| Titel: | Ueber die Fabrication der Schwefelsäure und ihre Concentration auf 66° Baumé, ohne Bleikammern und Platinblase, durch den neuen Apparat des Hrn. Schneider, früher Director der chemischen Fabrik in Sainte-Marie-d'Ognies bei Charleroy (Belgien). | 
| Fundstelle: | Band 109, Jahrgang 1848, Nr. LXVI., S. 354 | 
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                        LXVI.
                        Ueber die Fabrication der Schwefelsäure und ihre
                           								Concentration auf 66° Baumé, ohne Bleikammern und Platinblase, durch den neuen
                           								Apparat des Hrn. Schneider, früher Director der chemischen
                           								Fabrik in Sainte-Marie-d'Ognies bei Charleroy (Belgien).Ein Bericht von Payen über dieses neue Verfahren
                                 										Schwefelsäure zu fabriciren, wurde im polytechn. Journal Bd. CVII S. 362 mitgetheilt. Hr. Schneider verbreitet sich in seiner Abhandlung
                                 										genügend über das Princip seiner Methode; in der Beschreibung des Apparats
                                 										vermißt man aber die Anleitung zum Betrieb desselben, deren Mittheilung der
                                 										Erfinder sich offenbar absichtlich vorbehielt. Uebrigens dürften sich bei der
                                 										Anwendung des Schneider'schen Verfahrens im Großen,
                                 										welche allein über dessen praktischen Werth entscheiden Kann, manche
                                 										unvorhergesehene Schwierigkeiten darbieten A. d. R.
                        Aus dem Bulletin de la société d'Encouragement, Jul. 1848,
                              									S. 372.
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              									VII.
                        Schneider's neues verfahren Schwefelsäure zu
                           								fabriciren.
                        
                     
                        
                           Die Fabrication der Schwefelsäure durch Verbrennen von Schwefel wurde seit ihrem
                              									Ursprung auf eine mehr oder weniger glückliche Weise abgeändert. In der neuesten
                              									Zeit beschäftigten sich die ausgezeichnetsten Chemiker, Gay-Lussac, Thenard, Clément Desormes, Dumas, Payen, Bussy, Chevalier,
                                 										Péligot etc. mit derselben. Es fehlte aber noch immer ein Apparat, um die
                              									Bleikammern bei der Fabrication dieser Säure entbehren zu können: ich glaube dieses
                              									wichtige Problem in praktischer und wissenschaftlicher Hinsicht endlich gelöst zu
                              									haben.
                           Lefevre und Lemery bereiteten
                              									im 17ten Jahrhundert zuerst Schwefelsäure durch Verbrennen des Schwefels mit Zusatz
                              									von Salpeter und zwar in großen mit einer weiten Oeffnung versehenen gläsernen
                              									Ballons.
                           Im Jahr 1746 errichtete Roebuck die erste Bleikammer in
                              									Birmingham, mit periodischer Verbrennung des Gemenges von Schwefel und Salpeter.
                              									Nach Roebuck erfand ein Kattundrucker in Rouen ein
                              									anderes System; bei demselben war nämlich die Kammer nicht geschlossen, sondern mit
                              									einem Schornstein versehen, welcher einen ununterbrochenen Luftwechsel unterhielt.
                              									Dieses sehr sinnreiche Verfahren fand anfangs wenig Eingang und verdankte Chaptal seinen späteren Erfolg.
                           Endlich wurde dieses Verfahren von Payen und Cartier wesentlich verbessert. Ihr Apparat besteht aus
                              									einem Verbrennungsofen, 
                              									welcher mit einer ersten Bleikammer verbunden ist; aus der ersten Kammer treten die
                              									Gase in eine zweite Kammer, welche mit einer dritten, diese mit einer vierten und
                              									letztere mit einer fünften verbunden ist; die fünfte communicirt mit einem
                              									Schornstein, welcher den Zug hervorbringt. Dieser Apparat ist viel vortheilhafter
                              									als der früher angewandte; man erhält in diesen Kammern in derselben Zeit und bei
                              									gleichem Kubikinhalt fast um ein Drittel mehr Säure, als in den Kammern mit
                              									periodischer Verbrennung; denn in Folge des ununterbrochenen Luftstroms und der
                              									größeren Flächen welche die Theilung der Kammer dem Gase darbietet, vermischen und
                              									verbinden sich die Gase schneller. Dieses System wird noch gegenwärtig
                              									angewandt.
