| Titel: | Ueber einige in der Menagerie des naturgeschichtlichen Museums zu Paris angestellte Versuche, exotische Thiere zu acclimatisiren und zu Hausthieren zu machen (das Hemion, die ägyptische Gans, das Lama, zwei Hirschspecies etc.); von Isidor Geoffroy-Saint-Hilaire. | 
| Fundstelle: | Band 107, Jahrgang 1848, Nr. LXXIV., S. 308 | 
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                        LXXIV.
                        Ueber einige in der Menagerie
                           								des naturgeschichtlichen Museums zu Paris angestellte Versuche,
                           								exotische Thiere zu acclimatisiren und zu Hausthieren zu machen (das
                           								Hemion, die ägyptische Gans, das Lama, zwei Hirschspecies etc.); von
                           									Isidor
                              									Geoffroy-Saint-Hilaire.
                        Im Auszug aus den Comptes rendus, Oct. 1847, Nr.
                              								16.
                        Geoffroy's Versuche exotische Thiere zu
                           								acclimatisiren etc.
                        
                     
                        
                           Unter den 35 Species von Hausthieren, die wir in Europa
                              										besitzen,Die wir nämlich in einer oder
                                    												mehreren Racen besitzen.
                                    											Man verwechselt so oft wirkliche Hausthiere mit nur gezähmten Thieren, daß der wahrhafte Charakter
                                    											des Hausthiers nicht genug hervorgehoben werden kann. Er
                                    											besteht darin daß der Mensch die Race besitzt, nicht aber bloß Individuen, so zahm und
                                    											abgerichtet diese auch seyn mögen. sind, wenn man sie nach den verschiedenen Weltgegenden
                              									abtheilt, 31 in Asien, namentlich im Mittlern, in Europa und im
                              									nördlichen Afrika heimisch; es bleiben also nur 4 Species für
                              									die andern Weltgegenden, nämlich Nord- und Südamerika,
                              									Mittel- und Südafrika, Australien und Polynesien, übrig.
                              									33 dieser Species gehören der nördlichen Halbkugel (31 dem alten
                              									Continent, 2 Nordamerika) an, und aus der südlichen Halbkugel
                              									haben wir nichts als das kleinste unserer
                              									Haus-Säugethiere, das Meerschweinchen (Cavia cobaya), und den letzten Vogel
                              									unseres Hühnerhofs, die Bisamente. Diese ungleiche Vertheilung
                              									ist um so auffallender, da die südliche Hälfte unseres Erdballs
                              									durch ihre zoologischen Typen sich am meisten auszeichnet.
                           
