| Titel: | Ueber einige Reductionsmethoden des Chlorsilbers; von Dr. Mohr. | 
| Fundstelle: | Band 109, Jahrgang 1848, Nr. LXVI., S. 368 | 
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                        LXVI.
                        Ueber einige Reductionsmethoden des Chlorsilbers;
                           								von Dr. Mohr.
                        Aus den Annalen der Chemie und Pharmacie, Bd. LXVI, S.
                              									65.
                        Mohr, über einige Reductionsmethoden des Chlorsilbers.
                        
                     
                        
                           Die Methode Gregory's das Chlorsilber zu zersetzen,
                              									besteht bekanntlich darin, daß das Chlorsilber durch Kochen mit Aetzkali in
                              									Silberoxyd verwandelt wird. Aus einer kupferhaltigen Silberlösung fällt man das
                              									Silber mit Kochsalz und wäscht das Chlorsilber durch Abgießen mit heißem Wasser aus,
                              									indem man alle Klumpen möglichst zerdrückt. Das noch feuchte Chlorsilber übergießt
                              									man mit Kalilauge von 1,25–1,30 spec. Gew. und kocht das Ganze, wo dann das
                              									Chlorsilber in wenigen Minuten in ein schwarzes Pulver von Silberoxyd verwandelt
                              									wird. Nöthigenfalls muß man die Klumpen zerdrücken und das Kochen noch einmal
                              									wiederholen. (Die Redaction der Annalen bemerkt, daß man sehr lange kochen müsse, um
                              									ein vollständig in Salpetersäure lösliches Silberoxyd zu erhalten.)
                           Zu einem Versuch wurde ein Fünfsilbergroschenstück in Salpetersäure gelöst, mit
                              									Kochsalz gefällt, gehörig ausgewaschen und das Wasser möglichst abgegossen. Nun
                              									wurde eine ganz kohlensäurefreie Aetzkaliflüssigkeit von 1,129 spec. Gew. zugesetzt
                              									und in einem Kolben anhaltend gekocht. In der Kälte wirkt kein Aetzkali von
                              									irgendeiner Concentration auf das Hornsilber ein, und in der Wärme erst in der Nähe
                              									des Siedepunktes. Die weiße Farbe des Hornsilbers verwandelte sich in eine
                              									braunschwarze. Darauf wurde vollkommen gut ausgewaschen, und das Silberoxyd mit
                              									reiner Salpetersäure warm behandelt. Es öste sich ein Theil ohne Gasentwicklung auf,
                              									allein ein anderer blieb als ein schmutzigblaues Pulver übrig. Es war dieß die
                              									basische Chlorverbindung, welche durch Einwirkung des Lichts auf Chlorsilber
                              									entsteht.
                           Auffallend ist, daß diese dunkle Verbindung aus einem ganz weißen, dem Licht gar
                              									nicht ausgesetzt gewesenen Chlorsilber entstanden war. Um das Verhältniß des
                              									zersetzten und nicht zersetzten Chlorsilbers kennen zu lernen, wurde zuerst das
                              									blaue Hornsilber durch Kochen mit Aetzkali und Zucker nach dem Verfahren von Levol reducirt, und daraus 1,61 Gramm metallisches Silber
                              									erhalten. Das gelöste Silber wurde mit Salzsäure gefällt und ebenso zersetzt, und
                              									gab 0,91 Gramme metallisches Silber. Es war also hier mehr Hornsilber unzersetzt
                              									geblieben, als sich 
                              									zersetzt hatte. Dieß möchte vielleicht der zu dünnen Aetzkaliflüssigkeit
                              									zugeschrieben werden.
                           Eine andere Probe frisch ausgewaschenen Hornsilbers wurde mit concentrirter Kalilauge
                              									zersetzt und anhaltend gekocht. Auch hier löste sich das Silberoxyd nicht
                              									vollständig, sondern ließ von der blauvioletten Verbindung viel übrig.
                           Die Gregory'sche Methode bietet den Vortheil dar, daß man
                              									zur zweiten Auflösung des Silbers keine Salpetersäure zerstört, weil das Silber als
                              									Oxyd erhalten wird, dagegen den Nachtheil, daß sich immer ein Theil Chlorsilber der
                              									Zersetzung entzieht, und dadurch wenigstens für die nächste Operation verloren geht.