                           Mein System der Schwefelsäure-Fabrication beruht auf Gesetzen welche erst in
                              									der neuesten Zeit entdeckt wurden; der Apparat, wovon bei der belgischen
                              									Industrie-Ausstellung im Jahr 1847 ein Modell zu sehen war, verdichtet die
                              									Gase rascher in einem viel kleineren Raum als er bisher erforderlich war; ohne den
                              									ungeheuren Kubikinhalt der Bleikammern zu besitzen, bietet er den zu verdichtenden
                              									Gasen doch eine größere Fläche dar. Um die kostspieligen Platindestillirblasen
                              									entbehrlich zu machen, erfand ich zum Concentriren der Schwefelsäure auf 66°
                              									B. einen Apparat, welcher nicht nur wohlfeiler ist, sondern auch diese Operation
                              									viel schneller auszuführen gestattet.
                           Die verschiedenen chemischen Apparate, welche ich früher in Deutschland, Frankreich
                              									und Belgien hergestellt habe, dürften eine hinreichende Bürgschaft für den Erfolg
                              									des nun zu beschreibenden Systems seyn.
                           Ich will kurz die Vortheile aufzählen, welche der neue Apparat im Vergleich mit den
                              									Bleikammern gewährt, welche nun bald aufgegeben werden dürften.
                           1. Gestehungskosten einer Schwefelsäure-Fabrik.
                              									Wenn wir als Basis unserer Berechnungen eine Schwefelsäure-Fabrik nach dem
                              									gegenwärtigen System annehmen, welche in 24 Stunden 800 Kilgr. Schwefel verbrennt,
                              									die 2360 Kil. Säure von 66° Baumé liefern (100 Theile Schwefel 295
                              									concentrirte Säure), so finden wir, daß die Kosten derselben mit Inbegriff der
                              									Platinblase 110 bis 120,000 Fr. betragen; bei dem neuen Apparat, welcher dieselbe
                              									Menge Schwefel in derselben Zeit verbrennt, belaufen sie sich hingegen nicht über 40
                              									bis 45,000 Fr., sogar mit Inbegriff der Apparate um die Säure auf 66° B. zu
                              									concentriren.
                           2. Reparatur der Bleikammern. Bisweilen wird eine der
                              									Bleikammern beschädigt und erheischt Ausbesserungen. Man muß dann die Kammern feiern
                              									lassen und sie mehrere Tage lüften, damit die Arbeiter  eintreten können um sie
                              									auszubessern. Hiebei werden die Arbeiter trotz aller Vorsichtsmaßregeln stets durch
                              									die aus der Kammersäure sich entwickelnden schwefligen Dämpfe belästigt und sind oft
                              									sogar Gefahren ausgesetzt, z. B. der Asphyxie, wie dieß zu Dieuze i. J. 1835 der
                              									Fall war. Die unbedeutendste Reparatur, welche vorgenommen werden muß, erheischt ein
                              									Feiern von zehn, zwanzig bis dreißig Tagen. Dieser Zeitverlust verschwindet mit dem
                              									neuen Apparat, weil man bei demselben niemals zu feiern braucht, welche
                              									Ausbesserungen er auch erfordern mag.
                           3. Ingangsetzen der Bleikammern. Dieses ist wegen vieler
                              									Schwierigkeiten für den Fabrikant mit großem Verlust an Zeit und Producten
                              									verbunden; denn bevor sich die Kammern auf der erforderlichen Temperatur befinden
                              									und der Zug regelmäßig hergestellt ist, verstreichen oft fünfzehn Tage und bisweilen
                              									ist noch mehr Zeit erforderlich bis der Gang der Fabrication gut regulirt ist. Damit
                              									die Vereinigung der Gase und die Verbrennung des Schwefels gehörig stattfinden
                              									können, müssen sich alle Kammern auf der erforderlichen Temperatur befinden und der
                              									Zug also regulirt seyn; diese Bedingungen sind aber bei einem Apparat von so
                              									ungeheurem Kubikinhalt schwierig zu erfüllen, denn das große Volum kalter Luft,
                              									welches er enthält, muß vor allem ausgetrieben werden. Dagegen kann der neue Apparat
                              									hinsichtlich des Zugs und der Temperatur in Zeit von 24 Stunden in den günstigsten
                              									Zustand versetzt werden, so daß durch eine rasche Verbrennung des Schwefels und die
                              									Vereinigung der Gase die Schwefelsäure-Bildung augenblicklich
                              									stattfindet.
