| Titel: | Das Gesetz der Ernährung der Thiere. | 
| Fundstelle: | Band 110, Jahrgang 1848, Nr. XXV., S. 133 | 
| Download: | XML | 
                     
                        XXV.
                        Das Gesetz der Ernährung der Thiere.Auszug aus dem Lehrbuch der chemischen Technologie von Dr. Fr. Knapp, Bd.
                                       												II, außerord. Professor der Technologie und Chemie an der
                                 										Universität zu Gießen, Bd. II, mit Benutzung eines darnach bearbeiteten Artikels
                                 										im Philosophical
                                       												Magazine, Juniheft 1848
                        Begriff von
                              									Nahrungsmittel.
                        Das Gesetz der Ernährung der Thiere.
                        
                     
                        
                           Der Kohlenstoff, der Wasser-, Stick- und Sauerstoff, der Phosphor,
                              									Schwefel, der Kalk bilden vornehmlich die Masse des thierischen Leibes, sowie auch
                              									des Körpers der Pflanzen. Die Wissenschaft von den Gesetzen und Erscheinungen des
                              									thierischen Lebens, die Physiologie, hat die gemeine Lebenserfahrung dahin
                              									bestätigt, daß diejenigen Elemente, welche der thierische Leib zu einem bestimmten
                              									Zeitpunkte enthält, keineswegs die Masse seiner Organe bleibend constituiren. Nach einem im Verhältniß zur Lebensdauer sehr
                              									kurzen Zeitpunkte hört der bis dahin verwendete Stoff gänzlich auf, für die Zwecke
                              									der Lebensthätigkeit brauchbar zu seyn und wird ausgeschieden — um
                              									gleichzeitig durch von außen aufgenommenen  Stoff wieder ersetzt zu werden. Das Aufgenommene muß, dem
                              									chemischen Bestande nach, das Abgeschiedene in allen einzelnen Elementen ersetzen
                              									und von dem Organismus selber nachher für seine Zwecke zubereitet werden, wenn das
                              									Leben nicht unterbrochen oder in einzelnen Verrichtungen gestört werden soll.
                           Im weiteren wissenschaftlichen Sinne gehören sämmtliche von einem Organismus
                              									aufgenommene Stoffe unter die Nahrungsmittel; sie sind
                              									sowohl nach Ursprung als nach Beschaffenheit und Bestimmung verschieden, nämlich Luft, Wasser, pflanzliche und thierische
                                 									Nahrungsmittel.
                           Obgleich die Körpermasse organisirter Wesen aus den bereits genannten Elementen
                              									besteht, so darf man sich doch der Vorstellung nicht hingeben, als ob die einzelnen
                              									Theile derselben: Blut, Muskelfaser, Membrane ohne weiteres durch Zusammentreten
                              									dieser Elemente entstanden seyen. Im Gegentheile, die Lebensthätigkeit schafft durch
                              									Befruchtung der chemischen Kraft aus diesen Elementen zuerst eigenthümliche, sehr
                              									zusammengesetzte Verbindungen (die sogenannten näheren
                                 										Bestandtheile), welche nun erst das eigentliche Baumaterial bilden, woraus
                              									sie die verschiedenen Organe des Körpers aufbaut. Daß einige dieser näheren
                              									Bestandtheile der Organismen als ein wesentliches Element Stickstoff enthalten, andere ganz davon frei sind, ist die erste
                              									Wahrnehmung, die sich gleichsam von selber aufdringt.
                           
                        
                           Stickstofffreie
                                 									Nahrungsmittel.
                           Die letzte Gattung der stickstofffreien Bestandtheile ist immer aus drei Elementen:
                              									Kohlen-, Wasser-, Sauerstoff zusammengesetzt und trennt sich in drei
                              									Abtheilungen. In der einen sind die beiden letzten Elemente in demselben
                              									Verhältnisse, wie im Wasser (d. h. 1 Aeq. Wasserstoff auf 1 Aeq. Sauerstoff)
                              									zugegen. Dahin gehören beispielsweise:
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 110, S. 134
                              Stoffe.; Aequivalente:;
                                 										Kohlenstoff.; Wasserstoff.; Sauerstoff.; Stärke; Rohrzucker; (Trauben-)
                                 										Stärkezucker; Milchzucker; Gummi
                              
