| Titel: | Ueber Rousseau's neues Verfahren den Zucker aus den Runkelrüben vermittelst des Zuckerkalks zu gewinnen; von Professor Payen. | 
| Fundstelle: | Band 116, Jahrgang 1850, Nr. LIX., S. 297 | 
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                        LIX.
                        Ueber Rousseau's neues Verfahren den Zucker aus den
                           Runkelrüben vermittelst des Zuckerkalks zu gewinnen; von Professor Payen.
                        Aus dem Bulletin de la Société
                                 d'Encouragement, März 1850, S. 132.
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              IV.
                        Payen, über Rousseau's Verfahren den Zucker aus Runkelrüben zu
                           gewinnen.
                        
                     
                        
                           Im J. 1838 machte Hr. Kuhlmann
                              den Vorschlag, einen Ueberschuß von Kalk anzuwenden, um die Veränderungen des
                              Rübensaftes zu vermeiden und den Zucker besser zu reinigen. Er erhielt bei Versuchen
                              im Kleinen gute Resultate, indem er den Zucker in Zuckerkalk verwandelte, um während
                              des Abdampfens Veränderungen des Zuckers zu verhüten, welcher bekanntlich in seiner
                              Verbindung mit Kalk beständiger ist als im freien Zustande; er trennte dann den Kalk
                              durch Kohlensäure vom Zucker. Die Anwendung dieses Verfahrens im Großen schien ihm
                              schwierig zu seyn, obgleich er am Erfolg nicht verzweifelte.
                           Bis zum verflossenen Jahre hatte man auf diesem Wege im Großen kein vortheilhaftes
                              Resultat erhalten. Hr. Rousseau nahm alsdann die Versuche im Kleinen wieder auf und
                              bestimmte die günstigen Bedingungen des Erfolgs; er vereinigte seine Bemühungen mit
                              denjenigen eines unserer geschicktesten Maschinenbauer, des Hrn. Cail, und eines erfahrenen
                              Fabrikanten, des Hrn. Lequime,
                              welchen die Durchführung des Verfahrens im Großen bald gelang. Die merkwürdigen
                              ResultateUeber diese Resultate wurden bereits Daten im polytechn. Journal Bd. CXV S. 457 mitgetheilt., welche man während der letzten Campagne 1849–1850 in der
                              Zuckerfabrik zu Boucheneuille (Nord-Depart.) erhielt, lassen nach meiner
                              Meinung über die vortheilhafte Anwendbarkeit der nun zu beschreibenden Methode in
                              den Fabriken keinen Zweifel übrig.
                           Man gewinnt den Saft aus den Runkelrüben durch die gewöhnlichen Mittel (Waschen,
                              Zerreiben und Auspressen der Rüben). Die Läuterung des Safts geschieht in
                              gewöhnlichen Kesseln mit doppeltem Boden, welche durch Dampf geheizt werden; man
                              wendet beiläufig sechsmal soviel Kalk an als bisher, nämlich soviel, daß der Kalk
                              nicht nur auf die fremdartigen Bestandtheile des Safts wirken, sondern auch mit sämmtlichem in dem Saft
                              enthaltenen Zucker eine Verbindung bilden kann (den Zuckerkalk, welcher auf 2 Aeq.
                              Zucker 3 Aeq. Kalk enthält).
                           Es sind beiläufig 25 Kilogr. Kalk auf 1000 Liter Saft erforderlich; der gelöschte
                              Kalk wird mit seinem sechsfachen Gewichte heißen Wassers angerührt und dann mit dem
                              auf 48° Reaumur erwärmten Saft im Kessel N, Fig. 35,
                              vermischt; man steigert dann die Temperatur des Safts auf 72 oder nahezu 80°
                              R., ohne ihn zum Kochen zu bringen, um das Gerinnen des Zuckerkalks und (nach Rousseau) die Zersetzung einer stickstoffhaltigen
                              Substanz zu vermeiden.
