| Titel: | Ueber Verbesserung des Stalldüngers und der Einfluß des Ammoniakgases auf das Vieh; von Apotheker Limouzin-Lamothe. | 
| Fundstelle: | Band 115, Jahrgang 1850, Nr. LXI., S. 306 | 
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                        LXI.
                        Ueber Verbesserung des Stalldüngers und der
                           Einfluß des Ammoniakgases auf das Vieh; von Apotheker Limouzin-Lamothe.
                        Aus dem Journal de Chimie médicale, Oct. 1849, S.
                              582.
                        Limouzin-Lamothe, über Verbesserung des
                           Stalldüngers.
                        
                     
                        
                           Die Nothwendigkeit eine ansehnliche Menge guten Düngers für die Landwirthschaft zu
                              gewinnen, ist allgemein anerkannt; nicht minder wichtig ist es aber dem erzielten
                              Dünger seine ganze fruchtbarmachende Kraft zu erhalten. Besucht man jedoch die Ställe der
                              kleineren Landwirthe, so fehlt es meistens an Streu, das Vieh liegt auf seinen
                              Excrementen, der Harn bleibt stehen und verbreitet einen üblen Geruch; vollends in
                              den Schafställen können Geruchsorgane und Augen den ammoniakalischen Geruch nicht
                              lange aushalten. Der Mist verliert hier durch Verdunstung seiner flüssigen Theile,
                              und noch mehr durch die Verflüchtigung der Gase einen großen Theil seiner nützlichen
                              Bestandtheile. Dann wird er erst im Hof oder auf der Straße in Haufen gelegt und
                              allen Einflüssen der Witterung ausgesetzt, so daß er durch Sonne und Regen alle
                              flüchtigen Bestandtheile und auflöslichen Salze verliert und zuletzt nichts mehr
                              behält, als was ihm nicht entzogen werden kann. In diesem verarmten Zustand wird er
                              auf das Feld gebracht, und auch da oft, in kleine Haufen zertheilt, noch lange
                              liegen gelassen, ehe man ihn eingräbt.
                           Bevor dem Landwirth die wahre Natur des Düngers und die daraus entspringende Art
                              seiner zweckmäßigen Behandlung allgemein bekannt und ihm zueigen wird, ist natürlich
                              keine gründliche Verbesserung der Landwirthschaft zu hoffen, denn der Dünger ist die
                              Seele derselben. Wir beschränken uns hier auf die Theorie des Stalldüngers und
                              betrachten zuerst seine näheren Bestandtheile.
                           Der Stickstoff ist der Hauptbestandtheil der thierischen Körper, so wie der
                              Kohlenstoff derjenige der vegetabilischen. So wie aber die erstern dem Pflanzenreich
                              Kohlenstoff gleichsam entlehnen, so findet sich auch Stickstoff in einigen Theilen
                              der Pflanzen. Letztere nähern sich dadurch jenen; sie gehören ihrer Natur nach
                              beiden an, sind so zu sagen animalisirt.
                           Die stickstoffreichsten Gewächstheile dienen hauptsächlich zur Nahrung für Menschen
                              und Thiere, und je mehr Stickstoff sie enthalten, desto nahrhafter sind sie.
                           Der Humus liefert Kohlenstoff, welcher sich mit dem Sauerstoff zu Kohlensäure
                              verbindet, die von Wurzeln und Blättern absorbirt wird. Der Sauerstoff wird alsdann
                              durch Athmung wieder ausgeschieden, und nur der Kohlenstoff bleibt zurück zur
                              Bildung der Holzfaser. Auch Stickstoff wird von den Wurzeln und Blättern in Gestalt
                              freien oder gebundenen Ammoniaks absorbirt. Dieses Gas, welches den Pflanzen zum
                              Theil auch durch die Atmosphäre geliefert wird, ist die Basis der gehaltreichsten
                              Dünger und erzeugt die in den Pflanzen enthaltenen stickstoffhaltigen Bestandtheile.
                              Daraus geht hervor, daß je mehr Kohlenstoff, vorzüglich aber Stickstoff ein Dünger enthält, desto
                              wirksamer er seyn wird.
