| Titel: | Ueber ein neues Verfahren zur Fabrication der Stearinkerzen; von Martin Chatelain, Professor der Technologie am Athénée national zu Paris, ehemaligem Director der Ecole d'arts et métiers zu Amiens. | 
| Fundstelle: | Band 116, Jahrgang 1850, Nr. LX., S. 301 | 
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                        LX.
                        Ueber ein neues Verfahren zur Fabrication der
                           Stearinkerzen; von Martin
                              Chatelain, Professor der Technologie am Athénée national zu Paris, ehemaligem Director der Ecole d'arts et métiers zu Amiens.
                        Aus dem Bulletin de la Société
                                 d'Encouragement, Febr. 1850, S. 81.
                        Chatelain, über die Fabrication der Stearinkerzen.
                        
                     
                        
                           Nachdem ich mich am 7. October 1847 mittelst einer Eingabe um den von der Société d'Encouragement ausgesetzten Preis
                              für wohlfeile Fabrication der Kerzen beworben hatte, begab sich der Agent der
                              Gesellschaft nach Neuilly in die Fabrik, wo ich meine Versuche anstellte, und nahm
                              Muster von den aus den Formen kommenden Proben; diese Proben wurden den Mitgliedern
                              einer Commission vorgelegt, welche (ohne berufen zu seyn, sich über die
                              Rechtsansprüche der Bewerber um den ausgesetzten Preis auszusprechen) die
                              Durchscheinenheit, die Weiße dieser Kerzen, sowie auch das feine Gefüge der Masse
                              prüfte; eine vor denselben angezündete Kerze von meiner Fabrication gab eine weiße
                              Flamme und machte auf Papier keine Flecken.
                           Ich gebe mich keineswegs für den Erfinder des Princips des neuen Verfahrens aus; ich
                              habe dasselbe nur für die Fabrication anwendbar gemacht, aber ich nehme keinen AnstandAustand auszusprechen, daß ohne meine Bemühungen die zur Bewerbung ausgesetzte
                              Frage noch nicht zur Lösung gelangt wäre.
                           Bekanntlich hat Hr. Lepaige aus
                              Belgien, Fabrikbesitzer in England, im J. 1846 das angeblich neue Verfahren der
                              Stearinkerzenfabrication, welches in der Verwandlung der Fettkörper in Säuren, durch
                              Behandlung derselben mit Schwefelsäure und Destillation des Products bestand, nach
                              Frankreich gebracht. Dieses Verfahren besteht in folgenden Operationen:
                           1) Acidification der neutralen Fettkörper mittelst Schwefelsäure, statt des sonst
                              dazu dienenden Kalks;
                           2) Waschen der erhaltenen sauren Seife;
                           3) Destillation dieser Seife;
                           4) Reinigung der destillirten Substanz;
                           5) Auspressen dieser Substanz ohne Anwendung von Wärme;
                           6) besondere Mittel um zu verhindern, daß diese Kerzen, welche weicher sind als die
                              bisherigen, sich mit zerbrochenem Kopfe in der Form vorfinden.
                           
                           Dieses scheinbar so leichte Fabricationssystem bot indessen zahlreiche
                              Schwierigkeiten dar. Nach einjährigen Versuchen und bedeutenden Kosten war man im
                              Begriff es aufzugeben, als ich auf eigene Gefahr es unternahm, alle Schwierigkeiten
                              der Fabrication zu heben.
                           Die erste Operation war sehr kostspielig, denn: 1) mußten
                              sich die Arbeiter nach jeder halben Stunde ablösen, weil die bei dieser Operation
                              sich entwickelnden Gase erstickend wirkten; 2) im Product ergaben sich Verluste,
                              deren Ursprung man nicht kannte; bald erhielt man anstatt guter Masse eine große
                              Ablagerung schwammiger Kohle, bald verwandelte sich die Masse in einen auflöslichen
                              Körper, welcher mit dem Waschwasser abgegangen war; manchmal war die Masse zu stark
                              gekocht, oft wieder nicht genug. Der Gang der Operation war um so schwerer zu
                              verfolgen, weil die Masse dabei in jedem Falle immer schwarz erschien.