                           4. Der neue Apparat, dessen Capacität man vergrößern oder vermindern kann, ohne den
                              									Fortgang der Fabrication unterbrechen zu müssen, läßt sich im Vergleich mit dem
                              									gegenwärtigen Kammersystem auch viel schneller und mit Ersparung an den Kosten des
                              									Materials herstellen; überdieß erspart man bei der Fabrication sowohl an
                              									Salpetersäure (denn es wurden in diesem Apparat nie über 4 Th. Salpetersäure auf 100
                              									Th. Schwefel angewandt), als an Handarbeit, Abnutzung und an den Gestehungskosten
                              									der Säure, an letzteren wenigstens 30 Proc. Die Herstellungskosten des Apparats sind
                              									in keinem Falle bedeutend und hängen von den Dimensionen desselben ab; man kann ihn
                              									für einen täglichen Schwefelbedarf von 25 Kil. bis zu 1500 Kil. construiren.
                           5. Außer dem größeren Ergebniß an Schwefelsäure (man erhält 306 Kil. Schwefelsäure
                              									von 100 Kil. Schwefel) ist auch das Product vollkommen frei von salpetriger
                              									Säure.
                           6. Die Verdichtung erfolgt rascher, durch die Wirkung der festen  Oberflächen und der porösen
                              									Körper auf die im Innern jedes Gefäßes enthaltenen Gase (diese Gefäße sind Säulen
                              									von Steinzeug).
                           Ein System von Bleikammern, worin 800 Kil. Schwefel in 24 Stunden verbrannt werden
                              									können, erfordert einen Inhalt von 1500 Kubikmeter, welche eine innere Oberfläche
                              									von bloß 324 Quadratmeter darbieten. Obgleich der neue Apparat für dasselbe
                              									Schwefelquantum nur einen Kubikinhalt von 500 Meter hat, so bietet er doch den Gasen
                              									(wovon sich jedes Theilchen mit Sauerstoff umgibt) eine größere Fläche (9500
                              									Quadratmeter) dar. Bei dem neuen Verfahren wird also dem Sauerstoff und den Gasen
                              									eine mehrere Tausendmal größere Fläche dargeboten als bei der alten Methode. In
                              									Folge dieses Umstandes erleiden sie bei ihrer Circulation durch Canäle mit fester
                              									und eckiger Oberfläche und durch poröse Körper eine Reibung und überdieß in den
                              									zahlreichen Biegungen dieser Canäle, welche sie zu durchlaufen haben, eine gewisse
                              									Compression, welche sie zu einer rascheren Verdichtung zwingt als in den
                              									Bleikammern, in welchen die Gase nicht genügend vertheilt und gemischt werden
                              									können. Diesen Verdichtungen durch die festen und porösen Flächen, muß man auch die
                              									Wärmeentwicklung zuschreiben, welche diese regelmäßige Temperatur im Innern des
                              									Apparats erzeugt, vorausgesetzt daß eine hinreichende Menge Sauerstoff zugegen
                              									ist.
                           Bei der Anwendung verbundener Bleikammern, wo die Temperatur wegen des großen
                              									Luftvolums so ungleich bleibt, ist es dagegen unmöglich die Wärme auf dem zur
                              									Begünstigung der Luftzersetzung geeigneten Grade zu unterhalten, denn die tägliche
                              									Erfahrung beweist, daß bei einem solchen System die erste und zweite Kammer in gutem
                              									Gang seyn können, während die dritte, vierte und fünfte krank sind, so daß sich in
                              									ihnen die Gase fast gar nicht vereinigen. Man überzeugt sich davon, wenn man die
                              									Gase beobachtet, welche am Ende der Kammern durch den Schornstein entweichen; sind
                              									diese Gase bei ihrem Austritt weiß, anstatt orangegelb, so ist dieß ein Beweis daß
                              									der Apparat in schlechtem Gang ist und Schwefelsäure verloren geht; allerdings wird
                              									diese Störung meistentheils durch die Nachlässigkeit des mit der Besorgung des
                              									Apparats betrauten Arbeiters veranlaßt, aber sie läßt sich trotz aller
                              									Vorsichtsmaßregeln doch nicht in allen Fällen gänzlich vermeiden. Angenommen dieser
                              									Uebelstand trete monatlich nur zweimal aus irgend einem Grunde ein und diese
                              									Krankheit daure nur 24 Stunden (was das Geringste ist, denn sie dauert oft acht
                              									Tage), so verursacht sie dem Fabrikant einen Verlust von 50 Proc. Schwefelsäure.