                           Nun entsteht die Frage, welches sind die stickstoffreichsten thierischen und
                              Pflanzenstoffe? Es finden unter ihnen Abstufungen statt. Die Gemüse und die Samen im
                              Allgemeinen enthalten eine Quantität stickstoffhaltiger Substanz, welche ihre
                              Nahrhaftigkeit erklärt. Die Stengel der Hülsenfrüchte enthalten mehr von solcher als
                              das Stroh der Gramineen (Gräser); daher geben die Stengel des Ginsters, des Klee's,
                              der Lupine, der Wicken, Bohnen etc. einen viel bessern Dünger, als das
                              Weizen-, Roggen- und Haberstroh. Die Preßkuchen der Oelsamen, die
                              Weintrestern enthalten sehr viel Stickstoff. – Hauptsächlich in den
                              thierischen Stoffen findet man aber den Stickstoff in großer Menge. Der Harn, die
                              festen Excremente, Häute, Federn, Horn, Wolle, Blut, besonders das Muskelfleisch,
                              enthalten so viel Stickstoff, daß ein kleines Volum derselben eine große Menge von
                              Vegetabilien ersetzen kann. Boussingault und Payen haben durch Analysen den Stickstoffgehalt vieler
                              Körper genau bestimmt (wir verweisen auf die im polytechn. Journal Bd. LXXXII S. 139 mitgetheilten
                              Tabellen).
                           Es ist bemerkenswerth, daß der Stengel der Cerealien um so stickstoffreicher ist, je
                              näher er dem Samen ist. So enthält das obere Drittel des Weizenstrohs 13,5
                              Stickstoff, während die zwei untern Drittel nur 4,1 enthalten. Dieser zur
                              Fruchtbildung bestimmte Stickstoff konnte in den Früchten nicht mehr assimilirt
                              werden und blieb daher auf dem Wege dorthin zurück. Diese Beobachtung zeigt, wie
                              vortheilhaft es wäre, wenn die Höhe des Getreides es gestattete, dasselbe mit halbem
                              Halm zu schneiden, um dem Vieh den stickstoffreichsten Theil des Strohs als Futter
                              zu reichen, während der untere Theil desselben zur Streu benützt würde.
                           Da also der Stickstoff dem Dünger seine fruchtbarmachende Kraft ertheilt, so steht
                              der Werth desselben mit seinem Gehalt an stickstoffhaltiger Materie im Verhältniß;
                              er muß auch im Verhältniß dieses Gehalts auf dem Felde ausgebreitet werden.
                           Es genügt aber nicht zu wissen, daß der Stickstoff das wichtigste Agens für die
                              Vegetation ist, und welche Körper am meisten Stickstoff enthalten, sondern man muß
                              dieses Element auch dem Dünger zu erhalten suchen; man muß dem unaufhörlichen
                              Verlust begegnen, welcher in Pferde- und Viehställen, vorzüglich aber in
                              Schafställen, kurz überall wo der Dünger liegen bleibt und in Fäulniß übergeht, in
                              ungeheurem Grade stattfindet. Nachdem alles geschehen ist, was man für nothwendig
                              hielt, um guten
                              Dünger zu bekommen, trifft es sich oft, daß man zu der Zeit wo man ihn benützen
                              will, bloß noch eine träge Masse welche nur den Humus zu unterhalten vermag, auf die
                              Felder zu bringen hat. Was geht nun bei der Gährung des Düngers vor, welcher aus
                              einem Gemenge von organischen, thierischen und pflanzlichen Materien, z.B. Stroh,
                              Laub, festen Excrementen, Harn etc. besteht?
                           Bei der Gährung zersetzt sich das Wasser; sein Wasserstoff bildet mit dem zu gleicher
                              Zeit frei werdenden Stickstoff das Ammoniak (flüchtige Alkali); der Sauerstoff des
                              Wassers verbindet sich mit dem Kohlenstoff zu Kohlensäuregas, welches das Ammoniak
                              ganz oder theilweise neutralisirt.
                           Das erzeugte kohlensaure Ammoniak kann als ein sehr flüchtiges Salz nicht lange im
                              Dünger oder in der ihn umgebenden Atmosphäre verweilen, sondern wird bald von der
                              Luft weggeführt und bleibt in der Atmosphäre, bis Regenfälle es wieder zur Erde
                              führen.
