| Titel: | Ueber eine eigenthümliche Baumwollfaser, welche nicht gefärbt werden kann, nebst Bemerkungen über die Theorie der Färbekunst; von Walter Crum in Glasgow. | 
| Fundstelle: | Band 115, Jahrgang 1850, Nr. XXX., S. 145 | 
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                        XXX.
                        Ueber eine eigenthümliche Baumwollfaser, welche
                           nicht gefärbt werden kann, nebst Bemerkungen über die Theorie der Färbekunst; von
                           Walter Crum in
                           Glasgow.
                        Aus dem Philosophical Magazine, Nov. 1849, S.
                              334.
                        Crum, über eine eigenthümliche Baumwollfaser, welche nicht gefärbt
                           werden kann.
                        
                     
                        
                           Im Mai 1849 erhielt Hr. Thomson in Primrose (Lancashire)
                              von Hrn. Daniel Köchlin in Mülhausen einige Muster
                              gedruckter Kattune mit Purpurgrund, wovon jedes Baumwolle enthielt, welche weiß war,
                              obwohl sie derselben Behandlung unterzogen worden war, durch welche der übrige Zeug
                              und sogar die Fäden, welche den weißen kreuzten, gleichförmig gefärbt wurden. Die
                              weißen Fäden waren in der Regel dicker als die übrigen, und etwas über einen
                              Viertelszoll lang. Der ganze Zeug war vor dem Drucken sorgfältig gebleicht worden,
                              so daß er kein Fett oder sonstige Unreinigkeit enthielt, welche dem Farbstoff
                              widerstehen konnte.
                           Derartige weiße Flecken sind den Kattundruckern zu ihrem Schaden wohl bekannt und
                              zeigen sich nicht selten. Hr. Köchlin sagt, daß man die
                              Baumwolle, welche sie bildet, in Frankreich todte
                                 Baumwolle, coton mort, nennt; in England wird
                              sie entsprechend dead cotton genannt. Hr. Köchlin hat meines Wissens zuerst die Vermuthung
                              ausgesprochen, daß es eine unreife Baumwolle seyn dürfte, deren Faser massiv (voll)
                              ist, also nicht hohl wie die entwickeltere Faser. Sollte dieß wirklich der Fall
                              seyn, sagt er, so kann das Verhalten solcher Baumwolle zu den Farbstoffen in
                              mechanischer und chemischer Hinsicht wesentlichen Einfluß auf die Verbindung der
                              Faser mit der Farbe haben. Hr. Thomson ließ mir die
                              erwähnten Proben zur Untersuchung zustellen.
                           Die gewöhnliche Baumwollfaser ist nach der mikroskopischen Untersuchung des Hrn. Thomson
                              Man vergleiche polytechn. Journal Bd. LVI
                                       S. 154 und Bd. LVIII S.
                                       157; ferner die neuesten Beobachtungen von Dr. Oschatz Bd. CX S. 342. ursprünglich eine cylindrische Röhre, welche aber beim Trocknen einsinkt. Sie hat dann das
                              Aussehen zweier kleinen aneinander liegenden Röhren, so daß der Querschnitt der
                              Faser der Figur einer 8 gleicht. Bis zur vollen Reife ist der Cylinder durch Wasser
                              ausgedehnt, in welchem oft Luftblasen erkannt werden können.
                           Als ich einige Fasern der sogenannten todten Baumwolle
                              unter das Mikroskop brachte, fand ich dieselben aus sehr dünnen und auffallend
                              durchsichtigen Blättchen bestehend, wovon einige Zeichnungen oder Flecken haben,
                              andere hingegen so rein sind, daß man sie kaum erkennen kann, außer an den Kanten.
                              Diese Fasern lassen sich von jenen der gewöhnlichen Baumwolle leicht dadurch
                              unterscheiden, daß sie ganz flach sind, ohne Spur einer Höhlung, nicht einmal an den
                              Seiten, ferner durch ihre große und gleichmäßige Durchsichtigkeit. Sie sind auch oft
                              breiter als die gewöhnliche Faser und haben viele Falten in der Länge und Quere; sie
                              sind aber niemals korkzieherförmig gewunden, wie die gewöhnliche Baumwolle.
                           Ich suchte nun derartige Baumwolle unter der rohen Wolle, wie sie eingeführt wird, zu
                              entdecken. Dazu sammelte ich solche Theile, welche ein anderes Aussehen hatten als
                              die übrigen und fand bei ihrer Untersuchung wirklich eine Sorte, deren Fasern unter
                              dem Mikroskop der todten Baumwolle in Köchlin's Mustern
                              genau glichen. Sie hat die Gestalt fein verflochtener Flocken von starkem
                              Seidenglanz, und enthält in ihrer Mitte gewöhnlich das Bruchstück eines Samens, oder
                              vielleicht einen nicht zur Reife gelangten Samen. Sie besteht aus kurzen Fasern von
                              geringer Zähigkeit. Man findet sie in großer Menge unter dem Staub, nämlich den
                              harten Theilchen, welche beim Vorbereiten der Baumwolle zum Spinnen aus der
                              Schlagmaschine in den Ventilator abziehen; kleine Flocken derselben fallen bisweilen
                              auch durch das bogenförmige Gitter der Schlagmaschine; da nun ihre Fasern zu kurz
                              sind, um in der Kratzmaschine gerade ausgestreckt oder bei den folgenden Operationen
                              der Baumwollspinnerei zu Garn gestreckt zu werden, so bleiben sie als kleine
                              Klümpchen oder Knötchen auf den Fäden der bessern Baumwolle zurück.
                           Obwohl das mikroskopische Ansehen der fraglichen Faser dasjenige flacher einzelner
                              Blättchen ist, so läßt der zellige Charakter des Gewebes eine solche Bildung doch
                              kaum annehmen. Sie war höchst wahrscheinlich, gerade so wie die gesunde unreife
                              Baumwollfaser, ursprünglich eine verlängerte Zelle oder mit Flüssigkeit erfüllte
                              Röhre; der Same, um welchen herum sie zu wachsen begann, starb bald nach ihrer
                              Bildung ab, während die ihn umkleidenden Fasern noch weich und biegsam waren; das
                              Flachwerden und Zusammenwachsen der Seiten der Röhre war dann Folge des entstandenen Drucks
                              bei dem zunehmenden Wachsthum der Wolle an den zahlreichen übrigen Samen, die in
                              derselben Kapsel eingeschlossen waren.
                           Hinsichtlich der Beziehung dieser eigenthümlichen Structur zur Frage, ob die
                              Baumwolle und die Farbstoffe eine chemische Verbindung mit einander bilden oder bloß
                              durch eine mechanische Kraft zusammengehalten werden, muß ich eine Stelle aus einer
                              Abhandlung über diesen Gegenstand anführen, welche ich vor sechs Jahren in der Chemical Society vorlas.Polytechn. Journal Bd. XCII S.
                                       130.
                              
