| Titel: | Hanewald's System der Rübenzuckerfabrication. | 
| Autor: | Karl Hanewald | 
| Fundstelle: | Band 111, Jahrgang 1849, Nr. XXXIX., S. 205 | 
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                        XXXIX.
                        Hanewald's System der Rübenzuckerfabrication.
                        Hanewald's System der Rübenzuckerfabrication.
                        
                     
                        
                           Das Princip meines Systems, welches ich im vorhergehenden Jahrgang des polytechn.
                              Journals (Bd. CVIII. S. 207) beschrieb, besteht darin, dem Rübensaft so viel als
                              möglich die Luft zu entziehen, ihn in sehr kleinen Quantitäten unter fortwährendem
                              Laufen die verschiedenen Operationen bis zur Zuckerkrystallisation auf schnellste
                              Weise in verschlossenen Räumen durchgehen zu lassen, die Kochungen (außer der
                              Scheidung) nur im luftleeren Raume zu machen und so aus den unmittelbar
                              zusammenhängenden Apparaten einen ganzen Apparat zu bilden.
                           Nach vielen Schwierigkeiten und Anfeindungen ist es mir gelungen, in
                              Mährisch-Ostrau eine Zuckerfabrik ganz nach meinem System einzurichten und in
                              Gang zu setzen. So viel ich auch Zuckerfabriken gesehen und selbst angelegt und
                              geleitet habe, fand ich doch nie schönere Rohproducte aus den Rüben, als in Ostrau
                              durch meine Apparate erzielt wurden; dieß bestätigen auch die Aussagen der
                              Fabricanten welche die Fabrik besichtigten, sowie diejenigen der Käufer, welche
                              einen verhältnißmäßig
                              hohen Preis für diesen reinen Rohzucker bewilligten. Das erste Product, hoch gekocht
                              und fein gekörnt zu Saftmelis, hat häufig nach dem zweiten Tage ungedeckt einen rein
                              weißen Zucker gezeigt, von solcher Kräftigkeit, daß 1 Brod von 30 Pfd. Zuckermasse
                              nach der ersten Decke mit eigenem abgehacktem Gut (Gasch), als es aus der
                              Trockenstube kam, nicht selten durchschnittlich 19 bis 20 Pfd. wog, wobei das zweite
                              Product vollkräftig stand, so daß das dritte filtrirte Product ebenfalls den
                              vollsten kräftigsten Zucker zeigte; es bleibt demnach sehr wenig Syrup, bei 10
                              Procent Zuckermasse etwa 1 Proc., das Uebrige ist weißgelber Zucker. Berücksichtigt
                              man, daß meine Apparate noch theilweise mangelhaft geliefert, von ungeübten
                              Arbeitern bedient wurden, die vorhanden gewesenen baulichen Einrichtungen sehr
                              schlecht waren; ferner daß der Rübenbau hier zum erstenmal eingeführt wurde, die
                              Rüben theils vollen Dünger erhielten, theils auf Teich- und Sumpfboden
                              wuchsen, überdieß vor der Aufbewahrung oft wochenlang der Luft ausgesetzt lagen: so
                              glaube ich um so mehr behaupten zu dürfen, daß meine Apparate den meisten und besten
                              Zucker aus der Rübe darstellten, welcher bis jetzt gewonnen wurde.
                           Es ist nun kein Zweifel mehr, daß die Eisenapparate mit
                              Vacuum, wie in anderen Formen, sich für die Zuckerfabrication vorzüglich eignen und
                              sogar den kupfernen vorzuziehen sind, wenn man sie nur zu behandeln weiß; sie
                              liefern einen blendend weißen Zucker, sind leichter zu reinigen und auch (mittelst
                              Dampfs im Doppelboden) leichter zu heizen, als das so oft Schmutz und Kalk
                              ansetzende Kupfer.
                           Meine Achsenformen sind für festere geschlossene Zucker
                              sehr zu empfehlen; bei ihrem bedeutenden Rauminhalt krystallisirt auch die etwas
                              weniger kräftige Zuckermasse in Folge zusammengehaltener Wärme noch kräftig genug;
                              man erspart bei ihnen 1/2 bis 2/3 Zoll an der Zuckerdecke gegen die Deckarbeit bei
                              Raffinadeformen; die Abscheidung des Ventey's und des obern weichern Zuckers ist bei
                              ihnen sehr vortheilhaft.