                           Dieß ist in Kürze die Theorie der Gährung gemischter Dünger. Daraus ersieht man
                              leicht, welchen bedeutenden Verlust ein solcher Haufen verschiedenartiger Körper,
                              die den Dünger bilden, nach einer gewissen Zeit erleidet; der größte Theil seiner
                              wirksamsten Bestandtheile ist bald verschwunden, es bleibt sozusagen nur das Skelett
                              des Düngers, wenig oder gar kein Stickstoff zurück; bloß Humus, und doch sollte
                              dieser nur ein Nebenbestandtheil seyn. Das durch die Luft weggeführte Ammoniak wird
                              eine fremde Vegetation befruchten und der Dünger ist für denjenigen Landwirth,
                              welchem er so viel kostete, verloren.
                           Die meisten Landwirthe glauben in der Düngerbehandlung schon viel gethan zu haben,
                              wenn sie ihn nicht in freier Luft aufhäufen, sondern unter einen Schoppen bringen,
                              geschützt vor den wechselnden Einflüssen der Witterung. Soll aber der Dünger seine
                              Bestandtheile bei einander behalten, so muß er an einem Orte eingeschlossen seyn,
                              welcher so gebaut ist, daß er den Gasen möglichst wenig Austritt gestattet, der
                              Dünger nur eine kleine Oberfläche darbietet und keinem etwas bedeutenden Luftzug
                              ausgesetzt ist. Seine Bestandtheile werden zwar immer dieselben Producte erzeugen,
                              letztere können aber durch mehrere Mittel fixirt und ihrer Flüchtigkeit beraubt
                              werden.
                           1) Kohlensaures Ammoniak und schwefelsaurer Kalk (Gyps) können nicht in Berührung
                              kommen, ohne sich zu zersetzen und schwefelsaures Ammoniak zu bilden, welches nicht
                              flüchtig ist. Man braucht daher nur von Zeit zu Zeit feingepulverten Gyps auf den
                              Dünger zu streuen. In
                              Gegenden, wo der Gyps wenig kostet, ist dieß das beste und wohlfeilste Mittel, um
                              sich eine bedeutende Menge schwefelsauren Ammoniaks zu verschaffen. Der Gyps braucht
                              zu diesem Zweck nicht gebrannt zu seyn. Angenommen, gepulverter roher Gypsstein
                              komme auf 1 Frank per Hektoliter zu stehen, so erhält man um diesen mäßigen Preis
                              über ein halbes Hektoliter schwefelsaures Ammoniak, etwas mehr oder weniger, je nach
                              der Reinheit des angewandten Steines.
                           Die fruchtbarmachende Kraft dieses Ammoniaksalzes ist bekannt. Die Gärtner in
                              Sumpfgegenden benutzen es jetzt zur Beschleunigung ihrer Frühgewächse, namentlich in
                              ihren Champignon-Beeten. Uebrigens zeigen alle stickstoffhaltigen Salze
                              gleiche Wirkung, sie sind für den Dünger, was der Alkohol für den Wein ist.
                           2) In Gegenden, wo der Gyps selten und theurer ist, kann man den Düngerhaufen mit
                              Schwefelsäure begießen, welche man zuvor mit Wasser verdünnt hat. Für 15–18
                              Franken erhält man 100 Kilogr. concentrirte Schwefelsäure welche etwa 150 Kilogr.
                              schwefelsaures Ammoniak erzeugen.
                           3) Begießungen des Düngers, namentlich in den Schafställen, mit verdünnter Salzsäure
                              sind ebenfalls ein vortreffliches Mittel zur Fixirung des Ammoniaks; diese Säure
                              erzeugt sogleich dichte, weiße Wolken von Salmiak, die sich nach und nach
                              niederschlagen. Ein Teller mit Salzsäure, welchen man auf den Düngerhaufen oder in
                              den Schafstall stellt, ist nach einigen Tagen mit Krystallen von salzsaurem Ammoniak
                              (Salmiak) bedeckt.
                           4) Auch eine Auflösung von salzsaurem Kalk thut zu diesen Zwecken sehr gute Dienste.
                              Man verschafft sie sich leicht, indem man in ein irdenes oder hölzernes Gefäß
                              8–10 Kilogr. Salzsäure bringt, die sehr wohlfeil ist, sie mit 50 Kilogr.
                              Wasser verdünnt, und dieser Flüssigkeit so lange Kalkstein zusetzt, bis kein
                              Aufbrausen mehr entsteht.
