| Titel: | Ueber die Anfertigung des Papiergeldes; von A. Seguier. | 
| Fundstelle: | Band 111, Jahrgang 1849, Nr. LVIII., S. 292 | 
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                        LVIII.
                        Ueber die Anfertigung des Papiergeldes; von
                           A.
                              Seguier.
                        Aus den Comptes rendus, Novbr. 1848, Nr.
                              22.
                        Seguier, über die Anfertigung des Papiergeldes.
                        
                     
                        
                           Von dem Gouverneur der Bank eingeladen, dem Verwaltungsrath derselben einige
                              praktische Ideen über die Verfertigung ihres Papiergeldes vorzulegen, fühlte ich die
                              ganze auf mir lastende Verantwortlichkeit für den Fall, daß eine oder die andere
                              meiner Ansichten Eingang fände und wünsche daher daß meine Betrachtungen über
                              Bankzettel (Banknoten) die vorgängige Zustimmung der Akademie der Wissenschaften
                              erhielten. Der Bankzettel oder das Papiergeld muß mehr als einer Anforderung
                              genügen, die erste ist dessen Sicherheit. Mit dieser wollen wir uns auch vorzüglich
                              beschäftigen, weil die andern bloß untergeordneten Ranges sind. Volles Vertrauen
                              könnte das Papiergeld nur verdienen, wenn jedes Nachmachen desselben unmöglich wäre,
                              eine bisher noch nicht erfüllte, wohl aber wie ich überzeugt bin, erfüllbare
                              Bedingung; auch möchte der Nachdruck leicht zu erkennen und nachzuweisen seyn, so
                              daß jeder Besitzer einer falschen Banknote für sich und ohne Beihülfe eines Experten
                              sich die traurige Gewißheit zu verschaffen vermöchte, daß er bloß einen Fetzen
                              Papier hat.
                           Das Papiergeld ist unter zweierlei Gewährschaften (Garantien) gestellt, die
                              gesetzliche und die aus der Art seiner Verfertigung hervorgehende. Die gesetzliche
                              Gewähr, welche in der Verpflichtung besteht, dieses Gelb als Zahlung anzunehmen,
                              habe ich hier nicht weiter zu berühren; doch muß ich mir die Bemerkung erlauben, daß
                              die Sicherheit des gegenwärtig circulirenden Papiergeldes, mit Ausnahme einiger
                              Verwaltungsmaaßregeln, nur in der Schwierigkeit seiner Nachahmung besteht. Diese
                              Schwierigkeiten sind zweierlei Art: theils artistische, theils mechanische; ich will
                              versuchen, mich in Kürze verständlich zu machen.
                           Das artistische Hinderniß besteht in der Schwierigkeit, mit welcher eine ungeübte
                              oder ungeschickte Hand mit Kühnheit, zuweilen selbst mit Genialität hingeworfene
                              Züge (Contouren) nachbildet.
                           Wirklich war, so lange die Nachbildungen rein von Hand geschahen, die Nachahmung des
                              Papiergelds fast immer leicht nachzuweisen; das Publicum macht aber in der
                              Zeichenkunst täglich größere Fortschritte. Sogar die Wissenschaft kommt jetzt dem
                              Verbrechen zu Hülfe; was früher unmöglich erschien, hat aufgehört es zu seyn, seit
                              den bewunderungswürdigen Fortschritten in der Lithographie, der Photographie und den Reproductionsmitteln
                              überhaupt.
                           Die mechanischen Hindernisse, wenn in gewissen Fällen auch schwieriger zu besiegen
                              sind doch keineswegs unübersteiglich. Man braucht nur an das Sprüchwort zu erinnern:
                              „Was ein Mensch gemacht hat, kann auch ein anderer machen;“
                              da nun die Maschinen, auch die noch so künstlich zusammengesetzten, menschliche
                              Schöpfungen sind, so sind offenbar die Kosten ihrer Herstellung das einzige
                              Hinderniß für den Mechaniker, welchen nicht schon die Straffälligkeit von der
                              Ausübung eines verbrecherischen Industriezweiges statt seines ehrenhaften Berufs
                              abhält.
