| Titel: | Ueber Hrn. Broquette's Methode zum Bedrucken der baumwollenen, wollenen und aus Wolle und Baumwolle gemischten Gewebe. | 
| Fundstelle: | Band 116, Jahrgang 1850, Nr. XLIII., S. 227 | 
| Download: | XML | 
                     
                        XLIII.
                        Ueber Hrn. Broquette's Methode zum
                           Bedrucken der baumwollenen, wollenen und aus Wolle und Baumwolle gemischten Gewebe.Man vergleiche die Patente des Hrn. Broquette und die Bemerkungen zu denselben
                                 im polytechn. Journal Bd. CIX S. 139 und
                                 Bd. CXV S. 66.
                           
                        Aus dem Journal de Pharmacie, April 1850, S.
                              271.
                        Ueber Broquette's Methode zum Bedrucken
                           baumwollener etc. Gewebe.
                        
                     
                        
                           Wenn man ein Ei in einem gefärbten Bade (dem Absud eines Farbholzes) kochen läßt, so
                              färbt es sich sogleich in der Farbe dieses Bades. Von dieser wohlbekannten
                              Operation, welche an Ostern so häufig vorgenommen wird, hat meines Wissens noch
                              Niemand die Theorie gegeben.
                           Warum färbt sich die Eierschale und warum nehmen auch die Knochen der Thiere die
                              Farbe des Krapps an, wenn man solchen ihren Nahrungsmitteln beigab? Dieß ist das
                              Problem, welches sich Hr. Ch.
                                 Broquette stellte.
                           Wir haben im Ei und in den Knochen zwei Substanzen zu unterscheiden, den
                              mineralischen und den organisirten Bestandtheil, den Mörtel und das Gerüst. Der
                              mineralische Bestandtheil des Eies ist kohlensaurer Kalk; derjenige der Knochen ist
                              phosphorsaurer Kalk mit etwas kohlensaurem Kalk. Versucht man diese Mineralsalze
                              – sie mögen nun von Eierschalen oder Knochen genommen oder künstlich
                              dargestellt worden seyn – zu färben, so gelingt dieses nicht; weder das eine
                              noch das andere Kalksalz kann als Beizmittel (Mordant)
                              für Farben dienen. Macht man aber denselben Versuch mit dem organischen Bestandtheil
                              des Eies oder der Knochen, so bemerkt man, daß sich der eine wie der andere färbt,
                              die Farbe des Bades annimmt.
                           
                           Aus diesem Versuch muß man schließen, daß die Eigenschaft des Eies und der Knochen
                              sich zu färben, nicht dem mineralischen, sondern dem organischen Bestandtheil
                              derselben angehört, welcher als ein wahrhaftes Beizmittel wirkt: er ist ein organischer Mordant.
                           Von diesem Schluß ist zur Anwendung nur ein Schritt. So wie die mit einem
                              mineralischen Beizmittel überzogene Baumwolle sich beim Färben mit den Farbstoffen
                              verbinden kann, welche durch dieses mineralische Beizmittel angezogen wurden
                              – eben so kann sich die mit dem organischen Beizmittel überzogene Baumwolle
                              beim Färben mit den Farbstoffen verbinden, welche durch das organische Beizmittel
                              angezogen wurden.
                           Es war also bloß noch das Mittel zu finden, um die organischen Bestandtheile des Eies
                              oder der Knochen auf der Baumwolle zu befestigen, oder überhaupt andere Substanzen
                              von analoger Natur, z.B. Eiweißstoff, Kleber, Thierfaserstoff, Käsestoff, welche
                              sämmtlich organische Beizmittel sind. Die Wahl Broquette's fiel auf den Käsestoff.
                           Um die Baumwolle mit Käsestoff zu verbinden, muß man denselben löslich machen, damit er das Gewebe durchdringt, und hierauf muß man ihn
                              unlöslich machen, damit er von dem Gewebe nicht mehr
                              abgeht. Braconnot hat gezeigt, daß der Käsestoff sich in
                              Ammoniak auflöst und daß diese Ammoniakverbindung sich beim Erhitzen in Käsestoff
                              und freiwerdendes Ammoniak zersetzt. Broquette benutzt
                              diese Thatsache; er tränkt die Baumwolle mit einer Auflösung von Käsestoff in
                              Ammoniak und erhitzt sie dann; das Ammoniak wird durch die Wärme verjagt und die
                              Baumwolle bleibt mit unlöslichem Käsestoff geschwängert, sie
                                 ist mit Käsestoff gebeizt. Wird solche animalisirte Baumwolle in denselben Färbebädern behandelt wie die Wolle,
                              die animalische Faser, so färbt sie sich auf dieselbe
                              Art.
                           Diese Vorbereitung der Baumwolle ist jedoch keine haltbare, denn die Farben, welche
                              man anwendet, sind alkalisch, und da der Käsestoff in den Alkalien löslich ist, so
                              kann das Beizmittel von der Baumwolle abgezogen werden und sich auflösen; man muß es
                              folglich fixiren, nämlich es in der Lauge unlöslich machen wie es im Wasser
                              unlöslich ist.
                           Bachelier verfiel auf den Gedanken, den Quarkkäse mit
                              Kalk zu verbinden, um einen Kitt zu erhalten, welcher seinen Namen führt; er hatte
                              nämlich beobachtet, daß der Kalk den Käsestoff erweicht und auflöst und dann ihn
                              nach und nach hart und unlöslich macht.
                           Broquette verbindet den Käsestoff mit Kalk, welchen er
                              entweder allein oder gleichzeitig mit Ammoniak anwendet. Die Baumwolle wird also mit
                              Käsestoff-Kalk, anstatt Käsestoff-Ammoniak getränkt. Durch die Wärme bewirkt er was die
                              Zeit für sich thun würde, er macht die Käsestoffverbindung unlöslich; das Beizmittel
                              wird fixirt, aber jetzt auf eine vollständigere Weise, es widersteht dem Waschen mit
                              Lauge.
                           Diese Vorbereitung ertheilt jedoch dem Gewebe eine solche Steifigkeit, daß die
                              Baumwolle, welche sich der Wolle durch ihre Tauglichkeit zum Färben jetzt so sehr
                              nähert, sich von letzterer wieder eben so sehr durch ihre Straffheit und ihren
                              Mangel an Glanz entfernt.
                           Die Oele werden bekanntlich zum Vorbereiten der Kattune für das Türkischrothfärben
                              benutzt; die entstehende fette Substanz, indem sie das Gewebe durchdringt und sich
                              auf demselben befestigt, ertheilt ihm Durchsichtigkeit und Weichheit.
                           Broquette wendet dieses Verfahren an, er setzt seinem
                              organischen Beizmittel schleimiges Olivenöl zu; das Oel, der Käsestoff und der Kalk
                              bilden ein höchst zertheiltes Gemisch, durchdringen das Gewebe, werden in demselben
                              unauflöslich und ertheilen ihm die Eigenschaften: „in den Flotten
                                 dieselben Farbstoffe wie die Wolle anzuziehen und sie mit gleicher Adhärenz
                                 zurückzuhalten, ferner sich der Wolle hinsichtlich des Glanzes und der
                                 Geschmeidigkeit zu nähern.“
                              
