| Titel: | Ueber die anomale specifische Wärme gewisser Legirungen und deren freiwillige Erwärmung nach dem Gestehen; von C. C. Person. | 
| Fundstelle: | Band 108, Jahrgang 1848, Nr. XLVI., S. 227 | 
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                        XLVI.
                        Ueber die anomale specifische Wärme gewisser
                           Legirungen und deren freiwillige Erwärmung nach dem Gestehen; von C. C. Person.
                        Aus den Comptes rendus, 2tes Sem. 1847, Nr.
                              13.
                        Person, über specifische Wärme der Legirungen.
                        
                     
                        
                           Regnault hat für die gegen 100° C. schmelzbaren
                              Legirungen eine viel größere specifische Wärme gefunden als das Mittel der darin
                              enthaltenen Metalle, und nahm sich vor zu untersuchen, ob diese Anomalie in niedern
                              Temperaturen verschwinde. Meinen Versuchen zufolge ist dieses wirklich der Fall. So
                              gibt die d'Arcet'sche Legirung von 94° C.
                              ausgehend c = 0,069, und von 50° ausgehend c = 0,037; da nun das berechnete Mittel 0,036 ist, so
                              sieht man, daß der Unterschied bis auf ein Geringes verschwindet. Die
                              Hauptschwierigkeit bei diesen Untersuchungen war, die Legirungen bei sehr fixen
                              Temperaturen unter 100° C. zu erwärmen, wozu ich mich eines besondern, sehr
                              einfachen Apparats bediente.
                           Nach Aufhellung dieses Punktes zeige ich, daß der Wärme-Ueberschuß, welchen
                              man bei dieser Legirung nahe an ihrem Schmelzpunkt beobachtete, nicht von einem
                              anfangenden Schmelzen herrührt, sondern von einer neuen Art latenter Wärme, deren
                              Entwickelung der folgende Versuch zu verfolgen erlaubt. Ein mit fraglicher Legirung
                              gefülltes Glaskügelchen wird in der Art isolirt, daß man ihr Erkalten beobachten
                              kann; zu diesem Behufe befindet sich in der Legirung ein Thermometer, dessen Gang
                              man mittelst eines Fernrohrs und eines Chronographs verfolgt. Gesetzt, das Kügelchen
                              enthalte 150 Gramme der d'Arcet'schen Legirung, so
                              braucht das Thermometer, welches bei etwa 130°, wo die Legirung flüssig war,
                              in fünf bis sechs Secunden um einen Grad sank, über 400 Secunden um die zwei Grade
                              zwischen 96 und 94° herunterzusinken. Dieß ist ganz einfach, die latente
                              Wärme entweicht innerhalb dieser Zeit. Nachdem die Erstarrung vor sich gegangen,
                              nimmt das Thermometer wieder einen regelmäßigen Gang an, sinkt, bis gegen
                              57°, um einen Grad in 10–12 Secunden; dann bleibt es aber plötzlich
                              stehen und steigt sogar wieder um 1–2 Grade; zu gleicher Zeit berstet das
                              Kügelchen wegen bedeutender Ausdehnung der ganzen Masse, welche Ausdehnung nach dem
                              Erkalten noch fortbesteht, so daß das vorher stark eingezwängte Thermometer nun frei
                              und beweglich wird.
                           Es findet mithin hier eine Veränderung in der Constitution der Legirung statt und die während
                              dieser Veränderung sich entwickelnde Wärme ist so groß, daß sie das Thermometer,
                              welches eben noch in 10 bis 12 Secunden um einen Grad fiel, mehr als 400 Secunden
                              lang zwischen 58 und 56° hält. Die Wärme-Entwickelung fährt also sehr
                              lange fort, was die Langsamkeit des Erkaltens beweist.
                           Zum Messen der Wärme bediene ich mich eines Verfahrens, welches Rudberg bei einer andern Gelegenheit anwandte; verbinde dasselbe aber mit
                              einem Mittel zur Controle, wodurch es, wie ich hoffe, die ihm von Despretz vorgeworfene Unsicherheit verliert. Ich verfolge
                              nämlich mit einem Chronograph vergleichend die Erkaltung der Legirung und eines
                              andern, möglichst identischen und in gleiche Umstände versetzten Körpers. Da die
                              Wärme, welche dieser Körper bei jedem Grad verliert, bekannt ist, so habe ich
                              annäherungsweise auch die, welche die Legirung verliert; außerdem aber messe ich mit
                              dem Calorimeter den Verlust der Legirung zwischen dieser und jener Temperatur; die
                              Messung durch die Erkaltung muß nun dieselben Zahlen geben. Ich besitze also hiemit,
                              wie gesagt, ein Mittel zur Controle und Correction. Die auf diese Weise corrigirte
                              Erkaltungstafel gibt die Wärme, welche die Legirung in jedem Augenblick verliert;
                              man verfolgt dadurch alle Veränderungen welche die specifische Wärme erfährt; die
                              latente Schmelzwärme, so wie die aus der Veränderung der Constitution entspringende,
                              findet sich dadurch gemessen; letztere beträgt ungefähr 3 Wärmeeinheiten per Gramm
                              bei der d'Arcet'schen Legirung.
                           Ein anderes, minder genaues Verfahren, sie zu messen, das aber ein merkwürdiges
                              Resultat gibt, ist folgendes. Nachdem die Legirung geschmolzen ist, lasse ich sie
                              erstarren und dann nur etwa auf 94° C. erkalten, damit die Zersetzungswärme
                              nicht entweicht. Nun tauche ich sie in das Calorimeter und ziehe 7 4 Wärmeeinheiten
                              aus ihr. Dann erhitze ich sie wieder auf 95° C. und kann dann nur noch 5,2
                              Wärmeeinheiten aus ihr gewinnen, so daß ich zu dem paradoxen Resultat gelange, daß
                              ein und derselbe Körper weniger Wärme enthält, wenn er heißer ist. Der Unterschied
                              von 2,2 Wärmeeinheiten entspringt daher, daß die wieder auf 95° erhitzte
                              Legirung nur zum Theil die Constitutions-Veränderung erfuhr.
                           Wenn man die Legirung, nachdem sie geschmolzen ist, durch Eintauchen in Wasser rasch
                              erkaltet, und sie, sobald man sie anfassen kann, herausnimmt, so erhitzt sie sich
                              nach einigen Augenblicken dermaßen, daß man sich die Finger verbrennt. Hier
                              widersetzt sich die plötzliche Erkaltung anfänglich der
                              Constitutions-Veränderung; allein es tritt ein Augenblick ein, wo die
                              Anordnung der Molecüle nicht mehr vereinbar ist mit einer so niedern Temperatur;
                              alsdann erfolgt eine neue Anordnung. Und da sie so zurückgehalten worden war, tritt
                              sie um so energischer, nämlich in einer viel kürzern Zeit, ein; man beobachtet nicht
                              nur ein langsameres Erkalten, sondern auch eine Erwärmung, welche die Masse auf
                              70° bringen kann.
                           Kurz der Wärmeüberschuß, welchen die Legirungen entlassen, wenn man sie bis nähe zu
                              ihrem Schmelzpunkt erhitzt, kömmt nicht von der latenten Schmelzhitze und kann auch
                              nicht als bloße specifische Wärme betrachtet werden; er ist größtentheils Folge
                              einer Constitutions-Veränderung, welche in einer vollständig erstarrten
                              Legirung, und zwar unterhalb ihres Schmelzpunkts, eintreten kann.