| Titel: | Ueber einige Verbesserungen in der Rübenzuckerfabrication; vom Medicinalrath Friedrich Michaëlis zu Magdeburg. | 
| Autor: | Friedrich Michaëlis | 
| Fundstelle: | Band 115, Jahrgang 1850, Nr. XCIV., S. 445 | 
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                        XCIV.
                        Ueber einige Verbesserungen in der
                           Rübenzuckerfabrication; vom Medicinalrath Friedrich Michaëlis zu
                           Magdeburg.
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              VI.
                        Michaelis, über Verbesserungen in der
                           Rübenzuckerfabrication.
                        
                     
                        
                           Im Jahre 1838 habe ich mit den HHrn. Baumann und F.
                                 Maquet zu Bakau bei Magdeburg eine Rübenzuckerfabrik angelegt. Schon
                              mehrere Jahre hindurch hatte ich Versuche im Kleinen über die Gewinnung des Zuckers
                              aus Rüben gemacht, wodurch ich die Ueberzeugung gewann, diese Fabrication auf einen
                              günstigeren Standpunkt bringen zu können.
                           Bevor ich jedoch zu Verbesserungen des Verfahrens überging, glaubte ich die Fabrik zu
                              Bakau erst auf einen solchen Standpunkt gelangen lassen zu müssen, daß sie nach
                              der damaligen Lage der Fabrication eine ebenso gute Waare liefere als irgend eine
                              andere Fabrik. Es wurde dieß erst im zweiten Jahre erreicht. Nun erst beschloß ich
                              mit meinen beiden HHrn. Compagnons Verbesserungen des bisherigen Verfahrens in der
                              Fabrik anzuwenden; diese Maßnahme, wo ich nun das Resultat des ältern Verfahrens in
                              seiner Vollkommenheit vor mir habe, setzt mich in den Stand bei jeder neuen
                              Verfahrungsart die Resultate davon mit den älteren genau vergleichen und darnach
                              prüfen zu können, ob der Erfolg davon wirklich ein günstiger, oder wie es oft bei
                              neuen Erfindungen eintritt, ein tauschender ist.
                           Die erste wesentliche Verbesserung des Verfahrens wurde von mir in der Campagne
                              1841/42 in der Fabrik eingeführt.
                           Schon im Jahr 1811 führten die Rübenzuckerfabrikanten in hiesiger Gegend ein anderes
                              Verfahren ein, als die französischen angenommen haben, indem letztere nur darauf
                              ausgehen Rohzucker zu produciren, während die ersteren sogleich aus dem Rübensafte
                              auf den ersten Wurf eine vom Rübengeschmack freie, verkäufliche Waare herzustellen
                              suchen, welche unter dem Namen „Saftmelis“ bekannt ist.
                           Das Mittel zur Erreichung dieses Zweckes war damals in der Campagne 1841/42 die
                              Schwefelsäure. Unter Anwendung der Schwefel säure gelingt es einem möglichst
                              sorgfältig arbeitenden Fabrikanten schon bei Anwendung von nur 4 Procent
                              Knochenkohle einen guten brauchbaren Saftmelis zu liefern.
                           In Frankreich fürchten die Fabrikanten die Anwendung der Schwefelsäure, weil sie der
                              Meinung sind, daß durch ihre Anwendung die Krystallisationsfähigkeit des Zuckers
                              leide. Daß die französischen Fabrikanten hierin wohl nicht Unrecht haben, dafür
                              spricht die Erfahrung eines hiesigen Kandisfabrikanten, welcher wiederholt gegen
                              mich geäußert hat, daß er aus Rübenzucker, der unter Anwendung von Schwefelsäure
                              bereitet worden sey, nie einen reinsteinigen Kandis habe erhalten können, während
                              Rübenzucker, der ohne Anwendung von Schwefelsäure gewonnen worden sey, einen
                              reinsteinigern Kandis liefere als indischer Zucker.
                           Will man ohne Schwefelsäure einen reinschmeckenden Saftmelis darstellen, so sind dazu
                              mehr als 10 Procent der so theuern Knochenkohle erforderlich, wie dieß durch
                              Versuche in hiesigen Fabriken hinlänglich bewiesen ist, und daher entspringt das
                              Streben der Fabrikanten durch Hülfe anderer Mittel, als der Knochenkohle, wohlfeiler zum Ziele zu
                              kommen.
                           Der Zweck des Zusatzes der Schwefelsäure besteht darin, den Kalk zu neutralisiren und
                              dadurch zu entfernen, welches letztere jedoch nicht vollständig geschieht, da ein
                              Theil des Kalkes in der Zuckerauflösung als Gyps zurückbleibt. Daß die Entfernung
                              des Kalkes viel vollständiger als durch Schwefelsäure, durch Kohlensäure zu
                              erreichen sey, ist jedem Chemiker bekannt, daß aber durch Anwendung von Kohlensäure
                              dieser Zweck ohne besondere Benachtheiligung der Qualität des Zuckers zu erreichen
                              sey, hatte ich bei meinen Versuchen im Kleinen längst genügend gefunden. Auch hatte
                              ich gefunden, daß es zweckmäßiger sey, diese Operation nicht unmittelbar nach der
                              Scheidung des Rübensaftes vorzunehmen, sondern erst nachdem die Abdampfung des
                              Saftes erfolgt war. Es fehlte mir aber damals noch das Mittel und die Gelegenheit es
                              im Großen unter den für die Fabrication erforderlichen Bedingungen, nämlich mit
                              einem verhältnißmäßig geringen Aufwand an Zeit und Kosten zur Anwendung zu
                              bringen.
                           In der Campagne 1841/42 erhielten die hiesigen Fabrikanten die Nachricht, daß der
                              Chemiker Hr. Schatte zu
                              Halberstadt ein neues Verfahren angegeben habe, den Kalk aus dem geschiedenen
                              Rübensafte zu entfernen, und daß der in der Fabrik des Hrn. Wrede zu Halberstadt unter Anwendung dieses
                              Verfahrens gewonnene Rohzucker sich durch Schönheit auszeichne.
                           Mehrere hiesige Fabrikanten bestimmten Hrn. Schatte ihnen dasselbe mitzutheilen. Indessen
                              entsprach der Erfolg den Erwartungen nicht; jedoch wurde dadurch sein Verfahren
                              bekannt; es bestand darin: durch den geschiedenen Rübensaft Luft zu pumpen, die über
                              brennende Kohlen gegangen war. Er wendete also die Kohlensäure auf den Rübensaft in
                              der Art an, wie dieß bei der Bleiweiß-Fabrication geschieht. Dieß konnte aber
                              bei der Rübenzuckerfabrication nach meinem Dafürhalten kein günstiges Resultat
                              geben.
                           Schon früher im Jahr 1833 hatte Professor Kuhlmann
                              Polytechn. Journal Bd. LII S. 67. hie Anwendung der Kohlensäure vorgeschlagen, um den Verbrauch der
                              Knochenkohle bei der Rübenzuckerfabrication zu vermindern. Er sagt darüber
                              folgendes: „Ich bin überzeugt, daß im Großen über diese Methode
                                 angestellte Versuche glückliche Resultate geben würden. Die Kohlensäure ließe sich auf
                                 verschiedene Weise mit dem Safte in Berührung bringen. Würde die Kohlensäure
                                 durch Zersetzung der Kreide dargestellt, so könnte man folgendermaßen
                                 verfahren:
                              
