| Titel: | Versuche in Betreff der Rübenzuckerfabrication; von F. Kuhlmann. | 
| Fundstelle: | Band 116, Jahrgang 1850, Nr. XIII., S. 62 | 
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                        XIII.
                        Versuche in Betreff der Rübenzuckerfabrication;
                           von F.
                              Kuhlmann.
                        Aus dem Moniteur industriel, 1850, Nr.
                              1434.
                        Kuhlmann, über Rübenzuckerfabrication.
                        
                     
                        
                           In zwei Abhandlungen, welche ich in den Jahren 1833 und 1838 veröffentlichte,Polytechn. Journal Bd. LII S. 67 und
                                    Bd. LXX S. 209. habe ich auf die Vortheile aufmerksam gemacht, welche die Zuckerfabrikanten
                              erzielen können, wenn sie bei der Läuterung des Rübensafts einen Ueberschuß von Kalk
                              anwenden und hernach den mit dem Zucker verbundenen Kalk durch einen Strom
                              Kohlensäure abscheiden. Seit sieben Jahren scheint eine große Rübenzuckerfabrik in
                              Magdeburg das Verfahren benutzt zu haben, dessen Vortheile ich hervorzuheben bemüht
                              war,Man vergl. die Abhandlung des Hrn. Medicinalraths Michaelis im vor hergehenden Heft des polytechn. Journals S.
                                    444. und in der letzten Zeit haben sich mehrere Zuckerfabriken im Norden
                              Frankreichs mit Apparaten versehen, um in den kalkhaltigen Rübensaft kohlensaures
                              Gas treiben zu können. Ich theile im Folgenden die Resultate neuer Versuche mit und
                              hoffe daß sie noch vor Ende der Campagne von den Rübenzuckerfabrikanten geprüft
                              werden.
                           Um zu erfahren, in welchen Gränzen man sich hinsichtlich der Menge des Kalks bei der
                              Läuterung zu halten hat, ermittelte ich durch Versuche die Quantitäten von Kalk
                              welche sich bei der Fabrication im Großen mit dem Zucker verbinden, sowie auch diejenigen
                              welche nach der Anwendung der Kohlensäure im Rübensaft zurückbleiben.
                           Den ersten Versuch stellte ich mit einem Rübensaft an, welcher im Großen mit 2
                              Procent Kalk geläutert worden war, ohne daß man das Erhitzen bis zum Kochen trieb;
                              die Analyse ergab daß der aufgelöste Kalk nicht über 176 Gramme per Hektoliter betrug. Bei demselben Rübensaft ergab die
                              alkalimetrische Prüfung eine Quantität verschiedener Alkalien welche durch 205
                              Gramme Kalk repräsentirt wird. Dieser Saft enthielt folglich das Aequivalent von 29
                              Grammen Kalk als Kali oder Natron.
                           Nach der Behandlung mit Kohlensäure blieb im Saft ein Quantum verschiedener Alkalien
                              zurück, welches 60 Grammen Kalk entsprach; daraus geht hervor, daß die Kohlensäure
                              von 176 Grammen Kalk nur 145 Gr. niederschlug, und daß 31 Gr. Kalk in Auflösung
                              zurückblieben, außer dem freien Kali und Natron, deren Verhältniß wir schon bestimmt
                              haben.
                           Bei einem andern Versuch mit einem Saft, welcher in der Fabrik mit 1 1/2 Procent Kalk
                              in der Art geläutert worden war, daß man das Erhitzen bis zum Kochen trieb, ergaben
                              alkalimetrische Proben die Menge des Kalks zu 228 Grammen per Hektoliter. Nach der Behandlung mit Kohlensäure blieben 80 Gramme
                              Kalk, theils als solcher, theils dessen Aequivalent an Kali oder Natron zurück;
                              durch wiederholtes Einströmen von Kohlensäure wurden aus demselben Saft noch 46 Gr.
                              Kalk abgeschieden.
                           Das im Saft aufgelöste Quantum Kalk, welches ein wandelbares ist, wird durch die
                              Kohlensäure stets auf das oben angegebene reducirt, vorausgesetzt daß ihm dieselbe
                              in hinreichendem Ueberschuß dargeboten wird.
                           Nach diesen Daten begreift man, daß es sehr unnütz ist sich in den Zuckerfabriken den
                              Nachtheilen auszusetzen, welche mit der Anwendung einer zu beträchtlichen Quantität
                              Kalk verbunden sind, und daß man durch Erhöhung der Temperatur eine größere Menge
                              desselben in gewissen Gränzen ersetzen kann. 1 1/2 Procent Kalk sind nach meiner
                              Ansicht in allen Fällen ausreichend. Dieß hat sich auch durch eine ziemlich lange
                              Erfahrung in den Fabriken herausgestellt.
