              									flüssigen Masse, deren Temperatur nur 77 bis 78° R.
                              									betrug. Die Verdampfung war sehr langsam und das Wasser wurde
                              									allenthalben in mehr oder weniger voluminösen Tropfen
                              									herausgeschleudert. Als man eine größere Menge Wasser auf die
                              									Art hineingoß, daß man es immer auf dieselbe Stelle fallen ließ,
                              									befeuchtete es die Schale, was durch Dampfströme angezeigt
                              									wurde, die sich aus der Masse entwickelten.
                           3) Nachdem man 15 bis 20 Gramme destillirtes Wasser in eine
                              									silberne Schale gegossen hatte, welche fast ganz flach und
                              									rothglühend war, leitete man einen Strahl kaltes Wasser hinein
                              									und zwar an einem Punkt am Umfang der Schale; das Sphäroid
                              									breitete sich gegen die Seite aus, wo das Wasser anlangte,
                              									befeuchtete die Schale und kochte lebhaft, während die andere
                              									Portion des Sphäroids ihre Form beibehielt, die Schale nicht
                              									befeuchtete und nicht kochte. Wenn man in diesem Falle die
                              									Schale stark erhitzt, so geht die ganze Wassermasse in den
                              									sphäroidischen Zustand zurück; das Gegentheil findet statt, wenn
                              									man die Schale erkaltet, d.h. das Wasser breitet sich aus,
                              									befeuchtet die Schale und kocht stark.
                           Alle diese Versuche wurden in Gefäßen angestellt, welche zuvor
                              									erhitzt worden waren; man mußte sich daher überzeugen, ob diese
                              									Erscheinungen auch in Kesseln stattfinden, welche Wasser
                              									enthalten, ehe man sie der Einwirkung der Hitze aussetzt. Zu
                              									diesem Zweck wurde folgender Versuch angestellt.
                           4) Man goß 2 Gramme destillirtes Wasser in einen sphärischen
                              									Kessel, welchen man mit einem gut einpassenden Pfropf verschloß
                              									und dann auf eine Weingeistlampe stellte; der Pfropf wurde bald
                              									mit Gewalt durch die Spannung des Dampfs herausgeschleudert; man
                              									drückte ihn neuerdings in die Mündung des Kessels, aus welcher
                              									er durch dieselbe Kraft wieder herausgetrieben wurde. Diese
                              									Detonationen können mehr oder weniger oft stattfinden, nach der
                              									verschiedenen Capacität des Kessels, dem Durchmesser seiner
                              									Mündung, dem mehr oder weniger genauen Einpassen des Pfropfs
                              									etc.
                           5) Erhitzt man den Kessel zum Dunkelrothglühen, läßt dasselbe
                              									Quantum destillirtes Wasser hineinfallen und verschließt ihn
                              									dann mit einem dicht einpassenden Pfropf, so springt letzterer
                              									zwölf-, dreizehn- bis bis
                              									vierzehnmal heraus. Der Zeitraum zwischen jeder Detonation
                              									wechselt von 8 bis 12 Secunden.
                           Die zwei vorhergehenden Versuche beweisen nach dem Verf., daß der
                              									Dampf von im sphäroidischen Zustand befindlichen Körpern die
                              									Temperatur des Gefäßes annimmt, welches ihn einschließt; daß das
                              									Wasser in diesem Zustande beständig auf der Temperatur von
                              									77° R. ist und daß es dabei zwar nur sehr dünne Dämpfe
                              									gibt, die aber dessenungeachtet den dreifachen dynamischen
                              									Effect derjenigen Dämpfe besitzen, welche das Wasser im
                              									flüssigen Zustande liefert, wenn es in beiden Fällen der
                              									Einwirkung einer gleichen Hitze ausgesetzt ist. Der Verf.
                              									schließt daraus, daß der Mangel an Dampf hier durch die große
                              									Erhöhung seiner Temperatur compensirt wird.
                           Ein letzter Versuch bestätigt diesen Schluß.
