| Titel: | Ueber Cornesse's neue Art des Weinbaues; Bericht des Hrn. Demerméty. | 
| Fundstelle: | Band 110, Jahrgang 1848, Nr. XLII., S. 227 | 
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                        XLII.
                        Ueber Cornesse's neue Art des Weinbaues; Bericht des
                           								Hrn. Demerméty.
                        Aus dem Moniteur industriel, 1848, Nr.
                              								1224.
                        Cornesse's neue Art des Weinbaues.
                        
                     
                        
                           Von dem Ausschuß des landwirthschaftlichen Vereins für das Departement der Goldküste
                              									beauftragt, den Weinbau ohne Pfähle des Abbé Cornesse im
                              									Bezirke Champagne-sur-Vingeanne zu prüfen und darüber zu berichten,
                              									besuchte ich denselben wiederholt und erhielt folgende Aufschlüsse, welchen ich noch
                              									eigene Bemerkungen beifüge.
                           Als mittlerer Abstand der Stöcke wird in dieser Anpflanzung soviel als thunlich 18
                              									Zoll (0,50 Meter) beobachtet.
                           Eine Ouvrée (4,29 Are) von guter Cultur soll 1500 Weinstöcke enthalten; es gibt deren
                              									welche nur 1200 und andere welche bis 2000 enthalten.
                           Bei dieser Art des Weinbaues werden die Erdstreifen 18 Zoll (0,5 Meter) breit
                              									gemacht; man läßt zwischen ihnen ein Beet von derselben Breite, auf welches man die
                              									von den Streifen ausgegrabene Erde wirft.
                           Man pflanzt in zwei gegeneinanderstehenden Reihen (eine auf der einen, die andere auf
                              									der anderen Seite des Streifens) folglich so, daß die Wurzeln sich kreuzen und
                              									durcheinanderflechten.
                           Die Beete, obschon nur 18 Zoll breit, sind groß genug um die ausgegrabene Erde
                              									aufzunehmen, da in der Champagne die Erde nur 5–6 Zoll (14–17 Centim.)
                              									tief geht. Der Unterboden besteht hier aus aufgesprungenem und zerklüftetem Gestein,
                              									durch dessen Sprünge 
                              									und Klüfte das Regenwasser abfließt und in welche hie und da Wurzeln eindringen
                              									können.
                           Weinbau. Es werden bei diesem Verfahren keine Stützen,
                              									folglich keine Pfähle erfordert und da die meisten Stöcke 25 Jahre und darüber
                              									bleiben können, ohne frisch eingesetzt zu werden, so werden ebenso lang in den
                              									Weingärten auch keine Gruben und Fechser gemacht. Ich sah in so behandelten
                              									Weinbergen viele über 40 Jahr alte Stöcke reich mit Trauben behangen, obgleich sie
                              									alle noch auf ihrer ersten Wurzel standen und nie frisch eingesetzt waren. Auch
                              									sagte mir Hr. Cornesse daß er niemals, um sie kräftig zu
                              									erhalten, frische Erde oder Dünger gegeben habe. Die erste Hacke wird bei dieser
                              									Culturart zu derselben Zeit gegeben wie sonst; statt der zweiten aber werden alle
                              									Kräuter von Hand ausgerauft, wie dieß zu Chambertin etc. für die feinen Weine
                              									geschieht. Der Boden der Champagne und der Umgegend erzeugt häufig das sogenannte
                              									Bingelkraut (mercurialis annua), und wenn dasselbe nicht
                              									einige Zeit vor der Reife der Trauben vertilgt wird, so bekommt der Wein einen
                              									unangenehmen Geschmack, welchen man dieser Pflanze zuschreibt.
                           Vom Schnitt. Bei diesem Verfahren läßt man jedem Stock je
                              									nach seiner Stärke 2–5 verschnittene Ranken, jede mit zwei Augen. Dieser
                              									Schnitt findet im März statt.
