| Titel: | Verfahren zur Gewinnung des Zuckers aus den Runkelrüben ohne Bildung einer Melasse; von Hrn. Mège. | 
| Fundstelle: | Band 115, Jahrgang 1850, Nr. XLIV., S. 215 | 
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                        XLIV.
                        Verfahren zur Gewinnung des Zuckers aus den
                           Runkelrüben ohne Bildung einer Melasse; von Hrn. Mège.
                        Aus dem Moniteur industriel, 1850, Nr.
                              1417.
                        Mège's Verfahren zur Gewinnung des Zuckers aus
                           Runkelrüben.
                        
                     
                        
                           Man hat schon längst versucht die Bildung der Melasse zu vermeiden, und ich selbst
                              war seit vielen Jahren hauptsächlich mit diesem Problem beschäftigt, welches ich mit
                              Hülfe der Rathschläge eines der ausgezeichnetsten Rübenzuckerfabrikanten, des Hrn.
                              Crespel-Dellisse, gelöst zu haben glaube.Das Verfahren des Verfassers stimmt im Wesentlichen mit der im polytechn.
                                    Journal Bd. CXIV S. 145
                                    mitgetheilten Methode des Hrn. Dr. Lüdersdorff überein, welche sich derselbe im J.
                                    1838 in Preußen patentiren ließ.
                              
                           Ich gehe hier nicht näher auf alle Versuche ein, welche ich seit mehreren Jahren
                              angestellt habe und auch nicht auf die Theorien über die Bildung des
                              unkrystallisirbaren Zuckers und über jene Art von Gährung, welche den Rübensaft
                              durch Bildung von Huminsäure sogleich färbt; sondern ich theile nun die Thatsachen
                              mit, auf welche sich mein Verfahren gründet.
                           
                        
                           Schwefeln und Läuterung.
                           1) Mit schwefliger Säure getränkte Runkelrüben haben ein sehr weißes Fleisch und
                              geben einen farblosen Saft. Sättigt man diesen Saft mit kohlensaurem Kalk, so
                              entsteht zweifach-schwefligsaurer Kalk, welcher vollkommen läutert.
                           2) Wenn die Menge der schwefligen Säure unzureichend ist, so färbt sich der Saft
                              während des Abdampfens.
                           3) Wenn man nur eine unbedeutende Menge von schwefliger Säure anwendet, 1 bis 2
                              Tausendstel, so färben sich der abgepreßte Rückstand und der Saft schwach, aber
                              sogleich.
                           4) Wenn man dem Saft einige Tausendstel Schwefelcalcium zusetzt, so wird er sicher
                              entfärbt.
                           Ich habe dieses Verfahren zu schwefeln und zu läutern durch folgendes ersetzt:
                           1) Die Schwefelsäure wird nicht mehr als Läuterungsmittel
                              angewandt.
                           