                           
                              „Man leite das Gas, nachdem es vorher durch kohlensaures Alkali von aller
                                 anhängenden Säure gereinigt worden wäre, in ein Gasometer von derselben
                                 Beschaffenheit, wie diejenigen bei der Gasbeleuchtung. Von da führe man es durch
                                 eine mit Hahn und am Ende mit kleinen Löchern versehenen Röhre in die
                                 Flüssigkeit. Das Gas wird auf diese Weise bloß unter dem Drucke des Gasometers
                                 durch den noch heißen Saft aufsteigen. Man könnte auch, um das Gas noch mehr zu
                                 vertheilen, das Ende der durchlöcherten Röhre nach Art des Taylor'schen Rostes
                                 einrichten.“
                              
                           
                              „Wollte man das Gas durch Verbrennen von Holzkohlen darstellen, so scheint
                                 es mir am ökonomischsten zu seyn, wenn man es durch einen in fein zertheilter
                                 Gestalt herabfallenden Strom die Flüssigkeit absorbiren ließe. Ließe sich dieß
                                 der Localität wegen nicht gut einrichten, oder würden sich sonst Uebelstände
                                 dabei zeigen, so könnte man sich des Apparates bedienen, welcher an einigen
                                 Orten gebraucht wird, um Luft in den Zuckersyrup einzublasen. Das aus Holzkohlen
                                 bereitete Gas müßte aus dem Ofen in einen Behälter und von da, durch ziemlich
                                 feine wollene Gewebe hindurch, damit keine Asche oder sonst ein fremdartiger
                                 Körper es verunreinige, mittelst eines Gebläses in den Kessel getrieben werden.
                                 Auf diese Art würde man nicht allein die Trennung des Kalkes bewerkstelligen,
                                 sondern das Abdampfen ginge auch schneller vor sich, besonders wenn man das Gas
                                 vor seiner Ankunft im Kessel noch durch erhitzte Röhren strömen ließe, überhaupt
                                 wenn man das ganze Verfahren des Lufteinblasens, wie es in einer Abhandlung von
                                 Peuvion im Jahre 1832 beschrieben ist, befolgen
                                 würde.“
                              