                              									Dieß findet vorzüglich dann statt, wenn man das Hornsilber ausgewaschen, und wenn es
                              									lange stehen geblieben ist, wodurch es zu dichten Massen zusammenballt. Diese
                              									theilweise Zersetzung rührt immer von mechanischen Hindernissen her und wird um so
                              									mehr vermieden, als man diese beseitigt. Die Zersetzung ist am vollständigsten, wenn
                              									man das Hornsilber kalt auswäscht, das Wasser möglichst abgießt und nun das mit
                              									wenig Wasser aufgeschlämmte Hornsilber in die bereits kochende Aetzkaliflüssigkeit
                              									hineingießt, so daß diese nicht aus dem Kochen kommt. Vermischt man das Hornsilber
                              									kalt mit Aetzlauge und bringt sie zum Kochen, so ballt es noch vor der Zersetzung zu
                              									einer membranartigen Masse zusammen.
                           Da der Werth der zur zweiten Auflösung des Silbers nothwendigen Salpetersäure höchst
                              									unbedeutend ist, im Verhältniß zum Werthe des Silbers, so ist vorzugsweise darauf zu
                              									sehen, daß kein Silber der Zersetzung entgehe, und in diesem Sinne bietet die
                              									Zersetzung des Hornsilbers durch Aetzkali und Zucker wesentliche Vortheile.
                           Kocht man das kalt ausgewaschene Hornsilber mit Aetzkali unter Zusatz von etwas
                              									Zucker, so ballt sich das reducirte Silber zu dichten Massen zusammen, von denen
                              									sich die Flüssigkeit mit der größten Leichtigkeit abgießen läßt. Das metallische
                              									Silber läßt sich mit heißem Wasser leicht auswaschen und wegen seiner feinen
                              									Vertheilung in sehr verdünnter Salpetersäure wieder lösen. Zuweilen versilbert sich
                              									das Glas innen ganz glänzend bei dieser Operation.
                           Um den Hergang der Zersetzung zu ermitteln, wurde ein Versuch mit vollkommen
                              									kohlensäurefreiem Aetzkali vorgenommen. Nach der Zersetzung brauste die überstehende
                              									Flüssigkeit mit Säuren stark auf. Es hatte sich also Kohlensäure gebildet.
                           Reiner Höllenstein wurde in Wasser gelöst und in siedende Aetzkaliflüssigkeit
                              									gegossen. Es schied sich braunschwarzes Silberoxyd aus. Dasselbe wurde vollkommen
                              									ausgewaschen und in ein Kölbchen vom  Filter abgespritzt, dann wurde etwas Zucker zugesetzt,
                              									eine doppelt gebogene Glasröhre aufgesetzt, und der freie Schenkel der
                              									Entbindungsröhre in Kalkwasser eingetaucht. Beim anfangenden Sieden bemerkte man
                              									noch keine Kohlensäure-Entwicklung, dagegen trat sie nach einigen
                              									Augenblicken auf das Lebhafteste ein, indem sie mit den Wasserdämpfen von dem
                              									Kalkwasser verschluckt wurde. Das Kalkwasser wurde stark durch einen Niederschlag
                              									getrübt. Der Vorgang ist also ganz einfach. Zucker ist zusammengesetzt aus
                              									Kohlenstoff, mehr den Elementen des Wassers (C12H1O1). Der Kohlenstoff nimmt den Sauerstoff des
                              									Silberoxyds auf und entweicht als Kohlensäure, die Elemente des Wassers treten zu
                              									Wasser zusammen. Bei dieser Operation versilberte sich das Gefäß innen
                              									spiegelglänzend, obgleich die Schichte so dünn war, daß sie mit bräunlicher Farbe
                              									durchsichtig erschien.
                           Eine fernere höchst interessante Zersetzung der Silbersalze findet durch essigsaures
                              									Eisenoxydul statt. Keßler hat dieselbe zur Darstellung
                              									von metallischem Silber empfohlen.
                           Man bereitet dieses Salz durch Kochen von Eisenfeile mit concentrirtem Essig. Es gibt
                              									kaum eine Flüssigkeit, die mit größerer Begierde Sauerstoff aufnimmt. Schon das
                              									Fallen der Tropfen vom Trichter in das untenstehende Glas färbt sie bräunlich. Nur
                              									wenn man es in mit kohlensaurem Gas gefüllte Flaschen filtrirt und darin aufbewahrt,
                              									kann man es mit der Farbe der Eisenoxydulsalze erhalten.
                           In schlecht verschlossenen Gefäßen bildet sich oberflächlich eine feste Schichte von
                              									basisch-essigsaurem Eisenoxyd, welche so dick wird, daß man das Glas umkehren
                              									kann, ohne daß diese zerbricht oder etwas ausfließt.
