| Titel: | Miscellen. | 
| Fundstelle: | Band 116, Jahrgang 1850, Nr. , S. 400 | 
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                        Miscellen.
                        Miscellen.
                        
                     
                        
                           Das Zündnadelgewehr, die Spitzkugel- und die
                              Kugelbüchse.
                           Die durch alle Zeitungen bestätigte Nachricht, daß die preußische Regierung die
                              Anfertigung der Zündnadelgewehre, deren Erfinder der königlich preußische
                              Commissionsrath Nicolaus Dreyse ist, einstweilen
                              eingestellt hat, weil der derzeitige Mechanismus derselben sich in vielfacher
                              Beziehung als mangelhaft herausstellt, ruft in diesem Augenblicke in den deutschen
                              und außerdeutschen Staaten einen nicht geringen Grad der Verwunderung hervor. Die
                              geheimnißvolle Zurückhaltung der Erfindung von Seiten der Regierung, der
                              Nationalstolz des preußischen Volks in Bezug auf seine Militärverhältnisse, endlich
                              die fabelhaften Gerüchte, welche nach dem sächsischen und badischen Aufstande über
                              die Schußgeschwindigkeit und Tragweite dieser Waffe in Umlauf waren, machten es dem
                              Sachverständigen fast unmöglich, das Fehlerhafte der Erfindung ausans Licht und zur allgemeinen Verbreitung zu bringen, und es ist wahrlich
                              keine Hyperbel, wenn wir behaupten, daß das Volk mit eiserner Ausdauer noch Jahre lang auf der
                              eingebildeten Ueberzeugung der Unübertrefflichkeit der Waffe beharrt haben würde,
                              wenn es die preußische Regierung nicht selbst vorgezogen hätte, ihrem
                              hoffnungsvollen Zöglinge ein entschiedenes Mißtrauensvotum zu geben.
                           Das Ziel der leider nie zu verhindernden Schlachten ist stets die schnelle und wo
                              möglich unblutigste Herbeiführung der Kampfesunfähigkeit der Gegenpartei; diesem
                              Plane gemäß muß der zweckmäßigste Vernichtungsapparat der seyn, der außer der
                              Garantie und eigenen Sicherheit den Vortheil der größtmöglichen Schnelligkeit und
                              Weitwirksamkeit mit sich führt. Artillerie und Cavallerie können unter gewissen
                              Bedingungen allerdings diesen Zweck erreichen in der Regel ist jedoch das
                              massenhafte Wirken der Infanterie, vorzugsweise das der Linientruppen, das, was den
                              Ausschlag gibt. Bekanntlich war die Hauptwaffe dieser Truppengattung in allen
                              europäischen Staaten bis jetzt die Muskete, deren sicherwirkende Tragweite aufanf 500 Schritt Entfernung und die Instandsetzung zum Schuß auf 3/4 Minute
                              anberaumt wird. Dem Militärstaate Preußen war jedoch der Ruhm und scheinbare
                              Vortheil vorbehalten, diese Waffe so zu vervollkommnen, daß die Tragweite 1100 bis
                              1200 Schritt und die Schnelligkeit des Schusses das Sechsfache in einer Minute
                              betrug. Es bedarf wohl kaum einer näheren Erklärung des Uebergewichts, welches eine
                              derartig bewaffnete Linientruppmasse gegen eine andere gleichgroße, jedoch mit der
                              schlichten Muskete ausgerüstete auf ebenem ungeschützten Terrain haben muß.
                              Abgesehen von der Entmuthigung, welche die letztere Schaar schon vor Beginn und
                              während des Gefechts ergreifen müßte, würde die Hälfte der Mannschaft in die Flucht
                              gejagt und sein geschlossener Körper schon gänzlich zerstört seyn, ehe sie nur zur
                              Schußweite gedrungen wäre, von einem Bajonnettangriff könnte natürlich nie eine Rede
                              seyn. Glücklicherweise haben aber die Gefechte in Baden bewiesen, daß das
                              Zündnadelgewehr keineswegs ein so unfehlbar mörderisches Gewehr ist als man glaubte,
                              und das gesammte Europa, vor allen aber die Preußen, müssen den Freischaaren und den
                              Badener Truppen für den Muth und die Ausdauer, mit der sie nicht allein den
                              Alexandrinern Stand hielten, sondern ihnen auch bewiesen, daß die sogenannten
                              veralteten Schußwaffen mit den ihrigen concurriren, ja sie sogar übertreffen können,
                              großen Dank sagen.
                           Stellen wir deßhalb zuerst die Vortheile der Zündnadelflinte zusammen. Die
                              mechanische Composition ist schon so mannichfaltig bekannt, daß eine ausführliche
                              Beschreibung derselben hier überflüssig erscheint. Für den ganz Uneingeweihten
                              genüge einstweilen, daß die Muskete – am ehemaligen Zündloch abgesägt
                              – nach dem Kolben zu, über den Hals desselben, durch einen kleinern,
                              theilweise ausgeschnittenen Cylinder a so verlängert
                              ist, daß er durch einen zweiten, genau schließenden, zum Zurückziehen mit einem
                              Griffel versehenen Cylinder b gedeckt oder größtentheils
                              entblößt werden kann. Will ich den Cylinder a, um die
                              Patrone durch seinen Ausschnitt in den Lauf zu bringen, entblößen, so muß ich den
                              Cylinder b vermittelst des erwähnten Griffels mit
                              Anwendung einiger Gewalt zurückziehen, und um wiederum zu schließen, ihn aufwärts
                              drängen. Der längere Cylinder b enthält nur in seinem
                              hinteren, vom Cylinder a nicht in Anspruch genommenen
                              Raume, den mit dem Drücker unter dem Bügel in genauer Verbindung stehenden
                              Stoßapparat – den Hauptmechanismus. Diesen mit mathematischer Genauigkeit zu
                              erklären, würde hier zu sehr aufhalten; es wird ausreichen, wenn wir beiläufig
