| Titel: | Verfahren, welches zu Douchy befolgt wurde, um beim Abteufen von Schachten durch bedeutende Wasserschichten mittelst comprimirter Luft zu dringen. | 
| Fundstelle: | Band 109, Jahrgang 1848, Nr. XXXV., S. 201 | 
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                        XXXV.
                        Verfahren, welches zu Douchy befolgt wurde, um
                           								beim Abteufen von Schachten durch bedeutende Wasserschichten mittelst comprimirter Luft
                           								zu dringen.
                        Aus dem Recueil de la Société polytechnique, 1847, Nr.
                              									30.
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              									IV.
                        Verfahren zum Abteufen von Schachten mittelst comprimirter
                           								Luft.
                        
                     
                        
                           Der Bergwerks-Ingenieur Blavier erstattete über
                              									diesen Gegenstand folgenden Bericht:
                           Die sehr schwammige Beschaffenheit einiger, das obere Stockwerk der Kreideformation
                              									bildenden Bänke läßt dort manchmal außerordentlich starke Wasserschichten
                              									(Tagewasser) sich ansammeln, welche von den Grubenleuten im Norddepartement Niveaux genannt werden, und durch welche, ungeachtet
                              									ihres geringen Abstandes vom Tage, doch nur mittelst mechanischer Mittel von sehr
                              									großer Kraft hindurchzugelangen ist.
                           An einigen Stellen der Muthung der Gruben zu Douchy (Nord) haben diese, beinahe an
                              									der Oberfläche befindlichen Niveaur eine solche Mächtigkeit, daß es trotz der
                              									Anwendung einer Dampfmaschine von 80 Pferdekräften, welche auf 4 Pumpenstiefel von
                              									35 Centimeter Durchmesser wirkte, vor ungefähr 10 Jahren nicht gelang ihrer Herr zu
                              									werden und in einer Tiefe von 20 Meter auf feste, wasserdichte Bänke zu stoßen, auf
                              									welche man sich setzen könnte, um zu hauen. Man mußte deßhalb auf die Absinkung
                              									eines zu diesem Zwecke für nützlich erachteten  Schachts verzichten. In der Mitte des letzten Octobers
                              									(1846) wurde abermals die Absinkung eines Schachts in derselben Gegend unternommen
                              									und durch ein neues, sehr sinnreiches Verfahren mittelst einer einzigen
                              									Dampfmaschine von 14 Pferdekräften wurden die Schwierigkeiten besiegt; man konnte 20
                              									Meter tief vom Boden aus auf compacten thonigen Kalksteinen eine mit Spitzen
                              									versehene Bühne (trousse picotée) auflegen, auf welche
                              									die Schachtverzimmerung fest aufgesetzt werden könnte. Dieses Verfahren soll hier
                              									näher beschrieben werden.
                           Wir besichtigten diese Arbeit zu drei verschiedenen Malen, am 17. Oct. 1845, am
                              									darauffolgenden 5. und 28. December. Bei unserem ersten Besuch begann die Arbeit;
                              									der Boden des angefangenen Schachts (avaleresse) war
                              									kaum 1 Meter unter dem obern Niveau des Wassers, also nahezu 2,50 Meter unter dem
                              									Erdboden. Am 5. Dec. war man 17 Meter unter dem Boden; man hatte schon ein erstes
                              									Niveau von 15,40 Meter Tiefe durchgearbeitet und konnte auf eine Thonbank eine erste
                              									mit Spitzen versehene Bühne legen, auf welche die Schachtzimmerung gesetzt wurde,
                              									und schon war man im Durcharbeiten des zweiten Niveau begriffen, welches bis auf 20
                              									Meter hinuntergeht.
