| Titel: | Die Britannia-Brücke über die Menaistraße in England. | 
| Autor: | C. H. Schlarbaum | 
| Fundstelle: | Band 116, Jahrgang 1850, Nr. LXIV., S. 330 | 
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                        LXIV.
                        Die Britannia-Brücke über die Menaistraße
                           in England.
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              V.
                        Die Britannia-Brücke über die Menaistraße in
                           England.
                        
                     
                        
                           An unsere Abhandlungen über die eiserne Röhrenbrücke für den Conway-Meerbusen
                              (zweites Decemberheft 1848, Bd. CX S. 401) und über die Britannia-Brücke für
                              die Menaistraße in England (zweites Juliheft 1849, Bd. CXIII S. 81) knüpfen wir
                              hiermit einen Nachtrag, durch welchen wir den Fortgang letzterer Unternehmung bis zu
                              ihrer vor kurzer Zeit erfolgten glücklichen Beendigung mitzutheilen
                              beabsichtigen.
                           Im zweiten Decemberhefte 1848 hatten wir eine ausführliche Beschreibung der Röhren
                              der Conway-Brücke, sowie der Art ihrer Versetzung und Erhebung an der
                              Baustelle geliefert; dann im zweiten Juliheft 1849 die Britannia-Brücke und
                              die glückliche Bewegung einer ihrer Röhren, der ersten, welche versetzt wurde,
                              besprochen. In ganz ähnlicher Weise, wie es dort beschrieben ist, mußte die Bewegung
                              der andern sieben Röhren der Britannia-Brücke nachfolgen, überdieß die
                              Erhebung aller acht Röhren bis zu dem Niveau der Bahn.
                           Wenn nun auch im Laufe dieser kolossalen Bauunternehmung einzelne, an und für sich
                              unwesentliche, oder doch durch die weise Vorsicht der Unternehmer in ihren Folgen
                              schadlos gemachte Unfälle vorgekommen sind, von deren bedeutendsten wir noch
                              ausführlich sprechen werden: so haben doch alle Maßnahmen vollständig sich bewährt,
                              und die Erfahrungen, welche an dem jetzt ganz fertigen und fahrbaren Theile der
                              Brücke gemacht worden sind, verbürgen das Gelingen aller noch übrigen Arbeiten an
                              der Brücke.
                           Am Anfange des Baues der Conway-Brücke hatte man die Absicht, das Rohr an
                              beiden Enden gleichzeitig immer um 6 Fuß zu heben, und es in seinen Ketten so lange
                              frei hängen zu lassen, bis die Pfeiler, auf welchen es ruhen sollte, um so viel höher
                              gemauert waren. Man hatte auch in dieser Weise begonnen, allein das so ganz frei
                              hängende Rohr zeigte in dieser Lage so bedenkliche Seitenschwankungen, daß man die
                              fernere Hebung unterbrechen zu müssen glaubte und diesen Gegenstand bezüglich seiner
                              möglichen Fehler einer genauen Prüfung unterzog.
                           In Betracht, daß ein an seinen Endpunkten frei hängender Körper bei einer darauf
                              wirkenden entsprechenden Kraft nothwendig in Schwingungen kommen müsse, und daß
                              jeder selbst leise Windstoß an der großen Fläche der Seitenwandung zu viel
                              Widerstand finde, um seine Wirkungen nicht bemerkbar zu machen, erachtete man es für
                              nothwendig, den ursprünglichen Plan dahin abzuändern: daß man nur das eine Ende des
                              Rohrs hob, während das entgegengesetzte auf seinem Pfeiler fest aufliegen konnte,
                              und mit diesem Verfahren abwechselte. Der Erfolg bewährte die Zweckmäßigkeit dieser
                              Abänderung vollkommen, und obgleich dadurch der zum Heben nöthige Zeitaufwand
                              vermehrt wurde, so gewann die Arbeit andererseits außerordentlich an Sicherheit. Man
                              glaubte aber in der Würdigung aller unheilvollen Möglichkeiten noch weiter gehen zu
                              müssen. Mängel und Fehler im Material namentlich im Guß- und Schmiedeisen,
                              entgehen sehr häufig selbst der sorgfältigsten Untersuchung; welche verderbliche
                              Folgen hätten bloß aus einem derartigen Grunde für die Unternehmung und die dabei
                              thätigen Arbeiter entstehen können! Obwohl durch Ausführung aller Theile in viel
                              stärkeren Dimensionen als nöthig schienen, eine genügende Sicherheit gegen
                              Unglücksfälle gegeben schien, zog der Erbauer doch vor, statt des Hebens um 6 Fuß
                              und nachherigen Untermauerns, immer nur um 1 Zoll zu heben und das Röhrenende
                              unablässig mit Holzblöcken unterlegt zu erhalten; bei Anwendung dieser Vorsicht war
                              im unglücklichsten Falle immer nur ein Zurückweichen des Rohrs um 1 Zoll möglich,
                              ein wesentlicher Nachtheil konnte aber daraus weder für die Pfeiler noch für das
                              Rohr selbst entstehen.
