| Titel: | Ueber die hygrometrischen Eigenschaften der Wolle und ein Verfahren um ihren Gehalt an Feuchtigkeit genau zu bestimmen. (Conditionirung der Wolle.) | 
| Fundstelle: | Band 115, Jahrgang 1850, Nr. XLVI., S. 223 | 
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                        XLVI.
                        Ueber die hygrometrischen Eigenschaften der Wolle
                           und ein Verfahren um ihren Gehalt an Feuchtigkeit genau zu bestimmen. (Conditionirung
                           der Wolle.)
                        Aus dem Moniteur industriel, 1849, Nr.
                              1403.
                        Ueber die hygrometrischen Eigenschaften der Wolle und ihre
                           Conditionirung.
                        
                     
                        
                           Beinahe in allen Städten Frankreichs, wo der Wollhandel einige Bedeutung hat, ist die
                              Frage ihrer Austrocknung an der Tagesordnung; so lassen vorzüglich die
                              Handelskammern zu Paris und Sedan Versuche darüber anstellen.
                           In Reims ist man zu folgenden Resultaten gelangt: Es ist bekannt, mit welcher
                              außerordentlichen Kraft die Wolle, wenn man sie nach dem Waschen der Luft aussetzt,
                              die Feuchtigkeit zurückhält, und wie schwierig es daher ist, sie gehörig
                              auszutrocknen. Die Streitigleiten zwischen Verkäufer und Käufer haben oft keinen
                              anderen Grund. Die Municipalverwaltung von Reims ernannte deßhalb im Jahr 1845 eine
                              aus Kaufleuten dieser Stadt zusammengesetzte Commission, um das beste Verfahren zur
                              genauen Ermittlung der Feuchtigkeit eines Wollmusters zu erforschen, und zu Reims
                              eine ähnliche Trocknungsanstalt für Wolle zu errichten, wie sie Lyon schon seit 1805
                              für die Conditionirung der Seide besitzt. Die von der Commission begonnenen Versuche
                              wurden im Februar 1846 eingestellt und konnten erst im März 1849 wieder aufgenommen
                              werden, wo Hr. Maumené ihr beigegeben wurde,
                              dessen Bericht wir Folgendes entnehmen.
                           Hr. Maumené empfahl anfangs sich an das Talabot'sche Verfahren zu halten, wie es in Lyon für die
                              Seide angewandt wird,Man vergleiche über Talabot's Verfahren zur
                                    Conditionirung der Seide, die Abhandlung von Dr.
                                    Egen im polytechn. Journal, Jahrgang 1840,
                                    Bd. LXXVII S. 430. nämlich die Wolle einer Temperatur von 108 bis 110° C. (86
                              1/2–88° R.) mittelst Dampf zu unterziehen. Die dazu dienende
                              Vorrichtung besteht aus einem unten geschlossenen Cylinder mit doppelten Wänden,
                              zwischen denen man ununterbrochen Dampf von zwei Atmosphären Druck oder 121°
                              C. (97° R.) Temperatur circuliren läßt. Dieß ist nöthig, damit die Luft im
                              Innern des Cylinders die Temperatur von 108 bis 110° C. erreicht. Mitten in
                              die so erwärmte Luft hängt Hr. Talabot die Seidenprobe an
                              einem Metalldraht, welcher an dem einen Arm eines Waagbalkens befestigt ist, dessen
                              Schale beseitigt wurde. Die Waage wird mit Gewichten, welche man in die Schale am
                              anderen Arm legt, ins Gleichgewicht gebracht. Ein hölzerner Deckel mit einem Loch in
                              der Mitte (für den Draht) schließt den Cylinder, um die Bewegung der Luft zu
                              vermeiden. Es versteht sich, daß die Seide, indem sie allmählich ihre Feuchtigkeit
                              verliert, immer leichter wird, bis das Wasser sich ganz verflüchtigt hat, d.h. die
                              Seide absolut trocken geworden ist. Wenn man nun so lange Gewichte aus der
                              Waagschale nimmt, bis das Gleichgewicht hergestellt ist, so erfährt man den Gehalt
                              der Seide an Feuchtigkeit. Dieses Verfahren ist einfach, schnell ausführbar, und was
                              eine Hauptsache ist, es verändert die Seide nicht; es läßt sich, wie man sich
                              überzeugt hat, für Wolle eben so leicht wie für Seide anwenden, und scheint sich
                              daher in jeder Hinsicht für die Stadt Reims zu eignen.