                           Ich habe in meinen früheren Abhandlungen bewiesen, daß die Zuckerauflösungen
                              nothwendig Kalk enthalten müssen, damit sich der Zucker nicht verändert, sondern gut
                              conservirt; dieß bekräftigt auch folgende Beobachtung:
                           
                           Mit einem Ueberschuß von Kalk geläuterter Saft, welcher einen Monat lang in einer
                              verschlossenen Flasche aufbewahrt worden war behielt seine Farbe, Durchsichtigkeit,
                              seinen eigenthümlichen Geruch und alkalischen Zustand bei; er zeigte durchaus keine
                              Veränderung. Ein Theil desselben Rübensafts, welcher nach der Fällung des Kalks
                              durch Kohlensäure unter denselben Umständen in einer andern Flasche aufbewahrt
                              wurde, zeigte sich hingegen nach Verlauf eines Monats bedeutend verändert; er färbte
                              sich braun, verlor seine Durchsichtigkeit und bekam einen sauren faulen Geruch: er
                              war ganz verdorben.
                           Daraus geht offenbar hervor, daß der Kalk die Eigenschaft besitzt den Zucker zu
                              conserviren, und daß es nöthig ist den Rübensaft nach der Behandlung mit Kohlensäure
                              ohne Verzug abzudampfen.
                           Alle unsere Fabrikanten wissen, daß der Rübensaft nach der Läuterung seinen
                              alkalischen Zustand nicht bloß dem Kalk verdankt, sondern überdieß einer
                              beträchtlichen Menge Kali und Natron. Sie wissen auch daß diese freien Alkalien bei
                              den verschiedenen Operationen wo die Flüssigkeiten sehr concentrirt sind und der
                              höchsten Temperatur ausgesetzt werden, sehr nachtheilig einwirken.
                           Die Lösung der Frage, wie sich diese Alkalien abscheiden (verdrängen) lassen, wäre
                              für die Zuckerfabrication von großer Wichtigkeit. Leider ist diese Abscheidung nicht
                              leicht; es gibt dazu nur wenige Reagentien, welche kostspielig sind und daher nur
                              bei analytischen Operationen Anwendung finden können.
                           Um in dieser Hinsicht zu einem brauchbaren Resultat zu gelangen, bemühte ich mich das
                              Kali und Natron in eine Verbindung überzuführen, welche auf den Zucker wenig oder
                              gar keine Wirkung äußert. Die Sättigung dieser Alkalien durch eine Säure oder ein
                              saures Salz ist nicht zu empfehlen, weil es schwer ist die dazu erforderliche
                              Säuremenge bei dem geringen Gehalt des Safts an Kali und Natron mit hinreichender
                              Genauigkeit zu bestimmen, ein Ueberschuß der hiezu anwendbaren Säuren und sauren
                              Salze aber den Zucker benachtheiligen würde. Ich hoffte durch Zusatz von
                              schwefelsaurer Bittererde den Zweck zu erreichen, weil ein Ueberschuß dieses
                              neutralen Salzes nicht viel schaden könnte, fand aber bald, daß die Bittererde bei
                              Gegenwart von Zucker durch kaustisches oder kohlensaures Kali und Natron nicht
                              abgeschieden wird.
                           Neuere Versuche gaben mir genügendere Resultate; ich benützte ämtlichämlich zur Sättigung des Kalis und Natrons im geläuterten Saft die Zersetzung der Ammoniaksalze
                              durch die fixen Alkalien. Bei einem Versuche wurde Rübensaft, welcher mit einem
                              Ueberschuß von Kalk geläutert und woraus dann der Kalk durch Kohlensäure
                              abgeschieden worden war, vor dem Abdampfen mit schwefelsaurem Ammoniak, und bei
                              einem andern Versuch mit salzsaurem Ammoniak versetzt; von jedem Ammoniaksalz nahm
                              man 1 Procent der im Saft enthaltenen Zuckermenge, d.h. etwa 1 Theil auf 1000 Theile
                              Saft. Bei dem einen wie bei dem andern Versuch verband sich eine große Quantität des
                              Kalis und Natrons mit der Säure des Ammoniaksalzes, denn es entwickelte sich sehr
                              reichlich Ammoniak. Gegen das Ende des Abdampfens nahm aber die Zuckerlösung eine
                              schwach saure Reaction an; der Ueberschuß von Ammoniaksalz kann also bei diesem
                              Verhältniß schädlich werden. Bei dem schwefelsauren Ammoniak zeigte sich noch der
                              Uebelstand, daß ein Theil des Kalks welcher mit dem Zucker in Verbindung geblieben
                              war, langsam als schwefelsaurer Kalk niedergeschlagen wurde.