                              									Wenn er z. B. von 100 Kil. Schwefel 295 Kil. Säure erhält, so beträgt der Verlust in
                              									24 Stunden 147½ Kil. und wenn derselbe monatlich  zweimal stattfindet, 295 Kil.,
                              									also jährlich 3540 Kil., welche zu 15 Fr. die 100 Kil. gerechnet, die Summe von 531
                              									Fr. geben. Diese Annahme ist keineswegs übertrieben, sondern eher noch unter der
                              									Wirklichkeit. Da dieser Verlust mit dem neuen Apparat vermieden wird, so zahlt er
                              									allein schon die Herstellungskosten desselben in 10 Jahren ab.
                           Das System der verbundenen Bleikammern mit fortwährendem Verbrennen von Schwefel war
                              									schon angenommen, als die meisten Chemiker noch nicht an die unmittelbare Bildung
                              									der Schwefelsäure glaubten, sondern der Meinung waren daß die Dazwischenkunft der
                              									Krystalle zu deren Bildung erforderlich sey. Peligot hat
                              									aber in der neuesten Zeit bewiesen, daß die Bildung dieser Krystalle nur eine
                              									zufällige ist, was auch die tägliche Erfahrung bestätigt. Wenn die Kammern krank
                              									werden, erfolgt die Vereinigung der Gase nur unvollkommen; die Salpetersäure tritt
                              									ihren Sauerstoff nur sehr schwer ab, der Geruch der Säure wird sehr stark, die
                              									Salpetersäure bleibt mit der in den Kammern enthaltenen Schwefelsäure verbunden und
                              									es wird viel schwefligsaures Gas von dem Luftstrom mitgerissen; wenn sich die
                              									Kammern in diesem ungünstigen Zustand befinden, zeigen sich bisweilen Krystalle,
                              									welche aus Schwefelsäure und salpetriger Säure in Verbindung mit Wasser bestehen.
                              									Wenn man den Grundsatz anerkennt, daß die Bildung der Schwefelsäure nicht
                              									augenblicklich stattfindet, sondern eine gewisse Zeit zu ihrer Erzeugung durch
                              									Verbindung der Gase erforderlich ist, so begreift man die Anwendung der ungeheuren
                              									Bleikammern, welche bei dem System mit periodischer Verbrennung des Schwefels nicht
                              									zu geräumig seyn könnten, um große Quantitäten Säure zu erzeugen. Um nach diesem
                              									(älteren) Verfahren 200 Kil. Schwefel in 24 Stunden verbrennen zu können, mußte der
                              									Inhalt der Kammer 3300 Kubikmeter betragen und da die geschicktesten Fabrikanten
                              									dennoch selten 200 Kil. Säure erzielten, in der Regel nicht über 150 auf 100 Kil.
                              									verbrannten Schwefels, so mußte man endlich anerkennen, daß das System sowohl in der
                              									Theorie als in der Praxis mangelhaft war.
                           In jeder Bleikammer erhält man Schwefelsäure, es gibt aber mehr oder weniger
                              									vortheilhafte Verhältnisse und Constructionen derselben und manche Kammer wird in
                              									einer gegebenen Zeit alle Gase verdichten, während bei anderen ein mehr oder weniger
                              									beträchtliches Quantum der Gase verloren geht. Da die meisten Fabrikanten nur eine
                              									einzige Kammer besitzen, so können sie über die Vortheile oder Nachtheile, welche
                              									aus der von ihnen gewählten Construction hervorgehen, nur schwer ins Reine kommen.
