| Titel: | Ueber den Stickstoffgehalt des Roheisens und des Stahls; von Prof. R. F. Marchand. | 
| Fundstelle: | Band 117, Jahrgang 1850, Nr. LXI., S. 282 | 
| Download: | XML | 
                     
                        LXI.
                        Ueber den Stickstoffgehalt des Roheisens und des
                           								Stahls; von Prof. R. F.
                              									Marchand.
                        Aus dem Journal für praktische Chemie, Bd. XLIX S.
                              									451.
                        Marchand, über den Stickstoffgehalt des Roheisens und des
                           								Stahls.
                        
                     
                        
                           Bei der Darstellung des Gußeisens aus den Erzen finden eine Menge von Bedingungen
                              									statt, welche es möglich machen, daß das Eisen sich nicht allein mit der Kohle,
                              									sondern zugleich mit einer gewissen Menge von Stickstoff vereinige. Alle
                              									Brennmaterialien, welche hier angewendet werden, enthalten oft einige Procente oder
                              									doch einen bedeutenden Bruchtheil eines Procents Stickstoff; die durch das Gebläse
                              									zugeführte Luft bringt eine außerordentlich große Quantität davon in den Ofen, so
                              									daß es nicht überraschen kann, ein ziemlich bedeutendes Gewicht von
                              									Stickstoffverbindungen als Nebenproduct sich bilden zu sehen. Ammoniak und Cyan sind
                              									die häufigen Bestandtheile entweder der Gichtgase oder anderer Ausscheidungen,
                              									welche der Hohofen in den verschiedenen Regionen darbietet. Diese Stoffe werden
                              									freilich meistens in einer Region des Ofens gebildet, indem das Eisen wenn auch zum
                              									Theil bereits reducirt, dennoch nicht geeignet ist Verbindungen einzugehen. Das
                              									Gußeisen bildet sich als solches erst vor der Form, jedoch hier mit der
                              									stickstoffhaltigen Kohle in innige Berührung tretend, und umgeben von einer
                              									Atmosphäre gasförmigen Stickstoffs, der vielleicht bereits hier, durch Gegenwart der
                              									alkalischen Bestandtheile der Aschen und Zuschläge und der Kohle in Cyan zum Theil
                              									hat übergehen können. Es hatte daher die Vorstellung, baß das Gußeisen vielleicht
                              									einen wesentlichen Stickstoff- oder Kohlenstickstoffgehalt, als Cyan,
                              									Paracyan,  Mellon etc.
                              									enthalte, nichts Unwahrscheinliches, wie denn auch beim Stahl der Umstand, daß
                              									derselbe besonders gut durch Einwirkung von thierischer Kohle auf Eisen entsteht,
                              									eine solche Vermuthung, daß auch hier ein Stickstoffgehalt wirksam seyn könne, sehr
                              									nahe lag.
                           Die merkwürdige Verbindung, die früher für metallisches Titan gehalten wurde, und die
                              										Wöhler als eine Vereinigung von Cyantitan mit
                              									Titanstickstoff erkannte, machte es noch wahrscheinlicher, daß das Gußeisen
                              									gleichfalls eine Stickstoffverbindung enthielte; und diese Vermuthung, bereits
                              									früher hin und wieder ausgesprochen, wurde nun von neuem wiederholt.
                           Bereits vor längerer Zeit hatte Schafhäutl ganz
                              									entschieden einen Stickstoffgehalt im Roheisen und Stahl angegeben, auch die Methode
                              									beschrieben, durch die er denselben bestimmt hatte, ohne die speciellen Versuche
                              									mitzutheilen. Schafhäutl benutzte die Dumas'sche Methode,
                              									um den Stickstoff gasförmig zu entwickeln, und, wo die Quantität zu gering war um
                              									mit Sicherheit gemessen werden zu können, die Umwandlung des Stickstoffs in Ammoniak
                              									mittelst Zusammenschmelzen der stickstoffhaltigen Substanz mit einem Gemenge von
                              									Kali- und Baryterdehydrat; das gebildete Ammoniak wurde als Platinsalmiak
                              									gewogen. In einer später veröffentlichten Arbeit, dem Artikel Stahl in Prechtl's Encyklopädie, Bd. XV, S. 364, theilt Schafhäutl
                              									die Zahlenverhältnisse mit, welche er bei den Stahl- und Eisenanalysen
                              									aufgefunden; auch hier sind die Versuche nicht im Detail angegeben.
                           
                              
                                 Er fand:
                                 
                                 
                              
                                 Im schmiedbaren Roheisen
                                 0,532
                                 Proc.
                                 Stickstoff.
                                 
