| Titel: | Die Fuchs'sche Wandmalerei (Stereochromie). | 
| Autor: | Max Pettenkofer | 
| Fundstelle: | Band 113, Jahrgang 1849, Nr. LIV., S. 217 | 
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                        LIV.
                        Die Fuchs'sche
                           Wandmalerei (Stereochromie).
                        Ueber Fuchs' Wandmalerei.
                        
                     
                        
                           Im Atelier v. Kaulbach's sah
                              ich jüngst das Brustbild eines Greisen, in eigenthümlicher Methode gemalt. Die
                              Wirkung der Farbe entschieden und natürlich, die eigenthümlichen Mitteltinten der
                              Haut in so sprechender Wahrheit wiedergegeben, wie sie in Oelgemälden nur mit
                              größter Mühe erreicht wird. Es ist das Bildniß des berühmten Chemikers und
                              Mineralogen Oberbergrath v. Fuchs in einer von ihm
                              erfundenen Methode gemalt. Der Anblick dieses ebenso hochverdienten als bescheidenen
                              Mannes hat in mir, dem nachsinnenden Betrachter, die lebendigste Vorstellung über
                              den Anfang und die Ausbildung der für die ganze malende Kunst Epoche machenden
                              Erfindung hervorgerufen, und ich glaube dem großen Publicum gegenüber eine Pflicht
                              zu erfüllen, wenn ich dasjenige was ich darüber weiß und empfinde, ihm nicht
                              vorenthalte: um so mehr,
                              da ich erfahren habe, daß sehr verschiedene Gerüchte über die Größe des Antheils,
                              den Fuchs an der Sache genommen, im Umlaufe sind.
                           Die neue Methode zu malen hängt wesentlich mit der erfolgreichen Entdeckung des
                              Wasserglases zusammen, welche Fuchs bereits vor 25 Jahren
                              gemacht hat. Das Wasserglas ist nämlich das Bindemittel für die Farben. Schon vor 25
                              Jahren sprach der Entdecker mit Bestimmtheit die Ueberzeugung aus, daß sich der neue
                              Stoff außer vielen andern nützlichen Verwendungen auch vorzüglich zur Bindung von
                              Farben eignen werde (polytechn. Journal Bd. XVII.
                                 S. 478). Fuchs faßte gleich anfangs den
                              Entschluß damit die Herstellung dauerhafterer Wandgemälde möglich zu machen, als in
                              unserem Klima die Frescogemälde zu seyn pflegen.
                           Als in München unter König Ludwig die Kunst so kräftig zu blühen begonnen hatte, als
                              Fuchs von den Künstlern so viel Klagen über die
                              Schwierigkeit und Unzulänglichkeit der Frescomalerei vernehmen mußte, trieb es ihn
                              seine schon längst gehegte Idee zum Besten der Kunst zu realisiren. Da Fuchs nichts weniger als zu malen im Stande war, so
                              bedurfte er eines Malers ebenso nothwendig, als Columbus eines Fahrzeuges mit
                              Mannschaft, um der alten Welt die neue vor Augen zu führen. Anfangs war die
                              Theilnahme so gering wie gewöhnlich an jeder bedeutenden Neuerung: der eine
                              entschuldigte sich er habe keine Zeit zu Versuchen; der andere behauptete kurz und
                              vornehm: „Es geht nicht.“ Endlich fand Fuchs einen willigen Helfer, der eine große Lust zu Versuchen an den Tag
                              legte.