                           In dieser bei der Conway-Brücke angewandten Weise verfuhr man auch beim Heben
                              der Röhren der Britannia-Brücke, und zum großen Glück
                                 der Unternehmung, denn hätte man das früher beabsichtigte Heben um 6 Fuß
                              beibehalten, so würde jener Unfall, welcher in den Zeitungen so beunruhigend
                              dargestellt und erörtert wurde, die ernsthaftesten Folgen gehabt haben, während er
                              unter den gegebenen Umständen nur einen geringen Zeitverlust und unbedeutende Opfer
                              veranlaßt hat.
                           
                           Es ist um so nothwendiger dieses Vorfalles ausführlich zu gedenken, weil
                              Uneingeweihte dem Ingenieur R.
                                 Stephenson selbst die Verschuldung zuschrieben und grobe
                              Unachtsamkeit vorwarfen.
                           An dem einen hydraulischen Hebzeuge, dessen Beschreibung und Abbildung in unserm
                              ersten Aufsatze (Bd. CX S. 401) enthalten ist, und zwar an dem auf der Insel
                              Anglesea belegenen Ende des Rohrs, ereignete sich eines Tags, während die Pumpen
                              kräftig spielten und das Rohr angemessen und befriedigend sich hob, der unerwartete
                              Fall, daß der Boden des gußeisernen Preßcylinders An, Fig.
                                 21, Tafel V (dieses Hefts) in den Ecken bei x,
                                 x rundum ausbrach, so daß eine abgestumpft kegelförmige Platte Herausfiel.
                              Hiermit war, wie man sieht, ein augenblickliches
                              Herabfallen des Preßbalkens (Aq auf Tafel VII des
                              Bandes CX) und der Kettenglieder (Av, w, x, y daselbst) verbunden; diese Theile
                              sanken um volle 2 Fuß 6 Zoll herab, während das Rohr selbst, bei der
                              glücklicherweise angewendeten Fürsorge, nur um 1 Zoll auf die untergelegten
                              Eichendielen sich herabsetzte.
                           Ueber diesen Bruch haben nun ausführliche Erörterungen, theils von Seiten des
                              Directoriums der Chester-Holyhead Eisenbahn, theils auch von Unberufenen in
                              verschiedenen Zeitungen stattgefunden; man hat sogar böswillig einen anderen Zufall
                              damit in Verbindung zu bringen gesucht, daß nämlich vorher an dem oberen Theile des
                              Preßcylinders eine fehlerhafte (undichte) Stelle nothdürftig ausgebessert worden
                              war, wovon der Erbauer gewußt und die Verwendung eines offenbar schadhaften
                              Cylinders dennoch zugegeben habe u.s.w. Aus dem übereinstimmenden Urtheil der
                              zugezogenen Sachverständigen ergibt sich aber, daß Rob. Stephenson an dem ganzen Vorfalle auch nicht die mindeste Schuld trägt.
                              Die schadhafte Stelle am Halse des Cylinders steht in gar keinem Zusammenhang mit
                              dem späteren Bruche des Bodens; das Undichte jener Stelle beruhte auf einer Reihe
                              sehr feiner Gußlöcher, wie sie fast bei jedem Gusse, namentlich an der oberen Seite,
                              häufig vorkommen, und in den meisten Fällen, sowie hier, sicher verstopft werden
                              können.