                           
                              „Diese Verfahrungsweisen scheinen mir von keiner Schwierigkeit zu seyn,
                                 doch bin ich noch nicht im Stande gewesen, Versuche darüber im Großen
                                 anzustellen und ich habe daher die genaue Einrichtung eines hierzu gehörigen
                                 Apparats noch nicht studirt.“
                              
                           Hr. Pelletan äußerte sich über
                              diesen Gegenstand im Jahr 1835 in einer Abhandlung über Läuterung des Rübensaftes
                              und über ein Verfahren, nach welchem derselbe immer in den zum Verstehen
                              geeignetsten Zustand gebracht werden kann. Er sagt:Polytechn. Journal Bd. LVIII S.
                                       416.
                              
                           
                           
                              „Einige gewandte Chemiker schlugen in einer der Akademie zu Lille
                                 mitgetheilten Abhandlung vor, den überschüssigen Kalk mit Kohlensäure zu füllen,
                                 obschon sie die Schwierigkeiten, die dieß sehr rationelle Verfahren bei der
                                 Ausführung darbieten mußte, nicht verhehlten. Ich selbst dachte gleichfalls an
                                 die Anwendung dieses Mittels, und traf auch wirklich an meinen Apparaten zum
                                 Versieden im luftleeren Raum die hierzu erforderlichen Einrichtungen; allein bei
                                 genauerer Prüfung fand ich, daß diese Methode nicht nur lästig, sondern auch
                                 unnütz ist. Ich fand, daß der Runkelrübenzucker, um gehörig zu sieden ohne sich
                                 roth zu färben, einen Ueberschuß an Alkali enthalten müsse; daß wenn dieser
                                 Ueberschuß nicht groß genug ist, die Zucker roth werden, und daß wenn die
                                 Alkalien in zu großem Ueberschuß vorhanden sind, die Syrupe sich fett sieden und
                                 gelbe feinkörnige Zucker geben. Ich fand diese Resultate durch mehrfache
                                 Versuche bewährt, und eine Erscheinung, welche meinen Versuchen fremd war, kam
                                 denselben noch zu Hülfe.“
                              
                           
                              „Der mit heißer Luft arbeitende Apparat des Hrn. Chevalier Brame erzeugt nämlich zufällig
                                 öfters eine vollkommene Sättigung des in dem geläuterten Safte enthaltenen
                                 Alkali, indem die Kohlensäure, welche in den großen Quantitäten Luft, die dieser
                                 Apparat durch den Saft treibt, enthalten ist, hinreicht, um allen Kalk zu
                                 fällen. Aus diesem Grunde erhält man, wie man sich im vorigen Jahre überzeugen
                                 konnte, bei Anwendung dieser Vorrichtung auch häufig rothe, nach Caramel
                                 riechende Zucker. Der Nachtheil hierbei besteht nicht nur darin, daß die Zucker
                                 dieser Art einen geringern Werth haben, sondern die von ihnen herrührenden
                                 Syrupe sind auch mager und sehr schwer zu behandeln, so daß die ersten Producte
                                 zwar reich und grobkörnig, die nachfolgenden aber sehr schleckt
                                 werden.“
                              
                           Hierauf erklärte Pelletan im Jahre 1837:Polytechn. Journal Bd. LXVI. S.
                                       62.
                              
                           
                              „Das einzige Mittel, welches bei der Behandlung der Syrupe im Großen
                                 anwendbar und geeignet ist, um den Kalk, welcher dem Rübensafte zum Behuf der
                                 Klärung im Ueberschusse zugesetzt werden mußte, wieder zu beseitigen, ist die
                                 Schwefelsäure.“
                              