                              
                                 Im kleinluckigen Roheisen
                                 0,927
                                 Proc.
                                 Stickstoff.
                                 
                              
                                 Im großluckigen Roheisen
                                 0,749
                                 —
                                 —
                                 
                              
                                 Im Spiegeleisen
                                 1,200
                                 —
                                 —
                                 
                              
                                 Im Beinhauer'schen Rasirmesser
                                 0,532
                                 —
                                 —
                                 
                              
                                 Im blumigen Roheisen mit Stahlgare
                                 0,5842
                                 —
                                 —
                                 
                              
                           Beim Auflösen des Stahls und anderen weißen Roheisens in Chlorwasserstoffsäure
                              									bleibt, wie er sagt, ein schwarzbrauner, flockiger Rückstand, der in freier Luft
                              									erhißt, glimmt und unter Entwickelung von Kohlensäure und Stickstoff fortbrennt,
                              									während er Eisenoxyd zurückläßt.
                           Der Verfasser stellte über diesen Gegenstand eine Reihe von Versuchen an, deren
                              									Resultate in Nachstehendem auszugsweise mitgetheilt sind.
                           
                           Um zunächst mittelst eines empfindlichen Reagens den Stickstoff im Eisen aufzusuchen,
                              									wurde die Methode von Lassaigne in Anwendung gebracht.
                              									Feingepulvertes Gußeisen wurde mit Kalium gemengt und dieses Gemenge in einer
                              									Glasröhre geglüht. Der Stickstoff, wenn er in dem Eisen enthalten war, mußte dabei
                              									mit dem Kohlenstoff des Eisens und mit dem Kalium Cyankalium bilden. Die geglühte
                              									Masse wurde mit Wasser ausgezogen, der Auszug mit einer Lösung von schwefelsaurem
                              									Eisenoxydul und-Oxyd gemischt und die Mischung mit Salzsäure übersättigt.
                              									Dabei blieb ein reichlicher Niederschlag von Berliner
                                 										blau ungelöst, zum Beweis daß wirklich Cyankalium gebildet war. Gegen
                              									dreißig verschiedene Sorten Gußeisen, welche in dieser Weise untersucht wurden,
                              									gaben alle diese Reaction. Beim Stahl trat sie in noch höherem Maaße ein, mit
                              									weichem Etsen kam sie dagegen niemals entschieden zu Stande, und ebenso wenig mit
                              									einem Gemenge von reinem Eisen und Kohle. Wurde das ungelöste und wieder getrocknete
                              									Eisenpulver immer aufs neue wieder mit Kalium geglüht und die Masse in angegebener
                              									Art behandelt, so fand aufs neue Bildung von Berlinerblau statt, was außerordentlich
                              									lange fortdauerte, so daß bei 8 Grammen Eisenpulver die Reaction nicht erschöpft
                              									werden konnte. Diese reichliche Bildung von Berlinerblau führte den Verfasser zu der
                              									Vermuthung, daß der Stickstoffgehalt des Eisens hierzu nicht die Veranlassung sey,
                              									sondern daß Stickstoff aus der Luft absorbirt werde. Diese Vermuthung wurde durch
                              									weitere Versuche vollkommen bestätigt.
                           Als nämlich das Glühen bei Ausschluß eines stickstoffhaltigen Gases, nämlich in einer
                              									Atmosphäre von Wasserstoff- oder Kohlensäuregas vorgenommen, und die Masse
                              									nachher übrigens in angegebener Art behandelt wurde, fand, bei vielfacher
                              									Wiederholung dieses Versuchs, niemals eine sofortige Bildung und Abscheidung von
                              									Berlinerblau statt, und nur erst nach 5–6 Tagen hatte sich auf dem Boden der
                              									Gefäße eine sehr schwache, oft sehr zweifelhafte Andeutung eines blauen
                              									Niederschlags gezeigt. Als ferner das Glühen in reinem Stickstoffgas und unter
                              									solchen Umständen vorgenommen wurde, daß eine Absorption desselben bemerkt werden
                              									konnte, gab sich diese entschieden zu erkennen. Das Gemenge von kohlenstoffhaltigem
                              									Eisen und Kalium hat demnach die Eigenschaft, beim Glühen in einer
                              									stickstoffhaltigen Atmosphäre Stickstoff zu absorbiren und Cyankalium (und bei
                              									nachheriger Behandlung mit Wasser Kalium-Eisencyanür) zu bilden, wie dieß
                              									übrigens auch anderweitig schon gefunden ist.
                           
