| Titel: | Zur Kenntniß des Weinbaues und der Weine, insbesondere der französischen; von Batilliat. | 
| Fundstelle: | Band 110, Jahrgang 1848, Nr. XII., S. 66 | 
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                        XII.
                        Zur Kenntniß des Weinbaues und der Weine,
                           								insbesondere der französischen; von Batilliat.
                        Im Auszug aus dem Journal de Pharmacie, August 1848,
                              									S. 107.
                        Zur Kenntniß des Weinbaues und der Weine.
                        
                     
                        
                           Nachfolgende Bemerkungen entnehmen wir einer von Hrn. Bussy verfaßten Anzeige des Werkes: Traité sur les
                                 										vins de France, von P. Batilliat, Apotheker zu
                              									Mâcon etc., welches Werk außer bisher schon Bekanntem auch viel Neues enthält.
                           Den mit Wein bebauten Flächenraum Frankreichs schlägt der Verf. auf 2 Millionen
                              									Hektaren an und den Werth des gewonnenen Weins zu einer Milliarde Francs.
                           Im J. 1828 hatte Professor Bosc in den Baumschulen des
                              									Luxembourg mehr als 1500 Arten oder Varietäten von Trauben gesammelt.
                           Unter den Plagen, welche den Weinstock treffen können, wird obenangestellt die
                              									Blattwickler-Raupe. Der von ihr in den Departements der Rhône und
                              									Saône-Loire allein innerhalb 10 Jahren angerichtete Schaden ist, nach Batillat, auf mehr als 34 Millionen Francs anzuschlagen.
                              									Genaue Kenntnisse über die Natur dieser Raupe verdankt man dem nun verstorbenen Hrn.
                              										Andouin; das beste Mittel zu ihrer Vertilgung aber
                              									hat, nach dem Verf., Hr. Raclet angegeben. Es besteht
                              									darin, die eierführenden Reben im Winter mit kochendem Wasser zu injiciren, dessen
                              									Wirkung sich nicht über den trägen Theil der Rinde  erstreckt, das aber dennoch
                              									tief genug eindringt, um die darauf sitzenden Raupen, welche durch Puppen gegen die
                              									Kälte geschützt sind, zu tödten.
                           Eine andere Plage des Weinstocks ist die Cochylis, auch Weinstockmotte, Traubenmotte
                              									genannt, im Burgundischen unter dem Namen „rother Wurm“
                              									bekannt. Ferner eine Goldhähnchen-Species (altise;
                                 										Chrysomela), welche vorzüglich den Weinstock in der Nähe der Pyrenäen
                              									angreift.
                           In Bezug auf die Bestandtheile des Weines nimmt der Verfasser in den rothen Weinen
                              									zwei verschiedene Farbstoffe an. Der eine, welchen er Rosit nennt, findet sich in größerer Menge in der Hefe neuer Weine; der
                              									andere hingegen, Purprit, in derjenigen älterer
                              									Weine.
                           Der Rosit ist rosenroth, in Wasser und Alkohol auflöslich, in Aether unauflöslich und
                              									gibt beim Verbrennen eine schwer einzuäschernde Kohle und eine kleine Menge
                              									alkalischer Asche; diese löst sich ohne Zersetzung in concentrirter Schwefelsäure
                              									auf; ihre Auflösung in Wasser wird weder von Eiweiß, noch von Gallerte gefällt. Man
                              									erhält diesen Farbstoff, wenn man die bei einem ersten Abzug sich ergebende Weinhefe
                              									auf Leinwand bringt, die auf derselben zurückgebliebene Substanz mit Alkohol von 85
                              									Proc. anrührt, filtrirt und abdampft; der Rückstand wird mit Wasser behandelt,
                              									welches den Purprit fällt, worauf dann die wässerige Lösung eingeengt und mit einer
                              									schwachen Gallertelösung versetzt wird, die einige fremdartige Materien daraus
                              									niederschlägt; alsdann wird zu gehöriger Consistenz abgedampft.
                           Der beinahe die ganze Hefe der alten Weine ausmachende Purprit ist von schwärzlich
                              									dunkelrother Farbe, herbem, zusammenziehendem Geschmack, im Wasser unlöslich, in
                              									Weingeist von 33° Baumé löslich (solcher löst 6,5 Gramme per Liter auf), in stärkerem Weingeist ist er weniger,
                              									und in Aether völlig unlöslich. Concentrirte Schwefelsäure löst ihn auf; aus dieser
                              									Lösung schlägt zugesetztes Wasser den Purprit nieder; er bildet mit der Gallerte
                              									eine in Wasser und Alkohol unlösliche Verbindung. Beim Einäschern hinterläßt der
                              									Purprit einen Rückstand, welcher Kalk, Eisen und Kali enthält.
