| Titel: | Ueber das aus Weizen und Türkischkorn bereitete Brod; von Prof. Girardin. | 
| Fundstelle: | Band 110, Jahrgang 1848, Nr. XXVII., S. 147 | 
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                        XXVII.
                        Ueber das aus Weizen und Türkischkorn bereitete
                           								Brod; von Prof. Girardin.
                        Aus dem Journal de Pharmacie, August 1848, S.
                              									98.
                        Girardin, über das aus Weizen und Türkischkorn bereitete
                           								Brod.
                        
                     
                        
                           Bei der im verflossenen Jahre herrschenden Theuerung bezog der Magistrat von Rouen
                              									Türkischkornmehl (Maismehl) in großen Quantitäten von Bordeaux, um es dem Weizenmehl
                              									zur Hälfte beimengen und daraus ein wohlfeileres Brod backen zu lassen.
                           Von Hrn. Barbet, damaligem Maire, um meine Ansicht
                              									befragt, ob dieses Brod hinsichtlich seiner Kosten und seines Einflusses auf die
                              									Gesundheit zum Verkaufe zugelassen werden dürfe, erstattete ich am 4. Jul. 1847
                              									folgenden Bericht, welcher mehrere analytische Resultate und Beobachtungen enthält,
                              									die bei der Wiederkehr solcher Zustände einigen Nutzen gewähren dürften, was mich
                              									veranlaßt ihn zu veröffentlichen.
                           Das mir zur Untersuchung zugestellte Türkischkornbrod war von vier Bäckern
                              									dargestellt. Der Teig dieser vier Sorten, sowie Farbe, Geschmack und Geruch der
                              									Kruste und Krume, wichen wenig von einander ab. Die Kruste war braun oder gelblich,
                              									die Krume mehr oder weniger gelb. Der Geschmack war bei einer Sorte etwas
                              									bitterlich, sonst nicht unangenehm, der Geruch Kommißbrod-ähnlich.
                           
                              
                                 
                                 1000 Thle. Türkischkornbrod
                                 gewöhnl. Rouener Weißbrod
                                 
                              
                                 enthalten
                                 300 Kruste
                                 400 Kruste
                                 
                              
                                 enthalten
                                 700 Krume
                                 600 Krume.
                                 
                              
                           Im frischen Zustand enthält
                           
                              
                                 die Kruste des Türkischkornbr.
                                 19,8 Proc. Wasser.
                                 Die Kruste des gewöhnl. Weißbr.
                                 20,28
                                 
                              
                                 die Krume des Türkischkornbr
                                 44 Proc. Wasser.
                                 Die Krume des gewöhnl. Weißbr.
                                 41,84
                                 
                              
                           Altgebacken, d. h. 24 Stunden nach dem Ausnehmen aus dem Ofen, enthält
                           
                              
                                 die Kruste des Türkischkornbr. nur noch
                                 17,73 Proc. Wasser; die des gewöhnl. Weißbr.
                                 17,33
                                 
                              
                                 die Krume des Türkischkornbr. nur noch
                                 42 Proc Wasser; die des gewöhnt Weißbr.
                                 34,20
                                 
                              
                           
                           Das Türkischkornbrod enthält sonach, frisch sowohl als altgebacken, immer mehr Wasser
                              									als das reine Weizenbrod.
                           
                              
                                 Im gewöhnl. Weißbrod verhält sich die Kruste zur Krume
                                 =
                                 1 : 1,5
                                 
                              
                                 Im mit Türkischkorn versetzten sich die Kruste zur Krume
                                 =
                                 1 : 2,33
                                 
                              
                           Die Analyse ergab:
                           
                              
                                 Beim gemischten
                                       												Brod.
                                 
                                    Beim gewöhnl. Weizenbrod.
                                    
                                 
                              
                                 Salzige Bestandtheile
                                 3,5 Proc.
                                 0,50 Proc.
                                 
                              
                                 Stickstoff
                                 2,32 Proc.
                                 2,32 Proc.
                                 
                              
                           Aus Vorstehendem geht hervor, daß das mit Türkischkorn gemischte Brod, wenigstens
                              									hinsichtlich des Stickstoffgehalts, nicht viel vom gewöhnlichen Weizenbrod abweicht.
                              									Die Nährkraft des gewöhnlichen Brodes zu 100 angenommen, wäre diejenige des
                              									Türkischkornbrods = 103, d. h. um gleichviel Nahrung zu erhalten, wären statt 100
                              									Kilogr. gewöhnlichen Weißbrods 103 Kilogr. mit Türkischkorn gemischtes
                              									erforderlich.
                           Diese Resultate stimmen vollkommen mit den von andern Chemikern bei der
                              									vergleichenden Analyse des Weizens und Türkischkorns erhaltenen überein, deren
                              									Zusammensetzung sich wie folgt angeben läßt:
                           Winterweizen.
                           