                           Diesen Uebelständen begegnete ich wie folgt: 1) um das Lästige der Arbeit in Folge
                              der entweichenden schwefligen Säure zu vermeiden, nahm ich dieselbe in
                              verschlossenen Gefäßen vor; 2) um die plötzliche Bildung des eigenthümlichen
                              kohligen Niederschlags zu verhindern, reinigte ich die Masse durch entsprechende
                              chemische Mittel; 3) um die Bildung einer auflöslichen Fettsäure zu verhindern,
                              verdampfte ich alle Feuchtigkeit des Fetts, was die Schwefelsäure außer Stand setzt
                              in ihrem natürlichen Zustand einzuwirken. Wenn nämlich gar keine Feuchtigkeit
                              vorhanden ist, so muß die Schwefelsäure wegen ihrer Verwandtschaft zum Wasser,
                              dieses zu ihrem Bestehen unentbehrliche Wasser auf Kosten des Fettes und ihrer
                              eigenen Elemente bilden; es entsteht dann schweflige Säure und hierauf Unterschwefelsäure, welche keine auflösliche Fettsäure
                              liefert; 4) wenn man die auf einem Stückchen weißen Porzellans ausgebreitete Masse
                              untersucht, so findet man, daß sie, obgleich scheinbar schwarz, das Porzellan
                              anfangs gelb und dann violett färbt. Diese violette Färbung rührt von vorhandenem
                              Glycerin her. Destillirt man vor dem Verschwinden der weinhefenrothen Substanz, so
                              verbreitet sich in dem Arbeitslocal und der Nachbarschaft ein Geruch nach Acrolein, welches Gas den Augen der Arbeiter so wehe
                              thut, daß sie die Arbeit verlassen müssen.
                           Die zweite Operation, welche darin besteht, die saure
                              Seife auszuwaschen, um sie von der überschüssigen Schwefelsäure zu befreien, scheint
                              leicht zu seyn; dennoch war sie eben so mangelhaft wie die erste. Es entstand hiebei
                              ein weißes Wasser, welches man ablaufen ließ. Ich habe nun gezeigt, daß dieses ganz
                              unbeachtet gebliebene Waschwasser den größten Theil der gebildeten schwarzen Seife in gebundenem
                              (latentem) Zustand enthält, folglich einen bedeutenden Verlust veranlaßte. Ich habe
                              nämlich entdeckt, daß die saure Seife in kaltem Zustand und auch noch bei einer
                              Temperatur von 40 bis 48° R. eine Emulsion bildet, während sie, im Gegensatz
                              mit allen bekannten Seifen, in der Wärme unauflöslich ist. Um daher bedeutenden
                              Verlust zu vermeiden, braucht man die Seife nur immer mit kochendem Wasser
                              auszuwaschen.
                           Die dritte Operation veranlaßte keinen merklichen Verlust;
                              doch war sie wegen häufig vorkommender Brände und Verbrennungen den Arbeitern
                              nachtheilig. Unter meiner Leitung ist jedoch kein derartiger Unfall vorgekommen.
                           Die vierte Operation bot in finanzieller Hinsicht das
                              größte Hinderniß bar. Die erhaltenen Kerzen fielen nämlich fast immer gelb aus, wie
                              sie in Frankreich nicht verkäuflich sind, was für Hrn. Lepaige um so verdrießlicher war, da in England
                              umgekehrt die weißen Kerzen nicht so gesucht sind wie die gelben.
                           Aus den meiner Abhandlung beigelegten Proben kann man sich überzeugen, daß ich eine
                              vollkommene Weiße dieser Kerzen erzielt habe; man wird finden, daß meine Kerzen nach
                              mehr als zwei Jahren noch ihre Weiße, ihre Durchscheinenheit, ihre schöne Flamme und
                              ihren vorwurfsfreien Docht besitzen. Meine Mittel hiezu sind Filtriren, Oxydiren und
                              Oxalsäure.
                           Hinsichtlich der fünften Operation hat sich Hr. Lepaige in Frankreich ebenfalls
                              verrechnet; denn in England sind Kerzen, welche die Hand schmierig machen, im Handel
                              gebräuchlich. Das Kaltpressen, von welchem man annahm, daß es zu viel flüssige
                              Substanz in der Masse zurücklasse, reichte nicht aus; man mußte also Wärme anwenden,
                              wobei aber vollends jeder Nutzen verschwand, denn die wenige von den vorhergehenden
                              Operationen noch zurückgebliebene Substanz verminderte sich in der warmen Presse
                              noch mehr.
                           Der Schmierigkeit der Kerzen begegnete ich zuerst durch einen mittelst des Pinsels
                              aufgetragenen recht trockenen und festen Firniß, später durch eine feinkörnige,
                              weiße und glänzende Hülle.