                           Ich meines Theils finde keine andere Sicherheit für die Banknoten, als in der
                              absoluten Unmöglichkeit ihrer Nachbildung. Ist aber dieses Problem lösbar? Ja! und
                              zwar auf mehrfache Weise, was ich behaupten zu können mich freue. Um ein Werk
                              herzustellen, welches dessen Schöpfer selbst nicht wieder hervorbringen kann, muß
                              man nothwendig Umstände mitwirken lassen, die außer seinem Willen liegen und ganz
                              dem Zufall angehören; dieß müssen aber so complicirte, schwierige Umstände seyn, daß
                              deren wahrscheinliche Wiederkehr vor Milliarden Fällen nicht wohl eintreten
                              kann.
                           Dieß wäre ein Leichtes, wenn bei dieser Methode die Vergleichung des ursprünglichen
                              mit dem nachgemachten Werk nicht einfach und schnell ausführbar seyn müßte und kein
                              anderes Können voraussetzen dürfte als das Sehen. Ich muß hier noch einmal
                              zurückgehen und einen kritischen Blik auf die in den artistischen Zeichnungen zu
                              suchenden Hindernisse, hinsichtlich der Schwierigkeit der Vergleichung zwischen dem
                              Werk und der Nachahmung, werfen. Nicht der erste Beste vermag an der Art, wie ein
                              Umriß gezogen ist, zu erkennen, ob er von der Hand des Meisters, oder der des
                              Nachahmers kömmt. Es muß daher das an und für sich unnachahmbare Werk auch noch
                              unter solchen Umständen ausgeführt werden, daß die vom Zufall abhängenden Merkmale
                              leicht wahrzunehmen sind, und nicht erst noch einer moralischen Würdigung bedürfen,
                              indem sie in sich selbst materielle, unbestreitbare Unterscheidungsmerkmale
                              abgeben.
                           Auf diese Weise wurden viele Versuche angestellt; die einen waren künstlerischer, die
                              andern rein mechanischer Natur; am häufigsten aber wurden beide Arten mit einander
                              zu Hülfe genommen. So bestand eines der vorgeschlagenen Verfahren darin, ein Relief
                              auszuführen, dasselbe in einigen, dem Zufall anheimgegeben Theilen zu verändern, es
                              als Type (Form) zu
                              einem mechanischen Stiche zu gebrauchen und die Type nach Herstellung des Werkes zu
                              zerbrechen. Zwei verschiedenartige Metalle zusammenzuschmelzen, daraus eine ganze
                              Platte oder einen Stempel zu machen und die Oberfläche von Säuren angreifen zu
                              lassen, ist ein einfaches Verfahren um eine Zeichnung zu erzeugen, welche identisch
                              wieder hervorzubringen unmöglich wäre. Aber die Nachahmungen solcher Werke, im Falle
                              die Wissenschaft Mittel dazu an die Hand gäbe, wären schwer zu erkennen oder, besser
                              gesagt, die Möglichkeit, die Nachbildung von dem ursprünglichen Werk zu
                              unterscheiden, wäre nicht so groß, daß sich keine Zweifel an der Beurtheilung
                              einstellten könnten, während nur die Gewißheit eines mathematischen Urtheils
                              obwalten soll.
                           Künstlerische Contouren, welche durch zufällige Umstände entstellt wurden, die der
                              Veranlasser derselben selbst nicht noch einmal so herbeiführen kann, genügen also
                              nicht; rein mechanische Zeichnungen, ebenfalls durch den Zufall verändert, müssen,
                              damit der Zweck einer leichten und schnellen Vergleichung erreicht werden kann,
                              durch die Kleinheit der sie bildenden Figuren ihre gesammte Entstellung oder
                              Abänderung unter einem einzigen Augenpunkt darbieten; denn die Erfahrung lehrt, daß
                              die Wahrnehmung durch das Gesicht um so sicherer ist, je mehr sie ohne Verrückung
                              des Sehorgans und ohne Bewegung des Blicks von einem Punkt zu einem andern geschehen
                              kann. Ich glaube, daß eine zahlreiche Vervielfältigung neben einander gestellter
                              geometrischer Figuren von mikroskopischen Dimensionen, durch ihr nahes
                              Beisammenseyn, die schnellste und sicherste Vergleichung gestatten würde.