                              
                                 Stärkmehl
                                 63,2
                                 
                              
                                 Gluten (Kleber) und Albumin
                                 14,3
                                 
                              
                                 Gummi
                                 12,4
                                 
                              
                                 Fettsubstanz
                                 2,6
                                 
                              
                                 Holzfaser und Salze
                                 7,5
                                 
                              
                                 
                                 ––––––––
                                 
                              
                                 
                                 100,0.
                                 
                              
                           Türkischkorn.
                           
                              
                                 Stärkmehl
                                 71,2
                                 
                              
                                 Gluten und Albumin
                                 12,3
                                 
                              
                                 Dextrin und Zucker
                                 0,4
                                 
                              
                                 Fettes Oel
                                 9,0
                                 
                              
                                 Holzfaser und Salze
                                 7,1
                                 
                              
                                 
                                 –––––––
                                 
                              
                                 
                                 100,0.
                                 
                              
                           Hr. Boussingault nimmt, um die Nährkraft der verschiedenen
                              									vegetabilischen Nahrungsstoffe auszudrücken, das Weizenmehl zur Vergleichung; dessen
                              									Aequivalent = 100 angenommen, bezeichnet er als Aequivalente
                           
                              
                                 des natürlichen Weizens
                                 107
                                 
                              
                                 des natürlichen Türkischkorns
                                 138.
                                 
                              
                           
                           Die HHrn. Schloßberger und Kamp, welche eine andere Basis annehmen, nämlich Frauenmilch, deren Nährkraft
                              									sie = 100 setzen, stellen als Aequivalente auf
                           
                              
                                 des natürlichen Weizens
                                 56
                                 
                              
                                 des natürlichen Türkischkorns
                                 75
                                 
                              
                           wonach das Aequivalent des Türkischkorns um ¼ bis
                              									⅓ niedriger ist als dasjenige des Weizens.
                           Das Aequivalent des aus gleichen Theilen Weizen- und Türkischkornmehl
                              									bereiteten Brodes weicht also nur sehr wenig von demjenigen des reinen Weizenbrodes
                              									ab; dasselbe ist folglich auch beinahe gleich nährend.
                           Die Frage hingegen, ob das zu Rouen bereitete, mit Türkischkorn gemischte Brod auch
                              									möglichst gut bereitet ist, muß ich verneinend beantworten.
                           Erstens sind im Teig dieses Brodes mit bloßem Auge sehr leicht viele Ueberreste der
                              									gelben Keimhülle oder rindenförmigen Hülle des Korns zu sehen; ein Beweis, daß das
                              									Mehl nicht gehörig gebeutelt wurde.
                           Ferner ist dieses Brod nicht gut aufgegangen, es ist compact, schlecht gebacken,
                              									weßhalb es schwerer zu verdauen ist. Eben deßhalb absorbirt es weniger Wasser,
                              									schwillt nicht so auf, wie das gewöhnliche Brod, zerbröckelt sich mehr und wird
                              									leichter zu einem Brei, wenn man es zum Anrichten der
                                 										Suppe verwendet.
                           Diesen verschiedenen Uebelständen wäre größtentheils leicht abzuhelfen:
                           1) Es müßte das Türkischkornmehl sorgfältiger dargestellt werden, so daß jene harte,
                              									lederartige Kleie des Korns nicht darinnen bliebe welche der Magen, als eine
                              									gleichsam fremdartige Substanz, nicht leicht assimiliren kann.
                           2) Es wäre eine stärkere, kräftiger wirkende Hefe anzuwenden, um einen leichtern,
                              									besser aufgegangenen Teig zu erhalten. Es könnte dem Sauerteig wohl etwas
                              									Ammoniak-Bicarbonat zugesetzt werden, wie dieß bei Luxusbroden, Kaffeebrod,
                              									sogenanntem Gebackenen etc. schon längst geschieht. Jenes sehr flüchtige Salz treibt
                              									das Brod während des Backens in die Höhe und geht, nachdem es seine mechanische
                              									Wirkung gethan, wieder ganz davon; die Anwendung desselben hat für die Gesundheit
                              									durchaus keine schlimmen Folgen.
                           