                              									Offenbar konnte bei dem älteren Verfahren mit periodischer Verbrennung des Schwefels
                              									die Bildung der Schwefelsäure nicht  augenblicklich stattfinden; man füllte einen eisernen
                              									Wagen mit dem Gemenge von Schwefel und Salpeter (von letzterem 15 bis 20 auf 100
                              									Schwefel), schob denselben, nachdem das Gemenge angezündet war, in die Kammer und
                              									verschloß letztere luftdicht; die Verbrennung konnte nur langsam erfolgen, da kein
                              									Luftstrom hergestellt wurde, um sie zu bethätigen, und da die Gase stationär
                              									blieben, so erfolgte ihre Vereinigung auch nur sehr langsam durch ihre eigene
                              									specifische Schwere; es fehlten also die zur augenblicklichen Bildung der
                              									Schwefelsäure erforderlichen Bedingungen gänzlich. Da man bei einer Kammer von 3300
                              									Kubikmeter Inhalt zum Verbrennen von 100 Kil. Schwefel zwölf Stunden brauchte und
                              									nur 150 bis 200 Kil. Schwefelsäure erhielt, so mußte man allerdings an jene falsche
                              									Theorie glauben, daß sich die Säure nicht augenblicklich bilde. Die Einführung des
                              									Verfahrens mit fortwährendem Verbrennen bei stetem Luftwechsel, welche man Chaptal, Payen und Cartier
                              									verdankt, war daher ein wesentlicher Fortschritt. Der Schwefelsäurebedarf vieler
                              									Sodafabriken ist gegenwärtig so groß, baß sie täglich 1500 Kil. Schwefel verbrennen
                              									müssen; dazu war nach dem älteren Verfahren eine Kammer von 5000 Kubikmeter Inhalt
                              									erforderlich, während nach dem System (von Payen und Cartier) mit stetem Luftwechsel, die Kammern nicht über
                              									1500 bis 2000 Kubikmeter Inhalt haben und noch mehr Säure liefern. Bei meinem System
                              									ist für dasselbe Quantum Schwefel nur ein Kubikinhalt von 500 bis 600 Meter
                              									erforderlich, es werden aber, wie gesagt, den Gasen mehrere Tausendmal größere
                              									Berührungsflächen dargeboten.
                           Wenn der regelmäßige Gang eines Systems verbundener Bleikammern durch irgendeine
                              									Veranlassung gestört worden ist, kann man auf folgende Art abhelfen: man läßt aus
                              									einer Kufe welche mit einer S-förmigen Röhre
                              									versehen ist, durch die Decke der großen Kammer in die selbe ganz reines Wasser
                              									hinablaufen; zugleich bringt man am Boden der Kammern Schlangenröhren an, welche
                              									nach allen Richtungen Dampf auslassen, um eine große Bewegung in der Säure zu
                              									verursachen; das durch die Decke der großen Kammer eintretende Wasser bringt ein
                              									deutliches Pfeifen hervor, die Temperatur erhöht sich merklich, die salpetrige Säure
                              									— welche sich in Folge der Störung des Apparats mit der Schwefelsäure
                              									verbunden hatte — entbindet sich und die salpetrige Säure wird unter dem
                              									Einfluß des Wassers ihrerseits zu Salpetresäure. Nach zwölf Stunden können die
                              									Kammern wieder in gutem Zustande seyn, wenn man den Zug des Apparats verstärkte.
                              									Diese einfache Methode ist unfehlbar und gelang mir immer, aber die meisten
                              									Fabrikanten kennen sie nicht. Wir sehen also, daß sogar in diesem Falle, die
                              									Bewegung  der Gase, die
                              									Vermischung der Säure und eine gewisse Temperatur hauptsächlich dazu beitragen, daß
                              									sich die Gase zur Bildung von Schwefelsäure mit einander verbinden.
