| Titel: | Ueber die Veränderungen der Messingdrahtseile bei Blitzableitern. | 
| Fundstelle: | Band 116, Jahrgang 1850, Nr. LXVI., S. 348 | 
| Download: | XML | 
                     
                        LXVI.
                        Ueber die Veränderungen der Messingdrahtseile bei
                           Blitzableitern.
                        Ueber die Veränderungen der Messingdrahtseile bei
                           Blitzableitern.
                        
                     
                        
                           Der Gewerbeverein in St. Gallen hat sich vor einiger Zeit an den
                              polytechnischen Verein in München gewendet, um von diesem
                              Aufschlüsse über die möglichen Ursachen des Brüchigwerdens der Messingdrahtseife an
                              Blitzableitern zu erhalten. Der über diesen Gegenstand im Kunst- und Gewerbeblatt, März
                                 1850, S. 148 veröffentlichten Abhandlung entnehmen wir Folgendes:
                           Die Blitzableitung auf dem neuen Bürgerspital in St. Gallen, die vor sechs Jahren neu
                              hergestellt worden ist, zeigt an zwanzig Stellen bedeutende Beschädigungen, die eine
                              solche Uebereinstimmung zeigen, daß sie durch die gleiche Ursache erzeugt seyn
                              müssen. Als das zerstörende Agens wurde muthmaßlich der Rauch aus den Kaminen
                              angenommen, aber die Wirkungsart konnte nicht genau genug ermittelt werden.
                           Das Spitalgebäude in St. Gallen, welches eben so meisterhaft erbaut und zweckmäßig
                              eingerichtet als schön gelegen ist, zieht sich in seiner Länge von Ost nach West.
                              Das Dach ist mit Glarnerschiefer gedeckt, und es ziehen sich drei Dachfirsten nach
                              der Länge und vier nach der Breite des Gebäudes. Die Rauchfänge, welche aus dem
                              Dache hervortreten, sind enge russische Kamine, und um das Regenwasser abzuhalten,
                              sind sie mit Eisenplatten gedeckt. Der aus den Kaminen ausströmende Dampf hat immer
                              einen bedeutenden Wärmegrad.
                           Die Blitzableitung zieht sich in 1 Fuß Entfernung über alle Längen- und
                              Querfirsten des Daches, und an passenden Stellen finden Ableitungen zur Erde
                              statt.
                           Jede eiserne Platte auf den Kaminen hat oberhalb in der Mitte einen eisernen Ring,
                              wovon Zuleitungen nach der Hauptleitung geführt sind.
                           Die Haupt- und Zuleiter bestehen aus Drahtseilen von neun einzelnen
                              Messingdrähten, wovon jeder Draht 2 Millimeter Dicke hat. Der Draht ist aus der k.
                              k. Fabrik von Aachenrhein in Tyrol bezogen.
                           Die Hauptleitung über den Dachfirsten nach der Länge des Gebäudes, sowie die
                              Ableitungen nach dem Boden, befinden sich in gutem Zustande, hingegen zeigen die
                              Drähte der Zuleitungen nach den Kaminen, die gebraucht sind, an einzelnen Stellen
                              eine bedeutende Sprödigkeit und sind daselbst vielfach gebrochen. Dieselbe
                              Erscheinung findet sich auch bei zwei Querleitungen vor, die in der Nähe von häufig
                              gebrauchten Kaminen vorbeigeführt sind.
                           Die beschädigte Querleitung auf der östlichen Seite des Gebäudes hat zu dieser
                              Entdeckung geführt; das Drahtseil ist daselbst an zwei dieser Stellen abgebrochen
                              gewesen, und ein Stück von 2 Fuß Länge fand sich auf dem Dache vor.
                           Diese Brüchigkeit zeigt sich häufiger an den äußern als innern Drähten des Seiles,
                              nicht immer an denselben Stellen bei verschiedenen Drähten, doch beträgt dieser
                              Abstand nur einige Zoll.
                           