                              erwähnen, daß das Hauptmovens des Stoßapparates eine spiralförmig gewundene Feder
                              ist, an deren oberem, der Patrone zugekehrten Ende eine scharf zugespitzte stählerne
                              Nadel sich befindet, welche, nachdem die Feder durch den ebenfalls im Cylinder b angebrachten Aufziehungsapparat erst in die
                              contrahirte, durch Berührung des Drückers aber in die extendirte Lage gebracht
                              worden ist, plötzlich mit lebhafter Gewalt durch die Pulverkammer der Patrone in
                              deren sogenannten Zündspiegel gedrängt wird, und dort die Explosion des Schusses
                              veranlaßt.
                           Gehen wir von dem mechanischen zu dem pyrotechnischen Theile der Patrone über. Wir
                              haben hier außer über das Agens, das Pulver, und über das Projectil, die Kugel, noch
                              über einen der drei Hauptkörper, den Pfropfen, zu handeln, einen bei der
                              Zündnadelstinte deßhalb unentbehrlichen Theil, weil er in seinem Innern nicht allein
                              den sonst von außen herbeigeführten Entzündungsstoff selbst enthält, sondern auch
                              weil er in seinem ganzen Baue so gestaltet ist, daß er wesentlich die Wirksamkeit
                              der Treibkraft
                              unterstützt. Dieser Pfropf, hier Zündspiegel genannt – Spiegel ist der
                              technische Ausdruck für den Pfropf schwerer Geschütze, und Zündspiegel der für den
                              der Congreve'schen Raketen, die bekanntlich nach der neuesten Construction des
                              österreichischen Gen.-Feldmarschalls Augustin
                              ebenfalls durch die Spiralfeder und Nadel entzündet werden – besteht nämlich
                              wesentlich aus einem 1/2 bis 3/4 Zoll hohen und nach dem Verhältniß des Kalibers in
                              der Länge zu bestimmenden Streifen dünner, wenig geleimter Pappe, die vermittelst
                              einer einfachen Vorrichtung, vom Centrum aus nach der Peripherie so gewickelt und am
                              Ende zugekleistert wird, daß er einen kurzen Cylinder bildet, der genau an die Wände
                              des Gewehrs im Lichten paßt. Ist er vollkommen getrocknet, so wird er im
                              Höhendurchmesser dem Drucke einer Presse unterworfen, der ihn vermöge des convexen
                              Stempels und der gleichen Unterlage auf beiden Seiten so aushöhlt, daß seine untere
                              Hälfte zur Aufnahme der Zündmasse, und die obere zur Bergung des Projectils –
                              hier der nach der Basis segmentförmig gegossenen Spitzkugel – passend gemacht
                              wird, und dennoch in der Mitte noch eine feste Scheidewand concentrirter Pappe übrig
                              läßt.
                           Ein derartig fabricirter Pfropf hat nun den Vortheil, daß er, aufgebläht und
                              aufgerollt durch die vereinten Explosionen der lebhaft kräftigen Zündmassen und des
                              Pulvers, diesen innerhalb des Laufes nicht nur einen viel entschiedenern Widerstand
                              entgegensetzt, und so die Triebkraft erhöht, sondern auch durch seine Reibung an der
                              Wand den schmutzigen Niederschlag des vorhergegangenen Schusses mit sich
                              herausreißt.
                           Was nun die Zündmasse, diesen bis auf unsere Zeit so geheim gehaltenen
                              Hauptbestandtheil der Congreve'schen Raketen und der Nadelstinten betrifft, so ist
                              ihre chemische Composition in den Laboratorien der Regierungen und einzelner
                              Privatpersonen aus dem Grunde verschieden, weil Jedes aus deren Geheimhaltung noch
                              so viel als möglich Nutzen zu schöpfen sucht. Die chemische Analyse einerseits und
                              mannichfaltige Versuche andererseits haben jedoch nachgewiesen, daß bestimmte Theile
                              von Knallsilber, Salpeter. Antimon, Kali. Schwefel und leichter Kohle die
                              Hauptsubstanzen sind.Die Zündmasse der preußischen Zündspiegel besteht lediglich aus chlorsaurem
                                    Kali und Schwefelantimon. Wegen der furchtbaren Wirksamkeit und Ungeheuern Empfindlichkeit des
                              Knallsilbers kann die Masse nur in geringen Quantitäten unter Anwendung der größten
                              Vorsichtsmaßregeln – unter Verhütung von Stößen, Druck, Erwärmung,
                              Sonnenstrahlen, Feuer – und auch dann nur auf feuchtem Wege bereitet und
                              eingepreßt werden.
                           Die Patrone besteht endlich aus dünnerem ungeleimten Papier, als insgemein sonst dazu
                              verwendet wird, und unterscheidet sich von den gewöhnlichen dadurch, daß sie nicht
                              gerollt, sondern daß sowohl die Längenkante des um die Hülse gerollten, länglich
                              viereckig geschnittenen Papieres einige Linien breit über einander, als auch das zur
                              Aufnahme des Pulvers bestimmte Ende etwas eingeschlagen und mit einem Papierboden
                              verklebt wird. Auf das Pulver wird dann der Zündspiegel, auf diesen wiederum die
                              Spitzkugel gesetzt und der Schluß der Patrone um seine Längenachse gewunden, knapp
                              an der Kugel zugebunden, und der Papierüberrest abgeschnitten. Vortheilhaft ist es,
                              wenn man ihre Wände und ihren Boden noch mit etwas Talg schlüpfrig macht.
                           Fassen wir nun die Vortheile der Zündnadelflinte, um sie mit anderen Gewehren zu
                              vergleichen, zusammen, so finden wir, daß sie jene übertrifft: 1) durch die
                              Geschwindigkeit des Ladens, indem bei ihr der Zeitaufwand, der durch die
                              wiederholten Wendungen des Gewehrs, das Abbeißen der Patrone oder Abmessen des
                              Pulvers, die Lade- oder Setzstockhülfe und das Zündhütchenaufsetzen erfordert