                           Die sechste Operation wurde dadurch verbessert, daß ich
                              die Dochte so anordnete, daß sie sich beim Schwinden der Masse verlängern können,
                              damit zwischen der Spitze und dem Körper der Kerze bei der Zusammenziehung der Masse
                              keine Trennung erfolgte. Man bildete nämlich am untern Theil des Dochts einen
                              lockern Knoten und befestigte am obern Theil, also am Fuße der Kerze, mittelst Nadel und
                              Faden ein Ringchen, um den Docht an der Form mittelst eines Stahldrahts festhalten
                              zu können, der durch alle Ringchen einer Formenreihe auf dem Formgestell gesteckt
                              wird. Der Knoten hatte den Zweck, die untere Oeffnung der Form zu verstopfen und,
                              indem er sich bei der Krystallisation der Masse zusammenzieht, eine ergänzende
                              Dochtlänge darzubieten und somit die Enthauptung der Kerze zu verhindern.
                           Dieses Verfahren war aber noch lange nicht fehlerfrei, denn:
                           1) die Dochte waren sehr schwer in die Mitte zu bringen und der außer dem Mittelpunkt
                              befindliche Docht nahm seine Richtung gegen die Oberfläche der Kerze;
                           2) die Knoten waren nicht immer locker genug und die Köpfe der Kerzen zerbrachen in
                              den Formen;
                           3) die Länge der Dochte war schwer genau zu reguliren, so daß man bald zu schlaff und
                              bald zu stark gespannte Dochte bekam;
                           4) endlich brauchte man zur Verfertigung der Knoten und Ringchen viele Leute und
                              mußte viele Dochte in Vorrath herrichten, die dann mit der Zeit untauglich
                              wurden.
                           Diesen Uebelständen begegnete ich durch Anwendung kleiner Zängchen mit Federkraft;
                              dieselben bestehen aus einem Stückchen Kupferdraht von einer Dicke, welche mit der
                              Härte der Kerze im Verhältniß steht und 1–2 Millimeter Durchmesser auf
                              8–10 Centimeter Länge, welcher zu zwei gleichen Theilen zusammengebogen ist.
                              Man kann das Oehr mit dem Hammer plattschlagen, um die Federkraft zu erhöhen. Dieses
                              Zängchen drückt den Docht zusammen, um ihn zu spannen; es gestattet aber zugleich
                              dem Docht zwischen seinen Schenkeln zu gleiten, wenn die Masse sich zusammenzieht;
                              ferner kann es die untere Oeffnung der Form gehörig verstopfen und ersetzt daher mit
                              Vortheil die Knoten, Pflöckchen, Hähne und alle bisher erfundenen Vorrichtungen.
                           Schließlich will ich noch einiges über den oder die wahren Erfinder des von Hrn.
                              Lepaige nach Frankreich
                              gebrachten Verfahrens bemerken.
                           Sicherlich waren es nicht die HHrn. Fergusson Wilson, Pillans Wilson und
                              George Gwynne in London, welche sich ihr Verfahren am 13.
                              März 1845 für England patentiren ließen. Dieselben lieferten vor meinen
                              Verbesserungen ein Product, ähnlich dem, welches in der Fabrik, wohin ich berufen
                              wurde, vorher schon gewonnen wurde; denn ihr Patent besteht erstens in einem
                              Verfahren, welches in Frankreich schon im Jahr 1833 in der Bibliothèque populaire veröffentlicht worden ist, die damals von
                              den HHrn. Chevet und Chevallier herausgegeben wurde. Darin ist bemerkt:
                              „Auch die Säuren vermögen die Verseifung zu bewirken; man vermische
                                 concentrirte Schwefelsäure mit Talg und man wird eine drei Fettsäuren
                                 enthaltende Masse bekommen.“
                              „Endlich werden auch durch Destillation des Talgs oder der Fettsubstanzen Säuren erhalten, daneben aber auch
                                 ein sehr zäher und sehr übelriechender Körper.“
                              
                           Ueberdieß enthält die genannte Specification Verfahrungsweisen, welche drei früheren
                              französischen Patenten entnommen sind, von welchen das 1ste der Arcahon'schen
                              Gesellschaft am 16. Decbr. 1837 ertheilt wurde, auf Destillation der Harze und
                              anderer Fettkörper im leeren RaumeDescriptions des brevets t. LXV p. 261.; das 2te dem Hrn. Dussard, Kaufmann in Paris, am 27. Septbr. 1838, auf Entfärbung,
                              Desinficirung und Abscheidung des Stearins aus dem Palmöl durch Destillation
                              desselben mittelst überhitzten Wasserdampfs; das 3te dem Hrn. Tachouzin zu Paris am 29. Juni 1839, auf
                              Destillation des Harzes oder anderer Fettkörper durch den mittelst des Fettkörpers
                              selbst überhitzten Wasserdampf.Ebendaselbst t. LIII p. 156.