                           Die besten Resultate erhielt ich bei Anwendung von phosphorsaurem Ammoniak. Als ich Rübensaft nach der Läuterung und
                              Behandlung mit Kohlensäure mit 1 Procent dieses Salzes versetzte, fiel sogleich der
                              in demselben zurückgebliebene Kalk nieder und die Flüssigkeit entfärbte sich
                              merklich. Das Abdampfen und Verkochen gingen leichter von statten und die
                              Flüssigkeit wurde gegen das Ende sehr schwach alkalisch. Der verkochte Zucker war
                              kaum gefärbt, krystallisirte reichlich, und – was ich bei keinem der
                              vorhergehenden Versuche bemerkt hatte – der Zucker wie die Melassen besaßen
                              einen ähnlichen Geschmack wie die Rohrzuckersyrupe; der so unangenehme
                              Rübengeschmack war verschwunden.
                           Nachdem dieser im Kleinen angestellte Versuch mehrmals mit gleichem Erfolg wiederholt
                              worden war, ließ ich in der Fabrik eine Probe mit 12 Hektolitern Saft anstellen; die
                              Läuterung geschah mit 1 1/2 Procent Kalk und nach der Behandlung mit Kohlensäure
                              (durch Verbrennen von Kohle erzeugt), versetzte man den Saft mit phosphorsaurem
                              Ammoniak im Verhältniß von 1 Kilogr. auf 1200 Liter. Der Niederschlag von
                              phosphorsaurem Kalk vermengte sich hiebei mit dem Niederschlag von kohlensaurem
                              Kalk, was ein doppeltes Filtriren ersparte. Den so behandelten Saft filtrirte man
                              zuerst in einem kleinen (mit wiederbelebter Kohle beschickten) Dumont'schen Filter,
                              und neuerdings auf dieselbe Art nach dem Abdampfen auf 22° B.
                           Das Verkochen ging sehr leicht von statten; der Saft behielt noch eine sehr schwache
                              alkalische Reaction, was beweist daß das Verhältniß des Ammoniaksalzes ein
                              geeignetes war. Der erhaltene Zucker war von vorzüglicher Qualität und zeichnet sich
                              besonders durch seinen guten Geschmack aus.
                           Andererseits wurden 12 Hektoliter Rübensaft eben so geläutert und dann mit
                              Kohlensäure behandelt, aber nicht mit Ammoniaksalz versetzt: das Product des
                              Verkochens war weniger schön, der Syrup war sehr alkalisch und hatte einen sehr
                              deutlichen Rübengeschmack; im Vergleich mit dem vorhergehenden Versuch betrug er
                              auch weniger.
                           Nach der beschriebenen Methode ist man also jetzt im Stande den Zuckersyrup
                              abzudampfen und zu verkochen, ohne daß das im ätzenden oder kohlensauren Zustand
                              vorhandene Kali und Natron auf den Zucker nachtheilig einwirken können.
                           Je nach dem verschiedenen Gehalt des Safts an Kali oder Natron muß man das Verhältniß
                              des Ammoniaksalzes abändern, dessen Quantum sich immer leicht bestimmen läßt, wenn
                              man den Rübensaft nach bewerkstelligter Fällung des Kalks durch Kohlensäure
                              alkalimetrisch probirt. Wenn man die Menge Schwefelsäure genau kennt, welche zum
                              Sättigen eines Liter Saft erforderlich ist, kann man darnach leicht das Gewicht des
                              anzuwendenden phosphorsauren Ammoniaks berechnen; letzteres muß soviel Ammoniak
                              enthalten als der bei der Probe gefundenen Menge Schwefelsäure äquivalent ist.
                           Das phosphorsaure Ammoniak erfüllt zwei Zwecke: es präcipitirt den vom Zucker
                              zurückgehaltenen überflüssigen Kalk und sättigt das Kali und Natron. Wenn dieses
                              Ammoniaksalz einmal im Großen fabricirt wird, kann es zu so billigem Preise in den
                              Handel kommen, daß es in den Zuckerfabriken anwendbar ist.
                           Nachdem man das Verhältniß der freien Alkalien im Saft genau bestimmt hat, kann man
                              das phosphorsaure Ammoniak wenigstens zur Hälfte durch sauren phosphorsauren Kalk
                              ersetzen; denn es kommt nur darauf an, daß das Ammoniaksalz die Sättigung vollends
                              bewirkt und daß man von diesem Salze nicht mehr, sondern eher etwas weniger anwendet
                              als nach der alkalimetrischen Probe erforderlich ist.
                           Lille, den 24 März 1850.