                           Die durch den Hahn O abgezogene Flüssigkeit lauft auf ein
                              Filter P, welches in einer 20 Centimeter (7'' 4 1/2''')
                              dicken Schicht gekörnter Knochenkohle auf einem Plüschgewebe besteht; die von
                              demselben ablaufende Flüssigkeit ist klar, aber grünlichgelb; man leitet sie durch
                              das Rohr Q in einen Läuterungskessel G, der ihre Temperatur unterhält und in welchem die
                              Abscheidung des Kalks vorgenommen wird.
                           Der Apparat zur Fällung des Kalks mittelst Kohlensäure besteht in einer Druckpumpe
                              A, welche von der Dampfmaschine in Bewegung gesetzt,
                              beständig atmosphärische Luft unter den Rost eines geschlossenen Ofens B treibt, welcher in ellipsoidischer Form von
                              Schwarzblech verfertigt und innen mit einer Schicht von Tiegelerde oder Ziegeln
                              gefuttert ist.
                           Dieser Ofen wurde vorher auf dem Rost mit Holzkohlen und darüber mit Kohks beschickt,
                              deren Quantität etwa den fünften Theil vom Gewicht des zur Läuterung eines oder
                              mehrerer Kessel angewandten Kalks beträgt.
                           Die Holzkohle, welche gleich beim Beschicken des Ofens angezündet wird, theilt
                              vermittelst des durch die Pumpe eingetriebenen Luftstroms das Feuer den Kohks mit.
                              Diese Verbrennung erzeugt Kohlensäure (vorausgesetzt daß keine zu dicke
                              Kohlenschicht in Gluth kommt und Kohlenoxyd liefert), gemischt mit Stickstoff und
                              einem kleinen Ueberschuß von Sauerstoff, überdieß reißt das Gas Aschetheilchen und
                              einige verdichtbare Producte mit sich.
                           Diese gasförmige Mischung geht durch das Rohr E in ein
                              Waschgefäß D, worin sie auf ihrem Wege durch das
                              WasserDie Reinigung des Gases erfolgt noch leichter, wenn man es durch ein
                                    Kühlgefäß C' leitet, in welchem kaltes Wasser
                                    circulirt; dieses Kühlgefäß ist an dem Rohr C
                                    angebracht und befindet sich zwischen dem Ofen und dem Waschgefäß. die festen Körperchen und die verdichtbaren Dämpfe absetzt.
                           
                           Die gewaschenen Gase gelangen durch das Rohr F in ein
                              gemeinschaftliches Rohr F', welches sie mittelst Hahnen
                              a in jedem der Kessel G
                              vertheilt, die zu zwei Dritteln mit klarem geläutertem Saft gefüllt sind.
                           Das kohlensaure Gas tritt durch die Einschnitte F'' am
                              unteren Theil des Rohrs aus; es dringt in zahlreichen Blasen durch die Flüssigkeit
                              (welche eine Auflösung von Zuckerkalk ist) und erzeugt einen reichlichen
                              Niederschlag von kohlensaurem Kalk; die Sättigung der Flüssigkeit ist bald beendigt
                              und die überschüssige Kohlensäure entweicht zum Theil in die Luft.
                           Mit der Zersetzung der letzten Antheile von Zuckerkalk verschwindet die Klebrigkeit
                              der Flüssigkeit und es entsteht daher kein Schaum
                              mehr.
                           Man läßt die Flüssigkeit einige Minuten kochen, um die letzten Spuren überschüssiger
                              Kohlensäure zu verjagen, und läßt dann sogleich die trübe Flüssigkeit durch den Hahn
                              d auf ein Filter mit gekörnter Knochenkohle K auslaufen; der gefällte kohlensaure Kalk ist körnig,
                              und verhindert also das Filtriren nicht.