                           3) Es müßte dann das Backen länger fortgesetzt werden.
                           4) Vielleicht wäre es auch, um dem gemischten Brode schneller Eingang zu verschaffen,
                              									vortheilhaft, das Mengenverhältniß des Türkischkorns um ein Namhaftes zu verringern,
                              									es etwa auf ein Drittheil oder selbst ein Viertheil zu reduciren.
                           Besser noch wäre es, das Türkischkornmehl in Form eines Breies zur Consumtion zu
                              									bringen, wie dieß seit Jahrhunderten in Franche-Comté, im Elsaß, in Bearn,
                              									einem großen Theil Süd-Frankreichs, Spanien, Nord- und Südamerika
                              									geschieht. Die Polenta ist gewiß eine der angenehmsten
                              									und nahrhaftesten Speisen; sie wird mit Wasser oder Milch zubereitet, etwas Salz,
                              									Butter, Fett, Zucker etc. zugesetzt, je nach dem Geschmack und den Mitteln der sie
                              									genießenden Leute. Die HHrn. Merat und Delens sagen, daß täglich nur 200 Gramme Mais und 25
                              									Gramme Fett, außer dem Salz und dem Wasser zum Kochen, erforderlich sind, um ein
                              									erwachsenes Individuum zu ernähren.Dictionnaire universel de matière médicale et de
                                       												thérapeutique générale Tom. VI. P. 984. Der große Gehalt
                              									an Stärkmehl und stickstoffhaltigen Substanzen (Kleber und Eiweiß) im Mais erklären
                              									dessen Nahrhaftigkeit.
                           Sicherlich ist es besser, das Türkischkorn, den Reis, die Runkelrübe, die Kartoffel
                              									als solche zu essen, anstatt sie dem Brod beizumengen; denn, vom Gesichtspunkt der
                              									Nahrhaftigkeit aus betrachtet, ist wahrlich kein Grund vorhanden, diese Substanzen
                              									in Form von Brod verzehren zu lassen, wohl aber der Uebelstand, daß die erhaltene
                              									Mischung minder gut, gesund und angenehm ist als jeder ihrer Bestandtheile für sich
                              									allein.
                           Nachtrag. — Die Bäcker in Rouen zeigten keinen
                              									guten Willen, das Türkischkornmehl zu verbacken; sie überließen es lieber den
                              									Müllern, dieses Mehl dem Weizenmehl in geringer Menge zuzusetzen, so daß die
                              									Bevölkerung ihr gewöhnliches Brod verhältnißmäßig zu theuer zahlen mußte, während
                              									der Gemeinderath bemüht war, ihr wohlfeileres Brod zu verschaffen.Nach dem Impartial de Rouen schreiben die Aerzte
                                    											dieser Stadt zahlreiche Fälle von Bräune, welche
                                    											bei der dortigen Bevölkerung in der letzten Zeit vorkamen, lediglich der
                                    											Ranzigkeit des (mit Zusatz von Weizenmehl) zur Brodbereitung angewandten
                                    											Maismehls zu. Das Maismehl enthält nämlich viele ölige Theile, welche leicht
                                    											ranzig werden; dieser ranzige Geschmack theilt sich dem Brod mit, welches,
                                    											indem es durch den Schlund geht, ein unangenehmes Stechen hervordringt,
                                    											daher durch den andauernden Genuß solchen Brodes eine heftige Reizung
                                    											entstehen muß, welche oft in Bräune ausartet. Im südliche Frankreich, wo das
                                    											Maisbrod in täglichem Gebrauch ist, kommen solche Fälle nie vor, denn man
                                    											verwendet dort nur frischgemahlenes Maismehl, welches nicht über acht Tage
                                    											alt ist und erhält damit stets ein gutes, angenehm schmeckendes und
                                    											nahrhaftes Brod.
                           
                           Aehnliche Versuche wie die obigen, dem Brode Maismehl zuzusetzen, wurden auch zu
                              									Bordeaux angestellt, und hatten nach Hrn. Professor Magonty's Bericht ähnlichen Erfolg. Durch starken Hefenzusatz wurde ein
                              									auffallend besseres Product erzielt. 2 Theile Mehl auf 1 Theil Sauerteig gaben ein
                              									sehr befriedigendes Resultat. Der Geschmack erinnerte an Mais, war aber nicht
                              									unangenehm; das Brod war jedoch trocken, zerkrümelte sich
                              									leicht, der Teig desselben war kurz. — Nach Hrn. Magonty muß das Brod bei einem Volum von 5 Kilogr. 2 bis 2¼ Stunden
                              									im Ofen bleiben, der auch etwas stärker geheizt werden muß als beim Weizenbrod. Das
                              									Maisbrod gibt auch besser aus als das Weizenbrod; 100 Mehl geben, statt 116 vom 100,
                              									wie das Weizenmehl, 150 bis 155 Brod.
                           Nur einen Vorwurf verdient dieses Brod; es ist etwas rauh. Hr. Magonty suchte diesen Fehler dadurch zu verbessern, daß er gekochte und in
                              									Brei verwandelte Kartoffeln zusetzte; der Erfolg war der beste. Das Verhältniß war 2
                              									Mais und 1 Kartoffel. Das Verfahren blieb dasselbe. Die Gährung ließ man 4½
                              									Stunden lang dauern. Das Brod war gut aufgegangen und hatte einen angenehmen
                              									Geschmack.
                           Das beste Mengenverhältniß war nach ihm folgendes:
                           
                              
                                 Weizenmehl
                                 100
                                 
                              
                                 Gute Heft
                                 60
                                 
                              
                                 Türkischkornmehl
                                 40
                                 
                              
                                 Brei von gekochten Kartoffeln
                                 20.