                           
                           In der zweiten Abtheilung ist der Sauerstoffgehalt, d. h. die Anzahl seiner
                              									Aequivalente, größer als die des Wasserstoffs; so bei vielen Säuren organischer
                              									Abstammung, z. B. Weinsteinsäure, Aepfelsäure etc.
                           Bei der dritten Abtheilung endlich tritt der Sauerstoff ganz in den Hintergrund,
                              									oder, was dasselbe besagt, Wasser- und Kohlenstoff überwiegen. Alle Fette,
                              									die Harze, das Wachs, sind hierunter begriffen;
                           z. B.:
                           
                              
                                 
                                 Kohlenstoff.
                                 Wasserstoff.
                                 Sauerstoff.
                                 
                              
                                 Schweineschmalz
                                 79,10
                                 11,15
                                 9,75
                                 
                              
                                 Hammeltalg
                                 79,00
                                 11,70
                                 9,30
                                 
                              
                           Neben dem Wasser ist keine andere stickstofffreie Substanz, als Fett, im thierischen
                              									Körper.
                           Stickstoffhaltige Nahrungsmittel.
                           Solche sind bei den Pflanzen besonders: Pflanzeneiweiß,
                                 										Pflanzenfaserstoff, Legumin und Pflanzenleim;
                              									sie enthalten bei sehr verschiedenen Eigenschaften Kohlen-, Wasser-,
                              									Stick- und Sauerstoff in gleichem Verhältniß und
                              									zeigen nur hinsichtlich ihres Gehalts an Schwefel und Phosphor Verschiedenheiten.
                              									Ganz dasselbe hat sich aus den entsprechenden näheren Bestandtheilen des thierischen
                              									Körpers, soweit sie stickstoffhaltig sind, nämlich: thierisches Eiweiß (aus Blut, Eiern), Thierfaserstoff (aus Blut, Muskeln), Käsestoff
                              									(aus Milch) ergeben, wie aus der folgenden Uebersicht hervorgeht:
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 110, S. 135
                              Kohlenst.; Wasserst.; Stickstoff.;
                                 										Schwefel.; Phosphor; Sauerst.; Pflanzeneiweiß; Pflanzenfibrin; Legumin;
                                 										Pflanzenleim; Thiereiweiß; Thierfibrin; Käsestoff
                              
                           
                           In der Pflanzennahrung sind folglich Substanzen, enthalten, welche ihrer chemischen
                              									Natur nach den entsprechenden der Fleischnahrung, und ebenso denen des lebendigen
                              									Organismus selbst; auffallend nahe stehen, so daß sie durch die Lebensthätigkeit
                              									unmittelbar zu Theilen des Organismus verwendet werden können. — Bei andern
                              									stickstoffhaltigen Bestandtheilen sind die Beziehungen verschieden und theilweise
                              									noch nicht so anschaulich entwickelt. So ist die Substanz, welche den Haaren, der
                              									Oberhaut, den Nägeln, dem Horn etc. zu Grunde liegt, ferner die Substanz, woraus die
                              									leimgebenden und chondringebenden Gebilde (Membranen, Sehnen, Knorpel,
                              									Knochengallerte etc.) gebildet sind, von anderer Zusammensetzung, als die in der
                              									obigen Tafel.
                           Eben so wenig ist bekannt, in welcher Beziehung die wirkenden stickstoffhaltigen
                              									Substanzen im Kaffee, Thee, in den Gewürzen zur Ernährung stehen.
                           