                           Dieß sind nach dem Verf. die Eigenschaften der beiden Farbstoffe. Die Richtigkeit der
                              									Thatsachen durchaus nicht in Abrede gestellt, fragt es sich doch noch, ob diese zwei
                              									Farbstoffe alle Merkmale eines nähern Bestandtheils oder einer chemischen Species,
                              									wie eine solche heutzutage definirt wird, besitzen, umsomehr, da keiner dieser
                              									beiden Stoffe als flüchtig oder krystallisationsfähig bezeichnet wird, und beide
                              									beim Einäschern einen beträchtlichen Rückstand geben, welcher beim Purprit Kalk,
                              									Eisen und Kali enthält. Es ist daher möglich, daß diese Körper, namentlich  der Purprit, durch
                              									Verbindung mehrerer Elemente mit einem oder mehreren Farbstoffen entstehen, also
                              									mehrfach zusammengesetzte Substanzen sind. Jedenfalls ist es eine aufzuhellende
                              									Frage, weil die bisher bekannten organischen Farbstoffe weder Kalk, noch Kali oder
                              									Eisen enthalten. Es ist also zu ermitteln, ob diese mineralischen Bestandtheile
                              									wesentlich dem Purprit angehören oder zufällige sind, und ob in letzterm Falle durch
                              									ihre Entfernung die Eigenschaften der Hauptsubstanz nicht modificirt würden.
                           Der Verfasser untersuchte den Einfluß dieser Farbstoffe auf die Güte und die
                              									Conservirung der Weine; er zeigt, wie ihre Zersetzung eintretenden Falls im Wein
                              									gewisse Krankheiten hervorruft, gegen welche er verschiedene prophylaktische, und
                              									selbst Heilmittel angibt, sowie ein Gesammtverfahren der Gesunderhaltung und
                              									Wiederherstellung der Weine. Das Verbessern der Weine durch Zusatz oder Entfernen
                              									gewisser Bestandtheile anbelangend, sind bekanntlich Viele solchen künstlichen
                              									Hülfsmitteln nicht hold; allein sireng genommen, ist der Wein nichts anderes als ein
                              									chemisches Product, und es ist kein Grund vorhanden, dasselbe nicht zu verbessern;
                              									es kann sich nur darum handeln, daß die Mittel dazu mit Einsicht und Kenntniß
                              									angewandt werden. Freilich muß man zugeben, daß ungeachtet der Fortschritte der
                              									Wissenschaft, die Weinbereitung seit vielen Jahrhunderten beinahe dieselbe geblieben
                              									und wenig verbessert worden ist. Mehrere Weinlagen liefern heutzutage sogar
                              									geringere Weine als ehedem. Ob, wie Dr. Fuster meint, eine eingetretene Veränderung des Klima's
                              									dem Reifen der Trauben minder günstig, oder die Species uicht mehr so gut ist, oder
                              									die Weinbereitung mit weniger Einsicht und Sorgfalt vorgenommen wird, müssen wir
                              									dahingestellt seyn lassen. Uns scheint es aber wahrscheinlicher, daß jenen Weinen
                              									damals der Vorzug deßhalb eingeräumt wurde, weil man nicht unsere jetzigen
                              									Transportmittel hatte, die Vergleichung nur zwischen Weinen aus einem beschränktern
                              									Kreise angestellt werden konnte, also mittelmäßige noch für gute gelten konnten.
                              									Vielleicht hat auch die größere Quantität Wein, welche man heutzutage von einem
                              									gegebenen Stück Landes gewinnt, zu seiner Verschlechterung beigetragen.
                           Unter den Krankheiten des Weins erwähnt Hr. Batilliat
                              									zuerst des Kahms (Kaims),
                              									jenes weißlichen Gewächses, welches sich bisweilen auf der Oberfläche desselben
                              									erzeugt, einer Art Schimmel, welche stets durch mangelhafte Pflege und das
                              									Vorhandenseyn von Luft in den Behältern entsteht, daher leicht zu vermeiden ist.