                              
                           Ich habe nun noch die Grundsätze zu berühren, auf welchen die Fabrication der
                              destillirten Kerzen beruht und die darin bestehen, das neutrale Fett in Säure
                              umzuwandeln, um das Glycerin zu zerstören und überdieß die flüssigen Fettsäuren in
                              festen Zustand überzuführen, um damit wohlfeile und sehr schöne Kerzen zu
                              erhalten.
                           Ich habe oben gesagt, daß man jedenfalls die Einwirkung der reinen Schwefelsäure
                              vermeiden muß, weil sie auflösliche Verbindungen bildet.
                           Ich habe einen Versuch der Säurebildung unter den geeigneten Umständen in einer
                              Sitzung der Société d'Encouragement
                              wiederholt, wobei die Anwesenden die Entwickelung schwefliger Säure beobachten
                              konnten. Wenn sich aber im Fett schweflige Säure erzeugt, so kann dieß nur auf
                              Kosten des Fettes selbst geschehen. Die concentrirte Schwefelsäure tritt nämlich bei
                              der gehörigen Temperatur einen Theil ihres Sauerstoffs an den Wasserstoff des Fettes
                              ab, um Wasser zu bilden, wodurch die Entwickelung der frei gewordenen schwefligen
                              Säure und die Absetzung des vom Wasserstoff des Fetts verlassenen Kohlenstoffs
                              veranlaßt wird. Die Folge davon ist, daß schweflige Säure im status nascens auf das Fett wirkt und, sich mit der Schwefelsäure
                              verbindend, Unterschwefelsäure bildet, die ihrerseits sehr kräftig einwirkt.
                           
                           Die Wärme muß nothwendig auf solchem Grade erhalten werden, daß die Verdampfung des
                              durch die chemische Einwirkung gebildeten Wassers erzwungen wird, damit diese
                              Einwirkung bis zum gänzlichen Verschwinden der glycerinsauren Salze fortdauert.
                           Aber nicht bloß die wasserstoffhaltigen Körper aus dem Thierreiche, welche immer
                              theuer zu stehen kommen, besitzen die Eigenschaft, die Schwefelsäure in der Hitze zu
                              zersetzen.
                           In den beiden vor der Gesellschaft angestellten Versuchen konnten die Anwesenden sich
                              überzeugen, daß beim ersten der durch die Schwefelsäure zersetzte Talg einen
                              bedeutenden Verlust erlitt, während beim zweiten Versuch die Quantität des Talgs
                              unvermindert blieb, weil die Schwefelsäure das Harz (ein
                                 wohlfeiler Pflanzenkörper, statt dessen auch jeder andere angewandt werden
                                 kann), es dem Talg vorziehend, kräftig angegriffen hatte.
                           Ich habe der Gesellschaft auch Oleïnsäure vorgelegt, welche entweder durch
                              einen neutralen animalischen Fettkörper, oder durch ein Gemenge zweier
                              wasserstoffhaltigen Körper, eines thierischen und eines pflanzlichen, in festen
                              Zustand übergeführt wurde.
                           Ich habe am 14. Januar 1848 auf alle diese Entdeckungen ein Patent genommen und
                              dasselbe einer Fabrik bei Paris abgetreten.
                           Hr. Fontainemoreau ließ sich in
                              der letzten Zeit in England angebliche Verbesserungen meiner Erfindungen patentiren,
                              ich finde sie aber nicht mit Vortheil anwendbar; die Fabrik, welcher ich mein
                              Verfahren überlassen habe, arbeitet noch gegenwärtig nach meiner Methode, die darin
                              besteht, Unglücksfälle der Arbeiter zu verhüten, sowie die auflöslichen Säuren, die
                              nachtheiligen Emulsionen, die gelbe, schmierige Substanz etc. zu vermeiden und
                              denjenigen Theil guten Fettes, welcher sonst von der Schwefelsäure verzehrt würde,
                              durch eine wohlfeile Substanz zu ersetzen. Jene Fabrik erhielt bei der letzten
                              Industrie-Ausstellung die goldene Medaille, obgleich sie ein sehr wohlfeiles
                              Fett für ihre Kerzen nach meinen Methoden verarbeitet.
                           Ich bin eben im Begriff ein zweites Patent auf ein ganz neues, bisher noch nie
                              betretenes Verfahren zu nehmen, durch welches ich sehr schöne Stearinkerzen zu 90
                              Centimes das halbe Kilogramm liefern zu können hoffe, und werde dann der Société d'Encouragement diese neuesten
                              Entdeckungen in der Kerzenfabrication, welche mich seit zwei Jahren beschäftigt
                              haben, ebenfalls mittheilen.