                           Man hat viele Versuche angestellt, um die Wolle auf einem wohlfeileren Wege als
                              mittelst des Talabot'schen Apparats auszutrocknen; aber
                              sie erheischt dazu sehr lange Feit, wenn es nicht bei oben angegebener Temperatur
                              geschieht; so wird die Wolle z.B. in einem Apparate, in welchem sie Hr. Maumené mit gebranntem Kalk zusammenbrachte, sehr
                              scharf ausgetrocknet, aber außerordentlich langsam, denn es wäre über ein halbes
                              Jahr zu ihrer vollkommenen Austrocknung auf diese Art erforderlich.
                           Hr. Maumené versuchte auch die Aufgabe auf dem
                              umgekehrten Weg zu lösen, nämlich dem der Befeuchtung. „Statt die absolute
                                 Austrocknung der Wolle zu bewerkstelligen, sagt er, suchte ich die Menge der
                                 darin enthaltenen Feuchtigkeit dadurch zu ermitteln, daß ich das Wasser
                                 bestimmte, welches erforderlich ist, um die Feuchtigkeit bei einer constanten
                                 Temperatur auf das Maximum zu bringen. Nehmen wir nämlich an, daß eine absolut
                                 trockene Wolle, die sich in einer mit Feuchtigkeit gesättigten Luft befindet,
                                 bei der fixen Temperatur von 15° C. (12° R.) im Maximum 50 Procent
                                 zu absorbiren vermöge, so ist klar, daß wenn eine zu probirende Wolle unter
                                 gleichen Umständen nur 25 Procent absorbirt, dieselbe bereits 25 Procent ihres
                                 Gewichts Wasser enthielt.“
                              
                           „Um auf diese einfache und wohlfeile Weise den Wassergehalt einer Wolle zu
                                 bestimmen, bringt man in einen Cylinder, ähnlich dem der Talabot'schen Vorrichtung, jedoch mit einfacher Wand, eine Schicht
                                 Wasser von 1–1 1/2 Zoll, hängt die Wolle an einem Metalldraht an eine
                                 gute Waage und bedeckt den Behälter mit einem ausgeschnittenen Deckel. Die Luft
                                 im Cylinder beladet sich reichlich mit Feuchtigkeit, und die Wolle (welche das
                                 Wasser nicht berührt, sondern durch ein Gitter davon getrennt ist) saugt den
                                 Wasserdunst ein und nimmt sehr an Gewicht zu. Würde nun diese Absorption in ein
                                 paar Stunden ihr Maximum erreichen, so wäre das Verfahren vortrefflich, indem es
                                 beinahe gar keine Kosten verursacht, denn man brauchte nur von Zeit zu Zeit
                                 etwas Wasser in den Cylinder zu bringen, um ihn beständig zu Versuchen bereit zu
                                 haben. Leider erreicht aber die Wolle erst nach langer Zeit den höchsten Grad
                                 von Feuchtigkeit; ihre organische Constitution macht sie eben so wenig geeignet
                                 das in ihr enthaltene Wasser schnell abzugeben, als so viel Wasser schnell
                                 aufzunehmen, daß sie mit solchem gesättigt ist.“ Hr. Maumené führt einen merkwürdigen Versuch an, wobei
                              954 Gramme gekämmte Wolle, Kaufmannsgut, 247 Gramme oder 25,87 Gewichtsprocente
                              Wasser absorbirten, welche Absorption aber 41 Tage fortdauerte und nach Verlauf
                              dieser Zeit zog die Wolle noch Feuchtigkeit an.