                           Bei unserm letzten Besuch war man dem Grund des zweiten Niveau schon sehr nahe; man
                              									war mit Wiederherstellung einiger bei der Arbeit vorgekommenen Beschädigungen
                              									beschäftigt, von welchen weiter unten die Rede seyn wird. Acht Tage nach diesem
                              									letzten Besuch war das Niveau durchgearbeitet und die Schachtzimmerung saß auf einer
                              									mit Spitzen in gutem Grund (starke Lachter) eingehauenen Bühne. Von da an hielt man
                              									die großen Schwierigkeiten für überwunden und die Verfolgung des Schachtbaues schien
                              									in eine gewöhnliche Absinkungsarbeit überzugehen.Seitdem überzeugte man sich aber, daß unterhalb der starken Lachter (fortes toises) sich wieder ein Tagwasser befand,
                                    											und zwar ein noch stärkeres als die obern, dessen man nur mittelst
                                    											comprimirter Luft Herr werden konnte.
                           Das nun zu beschreibende Verfahren ist eine sehr sinnreiche Modification der Taucherglocke. Zuerst bediente sich desselben der
                              									Civil-Ingenieur TrigerPolytechn. Journal Bd. LXXXIII S. 350. im Jahr
                              									1839 im Maine-Loire-Departement, um einen Schacht durch angeschwemmten
                              									Sand abzuteufen, welcher auf den sehr zahlreichen, in das Loire-Bett
                              									gleichsam gesäeten Inseln über dem festen Gestein eine 15–16 Meter dicke
                              									Fläche bildet, die durch leichtstattfindende Infiltrationen mit dem Fluß in
                              									unmittelbarer Verbindung steht. Doch mußten, obgleich das Verfahren in dem
                              									Loire- und im 
                              									Nord-Departement dem Principe nach gleich war, örtlicher Verhältnisse,
                              									besonders der Natur des Bodens wegen, in letzterm Departement viele Modificationen
                              									eintreten. So bediente man sich im Maine-Loire-Departement, um durch
                              									den Sand zu arbeiten, als Schachts einer Röhre oder eines Cylinders von Eisenblech
                              									von 1,5 Met. Durchmesser, welche durch die Alluvial-Ablagerung eingetrieben
                              									wurde. Im Nord-Departement hingegen war ein großer Schacht erforderlich; man
                              									konnte nicht daran denken eine Röhre von 3 Meter Durchmesser durch Kreidebänke
                              									einzutreiben; man machte einen gezimmerten Schacht, welcher auf gewöhnliche Weise
                              									aus aneinander gefügten Vierungen zusammengesetzt wurde.
                           Das Princip des neuen Verfahrens ist einfach. Statt das Wasser aus der in den Boden
                              									gemachten Höhlung auszuziehen (auszupumpen), um sie trocken zu erhalten, damit die
                              									Bergleute arbeiten können, wird mittelst einer Luftpumpe in dieselbe Höhlung Luft
                              									eingetrieben, um das Wasser auf den Wegen, die es herbeiführten, wieder
                              									zurückzutreiben; dasselbe wird also durch die Spannung der comprimirten Luft im
                              									Gleichgewicht erhalten. Um dieses Resultat zu erhalten und zugleich das Ein-
                              									und Austreten der Arbeiter und das Herausschaffen des beim Aushöhlen der Grube sich
                              									ergebenden Abraums möglich zu machen, bedient man sich eines gußeisernen Cylinders
                              									von 2 Meter Durchmesser und 3,60 Meter Höhe; es ist dieß die sogenannte Luftkammer (sas à air).
                           Dieselbe ist oben und unten verschlossen.
                           Die wesentlichen Theile an diesem Cylinder a, a, a, a
                              									Fig. 2 sind
                              									folgende:
                           1) Ein Sicherheitsventil b.
                           2) Zwei Thüren oder Klappen c, d, welche an der oberen und unteren Basis der Kammer angebracht sind und
                              									sich an Scharnieren öffnen, die obere von außen nach innen, die untere von innen
                              									nach außen; diese Thüren sind Rechtecke und so groß, daß Menschen und prismatische
                              									Kästen mit rechteckigen Endflächen von etwa ½ Hektoliter Rauminhalt zum
                              									Ausbringen des Abraums hindurch können.
                           3) Eine Röhre e zum Eintreiben von Luft in den Apparat.
                              									Diese Röhre, welche durch die Kammer geht und über deren untere Endfläche nur um
                              									zwei Decimeter hinausreicht, ist in Verbindung mit einer doppeltwirkenden Luftpumpe
                              									(Druckpumpe), die durch eine Dampfmaschine von 14 Pferdekräften in Bewegung gesetzt
                              									wird.