                           Obgleich diese Versuche einen Stickstoffgehalt des Eisens sehr unwahrscheinlich
                              									machten, so sah der Verfasser sich doch veranlaßt, die Verfahrungsarten, welche Schafhäutl angewendet hat, und auf die er seine so
                              									entschiedenen Angaben stützt, ebenfalls in Anwendung zu bringen. Zu diesem Zweck
                              									wurden 10 Gramme fein gefeiltes Gußeisen aus der Hütte des Hrn. Hausmann zu RottleberodeDie Hütten von Rottleberode am Unterharz, welche vorzüglich schönes
                                    											Guß- und Schmiedeisen liefern, sind dadurch merkwürdig, daß sie zu
                                    											den so seltenen gehören, in denen man im Hohofen die Bildung künstlichen
                                    											Feldspaths beobachtet hat; von Eisenhohöfen wohl der einzige bekannte
                                    											Fall. mit Kuferoxyd geglüht, in einem Apparat und in derselben
                              									Weise, wie man sie zur Bestimmung des Stickstoffgehalts in organischen Körpern
                              									anwendet. Der Stickstoff, wenn derselbe im Eisen enthalten war, mußte dabei als Gas
                              									ausgetrieben und konnte dann als solches gemessen werden. Bei Ausführung dieses
                              									Versuchs, wobei alle erforderlichen (in unserer Quelle näher angegebenen)
                              									Vorsichtsmaaßregeln in Anwendung kamen, um Fehlerquellen irgend welcher Art zu
                              									vermeiden, wurde allerdings etwas Stickstoffgas erhalten, dieß betrug aber so wenig,
                              									daß darnach in 100,000 Th. Gußeisen nur 15 Th. oder in 100 Th. nur 0,015 Th.
                              									Stickstoff enthalten seyn würden. Mehrere folgende Versuche, bei denen Gußeisen oder
                              									Stahl mit Kupferoxyd verbrannt wurde, gaben ähnliche Resultate; die höchste
                              									Stickstoffmenge, welche erhalten wurde, betrug 18 Th. auf 100,000 Th. Eisen.
                           Indem der Verfasser es für möglich hielt, daß der aus dem Gußeisen
                              									herauskrystallisirte Graphit Stickstoff enthalten könne, wurden drei verschiedene
                              									Proben solchen Graphits durch Glühen mit Kalium auf einen Stickstoffgehalt
                              									untersucht, dabei aber auch nicht die allergeringste Bildung von Cyan wahrgenommen.
                              									Man konnte ferner glauben, daß der im Gußeisen enthaltene Stickstoff sich in dem
                              									kohligen Rückstände von der Auflösung des Eisens in Salzsäure concentriren würde.
                              										Schafhäutl gibt dieß bestimmt und sogar vom weißen
                              									Roheisen an. Es wurde daher der 4,008 Grm. wiegende Rückstand von der Auflösung von
                              									44 Grm. grauen Roheisens (englisches Eisen aus der Rothenburger Gießerei) in
                              									Salzsäure untersucht. Er bestand hauptsächlich aus Kohle und Silicaten und gab beim
                              									Glühen mit Kupferoxyd ein Quantum Stickstoffgas, welches, in Gewicht ausgedrückt, 38
                              									Milligr. betrug. Dieß würde auf 100,000 Th. Gußeisen 9 Th. Stickstoff ausmachen.
                              									Möglicherweise war in die Auflösung oder in die entwickelten Gase  Stickstoff übergegangen. Bei
                              									weißem Roheisen war der Erfolg noch weniger mit Schafhäutl's Angabe übereinstimmend. 69 Gramme weißes Roheisen ließen beim
                              									Auflösen in Chlorwasserstoffsäure 0,895 Gramme lufttrocknen Rückstand. Durch
                              									Erhitzung desselben bis auf etwa 400° C., wobei Wasser und sehr viel
                              									stinkendes Oel fortgetrieben wurden, blieben 0,696 Gramme zurück, welche ein ganz
                              									weißes Ansehen hatten.
                           Diese Masse wurde mit Soda aufgeschlossen, nachdem sie durch Kali von der löslichen
                              									Kieselsäure befreit worden war, und zusammengesetzt gefunden aus:
                           
                              
                                 76,72
                                 Kieselsäure,
                                 
                              
                                 17,96
                                 Eisenoxydul,
                                 
                              
                                 1,96
                                 Manganoxyd,
                                 
                              
                                 0,20
                                 Thonerde,
                                 
                              
                                 0,12
                                 Kalkerde
                                 
                              
                                 ––––––––––––––––––
                                 
                              
                                 97,06.
                                 