                           Indem ich, wie bereits oben angeführt worden ist, durch Versuche im Kleinen zu der
                              Ueberzeugung gelangt war, daß, ohne Benachtheiligung der Qualität des Zuckers, der
                              Rübensaft durch Kohlensäure von dem zugesetzten Kalkgehalte befreit werden könne,
                              daß aber diese Operation erst nach Abdampfung des Rübensaftes, nachdem durch das Kochen mit dem
                              überschüssigen Kalke das im Safte enthaltene Pektin zum Theil ausgeschieden, zum
                              Theil in metapektinsauren Kalk verwandelt worden sey, geschehen dürfe; indem ich
                              ferner die von Hrn. Professor Kuhlmann vorgeschlagene Anwendung der reinen Kohlensäure, der von
                              ihm vorgeschlagenen und von Hrn. Schatte angewendeten, durch Verbrennung von Kohle erhaltenen vorzog
                              und das von Kuhlmann empfohlene Verfahren für viel zu
                              kostbar und zeitraubend hielt, wurde ich bewogen ein anderes Verfahren zur Anwendung
                              reiner Kohlensäure behufs der Niederschlagung und Entfernung des Kalkes aus dem
                              abgedampften Rübensafte und einen dazu dienlichen Apparat zu ersinnen.
                           Mein Verfahren und mein Apparat, welcher in Fig. 18 und 19 abgebildet
                              ist, bestehen in Folgendem:
                           1) Ich bediene mich einer kupfernen runden Pfanne E von
                              ungefähr 800 Quart Inhalt. In diese lasse ich den zu 15 bis 20° Baumé
                              abgedampften und über eine geringe Quantität Kohle filtrirten Rübensaft durch eine
                              in der Mitte des Bodens sich öffnende Röhre F aus einem
                              höher gelegenen Reservoir G hinein laufen. Eine etwas
                              kleinere Pfanne H wird dergestalt in die größere Pfanne
                              als Stülpe hineingesenkt, daß sie den Rübensaft bedeckt, und nur der wenige
                              Rübensaft unbedeckt bleibt, welcher sich zwischen den Wänden der beiden Pfannen
                              befindet. Ein Hahn I im Boden der eingesenkten Pfanne
                              gestattet der atmosphärischen Luft zu entweichen, wenn sie durch den einströmenden
                              Rübensaft verdrängt wird.
                           2) Auf dem Boden der größern Pfanne ist ein drehbarer Apparat K, K, K mit vier Flügeln, um den Rübensaft während der Operation
                              umzurühren, in der erforderlichen Bewegung zu erhalten und die auf der Oberfläche
                              entstehende Kalkhaut zu zerreißen. Hierzu befindet sich an diesem Apparate ein unten
                              zweitheiliger nach oben gekröpfter Hebelarm M, M,
                              welcher zwischen den Wänden der beiden Pfannen in die Höhe steigt, sich oberhalb der
                              äußern Pfanne auf den Rand derselben vermittelst einer Rolle N stützt und während der Operation durch einen Menschen hin und her bewegt
                              werden kann, was genügt, um die Masse des Saftes mittelst jener vier Flügel in die
                              erforderliche Bewegung zu setzen.
                           3) Nachdem die Pfanne E mit abgedampftem Rübensafte
                              gehörig gefüllt ist, wird der weitere Zulauf des Saftes durch den Verschluß eines
                              Hahnes O gehemmt und dagegen durch Oeffnung eines andern
                              Hahnes P das Einströmen des kohlensauren Gases vermittelt und
                              zwar durch dieselbe Röhre, durch welche der Saft eingetreten war. Die Kohlensäure
                              kann wegen der Stülpe nicht entweichen, wird durch das Rühren mit allen Theilen des
                              Saftes in Berührung gebracht, verbindet sich mit dem im Safte befindlichen Kalke und
                              bewirkt dadurch dessen Ausscheiden aus dem Safte.
                           4) Ist dieß genügend bewirkt, wovon man sich durch das Hineingießen einer Auflösung
