| Titel: | Ueber die Anwendung harter Kalksteine und des Kalks überhaupt zur Bodenverbesserung; von N. Boubée. | 
| Fundstelle: | Band 115, Jahrgang 1850, Nr. LXII., S. 311 | 
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                        LXII.
                        Ueber die Anwendung harter Kalksteine und des
                           Kalks überhaupt zur Bodenverbesserung; von N. Boubée.
                        Aus den Comptes rendus, Octbr. 1849, Nr.
                              16.
                        Boubée, über Anwendung harter Kalksteine als
                           Dünger.
                        
                     
                        
                           Im Jahr 1846 hatte sich nach dem Bau einer Badeanstalt zu
                              Chalets-Saint-Nérée (Ober-Pyrenäen) auf dem
                              Arbeitsplatz der Steinmetze eine dicke Schicht von Marmorabfällen angehäuft (es war
                              ein weißer, graugeaderter Kalkstein, dem italienischen ganz ähnlich). In der
                              Ueberzeugung, daß dieser Marmor, ungeachtet seiner Härte, in sandförmigen Zustand
                              verkleinert, auf Granit-Erdreich zur Verbesserung des Bodens angewandt,
                              ebenso wirken werde, wie vorher zu Kalk gebrannter, nur noch auf nachhaltigere Weise
                              – ließ ich alle diese Abfälle durch die Siebflechte werfen, wodurch ich etwa
                              1 Kubikmeter Kalkstein in groben Körnern erhielt, welchen ich in kleinen Erdstreifen
                              auf ganz aus verwitterten Granittrümmern bestehenden Feldern verbreiten ließ. Im
                              ersten Jahr war noch kein sehr merklicher Erfolg wahrzunehmen; doch bemerkte man
                              einige dickere und höhere Aehren; als ich aber zwei Monate nach der Ernte selber an
                              Ort und Stelle kam, fand ich zu meiner großen Freude, daß überall, wohin ich
                              Kalksand hatte streuen lassen (welcher übrigens auf der Oberfläche noch sehr leicht
                              zu erkennen war), viel mehr Unkräuter zwischen den Stoppeln waren, als da wo keiner
                              gestreut wurde. Namentlich mehrere Labiaten, Teucrium- und Thymus-Species gab
                              es da in Ueberfluß, und ringsherum gar nicht. Nun lieben bekanntlich diese
                              Labiaten den Kalkboden, und manche Arten, z.B. Teucrium
                                 pyrenaicum, werden in der ganzen Gebirgskette überall gefunden, wo sich der
                              kleinste Kalksteinfelsen zeigt, hingegen nirgends, wo der Kalkstein gänzlich fehlt.
                              Uebrigens fand ich auch die Stoppeln stärker und dicker überall wo mit Kalk gedüngt
                              worden war, und indem ich mir sehr leicht erklären konnte, warum die Wirkung des
                              Kalksteins keine auffallendere war, zweifelte ich auch nicht mehr, daß in den
                              folgenden Jahren das Resultat viel deutlicher hervortreten werde. Nach den von mir
                              seitdem eingezogenen Erkundigungen waren überall, wo Marmor hingebracht wurde, die
                              Roggen- und Weizen-Aehren schöner, die Halme stärker und dicker;
                              einige dicke Halme wurden ausgerissen, wo man dann kleine Marmorstückchen zwischen
                              den Wurzelfasern fand.
                           Ich bin überzeugt, daß diese Kalksteintrümmer ihren wohlthätigen Einfluß 30–40
                              Jahre lang und darüber üben werden, weil sie groß und hart genug sind, um so lange
                              zu brauchen, bis das Wasser sie gänzlich auflösen und zum Verschwinden bringen kann;
                              hätte ich diesen Marmor zu Pulver reiben lassen, so hätte er ohne Zweifel auch in
                              geringerer Menge viel schneller und auffallender gewirkt, aber bei weitem nicht so
                              nachhaltig.
                           Brennt man den Kalkstein zu Kalk, so wird er dadurch äußerst fein zertheilt und
                              auflöslicher gemacht; er wirkt dann viel kräftiger, aber auch minder nachhaltig; in
                              4–5 Jahren erlischt seine Wirkung gänzlich.
                           Es ist sehr einleuchtend, daß bei meinen Versuchen die Wirkung im dritten Jahr eine
                              sichtbarere seyn mußte als im ersten, wo der Kalkstein bloß auf die Oberfläche des
                              Bodens gebracht wurde. Soll er auf die Vegetation wirken, so muß er nicht nur von
                              Wasser aufgelöst werden, sondern auch in diesem Zustand ziemlich lange Zeit mit den
                              Wurzeln in Berührung seyn, um absorbirt zu werden. So lange er aber auf der
                              Oberfläche ist, erleidet er die Einwirkung des Wassers nur während der kurzen Zeit,
                              wo die Erde vom Regen befeuchtet ist; sobald sie wieder trocken wird, wird der
                              Kalkstein ein für die Pflanze träger (unwirksamer) Körper. Etwas ganz anderes ist
                              es, wenn er untergegraben wird und sich in der Gegend der Wurzeln befindet; hier
                              behält das Erdreich das ganze Jahr hindurch mehr oder weniger Feuchtigkeit und der
                              Kalkstein wird also nothwendig angegriffen.
                           Aus Obigem geht hervor, daß man selbst die härtesten Kalksteine mit sehr großem
                              Nutzen anwenden kann, ohne sie vorher zu Kalk zu brennen. Die Frage, unter welchen
                              Umständen es vortheilhafter ist den Kalkstein in seinem natürlichen Zustande anzuwenden
                              anstatt zu Kalk gebrannt, halte ich für viel complicirter, als sie auf den ersten
                              Anblick scheinen möchte; denn zu ihrer Lösung müssen die mineralische Beschaffenheit
                              des Bodens, der Anschaffungspreis der verschiedenen natürlichen und künstlichen
                              Dünger, die Kosten und örtlichen Gelegenheiten zum Brennen der Kalksteine etc.
                              berücksichtigt werden.