                           6) Sobald man das Wasser in den dunkelroth glühenden Kessel
                              									gegossen hat, stellt man den Docht der Lampe tiefer, so daß die
                              									Temperatur des Kessels erniedrigt wird; man verschließt ihn dann
                              									mit dem dicht passenden Pfropf und notirt die Zeit, welche
                              									zwischen jeder Detonation verstreicht: selten erhält man mehr
                              									als drei oder vier Detonationen. Bei diesem Versuch kommt das
                              									Wasser nicht aus dem sphäroidischen Zustand, und es kann so in
                              									den Dampfkesseln enthalten seyn, ohne daß es die Heizer wissen;
                              									denn die Maschinen können functioniren wie mit Wasser im
                              									gewöhnlichen flüssigen Zustande, ohne daß irgend etwas diesen
                              									anormalen Zustand andeuten kann, ausgenommen der Wasserstand und
                              									zwei Thermometer, wovon der eine in das Wasser und der andere in
                              									den Dampf taucht; ein großer Unterschied zwischen den zwei
                              									Temperaturen würde eine drohende Gefahr anzeigen.
                           Der Verf. untersucht hierauf, in welchen Fällen das Wasser der
                              									Dampfkessel in den sphäroidischen Zustand übergehen und wie es
                              									deren Explosion verursachen kann.
                           Wenn die Oeffnungen für den Austritt des Dampfs geschlossen sind,
                              									so steigt dessenungeachtet die Temperatur fortwährend und das in
                              									dem Kessel enthaltene Wasser ist der Wirkung zweier Kräfte
                              									ausgesetzt, welche sich gegenseitig neutralisiren: dem Druck,
                              									welchen der Dampf auf die Oberfläche des Wassers ausübt und der
                              									Abstoßungskraft des Kessels, welche von unten wirkt. Oeffnet man
                              									einen Hahn, so strömt der Dampf durch dessen Mündung rasch aus;
                              									es entsteht ein Vacuum und das vom Boden des Kessels abgestoßene
                              									Wasser wird durch das fast augenblicklich gebildete Vacuum
                              									gewissermaßen angezogen und an den oberen Theil des Kessels
                              									geschleudert; es fällt aber bald auf den Boden zurück und geht
                              									in den sphäroidischen Zustand über; alsdann liefert es wenig Dampf, das Gleichgewicht der Wärme ist nicht mehr vorhanden,
                              									die Explosion ist drohend: sie kann stattfinden, entweder durch
                              									Zulassen einer gewissen Menge kalten Wassers, oder durch
                              									Auslöschen des Feuers.
                           Ferner kann das Wasser der Dampfkessel in den sphäroidischen
                              									Zustand übergehen, wenn durch Nachlässigkeit des Heizers ein
                              									Wassermangel eintritt oder durch einen Fehler, welcher die
                              									Speisepumpe in Unordnung brachte etc.; alsdann geht das Wasser,
                              									welches in den Kessel gelangt, in den sphäroidischen Zustand
                              									über und die Explosion findet statt. Folgendermaßen erklärt der
                              									Verf. diese Explosionen.
                           Angenommen ein Kessel habe einen Hohlraum von 100 Liter und es
                              									befinden sich darin nur 10 Liter Wasser im sphäroidischen
                              									Zustand; angenommen ferner die Temperatur des Kessels betrage
                              									480 oder 560° R. und diejenige des Wassers 77° R.
                              									Wenn man nun in diesen Kessel eine so beträchtliche Wassermasse
                              									gelangen läßt, daß der sphäroidische Zustand des darin
                              									befindlichen Wassers aufgehoben werden muß, so wird sich
                              									unverzüglich eine große Masse Dampf bilden, dessen Temperatur
                              									sich mit derjenigen des Kessels ins Gleichgewicht setzt, was
                              									seine Spannung auf einen solchen Grad bringen wird, daß eine
                              									knallende Explosion erfolgen muß. Das Zerreißen des Kessels
                              									fände auch statt, wenn das Wasser in Folge einer geringen
                              									Abkühlung seinen sphäroidischen Zustand verlöre.