                              wird, wegfällt; 2) durch die aus dem oben beschriebenen Verfahren hervorgehende
                              Ersparung an Kraft und Blutaufregung; 3) durch die aus letztbenanntem Grunde
                              hervorgehende Zielsicherheit; 4) durch die Tragweite; 5) durch die Reinlichkeit des
                              Rohrs; 6) durch die der Visirung stets parallel bleibende Lage beim Laden, mithin
                              leichteres Wiederauffinden derselben; 7) durch die Bequemlichkeit der beim
                              Vorpostengefecht oft vorkommenden Knie-, Stütz- und
                              Bauchfeuerungslagen und des darauf beruhenden Ladens; 8) durch die bei gedeckten Lagen –
                              hinter Bäumen, Brustschanzen – garantirte Sicherheit des beim Laden anderer
                              Gewehre bloßgestellten rechten Armes und Beines.
                           Richten wir nun unsere Blicke auf die Schattenseite der Erfindung. Der erste Mangel,
                              der sich herausstellt, betrifft die Spiralfeder. Die. Erfahrung hat nämlich gelehrt,
                              daß sich dieselbe bei angestrengter Thätigkeit ungemein schnell und manchmal
                              unerwartet plötzlich abnutzt, während eine kurz vorhergegangene Revision ihr
                              vielleicht noch lange Ausdauer zusprach. Nun trägt zwar der Schütze jederzeit eine
                              Reservefeder bei sich und vermag auch, da es keine große Geschicklichkeit verlangt,
                              den Mechanismus selbst wieder in Stand zu setzen, doch geht immer hiermit der
                              Zeitaufwand von wenigstens einer guten Viertelstunde verloren, und trotzdem ist
                              keine gründliche Hülfe gewonnen, weil die Ausdauer der neuen Feder ebenfalls keine
                              vollkommen garantirte ist. Ein weiterer Uebelstand ist der, daß die Spitze der an
                              der Spiralfeder befestigten stählernen Nadel den Papierboden der Patrone oftmals
                              nicht durchbohrt, sey es, daß sie durch irgend eine Falte oder durch das oftmals
                              ungleich mäßige Gewebe des Papiers daran gehindert wird, oder daß sie, was
                              meistentheils die wahre Ursache ist, durch die Kohlenniederschläge des Pulvers auf
                              wenigstens 1/8 Zoll Länge mit einer dichten Kruste überzogen, zum Eindringen
                              untauglich gemacht wird. Schon nach wenigen Schüssen würde dieser Umstand unfehlbar
                              eintreten, wenn nicht ein Tempo beim Laden, welches das Reinigen der Spitze
                              vermittelst der Finger der rechten Hand und etwas Speichel anbefiehlt, diesem Fehler
                              vorzubeugen suchte. Leider läßt sich aber dieser Handgriff bei hitzigen Gefechten
                              nicht so ruhig und zweckmäßig ausführen, als es in der Regel bei Exercitien
                              geschieht, denn die Hand und überhaupt die ganze Person entbehrt dann nicht allein
                              der dazu erforderlichen Ruhe und Sicherheit sondern sie ist auch der Verwundung und
                              Verbrennung – denn die Nadel wird nach und nach sehr heiß – wiederholt
                              ausgesetzt; des Umstandes endlich gar nicht zu gedenken, daß der Speichel, besonders
                              an heißen Tagen, mit der Länge auch ausbleibt.
                           Jeder Soldat erhält insgemein vor dem Beginn des Treffens 6 Dutzend Patronen, von
                              denen ungefähr 4 Dutzend aufgebunden in der Patrontasche, 2 Dutzend eingepackt in
                              dem Tornister verwahrt werden. – Der mit der Büchse bewaffnete Jäger hat hier
                              den Vortheil, daß er außerdem noch Kugeln und Pulver bei sich führt. –
                              Rechnet man nun auf die Minute bei jeder Zündnadelflinte 6 Schuß, so ergibt sich,
                              daß sie der Soldat in 1 1/2 Stunden bequem verschossen haben kann. Hier kann nun
                              leicht, besonders wenn man sich auf ungünstigem Terrain schlägt oder der Feind
                              Granaten und Congrevesche Raketen wirft, der dritte Nachtheil eintreten, daß er, von
                              den auf Stundenweite oder ganz und gar zurückgebliebenen Pulverwagen ohne Proviant
                              gelassen, sich mitten im Gefecht zurückziehen, oder, wenn dieses unmöglich gemacht
                              seyn sollte, ganz allein aufs Bajonnett verlassen müßte. Da zur Zündnadelflinte in
                              der preußischen Armee die Muskete, ein 10 bis 11 Pfund schweres Gewehr verwendet
                              worden ist, so muß viertens die Sicherheit des weiten Schusses hier um so mehr in
                              Zweifel gezogen werden, well ein so schweres Gewehr an und für sich schon eher als
                              eine Büchse, bei einiger körperlicher Strapaze aber unbedingt den Wanker –
                              das sogenannte Schwanken des Rohrs – mit sich bringen muß. Deßhalb wird jeder
                              weite, von einem unsichern oder ermatteten Schützen auf einen einzelnen Gegenstand
                              oder kleinere Menschengruppen abgefeuerte Schuß nichts als eine Privatverschwendung
                              seyn, weil die geringste Abweichung auf so bedeutende Entfernungen gar nicht nach
                              Zollen, sondern nach Ellen zu berechnen ist. Fünftens verlangt die Verfertigung der
                              Patrone nicht nur mehr Zeit als alle anderen, sondern sie kann auch ganz zur
                              Unmöglichkeit gemacht werden, wenn die Maschinen und Stoffe zur Pfropffabrication
                              abgeschnitten oder sonst nicht zu erhalten sind. Sechstens ist sie beim Verfertigen
                              und Laden sehr leicht dem Zerbrechen unterworfen. Siebentens ist der Transport
                              derselben bei weitem gefährlicher. Jede in einen mit ihnen gefüllten Pulverwagen
                              einschlagende Kanonenkugel würde ihre Explosion zur Folge haben.
                           Diese mannichfaltigen Schwächen der neuen Erfindung waren es also, die schon früher
