| Titel: | Ueber die quantitative Bestimmung von Zucker und Stärkmehl mittelst Kupfervitriols; von Prof. Fehling. | 
| Fundstelle: | Band 117, Jahrgang 1850, Nr. LX., S. 277 | 
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                        LX.
                        Ueber die quantitative Bestimmung von Zucker und
                           								Stärkmehl mittelst Kupfervitriols; von Prof. Fehling.
                        Aus den Annalen der Chemie und Pharmacie, Bd. LXXII S.
                              									106.
                        Fehling, über die quantitative Bestimmmung von Zucker und Stärkmehl
                           								mittelst Kupfervitriols.
                        
                     
                        
                           Bei Versuchen zur Bestimmung des Zuckergehalts in diabetischem Harn wurde der
                              									Verfasser dazu geführt, die durch den Zucker bewirkte Ausscheidung von Kupferoxydul
                              									aus einer Kupferoxydlösung zu dieser Bestimmung zu benutzen. Er überzeugte sich
                              									dabei, daß dieses Mittel  in angemessener Art in Anwendung gebracht, nicht nur zur Bestimmung des
                              									Zuckergehalts im Harn, sondern auch für technische Zwecke, wie zur Bestimmung des
                              									Zuckers in den Rüben und im Traubensaft, so wie zur Bestimmung von Stärke in den
                              									Kartoffeln und im Getreide, vollkommen geeignet ist, indem man sehr rasch zu einem
                              									Resultat kommt, welches der Wahrheit wenigstens so nahe liegt, wie es für diese
                              									Zwecke erforderlich ist.
                           Er überzeugte sich zunächst, daß Pektin, Gerbsäure oder Schleim, wenn man diese der
                              									Zuckerlösung in geringer Menge zusetzt, das Resultat dieser Bestimmungsmethode nicht
                              									verändern. Allerdings mögen in Pflanzensäften öfter noch andere Stoffe vorkommen,
                              									welche auch etwas Kupferoxydul niederschlagen, so daß die Bestimmung etwas zu hoch
                              									ausfällt (wie es z. B. bei Aepfelsaft der Fall ist); solche Stoffe lassen sich dann
                              									aber meist durch Zusatz von etwas Bleiessig vorher niederschlagen, durch welchen von
                              									dem Zucker nichts mit gefällt wird. Bei einem Controlversuch, wo der Zucker im
                              									Traubensaft zugleich durch die bei der Gährung entwickelte Kohlensäure und durch
                              									Kupfervitriol bestimmt wurde, fand der Verfasser bei einem Zuckergehalt von
                              									18–22 Procent, auf ersterem Wege 0,4–0,8 Procent weniger als durch die
                              									Kupferprobe, was wohl zum Theil darin seinen Grund haben mag, daß die letztere Probe
                              									einen etwas zu hohen Gehalt gibt, zum Theil aber auch davon herrühren kann, daß
                              									leicht ein kleiner Theil des Zuckers der Gährung entgeht, wenn die Lösung nicht
                              									hinreichend verdünnt ist.
                           Die zur Bestimmung anzuwendende Kupferlösung enthält, wie
                              									bekannt, Kupfervitriol, neutrales weinsteinsaures Kali und Aetzlauge. Es ist
                              									durchaus wesentlich, daß diese Bestandtheile im richtigen Verhältniß vorhanden sind;
                              									ist dieß nicht der Fall, so zersetzt sich die Auflösung schon ohne Zuckerzusatz bald
                              									am Licht, bei directem Sonnenlicht augenblicklich und ebenso beim Erwärmen oder
                              									Kochen. Es scheidet sich dann Kupferoxydul oder ein grünes basisches Salz und in der
                              									Hitze auch braunes Oxyd aus. Eine solche Lösung verändert sich begreiflich sehr
                              									schnell und gibt ungleiche Resultate. Die folgende Kupferlösung hält sich zwei Jahre
                              									lang unverändert und kann längere Zeit gekocht werden, ohne sich im Geringsten zu
                              									zersetzen. 40 Gramme reiner krystallisirter Kupfervitriol werden in etwa 160 Grammen
                              									Wasser aufgelöst; andererseits wird eine Auflösung von 160 Grm. neutralem weinsaurem
                              									Kali in wenig Wasser mit 600-700 Grm. kaustischer  NatronlaugeStatt der Natronlauge kann man wohl auch mit gleichem Erfolg Kalilauge
                                    											nehmen. Der Verfasser benutzt im Laboratorium im Allgemeinen fast zu allen
                                    											Zwecken, wo Alkali nöthig ist, Natronlauge, weil dieselbe leichter rein zu
                                    											erhalten ist, wie Kalilauge. von 1,12 spec. Gewicht versetzt, und
                              									zu dieser alkalischen Lösung die Kupfervitriollösung nach und nach hinzugefügt. Der
                              									ganzen Mischung wird dann soviel Wasser zugesetzt, daß sie bei 15° C. ein
                              									Volum von 1154,4 Kubikcentimeter einnimmt.