                           Von diesen Thatsachen und seinen früheren Untersuchungen über die Untersalpetersäure
                              									und die salpetrige Säure ausgehend, stellte Peligot eine
                              									neue Theorie der Schwefelsäurebildung auf, welche mit allen Daten der Wissenschaft
                              									im Einklang ist. Peregrine Philips erzeugte zuerst
                              									Schwefelsäure in ziemlicher Quantität ohne Anwendung von Salpetersäure oder
                              									salpetersauren Salzen; er trieb das schwefligsaure Gas mit einem Ueberschuß von
                              									atmosphärischer Luft vermittelst einer Pumpe durch ein gußeisernes Rohr welches zum
                              									Rothglühen erhitzt, mit Platinschwamm gefüllt und mit einem sehr dünnen Platindraht
                              									umgeben war. Die gebildete und mit Stickgas gemischte Schwefelsäure leitete er durch
                              									einen hohen Cylinder von Blei, welcher mit Quarzstücken gefüllt und an der Decke
                              									innen mit einem durchlöcherten Doppelboden versehen war und dadurch das Wasser
                              									zertheilte, welches man oben eingoß um den Quarz stetig zu befeuchten. Diese
                              									Operation gelang sehr gut und ohne Zweifel würde der Erfinder vortheilhaftere
                              									Resultate erzielt haben, wenn er statt des geräumigen bleiernen Cylinders einen
                              									Apparat von so verringertem Kubikinhalt angewandt hätte, daß die Temperatur darin
                              									regelmäßig concentrirt worden wäre.
                           Nachdem Doebereiner die Entdeckung gemacht hatte, daß der
                              									Platinschwamm eine Mischung von Sauerstoff- und Wasserstoffgas entflammt,
                              									zeigten Dulong, Thenard und Dumas, daß außer dem Platin diese Eigenschaft noch viele andere, theils
                              									einfache theils zusammengesetzte Körper besitzen, jedoch bei verschiedenen
                              									Wärmegraden. Nach Liebig absorbirt das Platin an
                              									Sauerstoff mehr als das 800fache Volum seiner Poren; dieses Gas ist dann in
                              									denselben in einem Zustand der Verdichtung, welcher demjenigen des flüssigen Wassers
                              									sehr nahe kommt. Nach demselben Chemiker besitzen die Kohle, viele poröse Steine und
                              									andere Körper, die Eigenschaft die Gase, womit man sie in Berührung bringt
                              									(namentlich die in Wasser leicht löslichen) zu absorbiren, indem sie sie verdichten:
                              									dieses Vermögen steht im Verhältniß mit der Porosität der Körper; die Kohle und der
                              									Bimsstein absorbiren sogar ihr 75 bis 80faches Volum schwefligsaures oder salzsaures
                              									Gas. Die in den Poren dieser Körper eingeschlossenen Gase nehmen einen mehrere
                              									Hundertmal kleineren Raum ein, als im freien Zustande. Diese Körper besitzen bei
                              									einer Temperatur unter + 300° C. ebenfalls die Eigenschaft sich mit dem
                              									Sauerstoff und Wasserstoff zu verbinden, ohne sich jedoch zu entflammen. Alles hängt
                              									von dem Zustand ab, worin  man sie anwendet; je zertheilter sie sind, desto mehr werden die gasförmigen
                              									Moleküle durch den festen Körper angezogen und adhäriren seiner Oberfläche durch die
                              									Wirkung der Massen, d. h. der Schwere. Man kann freilich die Condensation nicht
                              									messen, welche auf der Oberfläche von 1 Quadratmeter stattfindet; denken wir uns
                              									aber z. B. eine feste Oberfläche von einigen Hunderten Quadratmeter in den Raum von
                              									1 Kubikcentimeter zusammengedrängt, so wird jedes Gas, in welches man diesen festen
                              									Körper bringt, an Volum abnehmen, das Gas wird absorbirt. Jedes Theilchen dieser
                              									Körper umgibt sich also gewissermaßen mit einer Atmosphäre verdichteten Sauerstoffs;
                              									war das absorbirte Gas schweflige Säure, so zersetzt dasselbe in Berührung mit dem
                              									Wasser, in Folge der Temperatur-Erhöhung im Innern des Apparats, die Luft und
                              									verwandelt sich in Schwefelsäure. Alle diese Wirkungen jener Körper sind keineswegs
                              									chemische Eigenschaften, sondern im Gegentheil physische und mechanische; wenn zu
                              									dieser ersten Wirkung aber noch eine (selbst schwache) chemische hinzukommt, so
                              									können die verdichtbaren Gase ihren Zustand nicht mehr beibehalten.