                           Bringt man neutrales salpetersaures Silberoxyd mit diesem Salze zusammen, so sind die
                              									Erscheinungen je nach der Concentration und Temperatur sehr verschieden. Ist eine
                              									Flüssigkeit warm, so scheidet sich unmittelbar schwarz-pulveriges Silber aus,
                              									was beim Umschütteln zu schwammartigen Klumpen zusammenbackt. Sind beide
                              									Flüssigkeiten kalt, so entsteht im ersten Augenblick blendend weißes essigsaures
                              									Silberoxyd. Allein die Erscheinung dauert nicht lange, denn es entstehen nach
                              									einiger Zeit schwarze Punkte, von denen strahlenförmig die Zersetzung sich mit einer
                              									Geschwindigkeit fortsetzt, daß man ihr Fortschreiten als eine wirkliche Bewegung mit
                              									den Augen verfolgen kann. Es ist dieß einer der schönsten Fälle von chemischer
                              									Ansteckung, die man gleichsam schwarz auf weiß hat. Die Farbenverschiedenheit der
                              									beiden Körper ist sehr auffallend und darum zum Beobachten sehr geeignet. Durch
                              									Vermischen beider Flüssigkeiten auf Glastafeln habe ich die Erscheinung auf mehrere
                              									Schritte Entfernung sichtbar gemacht. Die schwarz werdenden Stellen  schossen dendritisch nach allen
                              									Richtungen von dem Punkte aus, wo die Affinität zuerst umschlug. Die Störung des
                              									chemischen Gleichgewichts pflanzt sich durch Contiguität fort, und man erkennt darin
                              									eine sichtbare Unterstützung der Ansicht Liebig's über
                              									die Verbreitung chemischer Thätigkeit auf fremde Körper.
                           Die Zersetzung beruht einfach auf dem Umstände, daß das Eisenoxydul in Oxyd übergeht.
                              									Nach der Zersetzung hat die überstehende Flüssigkeit die braunrothe Farbe des
                              									essigsauren Eisenoxyds und gibt die Reaction des Oxyds. Nach dem Umschütteln ballt
                              									das Silber schwammartig zusammen. Es ist einleuchtend, daß mehr essigsaures
                              									Eisenoxydul als zur bloßen einfachen Zersetzung des Höllensteins nöthig ist,
                              									vorhanden seyn muß. Da das Eisenoxydul nur noch ½ Atom Sauerstoff aufnimmt,
                              									so muß erstlich ein Atom des Salzes zur Zersetzung des Höllensteins und noch zwei
                              									Atome zur Zerstörung des essigsauren Silberoxyds vorhanden seyn. Nicht immer tritt
                              									die Erscheinung so schön ein; denn da das Spiel der Verwandtschaften so sehr auf der
                              									Kippe steht, so sind die kleinsten Umstände oft hinreichend sie von vornherein zu
                              									modificiren. Es tritt alsdann Schwärzung vor der weißen Fällung ein, oder richtiger,
                              									die weiße Fällung und fernere Zersetzung finden in selbem Augenblicke statt.
                           Bei kupferhaltigen Lösungen und bei freier Säure sah ich niemals die Zersetzung in
                              									zwei Momenten geschehen, sondern schwarze Fällung trat im ersten Augenblicke ein. Zu
                              									praktischer Anwendung will ich diese Methode nicht empfehlen, und alle oben
                              									beschriebenen Modificationen scheinen vor der galvanischen Zersetzung des
                              									Chlorsilbers durch Zink keinen Vorzug zu haben.
                           Unter den Apothekern herrscht noch immer eine gewisse Unsicherheit, was für Silber
                              									sie am vortheilhaftesten zu ihren Silberpräparaten verwenden müßten, ob Münzen oder
                              									Werksilber, dessen Façon werthlos geworden ist. Die Antwort hierauf ist einfach die:
                              									dasjenige Silber ist das beste, welches am wenigsten Kupfer enthält.
                           In älteren Zeiten, in welchen das Münzrecht nicht nur als ein Hoheitsrecht, sondern
                              									sogar als eine Finanzquelle betrachtet wurde, verstand man unter Schlagschatz außer
                              									den nothwendigen Münzkosten auch den Gewinn, welchen man aus dem Münzrecht oder der
                              									Prägung der Münzen zog. Später als die Gelegenheit und Möglichkeit sich verminderte,
                              									aus der Münzprägung Gewinn zu ziehen, suchte man sich wenigstens für die
                              									Ausmünzungskosten schadlos zu halten, und die Münzstätten bezogen als Schlagschatz
                              									nur die wirklichen Fabricationskosten.
                           Bis dahin würde man unklug gehandelt haben, sich der Münzen  zur Darstellung von Höllenstein
                              									zu bedienen. Gegenwärtig ist aber der Grundsatz ganz aufgegeben, daß eine
                              									Münzanstalt einen Gewinn abwerfen soll, sondern sogar der entgegengesetzte
                              									angenommen, daß der Staat zur Herstellung guter Münzen auch Opfer aufwenden soll.