                           Der Durchmesser des Kolbens der Luftpumpe beträgt 0,41 Meter, der Kolbenlauf 0,90
                              									Meter. Dieselbe Röhre ist mit einem Hahn g versehen,
                              									damit man beim Eintritt eines Unfalls oder bei einer Reparatur am Blasecylinder den
                              									Druck unterhalten kann.
                           
                           4) Zwei Hähne h, h′ an
                              									der obern und untern Endfläche der Kammer dienen zu dem unten angegebenen Zweck.
                           5) Eine Röhre f, welche durch die Kammer bis auf den
                              									Grund der Ausgrabung hinunter geht, hat den Zweck daß in gewissen Fällen das Wasser
                              									in ihr aufsteigt, um die Reinigung des Schachtbodens zu erleichtern und den Boden
                              									trocken zu legen. An dieser Röhre ist ein Hahn j
                              									angebracht, welcher geöffnet wird, wenn man Wasser auslaufen lassen will.
                           6) Zum Hinaufziehen des beim Ausgraben sich ergebenden Abraums mittelst der erwähnten
                              									prismatischen Kästen wurde in der Luftkammer eine Winde angebracht, wie sie die
                              									Abbildung zeigt, und ein mit einer viereckigen Oeffnung versehener Fußboden t, worauf sich die Männer stellen, welche diese Winde in
                              									Bewegung zu setzen haben. Auf diesen Fußboden wird auch ein Theil der mit Abraum
                              									angefüllten Kästen abgestellt, ehe man sie zu Tage fördert.
                           Die Behandlung des Apparats ist leicht zu verstehen. Angenommen die Arbeit sey im
                              									Gange. Der Boden des Schachts liegt trocken; die Arbeiter stehen auf dem Boden und
                              									graben aus. Unter diesen Umständen ist die obere Thüre c
                              									geschlossen und die untere d offen. Der Hahn h an der obern Basis der Kammer ist geschlossen;
                              									hinsichtlich des untern Hahns h′ ist es
                              									gleichgültig ob er offen oder geschlossen ist. Daß der Hahn j der aufsteigenden Säule geschlossen ist, versteht sich von selbst. Wenn
                              									der beim Ausgraben entstandene Abraum mittelst der Windevorrichtung und der
                              									prismatischen Kästen hinaufgezogen ist und, wie eben gesagt, auf dem Fußboden t steht und die Arbeiter also ihre Aufgabe (Schicht)
                              									beendigt haben, so müssen die gefüllten Kästen zu Tage gefördert, leere dafür
                              									hergeschafft, und die Arbeiter durch eine neue Post ersetzt werden. Zu diesem Behufe
                              									wird die untere Thüre d der Kammer geschlossen; man
                              									sperrt den untern Hahn h′ ab und stellt, indem
                              									man den obern Hahn h ein wenig öffnet, eine Verbindung
                              									zwischen der Kammer und der äußern Atmosphäre her. Die comprimirte Luft in der
                              									Kammer tritt dann wegen ihrer Spannung mit einem scharfen und lange andauernden
                              									Pfeifen aus. Man öffnet den Hahn h immer mehr. Nach
                              									Verlauf von 15–20 Minuten ist das Gleichgewicht zwischen dem äußern und
                              									innern Druck der Kammer vollkommen hergestellt, die Thüre c öffnet sich durch ihr eigenes Gewicht und die Arbeiter verlassen die
                              									Kammer.
                           Mittelst eines außen aufgerichteten Aufzugs (einer Winde) i werden die mit Abraum gefüllten Kästen aufgezogen. Man ersetzt dieselben
                              									sogleich durch andere leere Kästen und die Arbeiter der neuen Schicht  steigen in die Kammer hinab.
                              									Hierauf wird umgekehrt verfahren; man schließt die obere Thüre c, sperrt den Hahn h ab und
                              									öffnet allmählich den untern Hahn h′.