                           Die Versuche welche ich anstellte, Frankreich und unsern
                              									Welttheil mit mehr Thieren zu beschenken, die uns nützlich
                              									werden können, zerfallen in die Acclimatisirung und Erziehung zu
                              									Hausthieren von solchen Species, die bisher wild geblieben
                              									waren; dann in die Acclimatisirung bei uns zu Lande von
                              									anderwärts schon zu Hausthieren gewordenen Species, endlich in
                              									die Acclimatisirung wilder Species (ohne sie zu Hausthieren zu
                              									erziehen).
                           Die Versuche der ersten Gattung sind offenbar die schwierigsten.
                              									Mit zwei Thieren aus den warmen Gegenden des alten Continents
                              									dem Hemion oder Dziggetai und der ägyptischen
                                 										Gans (Bernache
                                 									armée), habe ich hauptsächlich meine Versuche
                              									angestellt. Die Versuche mit dem erstern versprechen einen
                              									günstigen Erfolg, diejenigen mit der zweiten hatten bereits den
                              									vollkommensten Erfolg.
                           Die Naturalisirung der ägyptischen Gans sah mein Vater schon am
                              									Anfang dieses Jahrhunderts voraus. Dieser Vogel war wegen seiner
                              									Schönheit damals schon als Zierde für Gärten und Parke gesucht,
                              									und es war erwiesen daß er im nördlichen Frankreich und in
                              									England leben und sich fortpflanzen könne. Im Jahr 1839 nahm ich
                              									diese Versuche mit noch bessern Erfolg auf, und wir besitzen
                              									gegenwärtig nicht nur eine bedeutende Anzahl von Individuen,
                              									sondern auch, dieß ist das Merkmal daß sie vollkommen zum
                              									Hausthier wurde, eine besondere, eine französische Race. Bis
                              									jetzt hat diese Race, obgleich in etwas Hellern Nüancen, den
                              									reichen Farbenschmuck der ägyptischen Gans beibehalten, ist aber
                              									beträchtlich größer und stärker geworden. Ein viel
                              									merkwürdigerer Einfluß des Klima's aber und der Gefangenschaft
                              									ist folgender: unter dem Himmel ihres Vaterlands legt die
                              									ägyptische Gans bei der so milden Temperatur des dortigen
                              									Winters gegen den Wechsel des Jahres zu ihre Eier, was ich bis
                              									zum Jahr 1843 hin beobachtete; das Aufziehen der Jungen mußte
                              									daher auch in der strengsten Jahreszeit geschehen. Bei denselben
                              									Individuen, sowie auch bei ihren Abkömmlingen verschob sich aber
                              									das Eierlegen im Jahr 1844 bis zum Monat Februar, im Jahr 1845
                              									bis zum März, und seitdem fand es im April statt, so daß das
                              									Auskriechen jetzt in die schönste Jahreszeit fällt. Hiemit ist
                              									also die größte Schwierigkeit für die Fortpflanzung dieses
                              									Vogels gehoben und Hoffnung vorhanden, daß dieser bei den
                              									Aegyptern geheiligte Vogel in einigen Jahren sich unsern
                              									Ziervögeln und später den uns zur Nahrung dienenden Vögeln
                              									anreihen werde.
                           Hinsichtlich des Hemions stehen die Aussichten noch nicht so
                              									nahe. Dieses Thier ist zum Pferde und Esel verwandt, trägt wie
                              									diese 11 Monate und entwickelt sich erst im dritten Jahre. Wir
                              									erhielten vom Jahr 1842–47 fünf Junge,
                              									konnten aber von diesen Fohlen nur drei großziehen, die recht
                              									kräftig sind; zwei derselben sind Stuten und wieder trächtig;
                              									das dritte ist ein aus einem Hemion und einer Eselin
                              									hervorgegangener Maulesel und bestätigt durch seine Schönheit
                              									und Kraft meine längst geäußerte Vermuthung, daß die
                              									Naturalisirung dieses Thieres, sowohl der Race an und für sich,
                              									als der möglichen Kreuzungen wegen, von großem Nutzen seyn
                              									müßte. Letzteres Individuum wird ohne Zweifel einen neuen Beweis
                              									liefern, wie falsch die Behauptung ist, daß die aus der Kreuzung
                              									von zweierlei Species hervorgegangenen Individuen unfruchtbar
                              									sind; diese Unfruchtbarkeit findet zwar sehr oft statt, ist aber
                              									durchaus nicht constant, wie ich durch viele an Säugethieren und
                              									Vögeln beobachteten Thatsachen zu beweisen im Stande bin, und
                              									zwar haben die Producte zweier Individuen von verschiedenen Species constante, zwischen jenen des
                              									Vaters und der Mutter die Mitte
                                 										haltende Merkmale, während hingegen das Product der
                              									Kreuzung zweier Varietäten einer und
                              									derselben Species sehr veränderlich ist, bald die Mitte hält,
                              									bald einem der Eltern gleicht.
                           Das Hemion wird in einigen Theilen Hindostans zur Feldarbeit
                              									verwendet, und pflanzt sich dort auch in der Gefangenschaft
                              									fort, wornach es sich also offenbar zum Hausthier eignet. Unsere
                              									Individuen waren auch ziemlich leicht zu zähmen; zwei derselben
                              									fing man sogar abzurichten an. Diese Versuche werden
                              									fortgesetzt; bei der geringen Zahl dieser Thiere mußte schonend
                              									mit ihnen verfahren werden und man hütete sich insbesondere sie
                              									der Nachtluft auszusetzen.
                           Hinsichtlich der versuchten Acclimatisirung von Thieren, welche
                              									in andern Weltgegenden schon Hausthiere sind, erwähne ich nur
                              									die wollige Varietät des Lama. Die
                              									Menagerie besitzt von solchen fünf Stück, wovon eines in
                              									England, und zwei in der Menagerie selbst geboren wurden. Schon
                              										Buffon machte darauf aufmerksam,
                              									daß man dieses Thier, sowie die Alpaga (Kameelziege) und die
                              									Vicunne in geeigneten Theilen Europa's, vorzüglich auf den Alpen
                              									und Pyrenäen, zu naturalisiren suchen sollte.
                           In Betreff der Acclimatisirung fremder wilder Thiere erwähne ich
                              									zweier Hirscharten, welche unsere Menagerie nebst dem Hemion
                              									durch Hrn. Dussumier erhielt. Bei
                              									vorsichtiger Behandlung in den ersten Wintern wurden sie unter
                              									unserm Himmel so stark und fruchtbar, wie unsere einheimischen
                              									Hirscharten und konnten daher jetzt dem wilden Leben überlassen
                              									werden. Mehrere Individuen des Aristoteles-Hirschen (Cerf Aristote), eine der größten und schönsten
                              									Species, und des Schweinshirschen
                              										(Cerf cochon) wurden vor zwei
                              									Jahren in den Park von Saint-Cloud
                              									freigelassen, wo sie sich auch schon fortpflanzten; sie genießen
                              									hier eine nur noch zu ihrem Schutz beschränkte Freiheit.