                           
                              „Beim Färben und Drucken der Kattune wird die mineralische Basis der Farbe
                                 sehr häufig als essigsaures Salz angewandt, also in einer flüchtigen Säure
                                 aufgelöst. Diese Auflösung läßt man auf dem Zeug eintrocknen und in kurzer Zeit
                                 ist das Salz zersetzt, gerade so wie unter ähnlichen Umständen ohne
                                 Dazwischenkunft von Baumwolle. Während der Zersetzung dieses Salzes entweicht
                                 seine Säure und das Metalloxyd haftet auf der Faser so fest, daß es der Wirkung
                                 des Wassers sehr gut widersteht. Dieß ist bei der essigsauren Thonerde und eben
                                 so bei essigsaurem Eisen der Fall. Die Wirkung kann hier auf Seite der Baumwolle
                                 nur eine mechanische seyn und die Adhärenz ist, wie ich zu zeigen suchen werde,
                                 auf das Innere der Röhren beschränkt, woraus die Baumwolle besteht (oder auf die
                                 unsichtbaren Gänge, die zu ihnen führen). Das Metalloxyd durchdringt diese
                                 Röhren im aufgelösten Zustande, und nur dadurch, daß sein Salz in denselben
                                 zersetzt, das Oxyd niedergeschlagen und in ein unauflösliches Pulver verwandelt
                                 wird, kann es nicht mehr aus dem feinen Filter herausdringen, in welchem es
                                 eingeschlossen ist.“
                              
                           
                              „Wenn der Baumwollzeug, welcher nach dieser Ansicht aus Säcken besteht,
                                 die inwendig mit einem Metalloxyd überzogen sind, hernach mit Krapp oder
                                 Blauholz gefärbt und dadurch roth oder schwarz wird, so ist die Wirkung bloß
                                 eine chemische Anziehung zwischen dem Metalloxyd im Zeug und dem Pigment in der
                                 Färbeflotte, welche miteinander die entstehende rothe oder schwarze Verbindung
                                 hervorbringen; es findet demnach kein eigenthümlicher chemischer Proceß statt,
                                 weil der mineralische Bestandtheil sich schon vorher mit der Baumwolle
                                 verband.“
                              
