| Titel: | Ueber die Wirkung des unterschwefligsauren Natrons auf das Antimonchlorür unter dem Einfluß des Wassers (Bereitung des Antimon-Zinnobers); von A. Strohl. | 
| Fundstelle: | Band 113, Jahrgang 1849, Nr. LIII., S. 215 | 
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                        LIII.
                        Ueber die Wirkung des unterschwefligsauren
                           Natrons auf das Antimonchlorür unter dem Einfluß des Wassers (Bereitung des Antimon-Zinnobers); von A. Strohl.
                        Aus dem Journal de Pharmacie, Juli 1849, S.
                              11.
                        Strohl, über den Antimon-Zinnober.
                        
                     
                        
                           Als ich einige Tropfen unterschwefligsaures Natron auf einen Tisch fallen ließ, wo
                              etwas Antimonchlorür verbreitet war, erstaunte ich über die schöne rothe Farbe,
                              welche nach einiger Zeit entstand. Ich bemühte mich nun diese Farbe in hinreichender
                              Menge darzustellen, um sowohl ihre Entstehungsweise als ihre Zusammensetzung zu
                              ermitteln.
                           Auf folgende Weise erhält man dieses merkwürdige Product: man setzt einen schwachen
                              Ueberschuß von unterschwefligsaurem Natron zu Antimonchlorür und Wasser. Die
                              Reaction erfolgt in der Kälte nach längerer Zeit, augenblicklich aber bei einer der
                              Siedhitze nahen Temperatur. Um sie schnell zu beendigen, kocht man die Flüssigkeit
                              kurze Zeit. Man läßt das Product absetzen, welches sich schnell auf dem Boden der
                              Schale sammelt; man gießt die klare Flüssigkeit ab, bringt den Niederschlag auf ein
                              Filter, wascht ihn sorgfältig mit kaltem Wasser aus und trocknet ihn bei gelinder
                              Wärme.
                           Das Product ist ein carmesinrothes Pulver, höchst zart und
                              von sammtartigem Aussehen. Luft und Licht verändern es gar nicht. In der Wärme
                              verhält es sich ganz wie der Kermes; seine Farbe wird immer dunkler und zuletzt
                              bildet es eine schwarze Masse, welche eine Art Antimonsafran ist. Der Sauerstoff der
                              Luft wirkt nicht auf das carmesinrothe Pulver; Salzsäure löst es mit Entbindung von
                              Schwefelwasserstoff auf, wobei ein wenig Schwefel zurückbleibt. Im Allgemeinen
                              verhält es sich wie der Kermes.
                           Das neue Product entsteht auf folgende Art: 2 Aequivalente Antimonchlorür verwandeln
                              sich unter dem Einfluß des Wassers in unauflösliches Oxydchlorür
                              (Antimonchlorür-Antimonoxyd) und auflösliche Salzsäure. Die Salzsäure reagirt
                              auf 3 Aequivalente unterschwefligsaures Natron und verdrängt 3 Aeq. unterschweflige
                              Säure, welche auf das niedergeschlagene Oxydchlorür reagiren; die 3 Aeq. Schwefel
                              verbinden sich mit dem Radical des Oxydchlorürs zu Antimonsulfür
                              (Sb²S³), während die 3 Aeq. Chlor des Chlorürs unter dem Einfluß des
                              Wassers oxydirend wirken und die schweflige Säure in Schwefelsäure verwandeln. Das
                              gebildete Antimonsulfür verbindet sich im Entstehunsgmoment mit dem frei gewordenen
                              Antimonoxyd zu dem neuen Oxydsulfür (Sb²S³ + Sb²O³).
                           Die Reaction findet also zwischen 2 Aequiv. Antimonchlorür und 3 Aequiv.
                              unterschwefligsaurem Natron unter dem Einfluß des Wassers statt; es bildet sich
                              dabei ein unauflösliches Antimonsulfür-Antimonoxyd, während Chlornatrium und
                              Schwefelsäure in der Auflösung zurückbleiben.
                           Man muß im Verhältniß zum Antimonchlorür einen geringen Ueberschuß von
                              unterschwefligsaurem Natron anwenden, weil bei überschüssigem Antimonchlorür das
                              Product durch Oxydchlorür verunreinigt würde; bei überschüssigem Natronsalz wird es
                              nur durch ein wenig Schwefel verunreinigt, in Folge freiwilliger Zersetzung der
                              überschüssigen unterschwefligen Säure.
                           Um ein reines Product zu erhalten, muß man genau 2 Aequiv. wasserfreies
                              Antimonchlorür und 3 Aequiv. reines krystallisirtes unterschwefligsaures Natron
                              anwenden, also nahezu folgende Verhältnisse:
                           