                        
                           Begriff der Nahrhaftigkeit.
                           Bei Substanzen von so verschiedenartigem chemischen Charakter, wie sie in den
                              									Nahrungsmitteln vorkommen, Stoffen, die so sehr in den Verhältnissen ihrer
                              									Zusammensetzung, als in der Art ihrer Elemente abweichen — die bald
                              									Stickstoff, bald keinen, bald Schwefel, bald keinen, bald überwiegend Kohlenstoff
                              									enthalten, bald nicht — muß man voraussetzen, daß sie dem Leben zu
                              									verschiedenen Zwecken dienen. Welches sind diese Zwecke? Ueber diese so naheliegende
                              									Frage hat die Beobachtung merkwürdige Aufschlüsse gegeben.
                           Durch Versuche hat man nämlich ermittelt, daß irgend ein Nahrungsbestandtheil für
                              									sich, z. B. bloßer Zucker, oder bloße Stärke, zur Erhaltung des Körpers ungeeignet
                              									ist. Auf der andern Seite weiß man, daß die Natur, wo sie die Nahrung selbst
                              									zubereitet, wie die Milch der Mutter für das Junge, diese Nahrung stets eine
                              									gemischte ist, d. h. Nahrungsbestandtheile der verschiedensten Gattungen umfaßt. In
                              									der Milch also ist eine stickstoffhaltige Substanz, der Käsestoff, welcher zugleich Schwefel enthält; unter den stickstofffreien
                              									eine sehr kohlenstoffreiche, die Butter, eine daran
                              									weniger reiche, der Milchzucker, nebst Salzen welche Phosphorsäure, Kalk, Chlornatrium enthalten.
                           Alles, was man bis jetzt weiß, deutet darauf hin, daß einige der
                              									Mischungsbestandteile der Nahrung von der Lebensthätigkeit zur Neubildung der
                              									Körpermasse in ihren verschiedenen Theilen verwendet werden, also ganz besonders dem
                              									Stoffwechsel dienen. Man hat solche „plastische Mittel“
                              									genannt. Diese müssen stickstoffhaltig seyn, wie  Eiweiß, Fibrin, Käsestoff etc.,
                              									um Muskel etc., und phosphor- und kalkhaltig, um die Knochen zu bilden.
                              									— Andere dagegen nehmen keinen Antheil an dem Baue des Körpers, gehen nicht
                              									in seine Substanz ein, sondern werden zur Wärmeerzeugung verwendet. Die
                              									Wärmeerzeugung beruht aber darauf, daß diese Stoffe, nachdem sie ins Blut
                              									übergegangen, der eingeathmeten Luft entgegengeführt werden. Es entspinnt sich eine
                              									allmähliche chemische Einwirkung ihres Sauerstoffs auf dieselben, eine Zersetzung,
                              									während welcher sich Wärme entbindet, ähnlich wie bei bei der Verbrennung, aber
                              									verhältnißmäßig sehr langsam. Solche zu dem Athmungsproceß dienende, oder „Wärme erzeugende“ Stoffe werden nur
                              									unter Bedingungen zum Baue des Körpers verwendet und zurückgehalten, welche mit dem
                              									Athmen zusammenhängen, und dienen alsdann zur Bildung von Fett.
                           Es geht daraus entschieden hervor, daß der Begriff von „nahrhaft“ im praktischen Leben stets
                              									einseitig aufgefaßt wird. Nahrhaft kann nur diejenige Speise genannt werden, welche
                              									dem Körper Stoff für alle seine Functionen und nicht bloß für einzelne bietet.
                           
                        
                           Die Milch als Typus aller
                                 									Nahrung.
                           Die Milch, welche in besonderen Organen des weiblichen
                              									Säugethiers für die Ernährung des Jungen zubereitet und abgesondert wird, ist das einzig wahre Vorbild aller Nahrung, und jede
                              									Speise sollte wenigstens Repräsentanten aller einzelnen Nahrungsbestandtheile der
                              									Milch enthalten. Das große Interesse, welches die Milch — als eine von der
                              									Natur selbst gegebene Vorschrift für die Ernährung — darbietet, wird noch
                              									durch ihre praktische Bedeutung in der Landwirthschaft
                              									sehr gesteigert.
                           
                        
                           Bedingungen des Milchertrags der
                                 										Kühe.
                           Auf dem Landgute Boussingault's zu Bechelbronn sind 7 Kühe
                              									in Bezug auf den Milchertrag ein Jahr lang einer genauen Controle unterworfen
                              									worden. Sie erhielten jede 30 Pfd. Heu, oder eine dem entsprechende Fütterung von
                              									Wurzeln, und lieferten zusammen 8788 Maaß (3~37 Quart), wobei sie 302½ Tag milchgebend waren. Dieß
                              									macht im Mittel 4,1 Maaß (= l,8 Quart) auf die Kuh täglich, aber der Ertrag ist so
                              									ungleich, daß auf die Monate Juli, August über 6 Maaß, auf die Monate Februar und
                              									März dagegen nur 2½ Maaß täglich kommen. Aus Beobachtungen gleicher Art, aber
                              									an einer einzelnen Kuh, ergab sich der tägliche Milchertrag für die Zeit, die sie
                              									milchgebend war, also die Zeit des Trockenstehens abgerechnet = 3,7 Maaß.  Nimmt man 2½ als
                              									einen höchst niedrigen und 7 Maaß als einen sehr hohen Ertrag, so gibt eine Kuh
                              									täglich:
                           