                           Es war nun noch eine Schwierigkeit zu besiegen. Gegenwärtig sind Gewebe aus Wolle und
                              Baumwolle sehr gewöhnlich und gerade für diese versprach die organische Beizung sich
                              sehr vortheilhaft zu erweisen. Nun fragte es sich aber, wie man auf diesem Wege die
                              Baumwolle begünstigen könne, ohne der Wolle zu schaden. Druckt man ein Beizmittel
                              auf ein solches halbwollenes Stück, so tränkt dasselbe sowohl die Wolle als die
                              Baumwolle, und während dadurch die Wolle an Glanz und Schönheit verlieren muß, wird
                              sich die Baumwolle nicht durch und durch färben. Um diese Klippe zu vermeiden, trägt
                              Broquette sein Beizmittel vor dem Weben auf; er
                              schlichtet mit seinem Beizmittel die Baumwolle, welche dann verwoben und gebleicht
                              werden kann wie die Wolle und mit derselben, ohne daß das Oel und der Käsestoff,
                              welche der Kalk zurückhält, von ihr abgehen, ohne daß die Verwandtschaft des
                              Beizmittels zu den Farbstoffen geschwächt wird und ohne daß die Baumwolle an ihrer
                              Geschmeidigkeit verliert, so daß eigentlich das Gewebe aus
                                 Wolle und Baumwolle ein wollenes Gewebe geworden ist.
                           Ich habe oben gesagt, daß die auflösliche Verbindung des Käsestoffs mit Kalk (der
                              Käsekitt) in Wasser, sogar alkalischem, unlöslich wird. Broquette benutzte diese Eigenschaft, um auf dem Gewebe farbige Pulver,
                              z.B. Ultramarin, Ocker etc. zu befestigen. Er verdickt diese Pulver mit seinem
                              flüssigen Beizmittel und druckt die Farbe wie gewöhnlich auf. So lange das
                              verdickende Beizmittel flüssig ist, kann die Farbe abgewaschen werden; sobald aber der Käsestoff in
                              festen Zustand übergegangen, geronnen ist, bleibt er mit der eingeschlossenen Farbe
                              auf dem Zeug haftend. Diese Erscheinung ist leicht zu erklären. Man nehme ein
                              frisches Ei, steche in dasselbe zwei Löcher, eines am großen Ende und eines am
                              kleinen Ende, und die Flüssigkeit lauft aus; man mache dieselbe Operation an einem
                              harten Ei und es wird nichts auslaufen. Die Hülle des Eies ist die Faser des
                              Gewebes; letztere hält den geronnenen Käsestoff in den Poren des Gewebes zurück,
                              sowie erstere das hart und unlöslich gewordene Ei umschließt.
                           Wegen dieser Eigenschaft nennt Broquette den Käsestoff caséogomme (Käsegummi). Diese Anwendung des
                              Käsestoffs ist übrigens nicht neu, denn man benutzt seit 1829 (ebenfalls nach Broquette's Angabe) zu demselben
                              Zweck das Eiweiß. Man war jedoch beim Bedrucken der Zeuge mit Mineralfarben, welche
                              mittelst Eiweißes oder Käsestoffs verdickt sind, bisher auf verhältnißmäßig wenige
                              Artikel beschränkt, weil man bei diesem Verfahren – wo das Beizen, Färben
                              etc. wegfallen und der Zeugdruck fast so einfach wie die Papiertapetenfabrication
                              wird – die Pflanzenfarben, welche so lebhaft und von so mannichfaltigen
                              Nüancen sind, nicht anwenden konnte.
                           Broquette hat diese neue Schwierigkeit besiegt; er druckt
                              auf Wollengewebe – oder auf Baumwollengewebe, vorausgesetzt daß letztere
                              durch das organische Beizmittel in Wolle verwandelt sind
                              – alle Pflanzenfarben. Das Verfahren ist höchst einfach; er schlägt die
                              Farbstoffe aus ihrer Auflösung in Wasser in Form eines Lacks, nämlich in Verbindung
                              mit Thonerde oder Zinnoxyd nieder, und druckt auf das Gewebe, ohne andere
