| Titel: | Ueber die Temperaturen, welche die Keimkörner des Oïdium aurantiacum im Brode vertragen können, ohne ihre Vegetationskraft zu verlieren; von Payen. | 
| Fundstelle: | Band 110, Jahrgang 1848, Nr. LXXX., S. 429 | 
| Download: | XML | 
                     
                        LXXX.
                        Ueber die Temperaturen, welche die Keimkörner des
                           									Oïdium aurantiacum im Brode vertragen können, ohne ihre
                           								Vegetationskraft zu verlieren; von Payen.
                        Aus den Annales de Chimie et de Physique, Oct. 1848,
                              									S. 253.
                        Payen, über das Verderben des Brodes durch Pilze.
                        
                     
                        
                           Die eigenthümliche Weise des Verderbens, wobei der innere Theil des Brodes rasch in
                              									eine schwammige, von einem orangerothen Gewächse bedeckte Masse umgewandelt wird,
                              									wird durch die Entwickelung eines Pilzes, des Oïdium
                                 										aurantiacum, verursacht. Darüber sind jetzt  alle Naturforscher einig;
                              									dieselben nehmen ferner an, daß die Wärme des Sommers, in Zusammenwirkung mit eben
                              									herrschender oder örtlicher Feuchtigkeit, diese Vegetation begünstigt; daß unter
                              									diesen Einflüssen die Stärkmehlsubstanz schnell zerstört oder in Wasser und
                              									Kohlensäure verwandelt wird, während die stickstoffhaltigen, fetten und
                              									mineralischen Bestandtheile des Brods von dem kryptogamischen Gewächse assimilirt
                              									werden und zu dessen Ernährung dienen. Auch ist bekannt, daß das Oïdium aurantiacum sich vermittelst seiner unzähligen
                              									Keimkörner fortpflanzt, die, wie alle außerordentlich kleinen und leichten Körper,
                              									von der Luft fortgetragen werden.
                           Es wurde bezweifelt, ob diese Keimkörner der Hitze des Brodbackens widerstehen
                              									können; einige in dem Bericht einer Commission zu Poitiers mitgetheilten
                              									Beobachtungen schienen darzuthun, daß das Pflanzenleben unter diesen Umständen
                              									zerstört werde.
                           Bei den ersten von mir angestellten Versuchen gab das mit unwägbaren Mengen von
                              									Keimkörnern besäete Mehl ein Brod, in dessen Mitte sich der rothe Schimmel
                              									entwickelte, während das mit gewöhnlichem Mehl bereitete Brod keiner solchen
                              									Vegetation Raum gab.
                           Dieselben vergleichenden Versuche öfters wiederholt, gaben ähnliche Resultate.
                           Doch konnte man noch glauben, daß in der Luft verbreitete und zufällig auf eine der
                              									Proben niedergefallene Keimkörner diese jedesmal erhaltenen Resultate hätten
                              									hervorbringen können. Denn ich habe wirklich bei mehreren Gelegenheiten, wie die
                              									Poitiers'sche Commission, gefunden, daß die geringste Menge in der Luft verbreiteter
                              									Keimkörner hinreicht, um die Inficirung bis in das Innere des Brods
                              									fortzupflanzen.
                           Um darüber directe Aufschlüsse zu erhalten, suchte ich die Gränzen der
                              									Temperaturerhöhung zu erforschen, wobei die Keimkörner ihre Lebenskraft
                              									behalten.
                           Im Wasserbade in Röhren einer Wärme von 100, 105 und 120°C. einer halben
                              									Stunde lang ausgesetzt, dann auf Brodschnitte gestreut, die in feuchter Luft bei +
                              									20° C. gelassen wurden, entwickelten diese Keimkörner die rothe Vegetation,
                              									während dieselben nicht besäeten Brodschnitte nur den gewöhnlichen weißen, braunen
                              									oder grünlichen Schimmel zeigten.
                           Dasselbe Resultat erhielt ich, als ich mit den Keimkörnern gewöhnlichen Teig in die
                              									Röhren brachte, um mit der Wirkung der Wärme den Einfluß des Wassers zu
                              									vereinigen.
                           
                           In einer Röhre bis auf 140° C. erhitzt, verloren die Keimkörner ihre röthliche
                              									Farbe und nahmen eine deutlich fahlgelbe an; diese Keimkörner vermochten die
                              									eigenthümliche Vegetation auf dem Brode nicht mehr hervorzurufen.
                           Temperaturen von 105 bis 120° C. zerstören also, sogar in feuchter Luft, das
                              									Vegetationsvermögen der Keimkörner des Oïdium
                                 										aurantiacum nicht; folglich vermögen diese Körperchen der Brodbackhitze zu
                              									widerstehen, zumal in gewissen innern Theilen, wo die Temperatur kaum 100° C.
                              									erreicht.
                           Ohne Zweifel reicht hingegen die Temperatur, bei welcher sich die Brodkruste bildet,
                              									und welche 200° C. übersteigt, hin, um in den Keimkörnern eine tiefgehende
                              									Veränderung hervorzubringen und deren Lebenskraft zu zerstören.
                           Endlich geht aus diesen Thatsachen hervor, daß das Mehl, welches Keimkörner des Oïdium aurantiacum enthält, Keime in das Brod bringt,
                              									welche die eigenthümliche Vegetation mit orangerothen Befruchtungstheilen zu
                              									entwickeln vermögen.