                              									Augenblicklich dringt die comprimirte Luft der Grube durch letztern in die Kammer,
                              									worin der Druck stufenweise zunimmt, bis das Gleichgewicht zwischen dem Raum unter
                              									ihr und im Innern der Kammer wiederhergestellt ist. In diesem Augenblick öffnet sich
                              									die untere Thüre d durch ihr eigenes Gewicht, und die
                              									Arbeiter steigen auf Leitern auf den Boden des Schachtes hinab.
                           Sowohl während der Zeit, als das beschriebene Manöver dauert, als vorher und nachher,
                              									kurz immer oder so lange der Schacht trocken erhalten werden soll, muß die
                              									Dampfmaschine im Gang seyn und die Druckpumpe durch das Einführungsrohr Luft
                              									eintreiben; denn sobald darin eine Unterbrechung stattfindet, steigt das Wasser im
                              									Schacht, aber langsam, weil es durch die Spannung der Luft Widerstand erfährt. Hätte
                              									die Luft gar keinen Ausweg, so wäre das zwischen dem Luftdruck und dem Wasser
                              									hergestellte Gleichgewicht permanent, und würde der Schacht ohne neues Luftauslassen
                              									trocken bleiben. Durch die Poren des Erdreichs geht aber sowohl im Boden als
                              									seitlich eine bedeutende Menge Luft verloren; man kann dieß nach der Luftmenge
                              									bemessen, die man unaufhörlich in den Schacht treiben muß, um darin einen constanten
                              									Druck zu unterhalten. Diese Luftmenge ist nach der Tiefe, zu welcher man gelangte,
                              									sehr verschieden; so war, wenn der Manometer 1¼ Atmosphären Druck anzeigte,
                              									die Anzahl der erforderlichen Kolbenhube des Blascylinders, um den Schacht trocken
                              									zu erhalten, sehr nahezu 50, während sie 80 betrug, wenn der Manometer 2½
                              									Atmosphären Druck anzeigte; es gingen also im ersten Fall ungefähr 5,85 Kubikmeter
                              									Luft und im zweiten 9,36 Kubikmeter per Minute
                              									verloren.
                           Das Steigrohr f kommt nur dann in Gebrauch, wenn durch
                              									irgend einen Zufall, durch eine Unterbrechung der Blasemaschine oder sonst eine
                              									Ursache, das Wasser in dem Schacht auf eine gewisse Höhe gestiegen ist, und man
                              									denselben trocken legen will. Wenn man die Blasemaschine in Thätigkeit setzt, so
                              									wird allerdings das Wasser in die Canäle, welche es herbeiführten, zurückgetrieben;
                              									zuweilen aber, wenn der Boden nicht sehr offen, nicht
                              									sehr rissig ist, geht diese Zurücktreibung sehr langsam von Statten. In diesem Fall
                              									nun öffnet man den Hahn j und das auf seiner Oberfläche
                              									gepreßte Wasser steigt dann in der Röhre hinauf und wird so rascher aus dem Schacht
                              									hinaus getrieben.
                           Es könnte scheinen, daß es nicht vortheilhaft sey, das Austreiben des Wassers auf
                              									diese Weise zu bewerkstelligen, weil dasselbe beinahe 4 Meter über sein natürliches
                              									Niveau gehoben werden muß, damit es  außerhalb der Luftkammer ablauft; dieser Einwand ist aber
                              									nicht begründet, denn man bringt das Wasser durch eine sehr sinnreiche Vorkehrung
                              									auf eine viel bedeutendere Höhe, als dem vom Manometer angezeigten Druck entspricht.
                              									Das Mittel hierzu besteht darin, daß man in die Entleerungsröhre in der Nähe des
                              									Wasserspiegels, etwas darüber, kleine Löcher bohrt, durch welche etwas Luft
                              									eindringt. Bei seinem raschen Eindringen zieht dieser Luftstrom das Wasser nach, und
                              									überdieß wird durch die vielen circulirenden Luftblasen ein Medium erzeugt, dessen
                              									mittleres specifisches Gewicht geringer ist als dasjenige des Wassers.