                           Die erste Idee von Fuchs welche er zur Realisirung der nun
                              fertigen und vollendeten Malmethode entwarf, zeichnete sich durch große Einfachheit
                              aus, und war vorzüglich nur auf Wandmalerei gerichtet. Jede gesunde, mit gutem
                              Mörtel überzogene Wand hielt er für tauglich um Farben mittelst Wasserglases darauf
                              zu befestigen. Seine früheren meisterhaften Forschungen über Kalk und Mörtel, durch
                              welche er theilweise seinen großen Ruf in der angewandten Chemie begründet hatte,
                              seine genaue Bekanntschaft mit dem von ihm entdeckten Wasserglase und dessen
                              Eigenschaften, befähigten ihn natürlich wie keinen Zweiten in der Welt zur Lösung
                              der Aufgabe. Die Farbenscala erforderte gleichfalls noch sehr viele Hülfe von Seiten
                              der Chemie, und was Fuchs hierin Bedeutendes geleistet,
                              wird später berührt werden. Die Wahl des Malers, den Fuchs in seine Ideen einweihte, war insofern keine glückliche zu nennen,
                              als dieser, wie alle minder begabten Geister, keinen Sinn für das wahrhaft Einfache,
                              für jene Oekonomie der Mittel hatte, wodurch sich das Genie so sehr auszeichnet, und
                              wodurch es allein seine Siege erringt. Im besten Willen glaubte der künstlerische
                              Genosse von Fuchs jede Schwierigkeit die sich anfangs
                              zeigte, mit einem speciellen Zusatze zum Ganzen bekämpfen zu müssen. Dadurch wurde
                              Verwirrung anstatt der einfachen Entwicklung der Idee hervorgebracht. Die
                              gewöhnliche Mauer wurde für untauglich als Grund des Gemäldes erklärt, neue Gründe
                              mußten erfunden werden, deren Erfindung Fuchs gänzlich
                              seinem künstlerischen Mitarbeiter überließ, welcher nach seiner Meinung am besten
                              wissen sollte was ihm hinderlich und was ihm förderlich wäre. Es wurden neue Gründe
                              sehr complicirter und oft sehr wunderlicher Art bereitet, bei denen vorzüglich auf
                              ein gewisses Korn und glatte Oberfläche gesehen wurde. Auf diesen glatten Flächen
                              wollten die Farben nach dem Austrocknen hie und da nicht haften – man
                              verlangte einen mehr bindenden Zuschlag zu den Farben. Dieser Zuschlag schwächte
                              natürlich sehr die Wirkung der reinen Farben, und machte alle Bilder staubig und
                              trocken. Zugleich saugten diese complicirten Gründe an manchen Stellen das
                              Bindemittel, das Wasserglas, ungleich ein, wodurch fast kein einziges Bild
                              fleckenlos erhalten werden konnte. Um das nöthige Wasserglas in die Wand zu bringen,
                              erschien als die beste Form die eines feinen Regens, zu welchem Behuf ein hiesiger
                              Uhrmacher nach Angabe des Hrn. Prof. Schlotthauer eine Spritze construirte, welche diesem Zwecke
                              vollkommen entsprach, und noch gegenwärtig entspricht.
                           Als nun nach mehrjährigen, viel Mühe und Geld raubenden Versuchen einige ostensible
                              Bilder zu Stande gebracht waren, an denen das merkwürdigste ihre Festigkeit und
                              Dauerhaftigkeit, ihr wirklich staunenswerther Widerstand gegen Luft, Nässe und Frost
                              war, nahm Fuchs aus Andringen seines künstlerischen
                              Genossen ein Privilegium mit diesem für die neue Malerei, welche wegen ihrer
                              Dauerhaftigkeit Stereochromie getauft wurde. Diese
                              Eigenschaft verdankten die Bilder bloß den bekannten Eigenschaften des Wasserglases.
                              In Folge des Privilegiums wurde von König Ludwig der Befehl ertheilt an einem
                              königlichen Baue bei Aschaffenburg größere ornamentale Verzierungen in der neuen
                              Malart auszuführen, womit als Künstler der Mitinhaber des Privilegiums beauftragt
                              wurde. Dieser Versuch mißlang gänzlich, und dadurch, sowie auch noch durch andere
                              nicht zum Vortheile ausgefallene Bilder verloren König und Publicum das Vertrauen
                              zur Sache gänzlich. Ein wohl unterrichteter und erfahrner Architekt äußerte gegen
                              eine technologische
                              Celebrität des Auslandes: die Stereochromie scheine ihm eine Schwindelei zu
                              seyn.
                           Dieser Mißerfolg schmerzte Fuchs im Innersten seines
                              Wesens. Er erkannte zu gut daß der Fehler nicht in seiner Idee, sondern nur in der
                              Manipulation des Malers, in der Entstellung seiner Idee gelegen seyn konnte, und er
                              entschloß sich von vorne und allein wieder zu beginnen.