                           Zu der Zeit als der Boden des Cylinders ausbrach, war der Druck im Innern wenig über
                              15 Cntr. per Quadratzoll, indem die Gesammtoberfläche
                              von 1316 Quadratzollen einen Druck von 1000 Tonnen zu tragen hatte. Der 10 Zoll
                              starken Wandung des Preßcylinders dürften aber nach Tredgold bis 65 Cntr. per Quadratzoll
                              aufgebürdet werden. Die beigezogenen Sachverständigen: Dr. Robinson, Professor Willis, Hr. Webster und Hr. Roberts suchten den so frühzeitigen Bruch auf verschiedene Weise zu
                              erklären; theils machte sich die Meinung geltend, daß die leichten Schwankungen des
                              Rohrs, welche sowohl durch die Einwirkungen des Windes als auch durch das
                              regelmäßige Spiel der Injectionspumpen, sowie durch die theilweise schwebende Lage
                              des Rohres selbst veranlaßt werden, eine Art Pulsirung im
                              Innern der Presse, und daher einen zeitweise viel größeren Druck herbeigeführt haben
                              möchten; theils behauptete man, daß eine ungleiche Abkühlung des Cylinders nach dem
                              Gusse eine die Haltbarkeit beeinträchtigende Spannung in demselben verursacht haben
                              könne; für letztere Meinung wurde noch geltend gemacht, daß Gußstücke dieser Art nur
                              dann ganz frei von solcher Spannung seyn können, wenn sie
                                 stehend, von unten, und mit kreisförmig einfließendem Metalle gegossen
                              würden. Ohne die größere oder geringere Wahrscheinlichkeit der einen und anderen
                              Ansicht hier erörtern zu wollen, glauben wir vor Allem, daß die scharfen Ecken am
                              Boden des Preßcylinders den Bruch desselben begünstigten, und daß die von allen
                              Maschinenbauern befolgte Regel: scharf eingeschnittene Ecken bei Eisentheilen so
                              viel als möglich zu vermeiden und dafür abgerundete zu wählen, in dem vorliegenden
                              Falle nicht genugsam beachtet wurde.
                           Es wurden nun zwei neue Cylinder von genau denselben Dimensionen, aber mit
                              veränderter Gestalt des Bodens, Fig. 22 und 23 Tafel V
                              (dieses Hefts) angefertigt. Hr. Robert
                                 Stephenson hatte bei der Wahl dieser beiden Formen, von welchen Fig. 22 einen
                              kugelförmig geschlossenen Boden, Fig. 23 aber eine
                              eingelegte kugelförmig deckende Platte hat, die Absicht, zu prüfen welche von ihnen
                              sich für den vorliegenden Zweck am besten bewähren werde; wahrscheinlich wird aber
                              Fig. 23
                              gar nicht mehr zur Probe gelangen, weil Fig. 22 sich schon
                              vollkommen bewährt hat, und ein Auswechseln daher überflüssig ist.
                           Mit Beseitigung dieser und anderer Schwierigkeiten rückte der Bau seiner Vollendung
                              immer näher. Rohr um Rohr wurde gleich dem ersten an den Ort seiner Bestimmung
                              geschafft, eines nach dem andern erhoben und untermauert, wobei der in England
                              selten strenge Winter nur kurze Unterbrechungen erheischte, bis endlich in den
                              letzten Tagen des Monats Februar d. J. sämmtliche Röhren einer Seite so weit aufgestellt waren, daß man an das Schienenlegen und
                              erste Befahren derselben schreiten konnte. Nachdem die Schienen gelegt und die
                              Uferpfeiler und Dämme für die beginnenden Probefahrten gehörig geräumt waren, konnte
                              der fünfte März d. J. zum ersten Befahren der vollendeten Brücke festgesetzt
                              werden.
                           
                           Wie bei der Versetzung des ersten Rohres, am 18. Juni 1849, hatten sich auch an
                              diesem Tage viele technische und wissenschaftliche Notabilitäten, sowie zahllose
                              Schaulustige in dem Städtchen Bangor vereinigt, als sich Früh 6 1/2 Uhr die zur
                              Prüfung bestimmten schweren Locomotiven Cambria, St. David und Pegasus, im
                              Gesammtgewicht von circa 1800 Cntrn., mit Flaggen
                              geschmückt, in Bewegung setzten und ihrem Ziele, der Brücke, zueilten. Rob. Stephenson führte in eigener Person die erste der drei
                              zusammengekuppelten Maschinen. Punkt 7 Uhr an dem Eingangsthore des ersten Rohres
                              angelangt, begann man mit einer Geschwindigkeit von nur 2 engl. Meilen per Stunde, also im Tempo einer langsam gehenden Person,
                              das erste, und nachher die übrigen drei Röhren zu befahren. In der Mitte eines jeden
                              Rohres wurde einige Zeit gehalten, während vom Ufer aus mit optischen Instrumenten
                              die etwanigen Durchbiegungsfractionen abgelesen werden sollten; dieß erwies sich
                              jedoch als eine fruchtlose Bemühung, weil bei dem Gewicht der drei schweren
                              Locomotiven noch keine deutliche Durchbiegung aufgefunden werden konnte. Dieser
                              erste Versuch, mit langsamem Befahren, erforderte für die ganze Länge der Brücke
                              etwa 10 Minuten Zeit. Augenzeugen, die als Techniker berufen waren diesen ersten
                              Proben beizuwohnen, welche aber die Röhren früher noch nicht durchwandert hatten,
                              rühmten den überaus schönen Anblick, welchen die Perspective der vier hinter
                              einander folgenden Röhren darbietet, namentlich wenn man ihn ziemlich im Centrum des
                              Eisentunnels, von der Locomotive aus, genießen kann. Durch vielfach angebrachte
                              Luftlöcher ist für angemessenes Abziehen der Locomotivendämpfe, sowie für das
                              nothwendige Tageslicht, hinlänglich gesorgt.
