| Titel: | Ueber die Darstellung von Aerostaten aus Collodion; von C. A. Grüel, Mechaniker in Berlin. | 
| Fundstelle: | Band 110, Jahrgang 1848, Nr. LXXV., S. 412 | 
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                        LXXV.
                        Ueber die Darstellung von Aerostaten aus
                           								Collodion; von C. A.
                              									Grüel, Mechaniker in Berlin.
                        Aus Poggendorff's Annalen der Physik und Chemie, 1848, Nr.
                              									10.
                        Grüel, über die Darstellung von Aerostaten aus
                           								Collodion.
                        
                     
                        
                           Das neuerdings in der chirurgischen Praxis zur Anwendung gekommene Präparat, welches
                              									den Namen Collodion erhielt, ist eine Auflösung der in
                              									Xyloïdin verwandelten Holzfaser der Baumwolle in Schwefeläther.
                           Die Prüfung seiner chemischen und physikalischen Eigenschaften ergibt unter Anderem,
                              									daß wenn es in einer sehr klaren Solution gleichmäßig über eine beliebige Glasfläche
                              									verbreitet wird, nach gänzlicher Verflüchtigung des Lösungsmittels eine vollkommen
                              									durchsichtige, glasartige Haut zurückbleibt, welche nicht allein die
                              									Verbrennungs-Erscheinung der Schießbaumwolle, sondern auch die
                              									ausgezeichnetsten elektrischen Eigenschaften zeigt, und identisch ist mit dem zuerst
                              									von Schönbein dargestellten elektrischen durchsichtigen
                              									Papier.
                           Aus diesem Grunde dürfte die Neuheit der transatlantischen Entdeckung des Collodions
                              									diesseits von denjenigen, welche die Producte der Einwirkung höchst concentrirter
                              									Salpetersäure auf organische Stoffe längst mit vielem Glück untersucht haben, wohl
                              									einigen Widerspruch finden. Ich bemerke noch, daß die Darstellung der durchsichtigen
                              									Gattung des elektrischen Papiers mir früher auf einem anderen, zum Theil
                              									mechanischen Wege gelang, wobei zwar nicht der Grad der Durchsichtigkeit, wohl aber
                              									die ebene Beschaffenheit der Fläche sehr vollkommen erreicht wurde.
                           Die Leichtigkeit einer solchen silberglänzenden, beliebig (sogar bis zum Hervorrufen
                              									der prächtigsten Interferenzfarben) dünnen, dabei dauerhaften und in sehr
                              									verschiedenen Formen zu gewinnenden Collodionhaut veranlaßte mich, die Anfertigung
                              									der oben bezeichneten Luftbälle zu versuchen, welche zu manchen interessanten
                              									Experimenten mit Gasarten vorzugsweise brauchbar erscheinen.
                           Es ist begreiflich, daß ein solcher Aerostat, von der Größe einer Birne, dessen Hülle
                              									dann nur 0,25 Gran wiegt, noch Steigkraft besitzt, wenn er auch nur halb oder etwa
                              									halb mit Knallgas gefüllt wird.
                           In der Voraussetzung, die Mittheilung meiner Fabricationsweise werde manchem Physiker
                              									das Vergnügen und Gelingen des kleinen Kunststücks sichern, führe ich an, daß man
                              									jedes klare Glasgefäß mit nicht  zu enger Oeffnung dazu benutzen kann. Ich nehme am
                              									liebsten einen Glaskolben mit kurzem Halse. Die Collodionlösung wird hineingegossen,
                              									mit allen Stellen der inneren Wandung in Berührung gebracht und während einer
                              									drehenden Bewegung des Kolbens ausgegossen, der Rand des Kolbens dann aber nicht abgewischt. Ein Luftstrom aus einem Blasebalg
                              									mittelst einer Spitze in den Kolben geleitet, verflüchtigt in kurzer Zeit den Aether
                              									und hinterläßt eine Haut, welche sich gewöhnlich nahe der Mündung vom Glase ablöset,
                              									während sie am äußersten Ende der Mündung noch festhaftet.
                           In diesem Stadium besitzt die Haut noch einige Feuchtigkeit und eine enorme
                              									Elasticität, die es später möglich machen, die reguläre Form des Ballons zu
                              									gewinnen. Man löset nämlich mit einem Messer die Haut von der Mündung ab und muß
                              									dann versuchen, den Ballon aus dem Kolben herauszubekommen, welche Operation einige
                              									Subtilität erfordert. Mit dem Finger und einem oben wohl abgerundeten Glasstäbchen
                              									läßt sich die Haut, ohne übermäßig zu zerren, innerhalb des Kolbens von der in ihr
                              									befindlichen Luft befreien, von Stelle zu Stelle ablösen und nach und nach
                              									hervorziehen. Letzteres gelingt nie ohne bedeutende Adhäsion der Haut an den
                              									Wandungen, daher man stets die adhärirenden Punkte wieder aufs neue abzulösen und so
                              									endlich den Ballon unversehrt herauszubringen suchen muß. Hierauf muß derselbe ohne
                              									Verzug aufgeblasen und so lange mit zugehaltener Mündung durch die Luft geschwenkt
                              									werden, bis die Oberfläche gänzlich trocken ist und die Eigenschaft verloren hat,
                              									ein knarrendes Geräusch zu geben, wenn man mit dem Finger über dieselbe wegstreicht.
                              									— In diesem Zustand ist der Ballon von einem wirklichen Glaskolben, wenn man
                              									den gewölbten Theil allein betrachtet, nicht zu unterscheiden; man sieht natürlich
                              									auch die matte Spiegelung der äußeren convexen und inneren concaven Fläche, wie beim
                              									Glase oder einer Seifenblase, vorausgesetzt, man habe ein schönes Collodion
                              									angewandt. — Es ist nicht gleichgültig, wie consistent dasselbe und wie groß
                              									der zu belegende Raum sey. Dünne Auflösungen desselben geben zartere Häute, und
                              									größere Räume begünstigen die Verdampfung so, daß das darin befindliche Collodion
                              									bald dickflüssiger wird und oftmals, wenn man nur mit beschränkten Quantitäten
                              									operiren will, nicht hinreicht, sämmtliche Stellen der Innenfläche zu bespülen.
                              									— Das Eintrocknen der Haut in nicht ausgespanntem Zustande würde nie eine
                              									glatte regelmäßige Fläche und Gestalt und wegen der großen Zusammenziehung derselben
                              									kaum die Hälfte der Größe der angewandten Form geben. Man hüte sich übrigens vor der
                              									Entzündlichkeit und berauschenden Eigenschaft der Aetherdämpfe,  zumal man die Größe der
                              									Kugelfläche, von welcher die Abdunstung geschieht, sich zu vergegenwärtigen leicht
                              									unterlassen möchte.