                              Es rührte mich tiefer als ich es hier beschreiben mag, als ich zu jener Zeit den
                              greisen Gelehrten in seinem Laboratorium traf, wie er mit zitternder Hand den Pinsel
                              führte um auf gewöhnliche Mauergründe farbige Striche zu machen. Er gestand mir in
                              gedämpftem Tone, in welchem alle Wehmuth des getäuschten, müde gemachten Genius
                              zitterte: er sey mit dem gegenwärtigen Zustande der Stereochromie höchst
                              unzufrieden, ja er wünsche er hätte nie den unglückseligen Gedanken gefaßt. Da
                              hielten es ein Paar seiner Schüler und Freunde für ihre Pflicht, mit aller
                              Ueberredung in ihn zu dringen, seinen bisherigen künstlerischen Mitarbeiter
                              aufzugeben, und es mit einem anderen Maler zu versuchen. Ihn hiezu zu bewegen war
                              keine kleine Aufgabe; denn Fuchs hat eine Treue des
                              Gemüthes, daß sie in unsern herzlosen Tagen für Schwäche gehalten werden könnte.
                              Endlich fügte er sich. Er wünschte mit dem damaligen Hofmaler v. Kaulbach, dem gegenwärtigen Director der bayerischen
                              Akademie der Künste, in nähere Verbindung zu treten, welcher die Sache mit der ihm
                              eigenen Lebendigkeit und Schärfe aufnahm.
                           Jetzt standen sich zwei Geister helfend gegenüber die einander begriffen, und mit
                              Leichtigkeit ging es dem jahrelang ersehnten Ziele entgegen. Sie tauschten wenige,
                              aber wichtige Beobachtungen gegen einander aus, sie verließen in Folge davon nach
                              und nach die künstlichen glatten Gründe der früheren Stereochromie mehr und mehr,
                              und warfen den Zuschlag zu den Farben gänzlich bei Seite. Auf eine sehr einfache
                              Weise hat Fuchs nun auch dem großen Uebelstande der frühern Stereochromie,
                              dem Fleckig- und Mattwerden der Bilder beim Fixiren vorgebeugt, so daß die
                              Farben immer in ihrer größten Klarheit und Lebhaftigkeit erscheinen. Schon ein
                              halbes Jahr später begann Kaulbach sein riesiges
                              Wandgemälde: „Babel“ im neuen Museum zu Berlin nach dieser
                              Methode zu malen, welchem noch fünf andere, ebenso große Darstellungen folgen
                              werden. Den obern Theil des Bildes, die Luft u.s.w. malte er noch auf einen etwas
                              glatten Grund, ähnlich den Gründen der früheren Stereochromie. Er beobachtete jedoch
                              bald, als er so im Großen arbeitete, daß er sich dadurch nicht nur unnöthige Schwierigkeiten, sondern
                              auch wirkliche Nachtheile verursache, und der untere Theil des Bildes (2/3 vom
                              Ganzen) wurde deßhalb auf einen Grund gemalt, der das Korn der gewöhnlichen Mauer
                              hatte, und so rauh wie Feile anzufühlen war. Die Gründe zu den nachfolgenden Bildern
                              sind ganz und gar wie gewöhnlicher Wandverputz bereitet worden. Die Methode steht
                              nun, die Gründe anlangend, vollendet in jener Einfachheit da, welche ihr Fuchs gleich anfangs zu geben strebte.
                           Das Bild Babel wurde vergangenen Herbst vollendet. Jeder Beschauer ist überrascht von
                              dieser bisher nie gesehenen Wirkung eines Wandgemäldes. Ich selbst bin vor nicht
                              langer Zeit oft stundenlang davorgestanden, und habe mich geweidet weniger (ich
                              gestehe es offen) an dem hohen Kunstwerthe des Bildes, als an der Helle und Klarheit
                              seiner Farben und seiner technischen Makellosigkeit; denn mir standen noch in allzu
                              lebhaftem Andenken die vom Zuschlage trüben und trockenen Bilder der früheren
                              Stereochromie, in denen man kaum eine Fläche von einigen Quadratzollen ohne Flecken
                              erblickte; mir klangen noch die Klagen von Fuchs in den
                              Ohren über die frühere, nicht durch ihn verschuldete Erfolglosigkeit, und hier sah
                              ich vor mir die Incarnation der Idee, welche Fuchs 25
                              Jahre lang in sich getragen hatte: ich hatte ein Gefühl wie beim Erwachen aus einem
                              schweren, bangen Traume, den die glücklichste Wirklichkeit in allen seinen Theilen
                              Lügen straft. Ich leistete vor diesem Bilde dem Genius von Fuchs Abbitte, der ich oft gedacht, und es auch geäußert hatte, diese
                              Malmethode sey nicht werth, daß er so viel Geist und Zeit an sie verschwende.
