| Titel: | Ueber die Anwendungsweise der Schießbaumwolle zum Sprengen in Bergwerken; von Hrn. Combes. | 
| Fundstelle: | Band 108, Jahrgang 1848, Nr. XXX., S. 141 | 
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                        XXX.
                        Ueber die Anwendungsweise der Schießbaumwolle zum
                           Sprengen in Bergwerken; von Hrn. Combes.
                        Aus den Comptes rendus, Jan. 1848, Nr.
                              61.
                        Combes, über die Anwendungsweise der Schießbaumwolle zum Sprengen
                           in Bergwerken.
                        
                     
                        
                           Ich habe schon im Jahr 1846 mit Hrn. Flandin Versuche über
                              die Anwendung der Schießwolle zum Sprengen von Gestein angestellt, welche seiner
                              Zeit der Akademie der Wissenschaften mitgetheilt wurden.Polytechn. Journal Bd. CIII S.
                                       209. Später erhielt ich den amtlichen Auftrag diese Versuche in einigen
                              Steinbrüchen in der Nähe von Paris fortzusetzen. Ich will nun einige neue Thatsachen
                              mittheilen, welche sowohl für die Wissenschaft, als den Bergbau und die Industrie im
                              Allgemeinen Interesse darbieten dürften.
                           Die Verbrennungs-Producte der Schießwolle können nach der Analyse von Pelouze
                              Polytechn. Journal Bd. CIII S.
                                       224. ausgedrückt werden durch
                           46 Volume Kohlenoxyd,
                             1 Volum Kohlensäure,
                           10 Volume Stickstoff und
                           34 Volume Wasserdampf.
                           Daraus geht hervor, daß diese Substanz nicht wie gutes Pulver,
                              die zur vollständigen Verbrennung des in ihr enthaltenen Kohlenstoffs erforderliche
                              Menge Sauerstoff enthält und daß also bei ihrer Verbrennung viel Kohlenoxyd
                              entstehen muß, ein Gas welches nicht nur entzündlich, sondern auch sehr giftig ist.
                              Ich überzeugte mich auch daß sich wirklich Kohlenoxydgas bildet, indem ich einem der
                              Spalten, welche durch die Explosion einer mit 600 Grammen Schießwolle geladenen
                              Petarde entstanden, eine brennende Fackel näherte: die austretenden Gase entzündeten
                              sich und verbrannten mit der eigenthümlichen blauen Flamme des Kohlenoxyds; die
                              Flamme pflanzte sich durch den Spalt fort, wodurch eine Explosion des Gemisches von
                              Luft und Kohlenoxyd entstand, welches sich in den Klüften des Gesteins gebildet
                              hatte.
                           Ich mußte nun schließen, daß wenn man der Schießwolle in geeigneter Menge ein Salz
                              zusetzt, welches viel Sauerstoff enthält und denselben bei erhöhter Temperatur an
                              einen brennbaren Körper abzugeben vermag, solches die Verbrennung des Kohlenoxyds
                              bewirken und daß diese vollständigere Verbrennung der Schießwolle ihre Sprengkraft
                              bedeutend erhöhen würde. Zuerst versuchte ich das chlorsaure Kali. Schon Hr. Pelouze hatte versucht das Knallpulver in den Zündhütchen durch ein
                              Gemenge dieses Salzes mit Schießwolle zu ersetzen. Ich versetzte 100 Gewichtstheile
                              Schießwolle, die aus gekrämpelter Baumwolle bereitet war, mit 80 Theilen chlorsauren
                              Kalis, welches gepulvert und dann in der Wärme getrocknet war (die Schießwolle und
                              das Salz als vollkommen trocken vorausgesetzt, wären nach der Analyse von Pelouze und der Zusammensetzung des chlorsauren Kalis auf
                              100 Schießwolle 83,05 Kalisalz erforderlich gewesen). Ich vermengte beide Substanzen
                              mit der Hand und nur grob. Das Gemenge füllte ich in Patronen aus ordinärem grauem
                              Papier und lud sie mit 900 Grammen, so daß also 500 Gramme Schießwolle und 400 Gr.