                              in den Sachverständigen lebhafte Zweifel an der Dauerhaftigkeit derselben
                              hervorriefen und sie zu dem Ausspruche drängten, daß die Construction der
                              Keil- oder Spitzkugelgewehre den Vorzug verdiene. Ihre Erfindung verdanken
                              wir den Russen, ihnen gebührt der doppelte Dank, daß sie uns zu allererst sowohl von
                              dem Vorurtheile befreiten, daß ein zwischen dem Pulver und dem Projectil
                              befindlicher leerer Raum
                              das Zersprengen des Rohrs zur Folge haben müsse, als auch mit der hierauf beruhenden
                              allgemeinen und wirksamen Entzündung des Pulvers und mit der zur Luftdurchschneidung
                              zweckmäßigen, aber nach den Gesetzen der Menschlichkeit so grausamen Keilkugelform
                              bekannt machten. Sie wiesen darauf hin, daß die veraltete Ladung der Büchse, bei der
                              Hammer, Setzstock und Talgpflaster benutzt werden, die Fehler habe, daß das Pulver
                              unzweckmäßig und unverhältnißmäßig zusammengedrängt und dadurch theilweise aus
                              seiner natürlichen Gestalt zu Mehl verwandelt werde; daß die stattfindende Explosion
                              schon deßhalb keine so wirksame, hauptsächlich aber darum nicht werden könne, weil
                              in einem so zusammengedrängten Pulverlager nicht genug Raum zur Entwickelung der
                              Gase gegeben sey, mithin eine nicht unbedeutende Zahl der Pulverkörner unverbrannt
                              gleichzeitig mit herausgerissen werde. Von diesem Umstande kann man sich deutlich
                              überzeugen, wenn man über eine Schneefläche oder über ein Tischtuch schießt; ist der
                              Schuß derb eingekeilt gewesen, so wird man stets unverbrannte Pulverkörner wieder
                              finden. Ferner machten sie darauf aufmerksam, daß das Fett des Pflasters, besonders
                              wenn dieses in einem erwärmten Rohre längere Zeit dem Pulver aufsitze, ebenfalls das
                              vorbenannte Resultat erzeuge. Endlich bewiesen sie noch, daß die Spitzkugel besser
                              als die runde den Schwerpunkt in der Mitte behalte, weil sie stets vollkommen massiv
                              und nicht wie diese oftmals im Innern mit hohlen Stellen versehen sey.
                           Da alle diese Einwürfe auf augenscheinlicher Wahrheit beruhten, da ferner eine
                              zweckmäßige Verbesserung geboten war. und außerdem die Verwandlung der Gewehre,
                              besonders der mit Patentkammern versehenen, in spitzkugelnschießende sich leicht
                              bewerkstelligen ließ, so verbreitete sich die Erfindung sehr schnell. Von
                              schwedischen Castelljägern damit bekannt gemacht, führten sie zuerst die Franzosen
                              bei den Chasseurs d'Algérie und Vincennes ein, sie vervollkommneten sie sogar noch
                              dadurch, daß sie das Rohr zur Aufnahme einer bedeutenden Gradladung tauglich machten
                              und noch mit einem 4 Zoll hohen verschiebbaren Klappvisir zu weiten Schüssen
                              versahen. Fast gleichzeitig mit ihnen bemächtigten sich die Belgier dieser
                              Erfindung, die sie wieder in so fern zu vereinfachen suchten, als sie den nach ihrer
                              Ansicht überflüssigen, oft sogar schädlichen Dorn, auf dem die Kugel aufsitzt, von
                              dem sie aber zu der Zeit noch nicht wußten daß er, um nicht aus der Diagonale
                              gedrängt zu werden, aus dauerhaft gehärtetem Eisen bereitet werden muß, ganz weg und
                              die Kugel einzig und allein auf den hervorstehenden Kranz der Patentkammer aufsitzen
                              ließen; eine Erfindung, von der sie jedoch schnell abließen, als sie die
                              nachtheilige Wirkung für die Züge, in die sich das Blei zu sehr eindrängt,
                              erkannten. Den Belgiern schlossen sich versuchsweise die Engländer, die in früheren
                              Jahren schon oblonge Kugeln ohne besondern Nutzen eingeführt hatten, und die Preußen
                              an; jetzt wird endlich auch in Sachsen diese Waffe eingeführt.
                           Da ein geübter Soldat, besonders wenn die Gradmessung am Pulverhorn angebracht ist,
                              mit ihr in 2 Minuten 5 wohlgezielte Schüsse absenden, außerdem ohne große Beschwerde
                              100 Kugeln mit sich führen kann; da ferner das Gewehr keinen überraschenden Fehlern
                              im Mechanismus und die Verfertigung der Ammunition keinen Schwierigkeiten
                              unterworfen ist, endlich vermöge seiner Vervollkommnung weiter trägt als die Büchse,
                              – so wird es wohl binnen kurzem allgemein an deren Stelle beim Militär
                              eingeführt seyn.
                           Nicht unerwähnt darf hier gelassen werden, daß die Dänen in den vorjährigen Kriegen
                              unterhalb der Spitzkugel noch einen umwickelten Bleicylinder mit einluden. Ein
                              technischer Vortheil wird hiermit nicht erzielt, wohl aber eine den Kriegsgesetzen
                              Hohn sprechende Grausamkeit. Lassen wir ihnen diese Ehre, sie stellen sich dadurch
                              nur mit jenen barbarischen Nationen auf eine Stufe, bei denen es sich nur um den
                              Mord handelt, die dadurch ihre Feinde vernichten, daß sie die Kugeln vergiften, oder
                              das Schwanzstück derselben mit Draht an die Patrone binden, oder endlich, was ganz
                              mit der Gebrauchsweise der Dänen übereinstimmt, segmentförmig abgeschnittene und mit
                              diesen glatten Flächen übereinander gedrehte Kugeln beim Kampfe anwenden. Dann ist
                              es keine Schlacht, sondern ein Schlachten zu nennen. (Böttger's polytechnisches Notizblatt 1850. Nr. 10.)
                           