                           Eine viel schlimmere Krankheit ist das Aufstößig-
                              									oder Seiger- (Trübe- oder Schwer-)
                              										Werden des Weins, was man auch das Umschlagen  (tourner) nennt, das aber nicht verwechselt werden darf mit dem
                              									Sauerwerden. Im sauer gewordenen Wein vermindert sich der Alkohol in dem Maaße, als
                              									sich Essigsäure erzeugt, im umgeschlagenen hingegen bleibt der Alkoholgehalt
                              									derselbe; seine Farbe aber wird matt, der Geschmack leer (plat), unangenehm, mit dem Nebengeschmack von abgestandenem Wasser; später
                              									wird er schlammig, entwickelt Gase und nimmt den Geruch und alle Eigenschaften in
                              									Zersetzung begriffener organischer Materien an. Diese Krankheit ist, nach dem Verf.,
                              									der Zersetzung des Purprits zuzuschreiben, weil Gallerte aus den umgeschlagenen
                              									Weinen kein Purprit mehr niederschlägt. Die meisten andern Krankheiten der Rothweine
                              									hängen ebenfalls mit den Veränderungen dieses Farbstoffs zusammen.
                           Die Weinsteinsäure scheint sich unter manchen Umständen zersetzen und Aepfelsäure
                              									erzeugen zu können; der verdorbene Wein kann dann durch Zusatz von Weinsteinsäure
                              									wiederhergestellt oder doch sehr verbessert werden, er behält dabei eine rosenrothe
                              									Farbe und setzt Weinstein ab.
                           Auch der bittere Geschmack, welchen der Wein annimmt, nachdem er eine Zeit lang
                              									aufbewahrt wurde, kann durch Weinsteinsäure gehoben werden. Sehr wichtig ist, daß
                              									der Burgunderwein durch den Zusatz von Weinsteinsäure in Stand gesetzt wird große
                              									Seereisen und den Einfluß einer hohen Temperatur zu vertragen, ohne zu verderben
                              									— eine Eigenschaft, welche diese Weine außerdem nicht besitzen und worin die
                              									Bordeaur-Weine einen großen Vorzug vor ihnen besitzen, indem sie ohne Anstand
                              									alle Breiten passiren können. Man setzt zu diesem Behufe 100 Gramme Weinsteinsäure
                              									einem Hektoliter des Weines zu. So behandelter Mâcon-Wein passirte mehrmals
                              									die Linie, machte eine fünf Monate dauernde Reise und kam über Havre unverändert
                              									zurück, was authentische Zeugnisse darthun.
                           Der dritte Theil des Werks behandelt die Producte, welche aus dem Wein gewonnen
                              									werden können, z. B. Alkohol, Essig etc. Man findet hier Nachweise über die
                              									Anwendung verschiedener Rückstände, welche man bisher entweder gar nicht oder nur
                              									sehr unvollkommen verwerthete. So pflegt man die Destillationsrückstände des Weins
                              									lediglich auf die Erde auszugießen, wo sie durch ihre Anhäufung und Fäulniß sehr oft
                              									die Gesundheit der in der Nähe Wohnenden benachtheiligen. Hr. Batilliat gibt Vorrichtungen an, um diese Flüssigkeit bei der Temperatur
                              									der Luft abzudampfen. Jedes Hektoliter solcher Rückstände enthält nach ihm 2,460
                              									Kilogr. fester Substanz, welche aus 1,460 Kil. organischer Materie und 1 Kil.
                              									Salzsubstanz besteht, die 2–300 Gramme Kali  und 150–200 Gramme
                              									Weinsteinsäure oder das Aequivalent an Weinstein repräsentirt. In einer Brennerei
                              									also, welche 15,000 Hektoliter Wein destillirt, können 2,700 bis 3,375 Kil.
                              									kohlensaures Kali, und 3,375 Kil. weinsteinsaurer Kalk gewonnen werden, was zusammen
                              									eine Mehreinnahme im Werthe von wenigstens 9300 Fr. ausmacht. Im Departement de
                              									l'Hérault allein, wo jährlich 2,000,000 Hektoliter Wein destillirt werden, würde
                              									diese Mehreinnahme 1,488,500 Fr. und in ganz Frankreich das Fünffache, also
                              									7,442,500 Fr. betragen, während Frankreich jährlich 3,935,000 Fr. für eingeführte
                              									Potasche ausgibt.
                           Ob diese Rückstände zur Bereitung künstlicher Dünger angewendet, oder die darin
                              									enthaltenen Kalisalze nach der Methode der künstlichen Salpeterbereitung in
                              									salpetersaure Salze verwandelt werden könnten, dieß sind Fragen, welche der Verf.
                              									mehr in Anregung als zur Lösung bringt, die aber alle Beachtung verdienen.