                           Der fast farblose zuckerhaltige Saft wird durch den Hahn e in die Abdampfkessel geleitet; man dampft ihn rasch auf 30 bis
                              31° Baumé abBei den folgenden Operationen scheint es zweckmäßiger zu seyn, das Abdampfen
                                    nur bis auf 28° B. fortzusetzen und dann den Saft auf die Dichtigkeit
                                    von 32° B. durch einen Zusatz von Zucker zu bringen; man nimmt hiezu
                                    Zucker von der 2ten, 3ten oder 4ten Krystallisation, welcher im
                                    Centrifugalapparat vom Syrup befreit und in demselben Apparat einmal mit
                                    Klärsel behandelt worden ist. und bringt ihn dann zum zweitenmal auf die Kohlenfilter.
                           Der filtrirte Syrup ist weiß und klar; man verkocht ihn in den gewöhnlichen
                              Apparaten; man erhält in den blechernen Schüsseln einen Zucker, welcher weißer und
                              von reinerem Geschmack ist als der nach den bisherigen Methoden gewonnene; überdieß
                              ist die Ausbeute größer.
                           Der Tröpfelsyrup ist flüssiger; man kann ihn vier- und fünfmal nach einander
                              verkochen, wobei er jedesmal leicht abtropfende Krystalle gibt.
                           Das Decken dieser Producte mit Zuckersyrup geht auch mit großer Leichtigkeit von
                              Statten, so daß man jeden Tag den Zucker direct in der Raffinade ähnlichen Broden
                              erhalten kann.
                           Das Verfahren von Rousseau liefert also bei der Anwendung
                              im Großen schöne Producte, welche mit der gewöhnlichen Raffinade den Vergleich aushalten. Dazu
                              kommt noch, daß auf dem Schlangenrohr der Abdampfkessel fast gar keine Kalkkrusten
                              entstehen und daß man beim Verkochen keine Butter anzuwenden braucht, endlich daß
                              man gegen die bisherigen Methoden etwa 33 Procent an Knochenkohle erspart.
                           
                        
                           Beschreibung der Abbildung.
                           A, Fig. 35, Druckpumpe,
                              welche durch die Dampfmaschine in Bewegung gesetzt wird und mit dem Ofen aus
                              Schwarzblech B communicirt, der mit Holzkohlen und Kohks
                              beschickt wird. C' Kühlapparat, welcher einerseits mit
                              dem Ofen durch das Rohr C communicirt und andererseits
                              mit dem Waschgefäß D mittelst des Rohrs E, welches in die Flüssigkeit taucht und sich mit einer
                              Brause endigt. F Rohr im Deckel des Waschgefäßes,
                              welches gekrümmt ist und in den Läuterungskessel G
                              taucht; in seinen unteren Theil F'' werden kleine
                              Sägeschnitte gemacht, durch die das kohlensaure Gas in den Zuckersaft austritt. F' Rohr zur Vertheilung des Gases in die Kessel G und andere. H Stange, mit
                              einem Hahn d zum Abziehen des geläuterten Safts. I Rinne, aus welcher der Saft in das mit gekörnter
                              Knochenkohle gefüllte Gefäß K lauft. J hölzernes Gestell, auf welchem der Kessel G angebracht ist. L Rohr,
                              durch welches der Dampf unter den Kessel G gelangt. M Rohr, welches den Dampf in den Condensator führt. N oberer Kessel, welcher den mit Kalk vermischten Saft
                              enthält. O Stange mit einem Hahn, um diesen Saft in das
                              Filter P auslaufen zu lassen, welches Knochenkohle auf
                              einem Plüschgewebe enthält. Q Rohr, durch welches sich
                              der Saft in den Kessel G begibt.
                           a Hahn des Rohrs F. b Hahn
                              des Dampfrohrs L. c Hahn des Rohrs M. d Hahn am unteren Ende der Stange H. e Hahn zum Abziehen des filtrirten Safts.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