                              Beschämt erkannte ich, um wie viel sein Geist größer war als mein kurzsichtiges Auge
                              reichte. Er hatte bereits vor 25 Jahren in seines Geistes Auge diese Vollendung als
                              strahlende Glorie erblickt, und diese Vision hatte ihn so viele Jahre hindurch nicht
                              muthlos werden lassen; sie war es die ihn stärkte, wie der Zuspruch eines
                              Schutzengels.
                           Kaulbachs großes Verdienst bei der Sache ist eine
                              unmittelbare Folge seiner Individualität. Er hat die Aufgabe in ihrer Größe und
                              Einfachheit in seinem Innersten empfunden, hat sich nur von der ursprünglichen Idee
                              von Fuchs leiten lassen, und war eben dadurch fähig das
                              Wesentliche vom Unwesentlichen, das Principielle vom Accidentellen mit Schärfe zu
                              unterscheiden, klare entschiedene Postulate zu stellen, und die ihm gebotenen Mittel
                              mit Erfolg zu benützen: er urtheilte nur als Maler, aber nie als Erfinder; er
                              vertauschte den Rang des Künstlers nicht mit der traurigen Rolle eines
                              Afterchemikers.
                           Man glaube ja nicht daß ich das Geheimniß der Fuchs'schen
                              Methode verrathen habe, weil ich von der Anwendung des Wasserglases u.s.w. gesprochen. Ebensowenig
                              als ich das Geheimniß einer Maschine verrathen würde, wenn ich angäbe, daß sie durch
                              Dampf getrieben wird. Kühne Ideen zu haben ist noch kein Verdienst vor der Welt
                              – denn dann wären die Schwindler die verdienstvollsten Männer – aber
                              sie zu realisiren, das gewinnt Achtung der Mit- oder doch der Nachwelt. Die
                              Realisirung hängt aber in der Regel von einer solchen Menge von Vorbedingungen ab,
                              daß oft Jahrhunderte daran zu arbeiten haben um sie alle zu erfüllen. Die
                              Expansivkraft des Wasserdampfes ist ein jedermann bekanntes Beispiel. Das Heer der
                              sogenannten Kleinigkeiten in der Praxis ist es, gegen welches die großen Ideen am
                              meisten zu kämpfen haben, gegen welches sie oft so lange Zeit nicht aufkommen
                              können. Diese zu überwinden hat Fuchs soviel Zeit und
                              Scharfsinn, ich möchte sagen die Kraft und die List seiner Wissenschaft aufbieten
                              müssen.
                           Einer der schwierigsten Theile des Ganzen war die Farbenscala. Als eine große
                              Beschränkung muß betrachtet werden, daß sich für die Wasserglasmalerei kein einziger
                              Farbstoff aus dem Pflanzen- oder Thierreiche eignet – nicht einmal der
                              sonst so dauerhafte Krapp; es können nur anorganische farbige Stoffe angewendet
                              werden. Auch unter diesen sind wieder sehr viele, welche zwar für andere Malmethoden
                              ausgezeichnete Dienste leisten, aber für die Fuchs'sche
                              Methode geradezu unanwendbar sind, weil sie sich nicht mit dem Bindemittel, dem
                              Wasserglase, vertragen. Fast alle im Handel vorkommenden Farben aus dem
                              anorganischen Naturreiche müssen erst durch eigenthümliche Proceduren der neuen
                              Malmethode angepaßt werden. Die große und wichtige Reihe der Ockerfarben vom
                              hellsten Gelbocker bis zum violetten Eisenoxyd herab ist nicht direct anwendbar,
                              sondern unterliegt zuvor den verschiedenartigsten Behandlungen, wodurch die
                              ursprünglichen Farbentöne jederzeit verändert werden. Jeder nur einigermaaßen mit
                              dem Gegenstande Vertraute kann bemessen, wie viel chemische Gewandtheit unter diesen
                              Umständen die Herstellung einer vollständigen, brillanten Farbenscala erforderte,