                           Da der sphäroidische Zustand des Wassers eine von den Ursachen
                              									der Dampfkessel-Explosionen ist, so untersucht der Verf.
                              									wie man seine Entstehung verhindern könnte. Er kann in dieser
                              									Hinsicht aber nur Vermuthungen aufstellen. So hatte er schon
                              									beim Beginn seiner Untersuchungen über den sphäroidischen
                              									Zustand der Körper beobachtet, daß die Politur der Körper einen
                              									großen Einfluß auf diese Erscheinung hat und kam dadurch auf den
                              									Gedanken, den Boden der Kessel mit einer Menge Spitzen zu
                              									versehen. Er hatte ferner bemerkt, daß Wasser, worin Salze
                              									aufgelöst sind, weniger leicht in den sphäroidischen Zustand
                              									übergeht als reines Wasser und ließ daher ein zerfließliches
                              									Salz im Wasser auflösen; die Salze können jedoch so wenig wie
                              									die Spitzen das Wasser absolut verhindern in den sphäroidischen
                              									Zustand überzugehen: letztere erschweren überdieß das Reinigen
                              									des Kessels. Er kam alsdann auf den Gedanken, in den Kessel
                              									bewegliche Spiralen aus Eisen zu bringen oder vierseitige
                              									Prismen, welche so angeordnet sind, daß die Spitze der Winkel
                              									immer senkrecht zur Oberfläche ist, auf welcher sie sich
                              									befinden; auch dachte er daran die Kessel von der Seite statt
                              									von unten zu heizen.
                           
                           Wenn der sphäroidische Zustand des Wassers auf der See eintritt,
                              									während man gegen die Winde und Strömungen zu kämpfen hat, so
                              									empfiehlt Hr. Boutigny fortwährend
                              									ein starkes Feuer zu unterhalten und in den Kessel nur eine
                              									kleine Menge Wasser auf einmal einzulassen. Wenn hingegen diese
                              									Erscheinung sich zu Land oder auf einem Fluß zeigt, so muß man
                              									die Maschine abstellen, fortwährend ein starkes Feuer
                              									unterhalten und sich beeilen den Kessel durch alle verfügbaren
                              									Mittel zu entleeren; hierauf ihn erkalten lassen und einen
                              									Luftstrom hineintreiben, um das Wasserstoffgas daraus zu
                              									verjagen, welches er fast immer enthält.
                           Die zu lösende Aufgabe ist also folgende: daß man das Wasser
                              									verhindert in den sphäroidischen Zustand überzugehen, indem man
                              									im Kessel beständig zwei Fünftel des Wassers, welches er fassen
                              									kann, unterhält; ferner daß man dieses Wasser verhindert die
                              									Temperatur von + 200° R. zu überschreiten.
                           Folgende Vorsichtsmaaßregeln sind nach dem Verf. zu ergreifen, um
                              									die Dampfkessel-Explosionen zu verhüten:
                           1) Man muß zwei Clement'sche
                              									Metallthermometer anwenden, wovon der eine im Wasser und der
                              									andere im Dampf angebracht ist; man muß ferner pfeifende Ventile
                              									anwenden;
                           2) salzsauren Kalk in die Kessel geben, welche mit süßem Wasser
                              									gespeist werden;
                           3) die gegenwärtige Form der Siederöhren in der Art abändern, daß
                              									eine gewisse Menge des in denselben enthaltenen Wassers immer
                              									unter dem Ofenrost seyn muß;
                           4) die Siederöhren innerhalb mit Spitzen versehen, welche die
                              									Wärme im Wasser vertheilen;
                           5) einen oder mehrere Lärmschwimmer und einen Chaussenot'schen anzeigenden
                              									Schwimmer, sowie einen Collardeau'schen Manometer anbringen;
                           6) endlich Speisepumpen herstellen, welche sich selbst reguliren
                              									und sowohl mit als ohne Beihülfe des Heizers ihren Dienst
                              									verrichten.