                           Dieses Verfahren ist also zum Gebrauch für das Publicum nicht tauglich. Nur der
                              nützliche Schluß ist daraus zu ziehen, daß eine ganz trockene Wolle, in geeignete
                              Umstände versetzt, eine der Hälfte ihres Gewichts gleichkommende Menge Wassers in
                              sich aufnehmen kann. Obige 954 Gramme enthielten schon 145 Gramme Feuchtigkeit auf
                              809 Gramme trockener Wolle, und da sie durch längeres Belassen im Cylinder noch 247
                              Gramme Wasser aufnahmen, so folgt, daß 809 Gramme trockener Wolle 145 + 247 = 392
                              Gramme Wasser, oder 48,4 Procent ihres Gewichts aufnehmen können. Da dieß übrigens
                              nur ein Minimum ist, indem einerseits die Austrocknung, andererseits die Befeuchtung
                              keine vollkommene war, so darf man wohl behaupten, daß trockene Wolle bei
                              gewöhnlicher Temperatur in mit Feuchtigkeit gesättigte Luft gebracht, die Hälfte
                              ihres Gewichts an Wasser absorbiren kann.
                           Hr. Maumené schließt mit folgenden
                              Betrachtungen:
                           1) Die Wolle nimmt durch fortdauerndes Einsaugen von Wasser immer mehr Feuchtigkeit
                              auf, obwohl diese niemals fühlbar wird. Da die Gränzen ihres Feuchtigkeitsgehalts so
                              weit gesteckt sind, so vermag auch der Geübteste den wirklichen Grad der Trockenheit
                              eines Wollmusters nicht mit hinlänglicher Genauigkeit zu bestimmen, und es entstehen
                              daher beständig Streitigkeiten zwischen Käufern und Verkäufern.
                           2) Der Vortheil, welcher betrügerischerweise aus der hygrometrischen Eigenschaft der
                              Wolle gezogen werden kann, ist bedeutend. Man denke sich z.B. einen Ballen Wolle von
                              1000 Kilogr. Gewicht in gutem kaufgerechten Zustande, wo sie etwa schon 16 Procent
                              Wasser enthält; ihr Eigenthümer bringt sie, statt sie in diesem Zustand zu
                              verkaufen, 24 Stunden lang in den Keller; der gehörig vertheilte Ballen kann nun in
                              einem Tage schon 41 Kilogr. Feuchtigkeit aufnehmen. Rechnet man das Kilogr. Wolle zu
                              15 Franken, so ist also ihr Preis um 615 Franken erhöht, die auf leichte Art
                              erworben wurden; bleiben die 1000 Kilogr. aber fünf Tage im Keller, so können sie
                              116 Kilogr. Wasser in sich aufnehmen, wodurch sich der Werth um 1740 Franken
                              erhöht.
                           Hr. Maumené schließt seine Abhandlung mit dem
                              Satze: das Talabot'sche Verfahren
                                 ist das einzige taugliche zu einer wahrhaften Conditionirung der Wolle.
                           Hiermit scheint die Commission ihre Aufgabe hinsichtlich der Austrocknung der Wolle
                              gelöst zu haben. Es wird jetzt zu Reims eine öffentliche Anstalt zur Conditionirung
                              der Wolle errichtet, wie dieß in Lyon für Seide geschah. Fortan werden also zwischen
                              Käufer und Verkäufer keine Streitigkeiten über den wahren Zustand der Waare mehr
                              stattfinden. Die Handelsabschlüsse werden nicht mehr auf 4–5 Procente Feuchtigkeit mehr oder
                              weniger abgemacht werden; die trockene Wolle wird als Basis dienen, und wie in Lyon
                              dem Gewicht der absolut trocknen Seide 11 Procente zugerechnet werden, durch welche
                              das Handelsgewicht hergestellt wird, so wird man zu Reims dem Gewicht der absolut
                              trocknen Wolle 15–16 Procent zuschlagen; dieß ist wenigstens die aus Hrn. Maumené's Versuchen abgeleitete annähernde Zahl,
                              deren Richtigkeit sich in den ersten Tagen der Anwendung des Talabot'schen Apparats herausstellen dürfte.