                           In den Zuleitungen zeigt sich die Sprödigkeit der Drähte nur an den Stellen, wo der
                              heiße Rauch bei den Drähten vorbeistreichen mußte, hingegen zeigen sich die Drähte
                              oben auf den Eisenplatten und wo sie mit der Hauptleitung in Verbindung stehen, sehr
                              biegsam.
                           Obgleich die zerstörten Querleitungen nicht in solcher Nähe an den Mündungen der
                              Rauchfänge liegen wie die Zuleitungen, so hat dennoch höchst wahrscheinlich die
                              gleiche Ursache darauf eingewirkt. Beim Sonnenschein wird das Dach wegen seiner
                              schwarzen Farbe ungemein stark erwärmt; es steigt dann der Rauch aus den Kaminen
                              nicht sogleich in die Höhe, sondern er verbreitet sich zuerst über das Dach und
                              zieht dann seitwärts ab.
                           In der Nähe der beschädigten Querleitungen sind mehrere Kamine, die anhaltend
                              gebraucht werden; es findet daselbst häufig eine sehr starke Anhäufung des Rauches
                              statt, der auf die Leitung dieselbe Wirkung wie bei den Zuleitungen hervorgebracht
                              haben kann.
                           Die meisten Oefen im Spitale werden mit Torf von schlechter Qualität geheizt, der
                              nach der Aussage des Hrn. Spitalverwalters Schwefeldämpfe entwickeln soll. In den
                              Oefen der Krankenzimmer und in der Küche wird nur Holz, und zwar vorzugsweise
                              Tannenholz verbrannt.
                           Die Brüchigkeit der Drähte zeigt sich bei allen Kaminen in dem gleichen Grade, mag
                              zur Feuerung nur Holz oder zugleich Torf verwendet seyn.
                           Die bei der Verbrennung sich verflüchtigenden Theile sind in keine Verbindung mit den
                              Bestandtheilen des Messings eingegangen; denn die Bruchflächen, wenn sie nicht von
                              dem Rauche geschwärzt sind, haben noch dieselbe metallische Beschaffenheit wie der
                              neue Draht.
                           Auf dem Münchener Bankgebäude, welches mit Ziegel gedeckt ist, besteht seit zwei
                              Jahren eine Leitung von dem gleichen Drahte; derselbe ist noch in gutem Zustande,
                              obgleich einige Drahtseile nahe bei Kaminen vorbeigeführt sind.
                           Prof. Dr. Schafhäutl hat
                              hierüber in der Sitzung des Central-Verwaltungs-Ausschusses des
                              polytechnischen Vereins für Bayern nachstehenden Bericht erstattet, welchen nach
                              gepflogener Debatte der Ausschuß sich aneignete.
                           Nach den schon früher in England angestellten Versuchen (wo die Blitzableiter noch zu
                              den Seltenheiten gehörten) können Messingdrähte durch eine
                                 fortdauernde Erhitzung, welche die Siedhitze des Wassers kaum übersteigt,
                              wenn sie in fortwährender Spannung erhalten werden, ihren Aggregatzustand verändern, ein
                              krystallinisches Gefüge annehmen und dann brüchig
                              werden.
                           Die fortgesetzte Spannung kann auch durch eine andauernde Succession von kleinen
                              Stößen, welche überhaupt eine fortdauernde Erschütterung der Molecule veranlassen,
                              ersetzt werden.
                           Es erklärt sich also aus diesen Erfahrungen die Brüchigkeit der Zuleitungsdrähte auf
                              dem Bürgerspitale zu St. Gallen sehr natürlich, da nach dem Berichte der Commission
                              die Brüchigkeit nur in der Nähe von gebrauchten Kaminen stattfand, also Erhitzung
                              unvermeidlich war, und das aus Schiefer bestehende Dach beim Sonnenschein
                              gleichfalls sehr stark erhitzt wird, da der heiße Rauch nicht sogleich in die Höhe
                              steigt, sondern sich über das Dach verbreitend, Zeit hat alle seine Wärme an das
                              Drahtseil abzugeben.
                           Daß auf den unter solchen Umständen krystallinisch gewordenen Messingdraht, der auch
                              wahrscheinlich gespannt war, eine Reihe von Erschütterungen eingewirkt haben müsse,
                              beweist daß der Draht in mehreren Stücken zerbrochen sich auf dem Dache fand.
                           Eine solche Reihe von Erschütterungen bringt der Wind an jedem gespannten Eisendraht
                              hervor den er trifft. Die Aeolsharfe und die Riesenharfe geben hinreichend Beweise
                              dafür.
                           Eben so hat man die Brüchigkeit der Blitzableiterdrähte aus Messing, welche auch bei
                              uns und an andern Orten beobachtet wurde, dem Wechsel von Hitze und Erkältung
                              zugeschrieben, der überhaupt gleichfalls bei den Zuleitungsdrähten über dem
                              Bürgerspitale in St. Gallen stattgefunden haben mußte.
                           Ebenso scheinen schwache elektrische Ströme, welche lange Zeit durch Metalldrähte
                              gehen, einen krystallinischen Zustand in denselben hervorzurufen. So wurden bei
                              elektro-chemischer Vergoldung, bei welcher die zu vergoldenden Gegenstände an
                              Ketten aufgehängt in die Flüssigkeit getaucht waren, die Ketten zuletzt so spröde,
                              daß sie von dem daran hängenden Gewichte zerrissen wurden.Polytechn. Journal Bd. CXIV S.
                                       358. Neben dem elektrischen Strom hat jedoch sicher noch die ununterbrochene
                              Spannung durch das Gewicht des zu vergoldenden großen und schweren Gegenstandes
                              mitgewirkt.
                           Daß auch Blitzschläge selbst solche Drähte gerne in kleine Theile zerschlagen, ist
                              eine alte Erfahrung, und ein bedeutender elektrischer Strom kann durch seine
                              Einwirkung auf den erhitzten Draht gleichfalls zu den obigen Ursachen helfend
                              hinzugekommen seyn, um die in Rede stehende Wirkung hervorzubringen.
                           Es wäre vielleicht auch möglich daß Thermoelektricität selbst ihre Wirkung mit den
                              obigen Ursachen vereinigte, obwohl darüber keine directen Versuche und Endresultate
                              vorliegen.
                           Aus allem diesem kann mit Sicherheit der Schluß gezogen werden, daß nicht die
                              chemische Action des heißen Rauches die Brüchigkeit verursachte, sondern der durch die Hitze der Sonne, des Rauches und Daches veranlaßte
                                 krystallinische Zustand des Metallgemenges, aus welchem die Drahte
                              bestanden.
                           Es gibt demnach unter den obwaltenden Umständen kein anderes Mittel, die gefährlichen
                              Beschädigungen der Zuleitungsdrähte auf dem Bürgerspitale zu verhindern, als sie
                              durch kupferne zu ersetzen, welche aus einem einfachen Metalle bestehend, nicht oder
                              nicht so leicht von den obenbemerkten zusammenwirkenden Umständen afficirt werden,
                              umsomehr, da das Kupfer selbst ein besserer Leiter für die Elektricität ist als das
                              Messing.