                           Die Vortheile dieser Methoden das Ammoniak zu fixiren, sind bedeutender, als man als
                              man auf den ersten Blick glauben möchte. Die durchdringende, ätzende Wirkung des
                              Ammoniaks, welches sich aus den faulenden thierischen Materien entbindet, ist
                              bekannt, ebenso daß dieses Gas nicht ohne Nachtheil eingeathmet werden kann. Das
                              Vieh muß aber nothwendig dieses Gas in den Ställen einathmen, besonders die Schafe,
                              deren Kopf immer gegen den Boden gekehrt ist und deren Nasenlöcher den Dünger fast
                              berühren. Die ätzende Wirkung des Ammoniaks auf ihre Organe muß sich bald zeigen; da
                              die Lungen, der Herd in welchem das Blut sich mit jedem Augenblick verändert, selbst
                              Schaden leiden, so sind sie nicht mehr im Stande dasselbe gehörig zu verarbeiten;
                              dadurch wird das ganze Blutsystem verdorben, die ganze Constitution leidet, und es
                              ist damit der Keim verschiedener Krankheiten gelegt. Wenn dieß lange fortdauert,
                              müssen die Thiere die traurigen Folgen davon verspüren. Die so verdorbene Atmosphäre
                              wirkt aber auch unaufhörlich auf die Haut des Viehes und dringt durch deren Poren
                              ein. Daher ohne Zweifel die vielen Viehseuchen, welche man für contagiös hält, weil
                              alle Individuen eines Schafstalles gleichen Einflüssen ausgesetzt sind; daher die
                              Lungen- und Luftröhren-Entzündungen, Entzündungen des
                              Verdauungscanals, Durchfälle, Brand, Geschwüre an den Brüsten der Mutterschafe
                              (welche beständig auf einer stinkenden Streu aufstehen); daher die so gewöhnlichen
                              und hartnäckigen Hautkrankheiten.
                           Man wird auch finden, daß gerade in zahlreichen Heerden diese Krankheiten zuerst
                              ausbrechen und auch am hartnäckigsten der Behandlung widerstehen, weil die
                              Veranlassung dazu hier eine bleibendere und entwickeltere ist. Selbst die Mauern des
                              Stalls, wenn sie von Kalkstein sind, werden vom Ammoniakgas angegriffen, welches
                              sich in Berührung mit dem Kalk des Mörtels und des Baumaterials in Salpetersäure
                              verwandelt, und den sogenannten Mauersalpeter bildet.
                           Das aus dem Dünger sich entwickelnde Ammoniak geht also nicht nur für die Vegetation
                              verloren, sondern die Wirkungen dieses Gases wenden sich noch zum Schaden, statt zum
                              Nutzen des Landwirths. Um allen diesen Uebelständen zu begegnen, lasse man den
                              Dünger und den Harn in den Schaf- und andern Ställen nicht lange liegen;
                              bestreue dieselben fleißig mit Gypspulver oder begieße sie mit verdünnter
                              Schwefelsäure, oder stelle darin Teller mit Salzsäure auf. So oft man frischen
                              Dünger an seinen Platz bringt, und nöthigenfalls auch ohnedieß bestreue man ihn mit
                              einer dünnen Schicht Gyps oder begieße ihn mit den genannten Säuren. Ehe man in den
                              Schafställen Stroh ausbreitet, vertheile man eine hinlängliche Menge Gyps auf der
                              alten Streu; dieser wird das Ammoniak fixiren und das Vieh davor schützen. Diese
                              Mittel können von Landwirthen jeden Vermögensverhältnisses und jeden Bildungsgrades
                              angewandt werden und das Geld ist damit auf hohe Zinsen gelegt.
                           So nothwendig es ist die Dungstätte zu verschließen, ebenso unerläßlich ist es, die
                              Ställe, vorzüglich die Schafställe, zu lüften, um sowohl den, von den Desinficirmitteln
                              nicht neutralisirten mephytischen Gasen, als auch der durch das Athmen erzeugten
                              Kohlensäure Ausgang zu verschaffen und sie durch reinere Luft zu ersetzen.
                           Diese Bemerkungen sind zu wichtig, als daß ihre Anwendung nicht auf das
                              Nachdrücklichste zu empfehlen wäre. Das Gypsen der stickstoffhaltigen Dünger, der
                              Ställe etc. verdient dieselbe Verbreitung und ist noch vortheilhafter als das Gypsen
                              der künstlichen Wiesen. Letzteres dient nur dazu, eine größere Menge Futterkräuter
                              zu erzielen, während jenes die Ställe gesund macht, das Vieh gesund erhält, und den
                              Dünger verbessert, also eine größere Ergiebigkeit aller Ernten zur Folge hat.