                              Vorbereitung, diesen chemischen Niederschlag auf. Hierauf hüllt er das bedruckte
                              Gewebe in ein schwach befeuchtetes Tuch ein, um es zu feuchten, und dann setzt er es
                              noch eine halbe Stunde lang feuchtem Wasserdampf aus. Unter diesen Umständen,
                              nämlich durch den Einfluß der Wärme und der höchsten Feuchtigkeit, durchdringt die
                              scheinbar unauflösliche Farbe nach und nach das Gewebe (ähnlich wie die Kohle das
                              Eisen), verbindet sich mit ihm und bleibt darauf haften. Nur durch den
                              gemeinschaftlichen Einfluß heißer Luft und höchster Feuchtigkeit kann der
                              beabsichtigte Zweck erreicht werden; wenn man den Zeug bloß erwärmt, so trocknet der
                              Lack aus und fällt dann ab.
                           Gewisse Farben, z.B. die Orseille, welche früher in den
                              Kattundruckereien nur ausnahmsweise angewandt wurden, spielen seit Einführung der
                              neuen Verfahrungsarten eine große Rolle und werden durch eine neue sehr sinnreiche
                              Anwendungsweise noch mehr in Aufnahme kommen. Mittelst der Orseille erzeugt man
                              nämlich das prächtige Violett, welches bloß die durch Kalk modificirte Farbe der
                              Orseille selbst ist. Man ist daher genöthigt, den Zeug nach dem Dämpfen der
                              aufgedruckten Farbe durch ein Kalkbad zu nehmen, um das
                              verlangte Violett zu erhalten; dieß beschränkt aber die Anwendung dieser Farbe, weil
                              man gemeinschaftlich mit ihr auf den Zeug nur solche Farben drucken kann, welche
                              durch das Kalkbad nicht benachtheiligt werden. Broquette
                              hat auch diese Schwierigkeit beseitigt, indem er den Kalk durch gebrannte Bittererde ersetzte; die unauflösliche Bittererde spielt
                              wie der Kalk die Rolle einer Basis, ohne die Nachtheile dieser alkalischen Erde
                              darzubieten (also z.B. den rothen Lack nicht zu verändern).
                           Durch das Aufdrucken von Mineralfarben mit Eiweiß oder Käsestoff einerseits, und von
                              Pflanzenfarben in Form von Lacken andererseits, kann man auf den Zeugen –
                              ohne Färbeoperationen – Muster in den mannichfaltigsten Farben erzeugen,
                              welchen man nur einen Fehler vorwerfen kann, nämlich daß sie weder Schatten noch
                              halbe Tinten darbieten. Hr. Broquette hat zur Vollendung seines Werks diesem Mangel auf
                              mechanischem Wege abgeholfen. Sobald ein Muster frisch aufgedruckt ist, legt er den
                              Zeug auf eine trockene Fläche aus einem absorbirenden Stoffe (ein Baumwollgewebe),
                              und treibt mittelst der Pression, welche durch eine ebene dem Muster entsprechende
                              Fläche (Druckform) hervorgebracht wird, einen Theil der Farbe aus dem Zeug, wodurch
                              Schatten entstehen; auf dieselbe Art erzielt er halbe Tinten, indem er Druckformen
                              mit krummen Flächen anwendet. Er nennt diese zwei Druckmethoden, welche ich nicht
                              näher beschreiben werde, impression
                              chromasténique et skiatypique.
                           Bezüglich der Verfahrungsarten des Hrn. Broquette erinnere ich noch schließlich an eine bekannte Thatsache,
                              welche leicht zu erklären ist, nämlich die Entfärbung des rothen Weins durch die
                              Brodkrume. Dahin gehört auch eine interessante Zolldefraudation; man declarirte
                              (spanischen) Xereserwein, der mit Alkannawurzeln gefärbt war, für (portugiesischen)
                              Portwein und entfärbte ihn später mit Milch (Käsestoff).
                           Barreswil.