                           Um die Menge des durch eine gewisse Menge Zucker reducirten Kupfersalzes zu
                              									bestimmen, nahm der Verfasser zuerst Rohrzucker, der durch Kochen mit Weinsäure oder
                              									Schwefelsäure in Fruchtzucker verwandelt war, fand aber dabei, daß die Resultate
                              									ungleich ausfielen, weil die letzten Antheile des Rohrzuckers sich sehr langsam
                              									umsetzen. Er wendete dann zu dieser Bestimmung reinen Krümelzucker an, der bei
                              									100° C. getrocknet war und bei der Analyse die richtige Zusammensetzung (C12
                              									H12
                              									O12) gezeigt hatte. Eine
                              									bestimmte Menge solchen Zuckers wurde in Wärme mit der Kupferlösung
                              									zusammengebracht, welche im geringen Ueberschuß genommen wurde; das ausgeschiedene
                              									Oxydul wurde abfiltrirt, durch Glühen mit Salpetersäure in Oxyd verwandelt und als
                              									solches gewogen. Bei mehreren so ausgeführten Versuchen erhielt er auf 180 Th.
                              									Krümelzucker immer zwischen 375 und 395 Th. Kupferoxyd, d. h. auf 1 Aeq. C12H12O12 (= 180, wenn H = 1 genommen wird) 10 Aeq. Oxyd (10 × 39,75).
                              									Das gefundene Resultat war zwar meist etwas geringer wie diesem
                              									Aequivalentverhältniß entspricht; dieß erklärt sich aber dadurch, daß beim
                              									Auswaschen an der Luft gewöhnlich ein kleiner Theil des Kupferoxyduls wieder oxydirt
                              									und gelöst wird, und es ist demnach anzunehmen, daß durch 1 Aeq. Zucker 10 Aeq.
                              									Kupferoxyd reducirt werden. Wurde der Versuch so ausgeführt, daß man zu einem
                              									bestimmten Volum der Kupferlösung eine titrirte Zuckerlösung bis zur vollständigen
                              									Ausscheidung des Kupfers hinzufügte, so zeigte sich zwischen dem verbrauchten Zucker
                              									und dem ausgefällten Kupferoxydul dasselbe Mengenverhältniß.
                           Da das Aeq. des krystallisirten Kupfervitriols 124,75 ist, so wird demnach aus 1247,5
                              									Theilen desselben durch 180 Theile Krümelzucker das Kupfer als Oxydul ausgefällt,
                              									oder da 180 : 1247,5 = 5 : 34,65, so wird durch 5 Th. Krümelzucker das Kupfer aus
                              									34,65 Kupfervitriol niedergeschlagen. 34,65 Grm. ist nun gerade die Menge
                              									Kupfervitriol, welche in einem Liter der nach der obigen Vorschrift bereiteten  Kupferlösung enthalten
                              									ist. 1 Liter verbrauchte Kupferlösung zeigt also 5 Grm., oder 10 Kubikcentimer
                              									derselben zeigen 0,05 Grm. trocknen Krümelzucker an.
                           Um die Bestimmung mittelst dieser Kupferlösung auszuführen, wird die zuckerhaltige
                              									Flüssigkeit bis zu dem zehn- oder zwanzigfachen Volum, in Kubikcentimetern
                              									gemessen, verdünnt, so daß sie höchstens 1 Procent Zucker enthält. Andererseits
                              									werden 10 Kubikcentimeter der Kupferlösung mit 40 Kubikcentimeter Wasser verdünnt,
                              									die Flüssigkeit zum Sieden erhitzt und so lange von der Zuckerlösung zugefügt, bis
                              									alles Kupfer gerade reducirt ist. Je näher man diesem Punkt kommt, desto reichlicher
                              									und röther ist der Niederschlag und desto schneller setzt er sich ab. Eine Probe der
                              									Flüssigkeit, filtrirt und mit Salzsäure angesäuert — die alkalische
                              									Flüssigkeit gibt mit Blutlaugensalz keinen Niederschlag, wenn sie auch noch Kupfer
                              									enthält — darf mit Blutlaugensalz oder Schwefelwasserstoff keine
                              									Kupferreaction mehr zeigen. Enthält das Filtrat Zucker im Ueberschuß, so zeigt es
                              									bald eine gelbliche Färbung.
                           Da ein Versuch in wenigen Minuten beendet ist, so läßt sich leicht ein zweiter
                              									Controlversuch anstellen, um genau den Punkt zu treffen, wo alles Kupfersalz mit der
                              									geringsten Zuckermenge reducirt wird. Da das Kupfersalz augenblicklich durch den
                              									Zucker reducirt wird, so ist ein längeres Kochen nicht nöthig, wenn die Kupferlösung
                              									immer im Kochen oder nahe beim Kochen erhalten wird. Der Zuckerzusatz reducirt
                              									sogleich die entsprechende Menge Kupfer, beim ferneren Kochen erfolgt ohne neuen
                              									Zuckerzusatz keine weitere Reduction.