                           Durch allmähliches Verstopfen einer mehr oder weniger großen Anzahl kleiner Löcher
                              									mit Thon und Beobachten des Erfolgs, nämlich des zunehmenden Sinkens des Wassers,
                              									ist der Arbeiter bald im Stande die Luftmenge genau zu bestimmen, welche man bei
                              									einer gegebenen Tiefe eintreten lassen muß, um das Maximum der Wirkung
                              									hervorzubringen.
                           Wir haben nun zu erklären, wie das Absinken und successive Setzen der Vierungen der
                              									Schachtzimmerung bewerkstelligt wird.
                           Die 10 Stücke, aus welchen jede Vierung (Rahmen der Schachtzimmerung) besteht, wurden
                              									mittelst an den Ecken angebrachter eiserner Bänder miteinander verbunden. Trotz des
                              									Beschlägs würde der Druck auf die Theile der Zimmerung dieselben aber doch
                              									auseinander reißen und die Luft mit Gewalt entweichen und die Operation unausführbar
                              									machen, wenn man die Ecken nicht mit festem Lehm bestreichen und jede Fuge welche
                              									durch einen gellenden Pfiff angezeigt wird, sorgfältig verschließen würde.
                           Denken wir uns die Zimmerung in einer gewissen Tiefe, so wird die Absinkung auf
                              									folgende Weise fortgesetzt. Die Arbeiter höhlen den Boden mittelst der gewöhnlichen
                              									Werkzeuge aus; sobald durch die Arbeit im ganzen Umkreis des Schachts und in einem
                              									hinlänglich großen Durchmesser das Gestein 1 Fuß tief bloßgelegt ist, wird der Boden
                              									4–7½ Zoll dick mit compactem Lehm (diève)
                              									ausgelegt und auf diese künstliche Wand setzt man eine (zehneckige) Bekleidung aus 2
                              									Zoll dicken Buchenbrettern.
                           Nachdem man etwas über einen Meter unter der letzten Vierung abgeteuft hat, setzt man
                              									die Zimmerung ein, indem man, wie bemerkt, die Stücke woraus sie besteht, mit
                              									Beschlägen versieht, und alle Ecken und Zwischenräume mit Kupfer belegt. Im obern
                              									Theil des Schachts, nämlich unmittelbar unter der Luftkammer, wurde mittelst sich
                              									verengernder Vierungen (welche 4 Meter unter der Basis der Luftkammer wieder so weit
                              									als der Schacht wurden) eine dichte innere Verkleidung von  Lehm angebracht, um so viel als
                              									möglich jedes Entweichen von Luft zu verhindern.
                           Mittelst dieser Vorkehrungen ging die Arbeit bis auf eine Tiefe von 17–18
                              									Meter unter dem Boden ziemlich leicht vor sich. Als man an dem Punkt anlangte, wo
                              									der in die Luftkammer gebrachte Manometer 2 6/10 Atmosphären anzeigte, traten einige
                              									Unfälle ein; der ganze obere Apparat sammt allem, was er einschloß, wurde
                              									erschüttert, aus seiner Stellung gebracht, ja sogar etwas gehoben; durch die
                              									Spalten, welche diese Verrückung verursachte, drang die Luft gewaltsam heraus und
                              									erzeugte eine Art heftigen und plötzlichen Sturms, wobei ein beträchtlicher Theil
                              									der Lehmbekleidung weggeschleudert wurde, indem sie um den Schacht herum in einem
                              									Durchmesser von 10–12 Meter durch die aus den Spalten des Bodens
                              									hervordringende Luft aufgerissen wurde.
                           Die Kammer mußte nun wieder lothrecht eingesetzt werden, wobei man sie mit der untern
                              									Zimmerung mittelst eiserner Stangen verband. Man stellte die auseinandergerissenen
                              									Theile der Zimmerung wieder her, erneuerte die obere Lehmbekleidung, indem man den
                              									Schacht mittelst der beschriebenen Verfahrungsweisen allmählich entleerte und
                              									vermochte so mit dem Absinken wieder fortzufahren, welches man bis auf 20 Meter
                              									fortsetzte. In dieser Tiefe konnte man, wie gesagt, ein Bühnloch mit Spitzen legen,
                              									auf welches die Zimmerung gesetzt wurde.