                        
                           
                           Nieten mittelst Maschinen ist dauerhafter als mit Hammer und
                              Schellen.
                           Nieten, welche im glühenden Zustande auf Nietenmaschinen durch Hebeldruck gepreßt
                              worden sind, zeigen in der Textur des Eisens keine Veränderung während von der Hand
                              erzeugte spitzförmige oder geschellte Nieten nach ihrem Erkalten einen
                              krystallinischen körnigen Bruch zeigen. Wenn die Niete zu kalt geschellt wird so
                              wird der Bruch sogar zinkähnlich. Karl Kohn, CivilingenieurCivilingeneur. (Notizenblatt des österr. Ingenieur-Vereines, 1850 Nr. 4.)
                           
                        
                           Schmiedeisen, durch Wasserstoffgasflamme erhitzt, wird
                              spröde.
                           Wenn reines Eisen durch eine Wasserstoffgasflamme glühend gemacht wird, oder während
                              des Glühens mit diesem Gase in Berührung kommt, so wird es spröde, und läßt das
                              Feinstrecken oder Feinziehen, wenn nämlich dieses Eisen zu dünnen Drähten oder
                              Blechen verarbeitet wird, nicht mehr in dem Grade zu, als es nach Behandlung mit
                              reiner Holzkohle gestattet. Künstliche Magnete aus solchem Material verlieren ihre
                              magnetische Kraft bedeutend früher als jedes andere Eisen. – Daher erklärt es
                              sich, warum gewisse Sorten von Schmiedkohle, welche wegen ihrer fremdartigen
                              Bestandtheile, besonders wenn sie beim Brennen mit Wasser benetzt werden müssen,
                              viel Wasserstoffgas erzeugen, zu gewissen Arbeiten, z.B. zum Sensenschmieden,
                              durchaus nicht taugen. (A. a. O.)
                           