                           Es ist also heutzutage eine erwiesene Thatsache, daß die Schwefelsäure aus ihren
                              									Bestandtheilen, ohne Anwendung von Salpetersäure oder salpetersauren Salzen erzeugt
                              									werden kann.
                           Ich will hier an eine Bemerkung erinnern, welche mir Hr. Clement Desormes im März 1835 in einem Briefe machte:
                           
                              „Ich kann Ihnen ferner im Vertrauen mittheilen, daß die 4 Kil.
                                 										Salpetersäure auf 100 Schwefel, mehr als hinreichend sind um 300 Kil.
                                 										Schwefelsäure zu erzeugen, weil die Salpetersäure nicht direct zur Bildung der
                                 										Schwefelsäure beiträgt, sondern bloß als Vermittler dient, um den Sauerstoff der
                                 										Luft an die schweflige Säure zu übertragen; ich bin überzeugt daß man in
                                 										spätestens zehn Jahren im Stande seyn wird, die Schwefelsäure aus ihren
                                 										Bestandtheilen im Großen darzustellen, ohne Bleikammern, Salpetersäure oder
                                 										salpetersaure Salze anzuwenden; lassen Sie daher den Muth nicht sinken und
                                 										richten Sie ihre Bestrebungen auf dieses wichtige Ziel.“
                              
                           Die Wirkung der festen Oberflächen und besonders der porösen Körper auf die Gase,
                              									liefert den Schlüssel zu einer Menge von Erscheinungen, welche bisher unerklärbar
                              									waren. Die Verwandlung des Weingeists in Essigsäure nach der Methode der
                              									Schnellessigfabrication gründet sich ebenfalls auf die oben erörterten
                              									Principien.
                           Folgende Versuche über die Schwefelsäure-Erzeugung nach meinem Princip, habe
                              									ich in Gegenwart der HHrn. Prof. Chandelon, Houtart-Cossée, Director der Spiegelfabrik und
                              									chemischen Fabrik in 
                              									Sainte-Marie-d'Oignies, Brunet, Assistent
                              									des Prof. Payen etc. angestellt.
                           Bei einem ersten Versuche erhielt ich, obgleich viel Schwefel verloren ging, weil der
                              									Verbrennungsofen nicht die erforderliche Capacität hatte, von 100 Grammen Schwefel
                              									164 Gramme Schwefelsäure von 52° Baumé.
                           Bei einem Versuch am 16. Oct. v. J. erhielt ich, obgleich der Verbrennungsofen noch
                              									nicht sehr gut zog, von 100 Gr. Schwefel 282 Gr. derselben Säure; es wurde weder
                              									Salpetersäure noch ein salpetersaures Salz angewandt. Die Schwefelsäure konnte also
                              									in meinem Apparat durch bloße Verbrennung des Schwefels erzeugt werden.
                           Am 21. Oct. v. I. erhielt ich mit 100 Gr. Schwefel 297 Gr. Säure von 51° B.;
                              									am 22. Oct. mit 100 Gr. Schwefel 590 Gr. Säure von 50½° B.; am 23.
                              									Oct. mit 300 Gr. Schwefel 907 Gr. Säure von 51¾° B.
                           Bei dem Versuche am 20. Nov., welchen ich in Gegenwart der HHrn. Guillery, Professor der Chemie an der Universität in
                              									Lüttich und Nollet, Professor der Chemie an der
                              									Militärschule daselbst, anstellte, gaben 100 Gr. Schwefel 317 Gr. Säure von
                              									50° B. = 210 von 66°; die Operation dauerte nur 2½ Stunden.
                           Ich glaube nichts vernachlässigt zu haben, um zu einem Resultat zu gelangen, welches
                              									einen bedeutenden Fortschritt in der Schwefelsäure-Fabrication bildet. Mein
                              									Hauptzweck war, einen Apparat zu construiren, welcher die verbundenen Bleikammern
                              									und die Platinblasen ersetzen kann, und dieß ist mir vollständig gelungen.
                           Herstellungskosten des Apparats von
                                 										verschiedener Größe, das Fabrikgebäude nicht inbegriffen.
                           Ein Apparat welcher in 24 Stunden verbrennt
                           
                              
                                 Schwesel
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                                 von 66° B.