                           Erstes Beschneiden (Putzen). Sobald die Triebe so groß
                              									sind, daß man die darin enthaltenen Trauben erkennen kann, wird jeder bei einem
                              									Blatt oberhalb der höchsten Traube abgebrochen (moucher); hierauf scheint der Saft 8–10 Tage lang auszubleiben, während
                              									welcher Zeit er sich auf die Trauben wirft, die sich dann rasch entwickeln, und alle
                              									Unteraugen beginnen zu treiben. Man darf an diese Triebe von Unteraugen oder diese
                              									falschen Schößlinge ja nicht Hand anlegen, sondern muß sie wachsen lassen; sonst
                              									würden die Augen, welche im nächsten Jahr Frucht tragen sollen, treiben und die Lese
                              									des folgenden Jahres wäre verloren oder doch sehr in Gefahr.
                           Zweites Beschneiden oder Entfernen der falschen
                                 									Schößlinge. In der Mitte Juli werden alle Schößlinge von Unteraugen gänzlich
                              									entfernt, außer dem am Ende jedes Zweiges befindlichen fruchttragenden, welchen man
                              									nicht beseitigt, aber unter dem zweiten Blatt abbricht. Ist dieß geschehen, so gibt
                              									es keine Arbeit mehr im Weinberg bis zur Weinlese.
                           Vom Wiederersetzen. Ist in einem Weinberg ein Stock
                              									abgestorben oder kleinbeerig geworden, so läßt man auf dem nächsten Stock  3–4 Ranken, die
                              									man nicht abbricht und im nächsten Winter in die Erde senkt, wo sie die gewünschte
                              									Stelle wieder ausfüllen.
                           Von der vortheilhaftesten Höhe welche den Stämmen der
                                 										Weinstöcke zu geben. Hr. Cornesse glaubt daß
                              									7–8 Zoll (17–22 Centimeter) die vortheilhafteste Höhe ist, welche den
                              									nackten Stämmen der Stöcke, nämlich unter ihren ersten Zweigen, zu geben ist. Er
                              									findet diese Höhe hinreichend, damit die Trauben nicht faulen, und glaubt, daß wenn
                              									der nackte Stamm des Weinstocks höher wäre, die Erde weniger die Warme reflectiren
                              									und folglich die Reife der Trauben später eintreten würde; übrigens ist die Höhe
                              									dieser Weinstockstämme sehr ungleich und oft mehr als zweimal so groß.
                           Vom Verjüngen. Nach Verlauf von etwa 20–25 Jahren,
                              									wo der Ertrag des Weinbergs sich zu vermindern anfängt, muß man trachten ihn zu
                              									verjüngen. Zu Fontaine-Françoise, einem zwei Stunden von Champagne entfernten
                              									Dorf, wird nach 14–15 Weinlesen der ganze Weinberg möglichst nahe an dem
                              									Unterboden umgelegt. Es kostet dieses 60 Fr. per Tagwerk Journal = 34,28 Are). Im folgenden Jahr trägt dieses Umlegen wenig; die
                              									darauf folgenden Jahre aber geben sehr reichlichen Ertrag. Es ist begreiflich, daß
                              									bei diesem Verfahren das Erdreich endlich mit altem Holze angefüllt und dann ein
                              									wiederholtes Umlegen unmöglich werden muß, wodurch, obgleich in ferner Zeit, der
                              									Existenz des Weinbergs ein Ziel gesetzt wird.
                           Verjüngungs-Verfahren des Hrn. Cornesse. Um diese
                              									Verjüngung zu bewerkstelligen, wird oben auf dem Weinberg begonnen und längs der
                              									ganzen zweiten Reihe dieser Weinstöcke ein (oben und unten) 18 Zoll breiter Graben
                              									bis auf den Unterboden hergestellt, welchen letztern man ebnet. Behufs des
                              									Ausgrabens wird die dritte Reihe von Stöcken aus dem 18 Zoll breiten Raum
                              									ausgerissen, und dann alles im Boden vorkommende Wurzelwerk und alte Holz
                              									abgeschnitten und herausgenommen; nachdem man nun die zweite Reihe leicht aufgehackt
                              									hat, legt man dieselbe in dem Graben um und bildet sie aus den nicht abgebrochenen
                              									Zweigen (wovon man 3–4 auf jedem Stocke zurückließ) von neuem, sowie auch die
                              									so eben ausgerissene dritte Reihe.