                        
                           Schweißen großer Metallstücke.
                           Große Metallstücke, namentlich von Glockenmetall, die
                              ihrer Dimensionen wegen nicht mehr gelöthet werden können, lassen sich auf folgende
                              Art zusammenschweißen: In dunkelrothglühendem Zustande werden die zu verbindenden
                              Metallstücke, nachdem ihre Ränder vorher gehörig desoxydirt wurden,
                              zusammengehalten, durch schwache, aber schnell aufeinander folgende Schläge mit
                              Holzschlegeln bringt man selbe zu einer intensiven Weißglühhitze, die hinreicht um
                              das Metallkorn zu schmelzen und die zusammengehaltenen Ränder so innig miteinander
                              zu verbinden, daß eine zerbrochene Glocke, die auf die beschriebene Weise
                              hergestellt wurde, ihren früheren Klang wieder erhält.
                           Angegebenes Verfahren wurde schon öfters in Anwendung gebracht. (A. a. O.)
                           
                        
                           Fortpflanzung der Elektricität, selbst durch eine
                              unterbrochene Kette.
                           Werden die beiden Enden einer unterbrochenen Leitung einander so weit genähert, daß
                              die Entfernung beider nur 0₀₀₁ Zoll beträgt (dieß kann auf
                              einem Mikrometertisch unter dem Mikroskop ausgeführt werden), so zeigt ein
                              Multiplicator eine eben so große Ablenkung der Magnetnadel, als wenn die Kette gar
                              nicht unterbrochen wäre. (A. a. O.)
                           
                        
                           Froment's elektrischer Telegraph.
                           Prof. Pouillet hat der
                              französischen Akademie der Wissenschaften einen Telegraph des Hrn. Froment vorgezeigt; dieser Apparat
                              ist einer von denjenigen welche die Telegraphen-Verwaltung vor einigen
                              Monaten diesem geschickten Künstler bestellte: er zeichnet sich dadurch aus, daß er
                              die Depesche nicht in Buchstaben, sondern in Zeichen schreibt mittelst eines
                              Bleistifts welcher sich beim Schreiben schärft, weil er sich während seiner
                              Hin- und Herbewegung zu gleicher Zeit um sich selbst dreht; der Bleistift wird direct und
                              ohne Zwischenmittel durch die Armatur des Elektromagnets bewegt und kann drei bis
                              vier Tausend einfache Schwingungen in der Minute vollbringen.
                           Das erste derartige Modell wurde von Hrn. Froment schon vor mehreren Jahren nach den Angaben des Hrn.
                              Pouillet angefertigt,
                              welcher es für seine öffentlichen Vorlesungen am Conservatorium der Künste und
                              Gewerbe bestellt hatte. (Comptes rendus, Mai 1850, Nr.
                              18.)
                           
                        
                           Mit Gutta-percha überzogene Kupferdrähte zu
                              galvanischen Telegraphenleitungen, von Emil Müller in
                              Hamburg.
                           Der k. k. Sectionsrath Hr. v.
                                 Steinheil bemerkt in seiner Beschreibung der galvanischen Telegraphen
                              Deutschlands (polytechn. Journal Bd. CXV S.
                                 189) „daß die mit Gutta-percha isolirten Kupferdrähte für
                                 den Telegraph von Hamburg nach Cuxhafen von Emil Müller in Hamburg geliefert wurden, die Arbeit jedoch sehr mangelhaft
                                 ist. so daß die Isolirung große Schwierigkeiten machte.“ Die
                              Umpressung dieser Drähte wurde aber nicht von Hrn. Emil Müller, sondern von den Fabrikanten H. Rost und Comp. in Hamburg beschafft. Die k. bayer.
                              Eisenbahn-Commission bezeugt in einem Schreiben dd. München 25 April 1850 – welches der Redaction des polytechn.
                              Journals mitgetheilt wurde – dem Handels-Etablissement Emil Müller in Hamburg auf gestelltes Ansuchen, daß die von
                              demselben zu unterirdischen galvanischen Telegraphen-Leitungen in den Straßen
                              der Städte bezogenen mit vulcanisirter Gutta-percha umpreßten Kupferdrähte an
                              Qualität ganz entsprechend geliefert wurden, und daß bis daher an denselben irgend
                              ein Mangel bezüglich der Isolirung nicht vorgekommen ist.
                           