                              
                                 krystallisirtes unterschwefligsaures Natron
                                   60
                                 Theile
                                 
                              
                                 festes Antimonchlorür
                                   50
                                 „
                                 
                              
                                 destillirtes Wasser
                                 500
                                 „
                                 
                              
                           Die Analyse des neuen Products – für welches ich den technischen Namen
                              Antimon-Zinnober vorschlage – ergab eine der Formel
                              Sb²S³ + Sb²O³ entsprechende Zusammensetzung.
                           
                        
                           Zusatz.
                           Hr. Dr. Max Pettenkofer in
                              München theilte dem Unterzeichneten schon vor zwei Jahren die Bereitung des
                              Antimon-Zinnobers mit, sowohl aus Antimonchlorür, als aus Brechweinstein
                              u.s.w. und unterschwefligsaurem Natron, durch Kochen mit etwas Salzsäure bis der
                              anfangs gelbe Niederschlag roth geworden ist. Leider gelingt die Bereitung dieser
                              Farbe, sowohl nach der Methode von Strohl als nach
                              derjenigen von Pettenkofer, nur in verhältnißmäßig sehr
                              kleinen Quantitäten und liefert da nur geringe Ausbeute; dazu kommt noch, daß der
                              Farbenton der einzelnen Portionen sehr verschieden ausfällt, je nach der Zeit, in
                              welcher die zusammengebrachten Agentien bis zu einem gewissen Temperaturgrade
                              gebracht werden, je nach etwas mehr oder weniger Wasser – oder Säure. Auf
                              keinen Fall kann die Reaction in der Art vor sich gehen, wie Strohl angibt, nämlich
                           2 (SbCl³) + 3 (NaO + S²O²) + 6 HO =
                              (SbO³ + SbS³) + 3 (NaO + SO³) + 6 HCl
                           
                           welche Gleichung bloß auf dem Papier richtig ist; nach diesem
                              Schema dürfte sich keine schweflige Säure entwickeln, die jedoch, wenn man auch
                              nicht den geringsten Ueberschuß von unterschwefligsaurem Natron anwendet, sich in
                              sehr reichlicher Menge entbindet. Zugleich enthält dieser Antimon-Zinnober
                              – wie Pettenkofer gefunden hat – bedeutende
                              Quantitäten antimoniges Chlorid (SbCl³), welches leicht abdestillirt werden
                              kann, wornach ein schwarzes Gemenge aus Schwefelantimon und Antimonoxyd
                              (SbO³) in der Retorte bleibt. Er fand diese Farbe nur für Oelmalerei, ferner
                              als Leim- und Wasserfarbe brauchbar – wofür sie eine Acquisition
                              genannt werden darf – aber nicht für Fresco- und Wasserglasmalerei,
                              weil sie alkalischen Einflüssen nur kurze Zeit widersteht.
                           Die Bereitung dieses künstlichen Rothspießglanzes ging von Hrn. Bodo Unger aus, welcher im Sommer 1846 Hrn.
                              Pettenkofer darüber
                              Mittheilung machte. Unger hat die Reaction bei seinen
                              Untersuchungen über den Proceß der Sodabildung, wo er viel mit unterschwefligsaurem
                              Natron zu thun hatte, zufällig entdeckt; er hielt das rothe Pulver für (SbCl³
                              + SbS³).
                           
                              E. D.