                           Der zweite Versuch, die Rückkehr über die Brücke, wurde mit 24 beladenen Kohlenwagen
                              gemacht, deren Gewicht circa 6000 Centner betrug. Es
                              wurde eine Geschwindigkeit von 8–10 engl. Meilen per Stunde angewendet, und auch hierbei konnten Personen auf der oberen
                              Fläche des Rohres und am Ufer mit Instrumenten eine deutliche Erschütterung oder gar
                              Durchbiegung nicht wahrnehmen. Als der Kohlenzug die Seite von Bangor wieder
                              erreicht hatte, demnach ein vollständiges Befahren der vier Röhren, hin und zurück,
                              glücklich erfolgt war erschallte ein unbeschreiblicher Jubel des harrenden
                              Arbeiterpersonals, und der Zuschauer.
                           Ein dritter Versuch wurde noch auf die Art gemacht, daß man eine Anzahl Kohlenwagen,
                              welche eine Last von 4000 Cntrn. darstellten 2 Stunden lang im Mittel des längsten
                              Rohres ruhig stehen ließ. Bei dieser lange dauernden Einwirkung einer todten Last wurde
                              die Durchbiegung der Mitte des betreffenden Rohres zu 0,4 Zoll gefunden; und diese
                              Biegung ist viel geringer als jene, welche durch die nur halbstündige Einwirkung
                              milder Sonnenstrahlen entsteht. Dieser geringen Durchbiegung von 0,4 Zoll gegenüber
                              erklärte Hr. Robert
                                 Stephenson: daß er überzeugt sey, das Rohr könne bis 13 Zoll ohne den
                              mindesten Schaden für seinen inneren Verband durchgebogen werden, und müsse nachher
                              in seine ursprüngliche Lage zuverlässig zurückkehren. Eine solche, auf jahrelange
                              Studien und Versuche begründete Meinung eines erfahrenen Baumeisters wiegt ohne
                              allen Zweifel schwer genug, daß jede Bedenklichkeit zaghafter Seelen davor
                              zurückweichen darf. Ueberdieß ergeben jene 4000 Cntr. Kohlen, ruhig stehend, eine
                              viel größere Anstrengung für das Rohr, als der gewöhnliche Verkehr jemals auf
                              dasselbe ausüben dürfte. Das Gewicht, welches nach dem übereinstimmenden Urtheil der
                              anwesenden Techniker, im täglichen Verkehr, sicher und mit einemmal über die Brücke
                              geführt, und selbst in den Mittelpunkten des Rohrs aufgestellt werden dürfte,
                              beträgt nicht weniger als 20,000 Centner! Uebrigens erklärte Hr. Robert Stephenson seinen Einfluß
                              dahin verwenden zu wollen, daß für den Anfang und bis der Bau sich vollkommen
                              „gesetzt“ hat, nie schneller als mit einer Geschwindigkeit
                              von 10–12 engl. Meilen per Stunde über die Brücke
                              gefahren werde, und eine solche Maßregel dürfte als vollkommen gerechtfertigt
                              erscheinen.
                           Um 12 Uhr Mittags wurde noch ein vierter Versuch gemacht, welcher darin bestand, daß
                              die drei genannten Locomotiven mit den 4000 Centnern Kohlen und 30–40 Wagen,
                              in welchen 600–700 Personen Platz genommen hatten, über die Brücke befördert
                              wurden. Es war in der That ein imposantes Schauspiel, als diese zahlreichen
                              Personen, im vollen Jubel und die Volkshymne „Rule
                                    Britannia“ anstimmend, begrüßt von den Hurrahs der
                              zurückgebliebenen Zuschauer auf beiden Seiten der Brücke und auf den vielen
                              Schiffen, unter dem Donner der Geschütze in einem fast eben so langen Zuge als die
                              Brücke selbst, über die tief unten wogende See dahin eilten! Dieser Zug bewegte sich
                              später noch bis auf den Bahnhof der Stadt Holyhead, um aufs Neue von den Einwohnern
                              der Stadt und der Bemannung der Schiffe, die im dortigen Hafen lagen, festlich
                              begrüßt und bewillkommt zu werden.