                              chlorsaures Kali in einer Petarde enthalten waren, welche nach der Schätzung der
                              Steinbrecher 3 Kilogr. Grubenpulver hätte erhalten müssen. Die Petarde brachte eine
                              beträchtliche Wirkung hervor, welche wenigstens derjenigen von 3 Kil. Grubenpulver
                              oder 2 1/2 Kil. Schießpulver oder 900 Grammen bloßer Schießwolle entsprach, wie die
                              Vergleichung derselben mit dem Effect anderer Petarden in demselben Steinbruch
                              ergab. Die Gase welche durch die Spalten des Gesteins austraten, waren nicht
                              entzündlich; man bemerkte bei der Explosion weder Geruch, noch Rauch oder Dämpfe.
                              Bei Anwendung von Schießwolle allein wird hingegen der in den Gasen enthaltene
                              Wasserdampf durch seine Verdichtung in Berührung mit der Luft sehr sichtbar; man
                              bemerkt überdieß einen schwachen eigenthümlichen Geruch. Ich ließ das Loch welches
                              mit dem Gemenge von Schießwolle und chlorsaurem Kali geladen worden war, mit Thon
                              und gepulvertem Gypsstein wie gewöhnlich besetzen, mit der einzigen Abänderung, daß
                              die ersten direct auf die Ladung gebrachten Thonschichten nicht eingestampft,
                              sondern bloß schwach aufgedrückt wurden.
                           Der Zusatz von chlorsaurem Kali hatte also ganz den von mir erwarteten Erfolg. Dieses
                              Salz ist aber kostspielig; überdieß ist anzunehmen, daß sowohl seine Vermengung mit
                              einer so explodirenden Substanz wie die Schießwolle, als das Laden der Bohrlöcher
                              eine sehr große Vorsicht erheischt.
                           Dieß veranlaßte mich Gemenge von Schießwolle mit salpetersaurem Kali und
                              salpetersaurem Natron zu versuchen. Nach der Analyse von Pelouze müßte man 100 trockene Schießwolle mit 81,83 Gewichtstheilen
                              Kalisalpeter oder 68,98 Natronsalpeter versetzen. Ich nahm auf 100 Schießwolle 80
                              Kalisalpeter oder 70 Natronsalpeter. Diese Gemenge gaben mir bei zahlreichen
                              Versuchen constante Resultate: nach der Explosion war gar kein Rauch und Geruch zu
                              bemerken und es entwich auch kein brennbares Gas aus den Spalten des Gesteins; die
                              Sprengkraft war fast
                              ebenso groß wie bei dem Gemenge von Schießwolle mit chlorsaurem Kali: d.h. ein
                              Gemenge von 100 Schießwolle und 80 Kalisalpeter brachte fast dieselbe Wirkung hervor
                              wie sein gleiches Gewicht bloße Schießwolle, oder sein dreifaches Gewicht
                              Schießpulver und sein vierfaches Gewicht gewöhnliches Grubenpulver.
                           Meine Versuche wurden in dem Gypssteinbruch bei Belleville angestellt. Man würde ohne
                              Zweifel ähnliche Wirkungen in jedem dem Gypsstein analogen weichen Gestein erhalten;
                              daraus darf man aber nicht schließen, daß das Verhältniß zwischen dem Effect des
                              Grubenpulvers und der reinen oder mit Salpeter vermengten Schießwolle auch in hartem
                              Gestein dasselbe bleibt.
                           Wenn man die Schießwolle in den angegebenen Verhältnissen mit chlorsaurem Kali oder
                              mit salpetersaurem Natron und Kali versetzt, so ändert sich bei ihrer Verbrennung
                              das Volum der Gase nicht; es verwandelt sich bloß das Kohlenoxyd in Kohlensäure, von
                              welcher, wenn man Salpeter anwandte, ein Theil mit der Basis dieses Salzes verbunden
                              bleibt und durch das gleiche Volum Stickstoff ersetzt wird. Der größere Effect wird
                              also nur durch die größere Temperaturerhöhung bei der Verbrennung der vermengten
                              Schießwolle hervorgebracht.