                              besonders wenn man noch erwägt, daß der Kostenpunkt in der Praxis ein sehr wichtiger
                              ist, und zu theure Farben die Methode für Wandmalerei geradezu unpraktisch machen
                              würden. Mehrere Farben mußte Fuchs erst entdecken, wenn
                              die Malerei möglich werden sollte. Die wichtigsten der neuen Farben sind: ein Weiß
                              von den besten Eigenschaften; ein Schwarz von der kräftigsten, angenehmsten Tiefe;
                              ein Grün, eine eigenthümliche Chromoxydverbindung, welche alle bisherigen Chromgrün
                              weit übertrifft; ein (eisenfreies) Violettroth, welches bei vollkommener
                              Unveränderlichkeit dem Krapplack an Schönheit wenig nachgibt u.s.w. Besonders das Weiß, diese dem
                              Künstler wichtigste Farbe, von der er den meisten Gebrauch machen muß, wird von den
                              Malern als die Perle der neuen Fuchs'schen Farben
                              gepriesen. Es hat nicht nur die Eigenschaft vortrefflich zu decken, sondern ist auch
                              absolut unveränderlich gegen die Einwirkung von Licht, Luft, Schwefelwasserstoff,
                              und andere sonst schädliche atmosphärische Einflüsse, sowie gegen die Bindemittel:
                              Wasserglas, Kalk und Oel. Das Bleiweiß in der Oelmalerei angewendet, verseift
                              bekanntlich allmählich einen Theil des Oels, wodurch das Gelbwerden der Farbe
                              bedingt wird. Streicht man das schönste Bleiweiß und das Fuchs'sche Weiß als Oelfarben, beide im frischen Zustande, nebeneinander,
                              so übertrifft allerdings anfangs die Bleifarbe die andere etwas an Weiße, jedoch
                              bereits nach einem halben Jahr hat das Fuchs'sche Weiß
                              den Vorrang, weil dieses vollkommen unverändert geblieben, während das Bleiweiß bis
                              zu einem gewissen Grade sich verändert hat. Das eigenthümliche Leuchten der neuen
                              Wasserglasbilder ist großentheils Folge der Wirkung dieses Weiß. Einige Künstler
                              haben die Farbe bereits auch in Fresco- und Oelgemälden benützt, und alle
                              bedauerten sehr, daß sie dieselbe nicht früher hatten benützen können. Unschätzbar
                              ist die Farbe zum Retouchiren alter Oelbilder, da es hiebei wesentlich darauf
                              ankömmt, daß sich der gemischte Farbenton nicht mehr verändere.
                           Welche entschiedenen Vorzüge die neue Methode der Wandmalerei vor der al fresco habe, wurde schon früher erwähnt (polytechn.
                              Journal Bd. CI S. 162). Außer der ungleich
                              kräftigern Farbenwirkung scheinen mir besonders zwei Vorzüge hervorgehoben werden zu
                              müssen. Erstlich ist man beim Malen an keine Zeit gebunden. Der Künstler kann nach
                              Laune und Muße arbeiten, nicht wie bei der Frescomalerei, wo er nur solange malen
                              kann als der Grund noch feucht von frisch gelöschtem Kalke ist, weßhalb größere
                              Frescobilder geduldspielartig Stück für Stück gefertigt werden müssen, und der
                              Künstler nie früher die Gesammtwirkung seines Werkes beurtheilen kann als in jenem
                              Augenblick, in dem es nicht mehr in seiner Gewalt steht etwas zu verbessern. Die Fuchs'sche deutsche
                              Wandmalerei hingegen behindert die größte Vollendung im Einzelnen und im Ganzen
                              ebensowenig, ja vielleicht noch weniger als die Oelmalerei, und hat vor dieser
                              jedenfalls den Vorzug der gänzlichen Unveränderlichkeit der Farben. Der Künstler
                              kann jenen Augenblick, in welchem ihm der ihn beherrschende Genius seine
                              Befriedigung zu erkennen gegeben, jenen für ihn wichtigsten Augenblick der Nachwelt
                              übergeben.