                           Seitdem die ersten Röhren in ihrer richtigen Lage den Einflüssen der Atmosphäre
                              ausgesetzt sind, konnten die Einwirkungen des Windes und Sonnenscheins in ihren
                              Folgen beobachtet und studirt werden. Am interessantesten waren die Einflüsse der letzten
                              Frühjahrsstürme, weil hieran noch mannichfache Besorgnisse sich geknüpft hatten;
                              obwohl dieselben ganz besonders heftig gewüthet hatten, zeigte sich nicht der
                              mindeste Einfluß derselben, den man nachtheilig nennen könnte, an der Brücke, so daß
                              sich die Ergebnisse der angestellten Berechnungen auf das vollkommenste
                              bewahrheiteten.
                           Ein heftiger Orkan, welcher mit einer Geschwindigkeit von 18 deutschen Meilen in der
                              Stunde dahinbraust, und mit einer Kraft von 33 Pfd. auf den Quadratfuß wirkt, drückt
                              auf die ganze Fläche jedes einzelnen Rohrs mit einer Gewalt von circa 4000 Cntrn. Angenommen, der Druck betrage statt 33
                              sogar 50 Pfd. – die entsprechende Geschwindigkeit erreicht aber der stärkste
                              Orkan noch nicht – so wäre der Gesammtdruck auf eine Rohrfläche etwa 6200 Cntr., also noch nicht 1/6 von dem ganzen
                              Gewicht (etwa 40,000 Cntr.) des Rohres, welches es unablässig selbst trägt. Daß der
                              Widerstand der Brücke, den heftigen Frühjahrsstürmen gegenüber, sich so günstig
                              erwies, ist von der größten technischen Wichtigkeit, und mußte für die Bewohner der
                              dortigen Gegend um so erfreulicher seyn, als die in dieser Beziehung sehr trüben
                              Erfahrungen, welche bei der benachbarten Telford'schen
                              Kettenbrücke gemacht wurden, noch keineswegs vergessen sind. Man beabsichtigt
                              übrigens noch, die je neben einander liegenden Röhren durch starke Verankerungen an
                              einander zu befestigen, wodurch eine weitere Sicherheit und so zu sagen eine
                              vollkommene Stabilität erlangt werden wird.
                           Die Zeit, welche für diesen Riesenbau erforderlich war, beträgt, die ersten
                              einleitenden Maßregeln eingerechnet, im Ganzen vier Jahre, eine bewunderungswürdig
                              kurze Zeit; die Telford'sche Kettenbrücke hatte volle
                              acht Jahre erfordert! Nur acht Menschen kamen im Verlaufe dieser vier Jahre bei dem
                              Baue der Britannia-Brücke ums Leben, und unter diesen die Mehrzahl nicht ohne
                              eigene Verschuldung; wir sagen nur acht, denn beim Baue
                              zahlreicher anderer Tunnels in England, namentlich dem
                              Manchester-Sheffield- und dem Kilsby-Tunnel, war die Zahl der
                              Verunglückten leider viel bedeutender.
                           Nach den beschriebenen ziemlich gewaltsamen Proben, welchen die neue Brücke mit dem
                              vollkommensten Erfolge widerstand, konnte die amtliche Prüfung der einen Hälfte
                              derselben von Seiten der brittischen Regierung auf Mitte März anberaumt werden;
                              nachdem auch diese, wie zu erwarten, befriedigend abgelaufen war, wurde dieser
                              interessante Theil der Chester-Holyhead Eisenbahn Ende Mai d. J. dem
                              öffentlichen Verkehr übergeben.
                           
                           Das perspectivische Bild Fig. 24, Taf. V, welches
                              die durchschnittene Mitte eines Rohrs nebst der Locomotive
                              „Cambria“ darstellt, welche Hr. Rob. Stephenson über die Brücke führte, dürfte
                              eine genügende Vorstellung von den Verhältnissen der Röhren im Vergleich mit den
                              durchfahrenden Zügen gewähren.
                           Ueber den Beginn und Verlauf der ganzen Unternehmung wird wohl ein besonderes aus
                              amtlichen Quellen geschöpftes Werk erscheinen.
                           C. H.
                                 Schlarbaum.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