                           Im darauf folgenden Jahr rückt auf dieselbe Weise die dritte Reihe vor, wird neu
                              									gebildet und ersetzt die vierte, welche man ausreißt; und wenn man 5 Jahre
                              									nacheinander von 3 zu 3 Streifen mit allen zweiten Reihen so verfährt, wird nach
                              									Verlauf dieser Zeit der ganze Weinberg, mit Ausnahme eines Streifens, völlig
                              									erneuert seyn. Wie oft auch der Weinberg auf diese Weise umgelegt werden mag, so ist
                              									doch  keine Ueberfüllung
                              									desselben möglich und es wird sich nie mehr Holz im Boden befinden als nach der
                              									ersten Erneuerung.
                           Seit dem Jahr 1822 (also 25 Jahre lang) treibt Hr. C. dieses Umlegen auf 5 Tagwerken
                              									(1 Hectare 71,40 Are) Weinstöcken in Chambertin; außer dem eingegrabenen Weinholz
                              									wurden aus den Gruben auch alle großen Steine entfernt, welche dem Anbau hinderlich
                              									waren und den Ertrag minderten.
                           Ich sagte oben, daß man, um den Weinberg zu verjüngen, mit dem zweiten Bodenstreifen
                              									anfangen müsse. Der Grund davon ist leicht einzusehen; wenn man am Fuße des ersten
                              									Streifens einen Graben herstellte, so zerschnitte man die Mutterwurzeln der ihn
                              									bildenden Stöcke und dieselben würden beim Aufhacken der sie umgebenden Erde (behufs
                              									ihrer Umlegung) so entwurzelt werden, daß sie, wo nicht absterben, doch mehrere
                              									Jahre fortkränkeln und nur schwache Triebe treiben würden; ist aber nur noch die
                              									erste Reihe zu verjüngen und man bedient sich zu diesem Behufe der zweiten Reihe, so
                              									leiden deren Stöcke (wovon jeder unter dem Boden mehr als 2 Meter umgelegten und
                              									wohl mit Wurzeln versehenen Holzes hat) durch das Wegschneiden ihrer Mutterwurzeln
                              									sehr wenig, da dieselben kaum den siebenten Theil ihrer Ernährungsorgane
                              									ausmachen.
                           Ertrag, Reife, Benennung der versuchten Rebensorten. Das
                              									durchschnittliche Product der so behandelten Weinberge ist 1½ Stückfaß (342
                              									Liter) per Ouvrée (4,29 Are). Dieses Jahr lieferte derselbe Flächenraum 4 Stückfaß
                              									(912 Liter) Wein. Mir erschienen in dieser Weinpflanzung die Trauben kleiner, aber
                              									zahlreicher als in den anliegenden Weingärten. Ich fand hier weder verdorrte noch
                              									verfaulte Trauben; hinsichtlich der Reife erschienen sie mir gerade so wie die
                              									übrigen des Orts, aber das junge Holz dicker und gezeitigter. Hr. Cornesse versuchte diese Culturart mit mehreren
                              									Rebensorten und zwar: Pineau (Auvergner Traube) noir, P. blanc chardenet, gamet noir (g. blanc, épinette) purion
                                 										giboudot, gaillard gouair noir, maillé blanc, chasselas (Gutedel) blanc, merlan oder mourlache
                              									genannt.
                           Betrachtungen. Es unterliegt keinem Zweifel, daß bei
                              									Anwendung dieser Culturart auf einem Terrain das mehr Erde hat, mehr oder weniger
                              									Abänderungen hinsichtlich des Abstands der Weinstöcke von einander, sowie auch im
                              									Zeitpunkt der Entfernung der Triebe der Unteraugen und des zweiten Beschneidens
                              									eintreten müssen; denn wenn diese Arbeit zu früh vorgenommen wird, bringt sie
                              									Fruchtaugen zum Treiben, wodurch die zukünftige Lese verloren ginge.