                           Die Siebformen sind für Syrupzucker, also matter
                              krystallisirende Zucker (zweite, dritte und vierte Producte) allen ähnlichen Formen
                              vorzuziehen; sie arbeiten außerordentlich schnell, indem der Zucker aus diesen
                              Formen gewöhnlich in acht Tagen gedeckt und trocken herausgenommen wird. Sie haben
                              gegen die kleinen Schützenbach'schen Kästen den großen
                              Vortheil, daß sie gleichsam als Kühlpfanne und als Reservoir für den zu
                              krystallisirenden Zucker dienen, und letztere also entbehrlich machen, wodurch an
                              Kosten und Zeit erspart wird. Da sie über 10 Ctr. Zuckermasse fassen, so krystallisirt der
                              Zucker kräftig in geschlossenen Krystallen, von welchen der Syrup schnell ablauft,
                              wodurch das Decken erleichtert und viel wirksamer wird. Man kann annehmen, daß 20
                              Schützenbach'sche Kästen kaum das leisten, was eine
                              meiner Siebformen erzielt. In derselben Zeit, wo nach dem Schützenbach'schen Verfahren in den großen Reservoirs der Syrup gekocht
                              wird und viele Tage, oft wochenlang darin krystallisirt, wird durch meine Siebformen
                              der Zucker zum Verkauf fertig gearbeitet; man erspart dadurch nicht nur bedeutend an
                              Zeit und Raum, sondern vermeidet auch das so gefährliche Bräunen und Gähren des
                              Syrups, sowie die Zersetzung oder Zerstörung des Zuckers, welche bei untermischten
                              Syrupen bekanntlich so gerne eintreten. Dieses Zerstören des Zuckers ist bei den
                              Syrupen nicht leicht bemerkbar, aber um so gefährlicher. Es ist eine große
                              Täuschung, wenn man glaubt durch langsame Krystallisation
                              mehr Zucker zu erzielen; wenn der Zucker so unrein, nämlich voller Schleim und
                              Gährungstheilen ist, daß er nur langsam krystallisirt, so bilden sich Krystalle, die
                              sehr gehaltlos sind, und der größte Theil der Syrupmasse wird um so schlechter, je
                              länger er steht; dahin sollte man es nie kommen lassen, sondern ihn reinigen
                              (filtriren etc.) was stets vortheilhafter ist.
                           Durch die Gefälligkeit des Hrn. Robert in Sellowitz lernte ich das neue Princip – frische
                              Rüben mit kaltem Wasser in verschlossenen Apparaten zu maceriren – genau
                              kennen; seine musterhaft und großartig angelegte Fabrik, worin die höchste
                              Reinlichkeit stattfindet, muß Rüben verarbeiten welche in zu üppigem Boden wuchsen,
                              aber dessenungeachtet ist der macerirte Rohstoff rein und zur Zuckerfabrication
                              vollkommen geeignet. Die besten Rübenzuckerfabriken in Ungarn sollen ebenfalls die
                              kalte Maceration anwenden. Nachdem ich mich seitdem durch eigene Versuche überzeugt
                              habe, daß der Saft aus der Rübe durch Maceration ganz sicher und vollständig zu
                              gewinnen ist, wobei bedeutend an Arbeitskräften erspart wird, habe ich diese
                              Maceration, bei welcher die Rübenrückstände ebenfalls zur Fütterung gut bleiben,
                              meinem Apparat einverleibt, so daß er mit derselben ein geschlossenes Ganzes bildet,
                              worin die zerkleinerten Rüben und der Saft stets vollständig von der Luft
                              abgeschlossen bleiben und in der Manipulation fortwährend laufen.
                           Ein vollständiges Macerationssystem mit 10 verschlossenen
                              und verbundenen Extractionsgefäßen, einschließlich deren Verbindungen, anstatt der
                              Pressen und des einen Dampfkessels, liefere ich für 2000 fl. C. M.; mit demselben kann man
                              nach Belieben frische oder getrocknete Rüben verarbeiten.
                           Eine Rohzuckerfabrik, welche 100,000 Centner frische Rüben in einer Campagne
                              verarbeiten soll, kann sich mit einem Aufwand von 6–9000 fl. C. M. die zur
                              Fabrication nach meinem System erforderlichen Koch- und Filtrirapparate
                              anschaffen. Einen vollständigen Apparat, um 100,000 Cntr. frische Rüben in einem
                              Jahrgang, und im Sommer 20,000 Cntr. getrocknete Rüben bequem verarbeiten zu können,
                              liefere ich für 40,000 fl. C. M. inclus. Dampfkessel,
                              Maschinerien, Pressen, 1 Rohzucker-Kochapparat mit Vacuum, 1
                              Raffinerie-Koch-Vacuum, 1 Syrup-Koch-Vacuum,
                              Röhrenleitungen, Zuckerformen und Einrichtung zur Knochenkohlebelebung.
                           Karl
                                 Hanewald, Director.