                           2) Wenn man dieselbe Säure dem Brei während des Zerreibens zusetzt oder sie von der
                              Runkelrübe absorbiren läßt, so bleibt der Brei farblos. Wird der abgepreßte
                              säuerliche Saft in der Kälte mit kohlensaurem Kalk neutralisirt, so bildet sich
                              schwefelsaurer Kalk, welcher bei der Siedhitze den Saft vollständig läutert.
                           3) Dieser Saft bleibt beim Abdampfen farblos, wenn eine hinreichende Menge
                              Schwefelsäure angewandt wurde; er färbt sich im entgegengesetzten Falle um so
                              stärker, je weniger von dieser Säure zugesetzt wurde. Diese Thatsache beweist, daß
                              eine Säure wie die Schwefelsäure denselben Dienst leisten kann wie der
                              zweifach-schwefligsaure Kalk, daß ihre Wirkung in der Kälte stattfindet und
                              niemals den Zucker verändert, und da ihr Kalksalz hinreichend läutert, so kann man
                              auf diese Art leichter Alles erreichen, was der zweifach-schwefligsaure Kalk
                              zu leisten vermag. Die Schwefelsäure entkräftet alle Fermente, wenn sie in
                              hinreichender Menge zugesetzt wird. Die Anwendung der Säuren wurde schon oft
                              versucht, aber immer wieder aufgegeben, weil man bisher nicht wußte, daß sie in der
                              Kälte antiseptisch wirken, ferner daß der im Saft selbst erzeugte schwefelsaure Kalk
                              die Eigenschaft besitzt ihn zu läutern, endlich weil man nicht wußte, daß die
                              Schwefelsäure, in einem gewissen Verhältniß angewandt, die Färbung des Safts ganz
                              verhindert.
                           Ich habe daher den doppelt-schwefligsauren Kalk, welchen ich vor etwa drei
                              Jahren wie Hr. Melsens anwandte, durch wohlfeilere und
                              für den Fabrikbetrieb geeignetere Agentien ersetzt.
                           Ich begieße nämlich den Brei auf der Reibmaschine mit Wasser, welches mit
                              Schwefelsäure angesäuert ist, oder ich tränke die Rüben vor dem Zerreiben mit
                              solchem. Von der Schwefelsäure sind 6 bis 40 Tausendstel erforderlich; man muß das
                              geeignete Verhältniß zuvor durch einen Versuch im Kleinen ermitteln, weil es nach
                              der Beschaffenheit der Rüben, dem Boden und dem Lande verschieden ist. Der so
                              angesäuerte Brei färbt sich nicht mehr; der Saft lauft leichter und reichlicher von
                              der Presse ab, wenn man ihn einige Zeit in Ruhe ließ; die Säure schwächt nämlich
                              bald die Häute der Zellen, welche alsdann dem Druck nachgeben. Der gesäuerte Saft
                              wird mit Kreide versetzt und zum Sieden gebracht, der Schaum beseitigt und der
                              hierauf durch Sand filtrirte Saft abgedampft.
                           
                        
                           
                           Abdampfen.
                           1) Spuren von Säure verändern den Saft nicht, wenn man ihn nur bis zu einer
                              Dichtigkeit von 30° B. unter schnellem Umrühren der Flüssigkeit abdampft.
                           2) Da das Metall, welches die Wärme überträgt, stark erhitzt ist, der Syrup schwer
                              seinen Platz wechselt und überdieß ein sehr schlechter Wärmeleiter ist, so treten
                              die Wirkungen der Erhitzung ein, welche den Zucker verändern.
                           3) Da jede Dampfblase die Syrupsäule und den atmosphärischen Druck zu überwinden
                              genöthigt ist, so nimmt sie auf dem Metall einen hohen Temperaturgrad an, welcher
                              nebst den im Saft enthaltenen fremdartigen Substanzen die Zersetzung hervorruft.
                           4) Stellt man eine enge und hohe mit Syrup gefüllte Flasche auf eine Platte von
                              88° R. Temperatur, so färbt sich der Syrup stufenweise von unten nach oben,
                              ohne daß irgend ein bemerklicher Dampf entsteht.
                           5) Um die Wirkungen einer Erhitzung zu verhindern, reicht das Vacuum nicht aus, weil
                              die bloße Höhe der Schicht verkochten Syrups diese Wirkungen hervorbringt.
                           6) Diese Veränderung des Syrups auf dem Metall wird hauptsächlich dadurch bewirkt,
                              daß sich die Wärme bei dem physischen Zustand des Syrups nur schwierig vertheilen
                              kann, denn sie findet sogar bei Apparaten statt, wo man in dünnen Schichten
                              abdampft.
                           7) Eine sehr schnelle Bewegung verhindert den Syrup auf dem erhitzten Metall zu
                              verweilen, erneuert unaufhörlich die Oberflächen, vertreibt beständig die gebildeten
                              Dämpfe, verhindert das Metall und den Syrup eine hohe Temperatur zu erreichen, und
                              indem sie die Wirkung des Drucks aufhebt, verhindert sie jede Veränderung.
                           8) Wenn man eine solche schnelle Bewegung im Vacuumapparat bewerkstelligt, so erfolgt
                              die Verdampfung außerordentlich rasch und die Flüssigkeit bleibt daher auf einer
                              sehr niedrigen Temperatur.
                           9) Um einen Rührer im Vacuum zu bewegen, führt man über und unter dem Kessel eine
                              Stange in denselben ein, an welcher er angebracht ist. Diese Stange geht durch eine
                              barometrische Quecksilbersäule (in welcher sie sich bewegt) und die Bewegung wird
                              ihr außerhalb des Apparats durch Zahnräder mitgetheilt.
                           10) Das Verfahren beim Entleeren des Kessels kann ebenfalls eine Veränderung des
                              Syrups herbeiführen. Nachdem der Syrup ausgelaufen ist, wird die Schicht, welche auf
                              dem noch heißen Metall zurückbleibt, braun gebrannt. Um diesen Uebelstand zu vermeiden, mache ich die
                              Operation ohne kostspieligen Mechanismus zu einer ununterbrochenen; ich bringe
                              nämlich am Kessel ein Rohr mit doppeltem Cylinder an, welches mit Dampf erhitzt wird
                              und hoch genug ist, um dem atmosphärischen Druck das Gleichgewicht zu halten. Man
                              braucht dann nur den Ein- und Austritts-Hahn zu reguliren, damit die
                              Operation ohne Unterbrechung von selbst fortdauert.
                           