                           Das Volum der verbrauchten Zuckerlösung enthält nach Obigem 0,05 Grm. Zucker. Den
                              									Zuckergehalt x in Grammen in 100 Kubikcentimeter der
                              									Lösung findet man daraus, wenn das verbrauchte Volum mit v bezeichnet wird, durch die Proportion x :
                              									100 = 0,05 : v oder x = 5/v.
                              									War die Zuckerlösung vorher auf das nfache verdünnt,
                              									also mit ihrem (n—1)fachen Volum Wasser
                              									vermischt, so ist x noch mit n zu multipliciren, um den Zuckergehalt in 100 Kubikcentimeter der
                              									ursprünglichen Lösung zu finden. Indem man ferner das spec. Gewicht derselben
                              									bestimmt und daraus berechnet, wie viel 100 Kubikcentimeter derselben wiegen, kann
                              									man aus diesem Resultat den Zuckergehalt in 100 Gewichtstheilen der Lösung
                              									ableiten.
                           Will man bei zuckerreicheren Lösungen, die, wie Traubensaft, bis 20 Procent Zucker
                              									enthalten, nicht verdünnen, so muß man natürlich  in demselben Verhältniß mehr
                              									Kupfervitriol nehmen, um den Beobachtungsfehler zu verkleinern, die Verdünnung der
                              									Zuckerlösung ist indeß vorzuziehen. Statt der Bestimmung der Flüssigkeiten nach dem
                              									Volum lassen sich dieselben ebenso gut nach dem Gewicht anwenden. Zu diesem Zweck
                              									kann man sich z. B. aus 1 Unze Kupfervitriol, 3 Unzen Weinstein, 1½ Unze
                              									reiner Pottasche, 14–16 Unzen Natronlauge von 1,12 spec. Gewicht und Wasser
                              									13852 Gran = 28 Unzen, 6 Drachmen und 52 Gran einer Lösung darstellen. 1000 Gran
                              									dieser Lösung enthalten 34,65 Gran Kupfervitriol, entsprechen also 5 Gran
                              									Traubenzucker. Die Kupferlösung wird bei der Anwendung auch mit dem vierfachen Volum
                              									Wasser verdünnt; zweckmäßig verdünnt man auch die Zuckerlösung.
                           Um Rohrzucker mit der Kupferflüssigkeit zu bestimmen, muß derselbe mittelst
                              									Einwirkung von Schwefelsäure oder Weinsäure in Fruchtzucker verwandelt seyn. Hierbei
                              									muß man mehrere Stunden erwärmen, um sicher zu seyn, daß aller Rohrzucker
                              									umgewandelt ist. Dasselbe gilt beim Stärkmehl. Man hat hier freilich keine andere
                              									Prüfung, als daß man von Zeit zu Zeit eine Probe nimmt, bis die verbrauchten Mengen
                              									sich gleich bleiben. Bei diesen Proben findet man die dem Rohrzucker oder dem
                              									Stärkmehl proportionale Menge Traubenzucker, woraus die Mengen der letzteren dann
                              									berechnet werden, indem 100 Th. Traubenzucker (C12H12O12) 95 Th. Rohrzucker (C12H11O11) oder 90 Th. Stärke (C12H10O10) entsprechen.
                           Bekanntlich hat Schwarz (polytechn. Journal Bd. CXIII S. 389)
                              									die Kupferprobe bereits zur Bestimmung von Zucker, Stärke etc. anzuwenden empfohlen;
                              									seine Kupferlösung hat aber eine etwas abweichende Zusammensetzung, und er nimmt
                              									nach seinen Versuchen an, daß durch 1 Grm. in Zucker verwandelte Stärke nur 3 Grm.
                              									Kupfervitriol reducirt werden, wornach 1 Th. Stärkezucker nur 2,7 Theile
                              									Kupfervitriol reduciren würde, während nach den Versuchen des Verfassers dadurch
                              									1247,5/180 = 6,9 Th. desselben reducirt werden. Bei Wiederholung der Versuche von
                              										Schwarz fand der Verfasser, daß die nach dessen
                              									Vorschrift bereitete Kupferlösung sich am Sonnenlicht augenblicklich, im Tageslicht
                              									nach einiger Zeit zersetzt, und daß sie auch beim Erwärmen für sich rasch
                              									Kupferoxydul ausscheidet, daher für den Zweck nicht brauchbar ist. Die von Schwarz angegebene geringere Ausscheidung von
                              									Kupferoxydul fand er nicht bestätigt, im Gegentheil wurden bei mehreren Versuchen
                              									aus der Schwarz'schen Kupferlösung durch 180  Th. Traubenzucker
                              									420–470 Th. Kupferoxyd reducirt, also mehr wie der Verfasser selbst bei
                              									seiner Lösung gefunden hat, was offenbar davon herrührt, daß aus der Schwarz'schen Lösung auch unabhängig von dem Zucker durch
                              									das bloße Erwärmen etwas Kupferoxydul gefällt wird. Die von Schwarz gefundene geringere Menge des durch Zucker ausgeschiedenen
                              									Kupferoxyduls mag vielleicht in der unvollständigen Umwandlung des Stärkmehls in
                              									Zucker liegen; der Verfasser beabsichtigt darüber noch fernere Versuche
                              									anzustellen.