                              									Die alte Lehre vom Schlagschatz ist dadurch ganz unpraktisch geworden und es ist
                              									darunter nur die Differenz zwischen dem Einkaufs- und Ausmünzungspreis des
                              									Silbers zu verstehen, d. h. der Betrag, um welchen die Münze das Silber wohlfeiler
                              									zu kaufen im Stande ist, als sie es ausmünzt, ohne Rücksicht darauf ob die
                              									Ausmünzungskosten gedeckt sind. Reicht nun die Differenz nicht hin, um die
                              									Ausmünzungskosten zu decken, so muß natürlich der Ueberschuß aus der Staatscasse
                              									bezahlt werden. Dieser Fall ist in den letztern Jahren Regel geworden, und
                              									namentlich waren es die süddeutschen Staaten, welche zur Regulirung ihres
                              									zerrütteten Münzwesens und zur festen Begründung eines neuen Münzsystems nicht
                              									unbeträchtliche Opfer gebracht haben. Da nämlich durch die Münzconvention von 1837
                              									und die nachfolgenden Verträge bestimmt war, daß in den ersten 7 Jahren eine Summe
                              									von mindestens 30 Millionen in ganzen und halben Gulden ausgeprägt und in Umlauf
                              									gesetzt werden sollte, so stieg durch die gesteigerte Nachfrage nach Silber der
                              									Preis des Rohsilbers zu einer solchen Höhe, daß die Deckung der Münzkosten durch die
                              									Differenz des Ankaufs- und Ausmünzungspreises durchaus nicht mehr möglich
                              									war. Dessenungeachtet haben alle Staaten die übernommenen Verpflichtungen mit der
                              									größten Gewissenhaftigkeit erfüllt und die damit verbundenen Opfer mit aller
                              									Bereitwilligkeit getragen.
                           Der Grundsatz, daß der Staat auf allen Gewinn aus den Münzanstalten verzichte, ist
                              									auch gewiß der richtige, so wie er ja auch die Gerechtigkeitspflege ohne Rücksicht
                              									auf den Kostenpunkt ausübt, und die Instandhaltung der Wege besorgen und die
                              									Verwaltung der Post ausüben sollte. Die Unterthanen sollen diese Kosten in Gestalt
                              									von Steuern aufbringen.
                           Demnach ist eine schon ausgeprägte Münze für denjenigen der Silber bedarf nicht mehr
                              									werth und kommt ihm nicht theurer zu stehen, als ein gleich schweres formloses Stück
                              									desselben Metalls. Es ist also auch für den Pharmaceuten gleichgültig, ob er Münzen
                              									verwendet oder Werksilber von bestimmtem Feingehalt, an welchem die Façon werthlos
                              									geworden ist.
                           Kupferhaltige Münzen erfordern so viel mehr nutzlos zu verwendende Salpetersäure, als
                              									sie Kupfer enthalten. Das feine Silber ist demnach das bequemste. Ein bergfeiner
                              									hannoverischer Thaler ist genau  so schwer an reinem Silber, als ein sächsischer oder
                              									preußischer Thaler Reinsilber enthält.
                           Demnach ist ein feiner hannoverischer Thaler jedem andern vorzuziehen, weil er das
                              									Silber rein enthält, also die ganze Scheidungs-Operation ersparen läßt und so
                              									viel weniger Salpetersäure zur Lösung bedarf.
                           Zunächst kommen die Vereinsdoppelthaler und Fünssrankenstücke. Sie enthalten nur 1/10
                              									Kupfer. Verschlissene Münzen, die noch cursfähig sind, aufzulösen, ist nachtheilig:
                              									man muß lieber ganze und unverletzte Stücke nehmen, indem die verschlissenen Münzen
                              									vom Staate wieder eingezogen werden müssen. Der Einzelne der sie auflöst oder
                              									einschmilzt, übernimmt für sich allein einen Schaden, der dem Ganzen zur Last fallen
                              									würde. Die Silberarbeiter schmelzen, in Ermangelung von Feinsilber, richtig titrirte
                              									Münzen ein, namentlich Vereinsthaler und Fünffrankenstücke. Scheidemünze soll man
                              									niemals auflösen, da sie unter dem gewöhnlichen Münzfuße mit einem gewissen
                              									Schlagschatze ausgemünzt sind, welcher sich durch die enormen Fabricationskosten,
                              									den Kupferzusatz und durch die zulässige Verweigerung der Annahme größerer Summen in
                              									Scheidemünze genüglich entschuldigt.