                           Der stärkste Druck auf welchen die Luft gegen das Ende der Arbeit gebracht wurde, war
                              									3 Atmosphären (2 wirkliche Atmosphären); nach den Erscheinungen beim Abteufen, den
                              									Unfällen welche sich dabei ereigneten, dem Zustand der Arbeiter etc., ist anzunehmen
                              									daß man ziemlich an die Gränze der Tiefe gelangte, welche nach den Boden- und
                              									andern Verhältnissen zu Douchy mittelst comprimirter Luft erreichbar ist.
                           Um diesen Bericht zu vervollständigen, haben wir noch einige physische oder
                              									physiologische Wirkungen zu besprechen, welche sich bei der Arbeit in comprimirter
                              									Luft einstellen. Sobald man in der Luftkammer nach Absperrung der äußern Luft, den
                              									untern Hahn öffnet, empfindet man auf dem Trommelfell eine sehr unangenehme Wirkung,
                              									eine Art schmerzhaften Summens. Dieses Gefühl dauert höchstens 20–30
                              									Secunden; man vermindert die Dauer desselben, wenn man heftig einathmet und den
                              									Speichel oft und schnell hinunterschluckt. Ist dieses Gefühl vorüber, so empfindet
                              									man keinen Schmerz und überhaupt keine unangenehme Empfindung mehr, so lange man
                              									auch in der comprimirten Luft bleibt. Wir verweilten zwei Stunden unausgesetzt
                              									darin, ohne das mindeste zu empfinden. Die Arbeiter verweilen sechs Stunden darin,
                              									ohne einen Schmerz zu empfinden. Doch, scheint es, athmet man etwas  schwieriger als in freier Luft;
                              									denn man empfindet ein Wohlbehagen, wenn man, um sich zum Austreten vorzubereiten,
                              									in der Kammer die comprimirte Luft verdünnt.
                           In comprimirter Luft von 2½ und 3 Atmosphären, ist man, wenn man einen Ton von
                              									sich zu geben versucht, in einen außergewöhnlichen physiologischen Zustand versetzt.
                              									Umsonst versucht man zu pfeifen, die Luftsäule kann nicht in Schwingung versetzt
                              									werden und das Sprechen erfordert eine gewisse Anstrengung.
                           Die Circulation des Bluts scheint in der comprimirten Luft weder beschleunigt noch
                              									langsamer zu werden; wir zählten nämlich dem Director der Anstalt und dem Aufseher,
                              									welche uns begleiteten, ehe wir in die Kammer eintraten, die Pulsschläge, und fanden
                              									nach einem stundelangen Aufenthalt in der auf 2,6 Atmosphären comprimirten Luft gar
                              									keine Veränderung. Dieselbe Beobachtung machten wir auch an uns selbst.
                           Wenn man aus der Luftkammer zu Tage steigen will, und den, die Verbindung der Kammer
                              									mit der äußern Luft herstellenden Hahn auch nur ein wenig öffnet, so wird der
                              									Cylinder von einem dichten Nebel erfüllt und man fühlt eine empfindliche Kälte in
                              									Folge des Wärmeverlusts, welchen jeder Körper in einer Luft erleidet, die sich zu
                              									verdünnen strebt bis das Gleichgewicht des Drucks zwischen innen und außen
                              									hergestellt ist. Daraus daß die Wirkungen der comprimirten Luft auf die thierische
                              									Oekonomie, so lange als man sich gewöhnlich in ihr befindet, nicht wahrnehmbar sind,
                              									darf man jedoch nicht folgern, daß sie ohne Einfluß auf dieselbe ist; nach
                              									Erkundigungen, welche wir einzogen, glauben wir annehmen zu dürfen, daß nur junge,
                              									sehr starke Leute die Arbeit in comprimirter Luft eine Zeit lang aushalten können;
                              									die meisten bei dem Verfahren zu Douchy beschäftigten Leute, obgleich aus den
                              									stärksten und gesündesten gewählt, empfanden eine Stunde nach ihrem Austritt aus der
                              									Luftkammer, entweder Schwere im Kopf, oder Schmerz in den Gliedern. Ein einziger von
                              									ihnen empfand 12 Stunden lang eine völlige Lähmung der Arme und Beine.