                                 
                              
                           Der Verlust bestand in einer Spur von Kohle und einigen Antheilen von Alkalien.
                              									Stickstoff in dieser Substanz zu suchen, schien dem Verfasser überflüssig. Ein Theil
                              									der Kieselsäure konnte durch Kali, nahe zum siebenten Theil, ausgezogen werden; der
                              									Rückstand schien also aus freier Kieselsäure, wahrscheinlich aus zerlegtem
                              									Eisenoxydulsilicat, und eingeschlossener Schlacke (R2O3, 2SiO3) zu bestehen.
                           Da möglicherweise die stickstoffhaltige Eisenverbindung der Zersetzung durch
                              									Kupferoxyd widerstehen konnte (obschon dieß wenig wahrscheinlich ist, da ein Gemenge
                              									von Gußeisen mit Kupferoxyd, worin letzteres nicht sehr vorherrscht, sich beim
                              									Erhitzen entzündet und unter heftiger Gasentwickelung mit lebhafter
                              									Feuerentwickelung fortbrennt), so wendete der Verfasser noch das zweite Verfahren
                              									von Schafhäutl an, nämlich Glühen mit einem Alkalihydrat,
                              									wobei der Stickstoff in Form von Ammoniak entwickelt wird, welches man in Salzsäure
                              									auffängt, und dann durch Platinchlorid niederschlägt, um aus dem Gewicht des
                              									erhaltenen Platinsalmiaks oder des durch Glühen daraus abgeschiedenen Platins die
                              									Stickstoffmenge zu berechnen. Gewogene Mengen verschiedener Eisensorten wurden nach
                              									diesem Verfahren mit Natronkalk geglüht, indem der Verfasser wiederum geeignete
                              									Vorsichtsmaaßregeln anwandte, um sich gegen Fehler sicher zu stellen. Dabei wurden
                              									Quantitäten Platin erhalten, aus denen sich für nachstehende Eisensorten die
                              									nebenstehenden Stickstoffgehalte ergeben.
                           
                           
                              
                                 Rothenburger Eisen
                                 0,013
                                 Proc.
                                 
                              
                                 Graues Roheisen von Rottleberode
                                 0,008
                                 —
                                 
                              
                                 Krystallisirtes graues Roheisen von Malapane
                                 0,011
                                 —
                                 
                              
                                 Nottleberoder Eisen Roheisen
                                 0,009
                                 —
                                 
                              
                                 Dasselbe, ein anderes Stück Roheisen
                                 0,003
                                 —
                                 
                              
                                 Späne einer englischen Feile —
                                 0,014
                                 —
                                 
                              
                           Bei sechs anderen Versuchen, mit schwedischem, englischem und Mägdesprunger Roheisen
                              									angestellt, erhielt der Verfasser dieselben Resultate. Der mögliche Stickstoffgehalt
                              									überstieg nie 0,015 Procent. Als 120 Grm. von der vorstehend aufgeführten englischen
                              									Feile in heißer Salzsäure aufgelöst wurden, blieben 0,287 Grm. aufgelöst, welche
                              									meist aus kieselsauren Erden mit Kohle gemengt bestanden. Diese gaben durch Glühen
                              									mit Natronfalk 0,0053 Grm. Platin, woraus sich ein Stickstoffgehalt von nur 0,00076
                              									ableitet. Ein etwaiger Stickstoffgehalt dieses Stahls konnte also keineswegs in
                              									diesem Rückstand concentrirt seyn. In einer Eisensau aus dem Kupferhohofen zu
                              									Sangerhausen, welche viel Molybdän enthielt, fand der Verfasser dagegen 0,045 Proc.
                              									Stickstoff, also viel mehr wie aus dem Gußeisen und Stahl zu erhalten war.
                           Aus den vorstehenden Versuchen ergibt sich, daß ein Stickstoffgehalt des Gußeisens
                              									und Stahls nicht mit vollkommener Sicherheit anzunehmen ist, mindestens erreicht
                              									derselbe aller Wahrscheinlichkeit nach nicht 0,02 Procent, und ist in den meisten
                              									Fällen jedenfalls erheblich niedriger. Ist ein Stickstoffgehalt im Eisen enthalten,
                              									so gehört derselbe offenbar eingeschlossenen fremden Stoffen an, welche ebenso wenig
                              									wie eingeschlossene Schlacken zu der wesentlichen Zusammensetzung des Eisens
                              									gehören. Durch Kupferoxyd und durch Natronkalk wird das Eisen so vollkommen oxydirt,
                              									daß in beiden Fällen der ganze Stickstoffgehalt entwickelt wird. Der Verfasser
                              									vermuthet demnach, daß die Angabe von Schafhäutl, ebenso
                              									wie die von Buchner auf einem analytischen Irrthum
                              									beruhe.