                        
                           Vergleichung der Fahrenheit'schen Thermometerscala mit der Celsius'schen; von Hrn. d'Abbadie.
                           Gewöhnlich setzt man die Angaben des Fahrenheit'schen Thermometers in Celsius'sche
                              Grade nach folgender Formel um:
                           C = ((F
                              – 32°) × 100)/180,
                           worin C und F die Celsius'schen und Fahrenheit'schen Grade bezeichnen.
                           Diese Formel beruht auf der Annahme daß 212° F. genau 100° C.
                              entsprechen. Dieß ist aber nicht der Fall; denn in Frankreich bezeichnet man mit
                              100° C. den Punkt wo das Quecksilber eines vollkommen calibrirten
                              Thermometers im Dampf von kochendem Wasser stehen bleibt, wenn die Höhe des
                              Barometers, auf 0° Temperatur reducirt, 760 Millimeter beträgt. In England
                              bestimmt man hingegen den Siedepunkt des Wassers, 212° Fahrenheit, bei dem
                              Druck von 30 Zollen, welche 761,9862 Millimetern
                              entsprechen. Diese Differenz ist zwar klein, aber doch merklich bei einem guten
                              Normal-Thermometer, welcher bei einem Druck von 761,9862 Millimetern nicht
                              100 Celsius'sche Grade, sondern 100°,0727 C anzeigen wird.
                           Außer dieser Correction muß man aber noch eine andere vornehmen, welche 1/10 von
                              jener erreicht und von der Differenz in der Intensität der Schwere zu Paris und
                              London abhängt, da in diesen beiden Städten die guten französischen und englischen
                              Thermometer verfertigt werden. Wenn man mit G die
                              Schwere für Paris und mit g diejenige für London
                              bezeichnet, so erhält man, indem man G und g von den beobachteten Längen
                              des Pendels abzieht,
                           Logarithmus G/g = 1,9998797.
                           
                           Man wird folglich 759,785 Millimeter für die Höhe des Barometers bei 0° in
                              London erhalten, wenn ein in Paris graduirter Thermometer in ersterer Stadt die
                              scheinbare Temperatur von 100 Celsius'schen Graden anzeigt. Die Differenz ist gleich
                              0,215 Millimeter und entspricht 0°,0079 Celsius.
                           Da man diese zwei Correctionen in demselben Sinne anzuwenden hat, so muß der in Paris
                              rectificirte Thermometer 100°,08066 Celsius anzeigen, wenn der in London
                              verfertigte englische Normalthermometer 212° Fahrenheit anzeigt. Man muß
                              daher obige Formel abändern und schreiben
                           C = ((F
                              – 32°) × 100,08066)/180.
                           Diese Correction ist allerdings unbedeutend; aber bei genauen Beobachtungen liest man
                              den Thermometer auf weniger als 0°,08 Celsius ab, und es ist zu wünschen daß
                              zu einem Beobachtungsfehler niemals noch ein kleiner Theoriefehler kommt. (Comptes rendus, Mai 1850, Nr. 18.)
                           
                        
                           Babinet's barometrische Formel.
                           Hr. Babinet hat die Formel von
                              Laplace auf eine Weise abgeändert, wobei man die
                              Logarithmen nicht anzuwenden braucht.
                           Die Formel von Laplace ist:
                           Z = 18393m (log. H
                              – log. h) [(1 + 2 (T
                              + t))/1000].
                           Für Höhen welche geringer als 1000 Meter sind (und selbst für Höhen welche viel
                              größer sind, wenn man nur annähernde Resultate braucht), verwandelt man sie in
                              folgende:
                           Z = 16000m (H –
                              h)/(H + h) [(1 + (2T
                                  + t))/1000].
                           Wenn man z.B. hätte:
                           H – h = 10mm, H + h = 1500mm, T + t = 25° C.
                           so würde man finden
                           Z = 16000 10/1500 (1,05) = 112m
                              
                           für größere Höhen kann man eine Zwischenstation annehmen.
                           Reisende, welche in Berechnungen nicht geübt sind, vernachlässigen deßhalb oft die
                              Höhe der Orte anzugeben, welche sie durchwanderten. Da nun dieselbe so leicht und
                              mit großer Genauigkeit bloß mittelst eines Barometers zu bestimmen ist, so empfehlen
                              wir den Reisenden obige Formel wegen ihrer außerordentlichen Einfachheit. (Journal de Pharmacie, Mai 1850, S. 367.)
                           