                              
                                 
                                 10,3 Pfd. Bis 29 Pfd. Milch,
                                 
                              
                                 worin:
                                 
                                 
                              
                                 
                                 10,0 Loth bis 27,8 Loth Butter,
                                 
                              
                                 
                                 15,1 Loth bis 42,7 Loth Milchzucker und lösliche Salze,
                                 
                              
                                 
                                 16,8 Loth bis 47,3 Loth Käse und unlösliche Salze,
                                 
                              
                                 
                                 ––––––––––––––––––––––––––––––
                                 
                              
                                 zusammen
                                 1 Pfd. 10 Loth bis 3Pfd. 22 Loth feste Bestandtheile.
                                 
                              
                           Was den Einfluß des Futters anbelangt, so ist jedem Landmanne
                              									bekannt, daß die Kühe am meisten Milch geben bei grünem Futter und umgekehrt. Im
                              									Uebrigen ist der Einfluß des Futters, so lange die Thiere nur keinen Mangel leiden,
                              									nicht so groß, als man vielleicht erwarten sollte.
                           Zu diesem Schluß waren Boussingault und Le Bel gelangt, wenigstens was die Menge der Milch
                              									anbelangt. Dr. R. Thomson
                              									dagegen zog aus ähnlichen und ebenfalls umfassenden Beobachtungen die Folgerung, daß
                              									der Ertrag an Milch und der Buttergehalt mit dem Stickstoffgehalt (Gehalt an
                              									plastischen Stoffen) der Nahrung wachse. Er hat dieses Ergebniß für eine fünftägige
                              									Periode und in Durchschnittszahlen für zwei Kühe in der folgenden Tafel
                              									veranschaulicht, worin nur das Gras als einzige Ausnahme dasteht.
                           
                              
                                 Art des Futters.
                                 Milch.
                                 Butter.
                                 Stickstoffgehalt des Futters.
                                 
                              
                                 
                                 Pfunde.
                                 Pfunde.
                                 Procent.
                                 
                              
                                 Gras
                                 114
                                 3,50
                                 2,32
                                 
                              
                                 Gerste mit Heu
                                 107
                                 3,43
                                 3,89
                                 
                              
                                 Malz mit Heu
                                 102
                                 3,20
                                 3,34
                                 
                              
                                 Gerste, Syrup und Heu
                                 107
                                 3,44
                                 3,82
                                 
                              
                                 Gerste, Leinsamen und Heu
                                 108
                                 3,48
                                 4,14
                                 
                              
                                 Bohnen mit Heu
                                 108
                                 3,72
                                 5,27
                                 
                              
                           Eine andere Tabelle gibt in ähnlicher Weise Rechenschaft über den Gehalt der Milch an
                              									festen Theilen (Rückstand nach dem Eintrocknen) für eine andere fünftägige
                              										Periode:Die Ziffern der Tabelle sind ursprünglich jedesmal das Mittel aus den
                                    											5- bis 14tägigen Beobachtungen an zwei verschiedenen Kühen, der
                                    											Vergleichbarkeit halber auf 5 Tage berechnet.
                           
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 110, S. 139
                              Futterart.; Gras.; Gerste
                                 										ungeschroten.; Malz ungeschroten.; Geschrotene Gerste. Geschrotenes Malz.;
                                 										Gerste mit Melaffe.; Gerste mit Leinsamen. Bohnen.; Trockene Milch (das Wasser
                                 										abgerechn.); Pfd; Butter
                              