                           Um die Purpurfarbe von Köchlin's Muster hervorzubringen,
                              muß der Zeug zuerst mit Eisen imprägnirt werden. Zu diesem Behufe tränkt man ihn mit einer schwachen
                              Auflösung von essigsaurem Eisenoxydul und trocknet ihn dann; er wird einige Tage der
                              Luft ausgesetzt und dadurch das Salz zersetzt; die Essigsäure verdunstet und das
                              nunmehrige Eisenoxyd bleibt in der Faser. Der Zeug wird hierauf in heißem und kaltem
                              Wasser gut ausgewaschen, wodurch aber das Eisen aus demselben nicht entfernt wird,
                              und es frägt sich nun, auf welche Weise es mit der Baumwolle verbunden bleibt? Ich
                              behaupte mechanisch und zwar wahrscheinlich im Innern der hohlen Faser, in welche es
                              im aufgelösten Zustand hineinkam, und in welcher es erst niedergeschlagen wurde.
                              Andere sind mit Bergmann der Ansicht, daß die Verbindung
                              eine chemische sey, und diese Ansicht ist von Professor Runge in seiner „Farbenchemie“ so weit ausgedehnt
                              worden, daß er annimmt, die gefärbte Baumwolle sey eine Verbindung des die Rolle
                              einer Säure spielenden Faserstoffs mit den verschiedenen Basen in bestimmten
                              Verhältnissen.
                           Die neue Faser, eben so behandelt, kann aber die Eisenbeize nicht zurückhalten, und
                              doch haben beide Fasern gleiche chemische Zusammensetzung und gleiche Structur der
                              kleinsten Theilchen. Der einzige Unterschied ist, daß die eine Röhren oder Säcke
                              bildet, welche alle im Wasser unauflöslichen Körper, die also von einem Filter
                              aufgenommen werden können, in sich einzuschließen vermögen, während die andere
                              keiner solchen Einschließung fähig ist.
                           Ich benütze diese Gelegenheit zur Erwiederung auf eine Kritik meiner ersten
                              Abhandlung über diesen Gegenstand von Seite des Hrn. Persoz in seinem schätzbaren Traité de
                                 l'Impression des Tissus, indem ich erkläre, daß ich jene Fälle beim Färben,
                              wo die reine Baumwolle durch bloßes Eintauchen im Stande ist die in Auflösung
                              befindlichen Körper zu zersetzen und sie ihrem Auflösungsmittel zu entziehen, einer
                              Flächenanziehung zuschreibe. Dieß ist der Fall bei der Auflösung des desoxydirten
                              Indigo's in Kalk, bei Bleioxyd-Kalk, bei den verschiedenen Zinnsalzen und
                              vielen andern Lösungen. Die Baumwolle wirkt hier wie die Kohle und andere poröse
                              Körper, und ich sah keinen Grund ein, diese Anziehung auf die innere Fläche der
                              Baumwollfaser zu beschränken.
                           Die Thonerdebeize habe ich aber nicht in die Classe der auf diese Weise angezogenen
                              Körper eingereiht, weil die Baumwolle, in eine Auflösung von essigsaurer Thonerde
                              getaucht, deren Basis nicht abzuscheiden vermag. Diese Auflösung muß auf die
                              Baumwolle aufgetragen und darin eingetrocknet werden; nur dann adhärirt die Thonerde
                              der Faser; sie verliert nämlich die Eigenschaft weggewaschen zu werden, nur in dem
                              Verhältniß, als die
                              Essigsäure durch Verdunstung entfernt wird. Ich konnte hierin keine durch die
                              Baumwolle bewirkte chemische Zersetzung erblicken, weil dasselbe Salz durch
                              Verdunstung in einem Glasgefäß ebenfalls zersetzt werden kann. In diesem Falle
                              dachte ich mir die Thonerde als im Innern der Faser zurückgehalten, gerade so wie
                              Sand in einem Sacke zurückgehalten werden kann, dessen Zwischenräume zu eng sind, um
                              seine Theilchen hindurchzulassen.
                           Hr. Persoz bemerkt jedoch, daß eine Auflösung von
                              essigsaurer Thonerde durch Abdampfen in einem Glasgefäß nicht so vollständig
                              zersetzt wird, wie durch das Eintrocknen auf Kattun. Dieß habe ich ebenfalls
                              bemerkt; ich schreibe aber den Unterschied der größern Zertheilung und Ausbreitung
                              des Salzes auf der Baumwolle zu. Ich habe keinen Beweis dafür, kann es aber auch
                              nicht läugnen, daß in einem gewissen Stadium der Verdunstung die Gegenwart der
                              Baumwolle beschleunigend auf die Zersetzung des Salzes einwirke, und daß ihre Fasern
                              so einen Antheil Thonerde auf ihrer ganzen Oberfläche anziehen können. Wenn die
                              Ansicht von Persoz richtig ist, so beweist das Verhalten
                              der todten Baumwolle wenigstens, daß der äußerlich
                              anhangende Farbstoff nicht so fest haftet wie der innerhalb der Faser der reifen
                              Baumwolle eingeschlossene.
                           Weder die eine noch die andere Ansicht unterstützt aber die chemische Theorie;
                              bekanntlich können poröse Körper gewisse Substanzen anziehen und sogar zersetzen,
                              ohne daß sie sich mit den von ihnen niedergeschlagenen Körpern chemisch verbinden.
                              Demgemäß wird kein Oxyd durch seine Verbindung mit Baumwolle in seiner Farbe oder
                              seinem chemischen Charakter verändert. Setzt man z.B. das auf Kattun
                              niedergeschlagene Kupferoxydhydrat der Kohlensäure oder arsenigen Säure aus, so wird
                              es zu kohlensaurem oder arsenigsaurem Kupfer. Das Eisenoxydul verwandelt sich an der
                              Luft schnell in das rothe Oxyd, und dieses kann wieder in Berlinerblau, oder in
                              einen schwarzen oder purpurnen Lack verwandelt werden, sofern es nur unauflöslich
                              ist und der Baumwolle fest anhängt.