                              von kohlensaurem Kali in eine von dem Safte genommene und filtrirte Probe überzeugen
                              kann, so wird der vom Kalke befreite Saft durch dieselbe Röhre worin er gekommen
                              war, vermittelst eines dritten Hahnes Q abgelassen,
                              weiter eingedickt und über Knochenkohle filtrirt, während die Operation der
                              Ausscheidung des Kalkes mit anderem Safte von neuem vorgenommen wird.
                           5) Die Kohlensäure wird durch Aufguß von Schwefelsäure auf Kreide in einem
                              verschlossenen Fasse erzeugt, geht aus demselben durch eine Röhre in ein zweites,
                              kleineres, verschlossenes Faß über, aus welchem sie mittelst einer andern Röhre R dem Apparate E zugeführt
                              wird.
                           Ein einziger Apparat von der angegebenen Größe reicht hin, um den eingedickten Saft
                              von 2000 Centner täglich verarbeiteter Rüben vom Kalke zu befreien; auch geht dabei
                              so wenig an Kohlensäure verloren, daß zur Entwickelung derselben nicht mehr
                              Schwefelsäure verwendet wird, als man verwenden würde, wenn man dieselbe unmittelbar
                              dem Safte zusetzen würde um seine alkalischen Eigenschaften aufzuheben.
                           Dieses Verfahren ist nun seit der Campagne 1841/42 in der Fabrik zu Bukau fortwährend
                              in Anwendung gewesen und hat sich ausgezeichnet bewährt, denn:
                           1) sieht der mit Kohlensäure gewonnene Saftmelis ebenso schön aus als ein durch bloße
                              Filtration über große Mengen von Knochenkohle gewonnener, und viel schöner als ein
                              Saftmelis der durch Anwendung von Schwefelsäure gewonnen wurde; letzteres wohl mit
                              deßhalb, weil bei dem mit Kohlensäure gewonnenen Saftmelis die Nachtheile wegfallen,
                              welche die französischen Fabrikanten bei der Anwendung der Schwefelsäure
                              fürchten;
                           2) ist der Geschmack des durch Kohlensäure gewonnenen Saftmelis ganz rein, namentlich
                              ist er völlig frei von einem Rübengeschmacke, den der ohne Schwefelsäure bloß mit
                              Knochenkohle bereitete Saftmelis häufig besitzt, und völlig frei von dem Beigeschmacke des mit
                              Schwefelsäure bereiteten Saftmelis, der von dem in ihm verbleibenden Gypse
                              herrührt.
                           Eine zweite wesentliche Verbesserung des Verfahrens wurde von mir in der darauf
                              folgenden Campagne von 1842/43 eingeführt.
                           Unstreitig ist die Bildung von Säuren, welche sich bei der Fabrication des Zuckers
                              aus Runkelrüben in dem Safte bei allen Behandlungen welchen derselbe unterworfen
                              wird, entwickeln, die Hauptveranlassung, daß von dem in der
                                 Rübe enthaltenem Zucker jetzt nur etwa die Hälfte gewonnen wird, während zu
                              der damaligen Zeit noch weniger als die Hälfte gewonnen wurde. Schon bei meinen
                              Versuchen im Kleinen war ich zu der Ueberzeugung gekommen, daß der Saft einer reifen
                              unverdorbenen Rübe nicht sauer sey; auch hatte mir Hr.
                              Geheimerath Dr. Mitscherlich
                              dieß als eine von ihm gemachte Erfahrung mitgetheilt. Ist nun der Saft in der Rübe
                              nicht sauer, so entsteht offenbar die Säure in dem zur Läuterung kommenden
                              Rübensafte während des Zerreibens der Rübe, des Auspressens des Rübenbreies und der
                              Ansammlung des Saftes bis zur Füllung der Scheidepfanne.Nämlich durch die Zersetzung welche im Saft von den stickstoffhaltigen
                                    Bestandtheilen desselben in Gang gebracht wird; die saure Beschaffenheit des
                                    Saftes verwandelt aber den Rohrzucker in Traubenzucker.A. d. Red.
                              