                           Die Milch bestand in 100 Theilen aus Wasser 87,19; Butter 3,70; Zucker 4,35;
                              									Käsestoff 4,16; lösliche Salze 0,15; unlösliche Salze 0,44. Die Bestandtheile der
                              									Butter waren: Fett 86,3; Käsestoff 0,9; Wasser 12,8.
                           Die Thatsache, daß nicht bloß der Milchertrag, sondern auch der Buttergehalt durchweg
                              									mit dem Stickstoffgehalt des Futters (d. h. mit seinem Gehalt an plastischem
                              									Nahrungsstoff) steigt, ist um so bemerkenswerther, als man bei der Abwesenheit des
                              									Stickstoffs in der Butter gleichsam berechtigt gewesen, das Gegentheil zu erwarten.
                              									— Playfair ist zwar durch seine Versuche darauf
                              									geführt worden, daß stickstofffreies Futter (wie Kartoffeln etc.) viel und
                              									butterreiche Milch geben und daß Ruhe (Stallfütterung) ebenso wirkt, während das
                              									Vieh im Freien auf armer Weide, wo es viel umhergehen muß, käsestoffreichere Milch
                              									liefert — allein seine Beobachtungen sind für zu kurze Perioden und viel zu
                              									vorübergehend gemacht, um einigermaßen auf Sicherheit Anspruch machen zu können. Aus
                              										Thomson's Beobachtungen läßt sich außerdem noch
                              									entnehmen, daß der Milchertrag einer Kuh bei gleichförmiger Diät, also z. B. bloßer
                              									Gerstenfütterung, nach einiger Zeit abnimmt und mit dem Wechsel derselben wieder
                              									steigt. Eine häufige Veränderung der Fütterung ist also Vortheil bringend. Auch hat
                              									sich als eine allgemeingültige Regel herausgestellt, daß die Morgenmilch reichlicher
                              									ist als die Abendmilch. So bei Heu- und Gerstenfütterung wie folgt:
                           
                              
                                 
                                 1. August.
                                 2. August.
                                 3. August.
                                 4.August.
                                 
                              
                                 Morgen
                                 11½ Pfd.
                                 11½ Pfd.
                                 11 10/16 Pfd.
                                 10 14/16 Pfd.
                                 
                              
                                 Abend
                                 10 1/5
                                 9 11/16 Pfd.
                                 9 11/16 Pfd.
                                 9 11/16 Pfd.
                                 
                              
                           
                        
                           
                           Wahrer Werth der Nahrungsmittel und
                                 										Verhältniß ihrer Mischung.
                           Aus den oben angeführten Thatsachen geht hervor, daß der Werth der
                              									landwirthschaftlichen Erzeugnisse als Nahrungsmittel zunächst von der Menge fester
                              									Materie, oder was dasselbe ist, vom Wassergehalt abhängen
                              									und in der trockenen Materie nach dem Verhältniß bestimmt
                              									werden muß, in welchem sich der wärmeerzeugende darin zum
                              										blutbildenden (stickstoffhaltigen oder nahrhaften)
                              									befindet. Die Ziffern in folgender Tabelle hat Dr. Thomson nach seinen eigenen Versuchen berechnet.
                           
                              
                                 
                                 
                                 Verhältniß des blutbildenden Theils zum
                                    											wärmeerzeugenden Theil.
                                 
                              
                                 Kuhmilch
                                 
                                 1 zu 2
                                 
                              
                                 Frauenmilch
                                 
                                 1 zu 6
                                 
                              
                                 Saubohnen
                                 
                                   1 zu 2½
                                 
                              
                                 Hafermehl
                                 
                                 1 zu 5
                                 
                              
                                 Gerste
                                 
                                 1 zu 7
                                 
                              
                                 Weizenmehl (englisches)
                                 1 zu 8
                                 
                              
                                 Kartoffeln
                                 
                                 1 zu 9
                                 
                              
                                 Reis
                                 
                                 1 zu 10
                                 
                              
                                 Rüben (Brassica rapa)
                                 1 zu 11
                                 
                              
                                 Arrow-rootTapiocaSago
                                 
                                    
                                    
                                 1 zu 26
                                 
                              
                                 Stärke
                                 
                                 1 zu 40.
                                 