                        
                           Vorkommen von Jod in Süßwasserpflanzen.
                           Hr. Ad. Chatin hat das
                              Vorkommen von Jod in der Kresse (Nasturtium officinale),
                              worauf zuerst Müller (Lindley, the
                                 vegetable Kingdom, S. 363) aufmerksam machte, nicht nur bestätigt, sondern
                              diesen Stoff in einer Reihe von Süßwasserpflanzen entdeckt, nämlich in Nasturtium amphibum, Conferva crispata, Chara foetida,
                                 Fontinalis antipyretica, Typha (Rohrkolben) angustifolia und minima, Scirpus lacustris
                              (Binse), Arundo phragmites (Schilfrohr), Acorus Calamus (Calmus), Sagittaria, Nymphaea (Wasserlilie), Potamogeton
                                 crispum und pectinatum, im Wasserpfeffer, Veronica Beccabunga (Bachbunge), 
                              Phellandrium aquaticum (Wasserfenchel), Gratiola, Ranunculus aquaticus, Symphytum (Beinwell, consoude), im Alant. Man sieht, daß diese mehr oder
                              weniger Jod enthaltenden Pflanzen weder den Cruciferen (mehrere derselben lieferten
                              bei der Untersuchung kein Jod), noch sonst gewissen Pflanzenfamilien angehören; nur
                              sind sie alle Wasserpflanzen und zwar enthalten die in fließendem Wasser lebenden
                              mehr Jod und diesen zunächst diejenigen in stehenden Wasser, dessen größere
                              Oberfläche vom Wind stark bewegt wird. Das Jod befindet sich nicht im Gewebe,
                              sondern an Alkali gebunden im Safte der Pflanze. Dieses Jod kann nicht von
                              Salzlagern oder Mineralquellen herrühren, sonst würde es nur in den Pflanzen
                              größerer Flüsse zu finden seyn; es muß vielmehr, als ein beständiger Begleiter der
                              salzsauren Salze, zugleich mit diesen von den Wässern ausgewaschen werden. Die
                              eigenthümliche Wirkung mehrerer der genannten Pflanzen gegen Skropheln und Tuberkeln
                              ist dem Jod zuzuschreiben. – Die Analyse dieser Pflanzen geschah auf folgende
                              Weise. Man äscherte die Pflanze vorsichtig ein, laugte die Asche mit kochendem
                              Wasser aus und setzte zur Aufsuchung des Jods mittelst Stärkekleisters, ein Gemisch
                              von Schwefelsäure und Salpetersäure oder Kalisalpeter mit Schwefelsäure zu. Als
                              Gegenprobe wurden jedesmal die Flüssigkeiten entfärbt und das Jod durch Erhitzen
                              verflüchtigt. Je nach ihrem Jodgehalt gaben die Pflanzen entweder sogleich oder erst
                              nach einer gewissen Zeit eine intensive violette Färbung, oder sie gaben eine
                              violettpurpurrothe Färbung entweder unmittelbar, oder ebenfalls nach mehr oder
                              weniger langem Warten. – Man muß bei diesen Versuchen einige
                              Vorsichtsmaßregeln anwenden, z.B. dem Verlust eines Theils des Jods dadurch begegnen
                              daß man die einzuäschernde Pflanze mit Aetzkalilösung befeuchtet, wodurch aber die
                              Asche auch zu schmelzbar werden kann; bekanntlich verschwindet auch die Reaction auf
                              Jod in zu heißen oder zu concentrirten Lösungen leicht, während sie in zu verdünnten
                              Flüssigkeiten sich nicht einstellt etc. (Comptes rendus,
                              März 1850. Nr. 10.)
                           
                        
                           Harmalaroth.
                           Das Göbel'sche Verfahren zur Darstellung des
                              Harmalafarbstoffes ist noch ein Geheimniß, das indessen von der russischen Regierung
                              gekauft werden wird, um es zu veröffentlichen.
                           Man kann die Harmalasamen leicht in einen rothen Farbstoff umändern, wenn man sie,
                              gepulvert, in einer verschlossenen Flasche mit Alkohol stark anfeuchtet und dann
                              ruhig stehen läßt. Nach Verlauf einer Woche hat das Pulver eine rothe Farbe
                              angenommen, die durch weiteren Zusatz von Alkohol lebhafter und reiner wird. Durch
                              zweiwöchentliches Stehen und Anwendung von 1/2 Thlr. 80proct. Alkohol hat Fritzsche (Journal für prakt. Chemie Bd. XLIII S. 155)
                              ein sehr vollkommenes Product erhalten. Diese Darstellungsmethode gründet sich auf
                              eine alte Vorschrift, worin statt Alkohol eine Auflösung von Salpeter und Salmiak in
                              Kornbranntwein empfohlen wird. Das Göbel'sche Verfahren
                              muß davon verschieden seyn, weil nach ihm der Farbstoff schon in Zeit von 1/4 Stunde
                              fertig seyn soll.
                           Bei der Bildung des rothen Farbstoffs findet keine Oxydation statt, da derselbe auch
                              in verschlossenen Gefäßen entsteht
                           Der rothe Farbstoff wird aus seinen Auflösungen in Säuren durch Alkalien als
                              flockiger, amorpher Niederschlag erhalten, der das Filter verstopft und in Wasser
                              nur sehr wenig löslich ist. Beim Trocknen verliert er seine schön purpurrothe Farbe
                              und wird dunkelfarbig, grün schillernd. Hierbei scheint er schon eine Veränderung
                              erlitten zu haben. (Annalen der Chemie u. Pharmacie, Bd. LXXII S. 319.)