                           Es schien mir, daß eine wesentliche Verbesserung der Gewinnung des Rübenzuckers mit
                              der möglichsten Beseitigung dieses Uebelstandes beginnen müsse.
                           Bis dahin hatte man in dieser Beziehung nur versucht dem sauren Rübenbrei Kalkstaub
                              zuzusetzen, um die Säuren zu binden und ihrer weiteren Bildung und ihrem schädlichen
                              Einflusse auf den Zucker entgegenzutreten; jedoch wurde dieß Verfahren in hiesiger
                              Gegend nicht angewendet. Ich beschloß daher zunächst dieß Verfahren zu prüfen und
                              ließ zu dem Ende dem Rübenbrei zerfallenen Kalk zusetzen, fand jedoch, daß durch
                              diesen Zusatz die Säuerung des Saftes nicht vermindert werde; auch ergab sich dabei
                              der Uebelstand, daß der mit Kalk versetzte Rübenbrei sich schlecht pressen ließ.
                           Indem ich mir nun die Ursachen klar zu machen suchte, welchen das schlechte Gelingen
                              dieses Versuchs zuzuschreiben sey, gelangte ich zu folgenden Ansichten:
                           
                           1) stellte sich mir heraus, daß eine Tilgung der Säuren im Rübenbrei das fernere
                              Sauerwerden desselben nicht verhindere;
                           2) glaubte ich annehmen zu können, daß, wie bei der geistigen Gährung, so auch bei
                              der sauren Gährung des Rübensaftes die Gährung durch das Ausscheiden eines Ferments
                              hervorgerufen werde.
                           Durch letztere Ansicht kam ich auf den Gedanken, daß die Säuerung im Rübensafte sich
                              doch wohl durch Substanzen müsse verhindern lassen, die das
                                 Ferment abhalten sich auszuscheiden, und daß dieß durch den Zusatz
                              alkalischer Substanzen zu erreichen seyn möchte, obschon dieß durch den Kalkzusatz
                              nicht erreicht worden war.
                           Mir schienen nämlich die Niederschläge, welche durch den Kalk im Rübensafte erzeugt
                              werden, in dem Maaße die Gährung des Saftes befördern zu können, als der durch den
                              Kalk entstandene alkalische Zustand diese Gährung verhindert.
                           Nach dieser Ansicht war zur Verhinderung der Zersetzung des Rübensaftes in Säuren
                              allerdings eine alkalische Substanz zu wählen, aber keinesweges eine alkalische
                              Erde, sondern vielmehr ein Aetzalkali.
                           Bei dem Versuche mit dem Kalke hatte ich, wie oben erwähnt, beobachtet, daß sich der
                              mit Kalk versetzte Rübenbrei schlecht pressen lasse. Diese Erscheinung leitete ich
                              davon ab, daß der Kalk das im Rübensafte und in den Rübenzellen enthaltene Pektin in
                              Pektinsäure verwandle, damit pektinsauren Kalk bilde, welcher vermöge seiner
                              gelatinösen Beschaffenheit das Auspressen beschwerlich mache. Deßhalb mußte ich bei
                              der Wahl eines Alkali auf diese Erscheinung Rücksicht nehmen und also ein solches
                              wählen, was das Pektin nicht in Pektinsäure verwandelt, also, nach der Angabe über
                              die Eigenschaften des Pektin, kein fixes Alkali, sondern allein das Ammoniak.
                           Sollte aber das Ammoniak die Zersetzung des Zuckers möglichst verhindern, so mußte
                              ich es der Rübe schon bei ihrer Zerkleinerung zuführen
                              und also auf die Reibe fließen lassen, und nicht erst dem zerriebenen Breie
                              zusetzen.
                           Endlich war vom Ammoniak nicht zu fürchten, daß durch seine Anwendung der Salzgehalt
                              im Syrup erhöhet und der Werth der ausgepreßten Rübenmasse als Viehfutter
                              beeinträchtigt werden würde.
                           Gewöhnlich werden in den hiesigen Fabriken 809 Quart oder 2025 Pfd. Saft auf einmal
                              geschieden. In der Campagne 1842/43 wurden in den verschiedenen Fabriken um
                              Magdeburg zur Scheidung eines solchen Saftquantums 8,9 und 10 Pfd. Kalk verwendet. Das Quantum des
                              Kalkzusatzes richtet sich natürlich nach der Menge der Säuren, die sich im Safte
                              gebildet haben, und je weniger Säuren im Safte gebildet sind, um so weniger Kalk ist
                              erforderlich.
                           In der Fabrik zu Bukau reichte man im October 1842 mit 7 3/4–8 Pfd. Kalk bei
                              der Scheidung von 800 Quart Saft aus: ein Beweis, daß der Saft in der Fabrik zu
                              Bukau bis zur Scheidung nicht saurer wurde als in irgend einer andern Fabrik.
                           Am 9. October 1842 wurde angefangen die Rüben eines großen Ackerstücks zu
                              verarbeiten. Die Scheidung von 800 Quart Saft aus diesen Rüben erfolgte durch 8 Pfd.
                              Kalk. Der auf diese Weise geschiedene Saft hatte, nachdem er behufs der Versuche mit
                              polarisirtem Lichte über 10 Procent Kohle filtrit worden war, bei 14° R. ein
                              spec. Gewicht von 1,045.
                           In einem gewöhnlichen aufrechtstehenden Lichtpolarisationsapparat, dessen
                              Ocularvorrichtung ein achromatisches Doppelspathprisma bildete (einen Apparat mit
                              Nicol'schen Prismen besaß ich damals noch nicht),
                              zeigte eine 10 Zoll hohe Säule der Flüssigkeit bis zum reinen Roth eine Drehung von
                              18 1/2° rechts. Ferner wurden alle Producte aus diesem Safte, als:
                           
                              a) der verdampfte Saft;
                              b) der mit Kohlensäure vom Kalk
                                 befreite, weiter verdampfte und über Kohle filtrirte Saft;
                              c) die im Vacuum eingekochte Zuckermasse
                                 der Einwirkung des polarisirten Lichtes in über Kohle filtrirten Auflösungen von
                                 der eben angegebenen Dichtigkeit und Säulenhöhe ausgesetzt.
                              
                           Hierbei zeigte:
                           
                              a) die Auflösung des verdampften Saftes
                                 eine Drehung von 17° rechts;
                              b) die Auflösung des mit Kohlensäure
                                 behandelten, weiter verdampften und filtrirten Saftes eine Drehung von
                                 16° rechts;
                              c) die Auflösung der Zuckermasse eine
                                 Drehung von 16° rechts.
                              