                        
                           Klären.
                           Der gut geläuterte Saft wird also schnell in Berührung mit der Luft und dann im
                              Vacuum auf angegebene Weise abgedampft, bis er etwa 30° an der Syrupwaage
                              zeigt. Wenn man gut operirt hat, ist er alsdann trübe, schwach gelb und von
                              angenehmem Geschmack. Es ist nun nöthig ihn ganz klar und frei von jedem
                              fremdartigen Körper zu erhalten. Hiezu versetzt man ihn mit 1/2 bis 1 Tausendstel
                              Kalk, Schwefelkalk oder gebrannter Magnesia (letztere kann man wieder beleben);
                              zugleich gibt man eine hinreichende Menge Eiweiß zu und erhitzt zum Sieden; der
                              filtrirte ganz klare Syrup wird nun zum letztenmal abgedampft.
                           
                        
                           Krystallisiren.
                           Anstatt den Syrup zum Krystallisationspunkt abzudampfen, ihn in den Formen in der
                              Trockenstube erkalten, den überschüssigen Syrup abfließen zu lassen und zu neuen
                              Abdampfungen zu schreiten – treibe ich das Verkochen unter beständigem
                              Umrühren bis zu dem Punkt wo der ganze Syrup beim Erkalten zu einer festen
                              krystallinischen Masse gesteht, welche gelblichweiß ist und außer dem Zucker alle
                              ursprünglich im Saft vorkommenden Salze enthält. Diese vollkommen ausgetrocknete
                              Masse stellt den Zucker dar, so wie ich ihn erhalte.
                           
                        
                           Raffiniren.
                           Die auf angegebene Weise erhaltene krystallinische Masse besteht aus lauter kleinen
                              gebrochenen Krystallen; es ist die verworrene Krystallisation, welche gegenwärtig
                              bei dem raffinirten Zucker verlangt wird, weil solcher Zucker weißer, weniger
                              durchscheinend, angenehmer und verhältnißmäßig leichter ist. Auch genügt es, um
                              solchen Rohzucker in Brode von raffnirtem Zucker zu verwandeln, ihn mit Wasser oder
                              Syrup von der vorhergehenden Operation zu vermengen, in solchem Verhältniß, daß er
                              mit Dampf von 64 bis 80° R. geschmolzen, einen klaren Syrup von solcher Concentration
                              bildet, daß man ihn in die Kühler lassen und in die Formen schütten kann. Nach dem
                              Erkalten und Abtropfen des Syrups reicht einmaliges Decken hin, um den Zucker rein
                              und gehörig weiß zu erhalten.
                           
                        
                           Decken mit Zuckersyrup.
                           Der Zuckersyrup zum Decken soll kein reiner seyn, weil er sonst zu schnell durch das
                              Brod durchsickert und die unreinen Syrupe unvollständig verdrängt. Man erzielt ein
                              vollkommenes Decken, wenn man das Decksel mit Papierzeug zu einem halbfesten Teige
                              verdickt.