                              
                           Um daraus ein Urtheil über den Werth der Nahrungsmittel für das praktische Leben zu
                              									fällen, müßte zuvor ermittelt werden, in welchem Verhältniß der blutbildende
                              									Bestandtheil zu dem wärmeerzeugenden in derjenigen Nahrung steht, von der mit
                              									Bestimmtheit bekannt ist, daß sie das Leben und die Thätigkeiten des Organismus
                              									vollständig zu unterhalten vermag, also in der normalen Nahrung. Es müßte ferner
                              									dieses Verhältniß — da es nothwendig je nach Alter, Art der Thätigkeit und
                              									Lebensweise, und nach Klima etc. verschieben seyn muß — für die
                              									Hauptkategorien des Lebens festgestellt seyn. Mit der höchsten Wahrscheinlichkeit
                              									kann man z. B. voraussagen, daß ein Mensch bei einem Beruf, der ihm geistige
                              									Thätigkeit, neben verhältnißmäßiger körperlicher Ruhe auferlegt, ein anderes
                              									Mischungsverhältniß seiner Nahrung bedarf, als derjenige, den sein Beruf zum
                              									Umgekehrten zwingt. Thomson hat einen einfachen und
                              									sinnreichen Weg vorgezeichnet, um zu der so wünschenswerthen  Ergänzung dieser Lücken unseres
                              									Wissens zu kommen, in dem er das Gewicht und die elementare Zusammensetzung der in
                              									einer gegebenen Zeit (von einer Kuh) genommenen Nahrung und ausgeworfenen Ercremente
                              									bestimmte. Aus beiden Factoren läßt sich berechnen, wie viel Nahrung wirklich von
                              									dem Körper aufgenommen (assimilirt) worden und in welchem Verhältniß dieses Quantum
                              									gemischt war. Er fand, daß eine Kuh bei Stallfütterung täglich 15,28 Pfd. Ryegras
                              									assimilirte, worin 1,56 Pfd. blutbildende und 13,00 Pfd. wärmeerzeugende
                              									Bestandtheile sind. Beide stehen also im Verhältniß von 1 : 8⅓, ein
                              									Verhältniß, welches beim Menschen höchst wahrscheinlich dem Gleichgewicht viel näher
                              									steht, und zwar dem Mischungsverhältniß der Mehlfrüchte 1 : 5 oder 1 : 6 nahe kommen
                              									wird. Das kann man mit voller Gewißheit sagen, daß für den Säugling das Verhältniß
                              									das der Milch, nämlich 1 : 2,5, seyn müsse.
                           Aus einer (von Liebig mitgetheilten) Menage-Tabelle
                              									einer Compagnie Soldaten, welche mit Fleisch, Brod, Gemüse, Hülsenfrüchten, Bier,
                              									Schnaps, Fett ernährt wurde, läßt sich das Verhältniß des blutbildenden
                              									Bestandtheils zum wärmeerzeugenden in der assimilirten Nahrung, mit großer
                              									Annäherung zur Wahrheit bestimmen, wenn man in Abzug bringt, was mit den Excrementen
                              									in derselben Zeit wieder aus dem Körper geführt wird; es ergibt sich daraus: daß 855
                              									Mann verzehrt haben:
                           
                              
                                 
                                 Wasser.
                                 trockener Substanz.
                                 Verhältniß des blutbildenden zum wärmeerzeugenden
                                    											Bestandtheile in letzterer.
                                 
                              
                                 Pfd. Nahrungsmittel Zusammen 4001 mit
                                 1655
                                 2346 Pfd.
                                 298 : 1357
                                 
                              
                                 Pfd. Excremente zusammen 294 mit
                                 220½
                                 73½ Pfd.
                                  13 :   51
                                 
                              
                           
                              
                                 Verhältniß des blutbildenden zu wärmeerzeugenden Theil der assimilirten
                                    											Nahrung
                                 285 : 1306 = 1 : 4,7.
                                 