                           Um aus diesen Beobachtungen Folgerungen zu ziehen, wurde auch eine Auflösung von
                              Raffinade von der angegebenen Dichtigkeit und Säulenhöhe der Einwirkung des
                              polarisirten Lichtes ausgesetzt. Diese Auflösung polarisirte 26° rechts.
                           Wenn nun nach Niemann eine Raffinadeauflösung von 1,045
                              specifischem Gewicht bei 14° R. 11,77 Procent Zucker enthält, so waren
                              hiernach:
                           
                           
                              
                                 a) im geschiedenen Safte
                                 8,35 Proc. Zucker;
                                 
                              
                                 b) in der Auflösung des
                                    verdampften Saftes
                                 7,69 Proc. Zucker;
                                 
                              
                                 c) in der Auflösung des
                                    neutralisirten und
                                    über          Kohle
                                    filtrirten Saftes
                                 7,24 Proc. Zucker;
                                 
                              
                                 d) in der Auflösung der
                                    Zuckermasse
                                 7,24 Proc. Zucker.
                                 
                              
                           Am 10. October 1842 beschloß ich mit Rüben von demselben Ackerstücke mein neues
                              Verfahren zu prüfen. Zu diesem Ende ließ ich zuerst mit vier Theilen Wasser
                              verdünnte Aetzammoniakflüssigkeit in reichlicher Menge auf die Reibe fließen. Die
                              Wirkung war überraschend. Die Scheidung von 800 Quart des auf diese Weise gewonnenen
                              Saftes konnte mit einem Pfunde Kalk weniger als Tages vorher bewirkt werden. Ich
                              verringerte nun die Quantität des Ammoniaks und bemerkte, daß wenn die Quantität des
                              Ammoniaks für 800 Quart Saft 1/2 Pfd. betrug, daß dann dessen Scheidung noch mit der
                              verringerten Quantität Kalk bewirkt werden konnte, daß aber wenn das Ammoniak 1/4
                              bis 3/8 Pfd. betrug, die Quantität des zur Scheidung erforderlichen Kalkes wieder
                              vermehrt werden mußte.
                           Hiernach ließ ich die Aetzammoniakflüssigkeit mit Wasser verdünnt in dem Verhältnisse
                              auf die Reibe fließen, daß zu jeder Scheidepfanne Saft 1/2 Pfd. Ammoniakflüssigkeit
                              hinzukam, und wendete dieß Verfahren drei Tage hinter einander mit demselben Erfolge
                              an, so daß die Scheidungen in diesen drei Tagen fortwährend mit 7–7 1/4 Pfd.
                              Kalk bewirkt werden konnten.
                           Nachdem der Zulauf von Ammoniak auf 1/2 Pfd. für jede Scheidepfanne von 800 Quart
                              Saft festgestellt worden war, wurden mit den am 10. October 1842 erhaltenen
                              Producten dieselben Versuche angestellt wie am vorhergehenden Tage, und zwar da der
                              Saft bei 14° R. dasselbe specifische Gewicht hatte als Tages zuvor, mit
                              Flüssigkeiten von 1,045 spec. Gewicht in Säulen von 10 Zoll Höhe.
                           Es ergab sich folgendes:
                           
                              
                                 a) der geschiedene über 10
                                    Procent Knochenkohle filtrirte
                                    Saft    polarisirte
                                   20°    
                                    rechts;
                                 
                              
                                 b) die Auflösung des verdampften
                                    Saftes polarisirte
                                   18°     rechts;
                                 
                              
                                 c) die Auflösung des mit
                                    Kohlensäure behandelten und    noch weiter
                                    verdampften und filtrirten
                                    Saftes    polarisirte
                                 17 1/2° rechts;
                                 
                              
                                 d) die Auflösung der Zuckermasse
                                    polarisirte
                                 17 1/2° rechts;
                                 
                              
                           Dieß in der obigen Art mit der Auflösung von Raffinade verglichen, enthielten an
                              Zucker:
                           
                           
                              
                                 a) der geschiedene Saft
                                 9,05 Proc.;
                                 
                              
                                 b) die Auflösung des verdampften
                                    Saftes
                                 8,15 Proc.;
                                 
                              
                                 c) die Auflösung des mit
                                    Kohlensäure behandelten,
                                    weiter    verdampften und über Kohle
                                    filtrirten Saftes
                                 7,91 Proc.;
                                 
                              
                                 d) die Auflösung der
                                    Zuckermasse
                                 7,91 Proc.
                                 