                           Der Director des Bergwerks behauptet, daß die von den Arbeitern in Folge ihres
                              									Verweilens in comprimirter Luft verspürten Wirkungen beinahe immer mit einem Exceß
                              									zusammenhängen, welchen sie in der Zwischenzeit ihrer Dienste begangen hatten.
                              									Uebrigens wichen diese geringern oder stärkern Schmerzen jedesmal den Einreibungen
                              									mit irgend einem Spirituosum. Diese mehr oder weniger schlimmen Wirkungen waren nach
                              									der Constitution des Individuums verschieden. Unserer eigenen Erfahrung zufolge
                              									können wir behaupten, daß ein etwas langer  Aufenthalt in comprimirter Luft allerdings mehr oder
                              									weniger große Störungen in der thierischen Oekonomie verursacht.
                           Nach unserm ersten Besuch der Arbeiten am 5. Dec. empfanden wir nichts; am andern Tag
                              									aber verspürten wir Schmerzen an der linken Seite, welche mehrere Tage andauerten.
                              									Um uns zu überzeugen ob etwa eine Erkältung die Veranlassung dazu gab, wiederholten
                              									wir nach vollkommenem Aufhören dieser Schmerzen am 28. Dec. den Versuch,
                              									beobachteten aber beim Ausfahren aus dem Schacht größere Vorsicht, um uns gegen jede
                              									Erkältung zu schützen. Dessenungeachtet empfanden wir am andern Tag, beinahe zur
                              									selben Zeit, nämlich etwa 20 Stunden nach dem Austritt aus der comprimirten Luft,
                              									auf der rechten Seite dieselben Schmerzen wie früher, welche uns 4–5 Tage
                              									lang Frost verursachten. Wir müssen daher unsern Aufenthalt in comprimirter Luft als
                              									die Ursache der zweimaligen Störung unserer Gesundheit betrachten. Hr. Ingenieur Comte behauptet, daß er in Folge seiner Besuche des
                              									Schachts zu Douchy eine mehr oder weniger anhaltende Schwere des Kopfs empfunden
                              									habe und ihm sehr lange eine außerordentliche Empfindlichkeit, eine Art Reizbarkeit
                              									der Gehörorgane geblieben sey, welche ihm beim Vernehmen eines trockenen und
                              									plötzlichen Geräusches Schmerz verursachte.
                           Im allgemeinen geht aus den mitgetheilten Thatsachen hervor:
                           1) daß das Verfahren mittelst comprimirter Luft vortheilhaft angewandt werden kann,
                              									um durch große Tagwasser hindurchzuarbeiten, welche im Nord-Departement
                              									häufig in den höhern Bänken des Kreidegebirges vorkommen und das Abteufen von
                              									Grubenschächten durch diese Bänke so schwierig und kostspielig machen;
                           2) daß man mit Beihülfe festen Lehms, mit welchem man zuerst die Zwischenräume des
                              									Bodens und dann die Ecken der Vierungen ausstreicht, große von Holz gezimmerte
                              									Schächte anwenden kann, wie sich ihrer die Bergleute im Nord-Departement
                              									schon seit langer Zeit mit Erfolg bedienen;
                           3) daß die Tiefe welche unter dem natürlichen Niveau des Wassers hindurchzuarbeiten
                              									ist, um eine feste, vom Wasser nicht durchdringliche Bank zu erreichen, auf welche
                              									man sich fetzen kann, bei diesem Verfahren 20 Meter nicht viel übersteigen darf;
                           4) daß die Bergleute, wenn sie von starker Constitution sind und mäßig leben, ohne
                              									bedeutenderes und bleibendes Uebelbefinden befürchten zu müssen, bei zwei wirklichen
                              									Atmosphären Druck, wenigstens eine gewisse Zeit lang, 1 bis 2 Monate, in
                              									comprimirter Luft arbeiten können.
                           
                           Das beschriebene Verfahren ist daher als eine sehr nützliche Verbesserung in der
                              									Kunst, Schächte durch sehr wasserreiche Schichten abzusinken, zu betrachten.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