                              
                           Die Quantität 4,7, welche aus der Lebensweise von Personen entnommen ist, welche viel
                              									körperliche Bewegung haben, würde sich jedenfalls für Personen mit sitzender
                              									Lebensweise vergrößern. Obgleich diese Zahlen, um ganz sichere Anhaltspunkte zu
                              									gewähren, aus umfassender statistischer Aufnahme in großem Maßstabe hervorgehen
                              									müßten, so sind  sie
                              									doch der Wahrheit nicht so fern, um nicht einige wichtige Schlußfolgerungen zu
                              									gestatten.
                           Zuvörderst springt in die Augen, daß das Mischungsverhältniß von 1 : 4,7 (welches
                              									Personen entspricht, die mäßiger körperlicher Bewegung unterworfen sind) gerade
                              									dasjenige ist, welches den vornehmsten Getreidearten, dem Weizen, Korn, der Gerste
                              									und dem Hafer von Natur innewohnt. Diejenigen, die ausschließlich von Fleisch leben,
                              									wie viele wilde Nationen und Jäger, oder von Hülsenfrüchten, empfangen einen
                              									namhaften Ueberschuß an blutbildenden Bestandtheilen, der entweder durch solche
                              									Zusätze ausgeglichen werden kann, die reich an wärmeerzeugendem Stoff sind, oder
                              									durch vermehrte Bewegung. Im Gegensatz dazu befinden sich die unbemittelten Classen
                              									der Bevölkerung bei uns; sie sind in Folge der bestehenden socialen Zustände auf das
                              									wohlfeilste Nahrungsmittel, auf die Kartoffeln, beschränkt; je größer die Verarmung,
                              									umsomehr sieht man die bessere, aber kostspielige Nahrung von der Kartoffel
                              									verdrängt. Die Kartoffeln sind nämlich um die Hälfte ärmer an blutbildendem
                              									Bestandtheil als die Getreidearten; es hat mithin die Natur, die bei dem Wilden sich
                              									nur eines Ueberschusses zu entledigen hat, in diesem
                              									Falle den ungleich schwereren Kampf mit einem Mangel zu
                              									bestehen, worin sie nur den Instinct zum Bundesgenossen hat, der den Armen immer
                              									antreibt, nach Möglichkeit des Verdienstes mit Brod, Milch, Käse, Kaffee zu Hülfe zu
                              									kommen. Jedenfalls muß man gestehen, daß die Lebensweise der Aermeren durch die
                              									Armseligkeit ihres ganzen Zustandes mit Gewalt auf einen unnatürlichen Standpunkt
                              									geschoben ist; diese Verrückung der naturgemäßen Lebensweise kann ihre Nachtheile
                              									möglicherweise in drei Richtungen offenbaren: sie kann zu mangelhafter Körperkraft
                              									und Gesundheit führen, dieß ist nicht das Vorstechendste; oder zu vermehrter
                              									Sterblichkeit und kürzerer Lebensdauer, worüber die Statistik zur Auskunft
                              									verpflichtet ist; oder endlich zu Mangel an geistiger Energie, zu einer Art stupider
                              									Schlaffheit und Theilnahmlosigkeit für Alles, was die nächsten thierischen
                              									Interessen übersteigt, wohl die gewöhnlichste Folge. — Mit der vorwiegenden
                              									Kartoffelnahrung sind die betreffenden Classen schon gleichsam auf das letzte
                              									Hülfsmittel hingewiesen, stehen gewissermaßen auf dem äußersten Rande und haben
                              									keinen Boden mehr vor sich. Daher kommt es denn, daß schon ein theilweises Mißrathen
                              									der Kartoffelernte die Massen an allen Enden zur Empörung aufwiegelt, eine um so
                              									bedeutsamere Erscheinung, weil der deutsche Arbeiter und arme Bauer ganz gewiß die
                              									Aufgabe gelöst hat, mit dem Minimum von Nahrung, noch dazu von mangelhafter
                              									Qualität, das größte Maaß von Arbeit zu leisten.
                           
                           Die Verwendung der Kartoffel in der Landwirthschaft zum Branntweinbrennen erscheint
                              									von obigem Gesichtspunkt aus als eine Scheidung des überschüssigen wärmeerzeugenden
                              									Theiles, also des Stärkemehls, von dem Rest desselben mit dem blutbildenden Stoff
                              									oder Eiweiß, welcher Rest mit dem Kleber des Malzes vermengt, eine richtiger
                              									gemischte halbgelöste Nahrung bildet, deßhalb aber auch, um sie der Natur des
                              									Wiederkäuermagens besser anzupassen, einen Zusatz von Stroh oder sonst geringerem
                              									Futter verträgt. Da die Kartoffel das 10fache des Eiweißes an Stärkemehl enthält, so
                              									kann davon beiläufig die Hälfte in Branntwein verarbeitet werden, bis ein Rest
                              									bleibt, der im Verhältniß der Getreidearten (1 : 5) gemischt ist.