                                  Fr.
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                                 100
                                   300
                                   7,500
                                 17,000
                                 
                              
                                 200
                                   600
                                 15,200
                                 32,000
                                 
                              
                                 300
                                   900
                                 23,375
                                 46,000
                                 
                              
                                 400
                                 1200
                                 29,000
                                 58,000
                                 
                              
                                 500
                                 1500
                                 35,000
                                 71,000
                                 
                              
                                 600
                                 1800
                                 41,000
                                 82,000
                                 
                              
                                 700
                                 2100
                                 43,000
                                 92,000
                                 
                              
                           Bei dem gegenwärtigen Verfahren kommt hiezu noch der Preis einer Platinblase, welcher
                              									20,000 bis 35,000 Fr. beträgt; diese Ausgabe fällt bei dem neuen System weg.
                           
                           Beschreibung des Apparats zur Fabrication
                                 										der Schwefelsäure nach Schneider's Methode.
                           Fig. 1 ist ein
                              									Aufriß des Apparats von der Vorderseite.
                           Fig. 2 ist der
                              									Apparat von oben angesehen; die Richtung der Pfeile zeigt die Circulation der Gase
                              									an.
                           Fig. 3 ist der
                              									senkrechte Durchschnitt desjenigen Theils der Säule aus Blei, in welcher sich die
                              									den Bimsstein enthaltenden Schalen befinden.
                           Fig. 4 ist
                              									derselbe von oben angesehen.
                           Fig. 5 ist der
                              									senkrechte Durchschnitt eines Stücks der Säulen aus Steinzeug, welche die Schalen
                              									mit Bimsstein enthalten.
                           Gleiche Buchstaben bezeichnen dieselben Gegenstände in allen Figuren.
                           A Schwefelofen. B Mauerwerk
                              									oder Hülle, um die Wärme zu concentriren. C Feuerraum,
                              									um den Ofen zu erwärmen wenn man die Operation beginnt. D, D Thüren um den Schwefel abwechselungsweise
                              									einzutragen und dadurch die Verbrennung zu befördern.
                           E Säule aus Eisen, welche die Gase in den Apparat führt.
                              										F Säule aus Blei. G, G, G Säulen aus
                              									Steinzeug.
                           H, HFig. 3, 4 und 5, Schalen
                              									worin sich die porösen Körper (Bimsstein) befinden.
                           I, I Platte aus Steinzeug,
                              									welche die Säure von einer Säule zur andern überführt, da die Säulen keinen Boden
                              									haben.
                           J Verbindungsrohr das die Gase in die zweite Säulenreihe
                              									überführt, welche vom Fußboden an gerechnet um 60 Cent. (2 Fuß) höher als die erste
                              									steht.
                           K Luftbehälter, um mittelst Eintreibens von Dampf oder
                              									eines doppeltwirkenden Gebläses die atmosphärische Luft mit Gewalt durch die porösen
                              									Körper circuliren zu machen.
                           L. Hahn aus Blei, um die fabricirte Säure in die
                              									gemeinschaftlichen Behälter M abzulassen, welche durch
                              									hölzerne, innerlich mit Blei überzogene Deckel verschlossen sind.
                           N Hahn um die Säure in die Abdampfapparate
                              									abzulassen.
                           O, O Röhren welche die Säulen
                              									aus Steinzeug unter einander verbinden.
                           P Wasserbehälter welcher durch eine kleine Pumpe gespeist
                              									wird; er liefert das Wasser in eine gemeinschaftliche Röhre Q von 3 bis 4 Centimeter (1 bis 1½ Zoll) Durchmesser, die über den
                              									Säulen angebracht und mit Zweigröhren a, a, a versehen ist, welche in
                              									die hydraulischen Verschlüsse einmünden, um das Wasser nach Belieben in die Säulen
                              										 einlassen zu
                              									können, indem man sein Auslaufen durch die Hähne b, b regulirt.
                           c, cFig. 3 und
                              										4 sind
                              									Röhren aus Steinzeug mit drei Oeffnungen oberhalb, damit das Uebermaaß von Säure in
                              									das Innere der Säulen ablaufen kann; diese Röhren haben 10 Cent. (3⅔ Zoll)
                              									Durchmesser.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