                              
                           Hiernach stellt sich das Verhältniß des Zuckergehalts in dem ohne Anwendung des
                              Ammoniaks geschiedenen Rübensafte und seiner Producte, zu dem mit Anwendung des
                              Ammoniaks geschiedenen Rübensafte und seiner Producte etwa wie 100 : 108.
                           In der Regel muß der Zusatz des Kalkes bei vorgerückter Jahreszeit vermehrt
                              werden.
                           Um hierbei den Einfluß des Ammoniaks kennen zu lernen, wurde der angegebene Versuch
                              noch mehrmals wiederholt, dabei jedoch nur noch einmal durch Lichtpolarisation eine
                              Vergleichung der nach beiden Verfahrungsarten geschiedenen, aus Rüben von demselben
                              Ackerstücke gewonnenen Säfte angestellt. Bei diesem Versuche war das specifische
                              Gewicht des auf dem gewöhnlichen Wege gewonnenen, geschiedenen und über Kohle
                              filtrirten Rübensaftes 1,050 und seine Drehung des polarisirten Lichtes 20°
                              rechts, während der mit Ammoniak gewonnene und ebenso behandelte Saft bei demselben
                              specif. Gewicht eine Drehung des polarisirten Lichtes von 23 1/2° rechts, und
                              eine Raffinadeauflösung von demselben specifischen Gewichte eine Drehung des
                              polarisirten Lichtes von 31° rechts zeigten.
                           Anlangend die Verminderung des Kaltzusatzes bei der Scheidung des Rübensaftes durch
                              das Ammoniak, so betrug dieselbe, so lange die Scheidung des Saftes ohne
                              Ammoniakzusatz mit 7 3/4–8 Pfd. Kalk bewirkt werden konnte, 3/4–1 Pfd.
                              Kalk; als jedoch bei vorgerückter Jahreszeit zu einer Scheidung des Saftes, wenn das
                              Ammoniak nicht angewendet wurde, 8–8 1/2 Pfd. Kalk erforderlich waren, so
                              wurde die Verminderung des Kalkzusatzes durch Anwendung des Ammoniaks noch
                              vergrößert.
                           Am 14. December 1842 wurden Rüben von einem großen Ackerstücke in der Fabrik
                              verarbeitet, deren Saft ohne Anwendung des Ammoniaks bis 8 1/2 Pfd. Kalk zur
                              Scheidung erforderte; als ich aber bei Verarbeitung der Rüben desselben Ackerstücks
                              am 15., 16. und 17. December 1842 das Ammoniak anwenden ließ, so reichte man bei
                              jeder Scheidung mit 6 1/2–7 Pfd. Kalk aus.
                           
                           Bei diesem Versuche in vorgerückter Jahreszeit zeigte sich also das Ammoniak zur
                              Verhinderung der Bildung von Säuren im Rübensafte noch wirksamer als bei den
                              früheren Versuchen.
                           Seit dieser Zeit ist das Ammoniak fortwährend in der Fabrik zu Bukau in Anwendung
                              gekommen, und jeder der weiß was für einen nachtheiligen Einfluß die Gegenwart einer
                              Säure mit Ausschluß der Kohlensäure schon bei der gewöhnlichen Temperatur der Luft
                              auf den Zucker hat, und wie dieser schädliche Einfluß mit Erhöhung der Temperatur
                              wächst, wird, wenn er etwa den Polarisationsversuchen kein Vertrauen zu schenken
                              geneigt seyn möchte, doch den Werth meines Verfahrens zu würdigen wissen, wenn er
                              bedenkt, daß der saure Rübensaft, bevor ihm der Kalk zugesetzt wird, zur Gewinnung
                              einer guten Schaumdecke bis 60° R. erwärmt wird.
                           Beide hier angegebenen Verbesserungen in der Rübenzuckerfabrication veranlaßten mich
                              Patente für dieselben nachzusuchen. Ich erhielt zur Anwendung des Ammoniaks am 24.
                              Julius 1843 ein Patent auf fünf nach einander folgende Jahre: „auf ein für
                                 neu und eigenthümlich erkanntes Verfahren die Zersetzung des Zuckers in dem
                                 Rübenbrei zu verhüten;“ ferner zur Anwendung der Kohlensäure am 8.
                              November 1843 ein Patent auf sechs nach einander folgende Jahre: „auf
                                 einen Apparat, um den Kalk aus dem Rübensafte behufs der Zuckerfabrication zu
                                 scheiden und den Rübensaft zu neutralisiren, soweit derselbe für neu und
                                 eigenthümlich erachtet worden.“
                              
                           Beide Patente sind abgelaufen. Nur drei Fabrikanten haben die Anwendung des Ammoniaks
                              von mir erworben, um die Anwendung der Kohlensäure hat sich niemand bemüht. Mein
                              Vortheil kann bei der Empfehlung meiner Erfindungen jetzt keinen Einfluß haben; aber
                              im Interesse der Fabrication habe ich es nicht unterlassen können, die Fabricanten
                              aufs neue auf meine jetzt durch langjährige Erfahrungen bewährte Erfindungen
                              aufmerksam zu machen, besonders da dieselben noch durch keine andere der Art
                              entbehrlich gemacht worden sind.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