                           
                           Der zweite wesentliche Vorzug, und besonders wichtig für das nordische Klima, ist die
                              Dauerhaftigkeit dieser Fuchs'schen Bilder, ihre völlige
                              Unempfindlichkeit gegen alle atmosphärischen Einflüsse, als da sind: Licht, Luft,
                              Nässe, Frost, Ammoniakdünste, Schwefelwasserstoff, verdünnte Säuren u.s.w. Diese
                              Dauerhaftigkeit ist Folge theils der Farben, theils des Bindemittels. Es sind
                              bezüglich der Haltbarkeit mit diesen Bildern Versuche angestellt worden, welche
                              geradezu auf deren Vernichtung auszugeben schienen. Man ließ sie Winters wochenlang
                              unter freiem Himmel im Schnee liegen, man wusch sodann Schnee und Eis mit siedendem
                              Wasser ab, und setzte das Begießen mit heißem Wasser so lange fort bis der Grund
                              heiß geworden war, ließ sodann wieder das Wasser daraus gefrieren, thaute die
                              Eiskruste rasch an einem heißen Ofen auf; man wusch sie mit Aetzkalilauge, mit
                              verdünnter Salpetersäure und mit Schwefelwasserstoffwasser ab: man tränkte sie mit
                              Weingeist und ließ diesen darüber abbrennen u.s.w. – und nachdem alle diese
                              Torturen vorüber waren, bemerkte man an den Bildern nicht die mindeste Veränderung,
                              sie waren ebenso fest und farbenfrisch als sie unmittelbar nach ihrer Vollendung
                              gewesen. Die neue Malmethode würde übrigens nichts von ihrem praktischen Werthe
                              verloren haben, wenn auch durch den einen oder andern derartigen Versuch ein Bild
                              gemartert worden wäre; denn wir können ja von einer Malerei nicht verlangen, daß sie
                              Feuersbrünsten, siedendheißen Wassergüssen, dem Scheidewasser, oder einem
                              vandalischen Publicum widerstehe: ein Bild ist ja nur bestimmt in den allmählichen
                              und gelinden Einflüssen der Atmosphäre auszubauen:. Es besagen diese
                              Tortur-Experimente nur, daß die Fuchs'sche Methode
                              eine mehr als erforderliche Dauerhaftigkeit gewährt.
                           Vermittelst eines geeigneten Grundes lassen sich derartige Gemälde auf Leinwand,
                              Holz, Metall u.s.w. anbringen. Ihre Hauptanwendung dürfte jedoch die neue Methode
                              auch in Zukunft bei Wandgemälden finden; sie ist nicht bestimmt die Oelmalerei,
                              sondern nur die italienische Frescomalerei zu verdrängen. Wie sehr das Frescomalen
                              Brust und Augen angreift, davon ließen sich viele traurige Beispiele erzählen. Die
                              Vorzüge der neuen Methode vor der al fresco in Beziehung
                              auf die Gesundheit zu beleuchten, überlasse ich dem Arzt.
                           Fuchs hat aus den Tiefen der Wissenschaft eine Praxis zu
                              Tage gefördert, zu welcher sich die Empirie nie und nimmermehr zu erheben vermocht
                              hätte. Der Wahlspruch, den er schon lange auf seinem Schilde trägt, hat sich auch
                              hier wieder glänzend bewährt: „Die Wissenschaft ist der Leitstern der
                                 Praktik.“ Nicht etwas Halbvollendetes, noch weiterer Cultur
                              Bedürftiges – nein! – zum Gebrauche Fertiges, Vollkommenes hat er
                              geleistet. Kaulbachs großes Wandbild in Berlin ist der
                              vollgültigste Beleg hiefür. Die Kunst, das Vaterland, die ganze civilisirte Welt ist
                              dem Erfinder zu großem Danke verpflichtet. Was hätte König Ludwig für eine solche
                              Methode gegeben, als er seine großartigen artistischen Unternehmungen ausführen
                              ließ! Ich hege das vollste Vertrauen auch zu König Max II, der die Wissenschaft
                              ebenso verehrt als er die Kunst liebt: auch in München, dem Orte ihrer Geburt, wird
                              die Fuchs'sche Methode gewürdigt und angewendet werden.
                              Es ist ja ein uraltes Erbe des glorreichen Stammes der Wittelsbacher, Künste und
                              Wissenschaften zu lieben, zu schützen, zu pflegen, ja selbst zu üben. Auch die
                              andern deutschen Regierungen, welche sich für Kunst interessiren, werden nicht
                              säumen die neue Methode für ihre Künstler zu acquiriren. Die deutsche Nation wird
                              die neue Methode, die deutsche Wandmalerei, gewiß nicht weniger hochschätzen als die
                              französische Nation die Erfindung Daguerre's belohnte. Möchte der Lebensabend des
                              75jährigen Greisen, dessen Namen die Nachwelt in noch vielen andern Dingen mit
                              Ehrfurcht nennen wird, noch erheitert werden, damit er nicht das harte Gefühl über
                              den Undank der Mitwelt hinübernehme.
                           Dr. Max Pettenkofer.