                           Meines Dafürhaltens könnte man also ein Papiergeld verfertigen, welches unmöglich
                              nachzumachen wäre, indem man, sich der zahlreichen Hülfsmittel der Walzengravirung
                              bedienend, zwei stählerne Formen (Stempel, Typen) herstellt, wovon die eine mit
                              einer regelmäßigen mikroskopischen Zeichnung versehen ist, die aus Figuren von
                              gleichen Winkeln, in symmetrischen Abständen bestünde, deren jede einzelne eine
                              absolute Vollkommenheit besitzen könnte, während andererseits ihre abgemessene
                              Eintheilung eine höchst genaue Wäre. Die andere Form (Type) würde entweder direct
                              oder mittelst einer Type mit einer artistischen Zeichnung versehen, welcher man, wie
                              gesagt, durch den Zufall eine Veränderung beibringen könnte, um zum Ueberfluß zwei
                              Unmöglichkeiten zu schaffen, wo eine als absolut erwiesene Unmöglichkeit schon
                              hinreicht. Würde man nun mittelst dieser zwei Typen eine dritte verfertigen, auf
                              welcher man die beiden Zeichnungen vereinigte, und während der Operation, durch
                              eine, weder in ihrer Dauer noch in ihrer Stärke berechnete zufällige Reibung, der
                              artistischen Type eine Verzögerung in der Auflegung ihrer Oberfläche auf die dritte,
                              schon mit der Zeichnung der ersten bedruckte, ertheilen, so hätte diese Verzögerung
                              eine Entstellung der artistischen Zeichnung zur Folge, die ihren Rapport mit der
                              regelmäßigen Zeichnung (mit symmetrischen Zwischenräumen) veränderte, welche
                              letztere den Untergrund bildet. Es ist derselbe Fall, wie wenn man eine Figur auf
                              Spitzengrund legt und dieselbe einmal etwas weiter vorwärts oder rückwärts bewegt;
                              es werden dann bei jeder Veränderung der Lage die Umrisse der Figur, welche ein
                              Porträt seyn mag, in einem andern Rapport zu den Maschen des Spitzengrundes stehen,
                              als vorher. Die Augen, Ohren, die Nase des Porträts werden z.B. in dem einen Falle
                              den obern Winkel einer Masche, im andern den untern Winkel einmal zur Rechten, das
                              anderemal zur Linken des Vierecks u.s.w. einnehmen, so daß auf diese Weise jedesmal
                              ein anderes Verhältniß zwischen dem den Grund bildenden Netze und der gleichsam
                              hineingewebten Figur stattfindet.
                           Hieraus ergibt sich, daß nun eine Vergleichung sehr leicht anzustellen ist, denn um
                              eine nachgemachte Banknote von einer ächten zu unterscheiden, braucht man nur zu
                              untersuchen, ob irgend ein fester Punkt der Vignette, auf dem einen wie auf dem
                              andern Papier, genau dieselbe Stelle zu den kleinen geometrischen Figuren einnimmt,
                              welche dessen Umgebung bilden.
                           Ich bemerke noch, daß dieser Gedanke nicht von mir herrührtHr. Emil Grimpé,
                                    Maschinen-Ingenieur des Stempelamtes, legte mir schon vor langer Zeit
                                    Typen vor, welche den Bedingungen absoluter Sicherung gegen Nachahmung
                                    entsprechend gravirt sind. und daß das beschriebene Verfahren sich schon früher des Beifalls mehrerer
                              Mitglieder der Akademie zu erfreuen hatte. So möge es denn der Wissenschaft
                              gelingen, dem Fälscher, welcher sie verbrecherisch mißbrauchte, sein Verbrechen für
                              die Zukunft auch wieder unmöglich zu machen!