| Titel: | Ueber Blutegelzucht und einen Feind der Blutegel; von Léon Soubeiran. | 
| Fundstelle: | Band 119, Jahrgang 1851, Nr. XXX., S. 151 | 
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                        XXX.
                        Ueber Blutegelzucht und einen Feind der Blutegel;
                           								von Léon
                              								Soubeiran.
                        Aus dem Journal de Pharmacie, November 1850, S.
                              									355.
                        Soubeiran, über Blutegel und einen Feind der Blutegel.
                        
                     
                        
                           Im verflossenen April ließ mein Vater in der Centralapotheke der Spitäler zu Paris
                              									ein Bassin anlegen, um die Vermehrung der Blutegel  zu beobachten und die dazu
                              									geeignetsten Umstände zu ermitteln. Dieses Bassin war kreisrund und mit Blei
                              									gefuttert, sein Durchmesser 2,60 Meter, seine Tiefe 60 Centimeter; man konnte nach
                              									Belieben einen Strom darin hervorbringen, mittelst einer einen Wasserstrahl gebenden
                              									Brause und einer Abzugsrinne, welche mit dünner Leinwand überzogen war, damit die
                              									Blutegel nicht entweichen konnten. Der Boden des Bassins war mit einer 30 Centimeter
                              									dicken Schicht Töpferthon (Letten) belegt, in welche Wasserpflanzen eingesetzt
                              									wurden, nämlich Iris pseudo-acarus, Typha angustifolia
                                 										et latifolia, Caltha palustris Pontederia cordata, Nymphaea alba,
                              									hauptsächlich aber Chara.
                           An einem Theil des Bassins wurde in gleicher Höhe mit dem Wasser eine Insel
                              									aufgeführt, die aus Töpferthon gebildet und mit Pflanzenerde und Gasen bedeckt war,
                              									um es den Blutegeln möglich zu machen, das Wasser zu verlassen und in die weiche
                              									Erde zu schlüpfen.
                           In dieses Bassin wurden 300 auserlesene ungarische Blutegel gebracht und bis Ende
                              									Septembers darin gelassen. In dieser langen Zeit wurde ihnen nur dreimal Nahrung
                              									gegeben, zweimal Blut und einmal Frösche.
                           Um sie mit Blut zu füttern, wurde von solchem anfangs eine kleine Menge in Wasser
                              									gegossen und dann der Blutklumpen auf ein auf der Oberfläche schwimmendes Brettchen
                              										gelegt.Man kann durch Schlagen des Wassers die Blutegel herbeilocken; es ist dieß
                                    											aber, wenn man ihnen Blut gibt, nicht nothwendig, weil sie sogleich vom
                                    											Geruche angezogen werden. Sie kamen sogleich von allen Seiten
                              									herbei, krochen auf das Brettchen, hingen sich an den Blutklumpen und verließen ihn
                              									nicht, erst als bloß noch ein kleines Häufchen entfärbten Fibrins (Blutfaser) davon
                              									übrig war.
                           Wenn ich Frösche in das Bassin warf, sah ich sie bald den Blutegeln zur Beute werden
                              									und in kurzer Zeit, von deren Saugen erschöpft, erliegen.
                           Bemerkenswerth ist, daß die Blutegel sich nicht ohne Unterschied an alle Theile des
                              									Körpers hingen, sondern vorzugsweise an die Augenlieder, so daß einige Frösche deren
                              									5 — 6 um die Augen herumhängen hatten, von welchen sie sich trotz aller
                              									Anstrengung nicht losmachen konnten. Eine Kröte, welche zufällig hineingeworfen
                              									wurde, blieb von ihnen verschont; zwar verfolgten die Blutegel sie heftig, aber von
                              									der Dicke ihrer Haut und ihrem widerlichen Geruch abgeschreckt, hängten sie sich
                              									nicht an sie und gaben sie endlich auf.
                           
                           Obwohl das Wasser während des ganzen Versuchs nicht gewechselt wurde, und man sich
                              									damit begnügte es auf gleicher Höhe zu erhalten, blieb es durch den Einfluß der
                              									Pflanzen doch immer klar und hell. Gegen Ende Septembers schritt man an das Fischen
                              									der Blutegel, um das Bassin zu leeren und zu erfahren wie sie sich vermehrt hatten.
                              									Nachdem eine Anzahl durch Schlagen des Wassers herausgefangen war, wurde der Thon,
                              									welcher den Boden bildete, in das Wasser gerührt und durch ein Sieb gelassen, um
                              									keinen Blutegel zu verlieren.
                           Auf diese Weise wurden die ausgewaschenen Blutegel und einige junge, etwa 1
                              									Centimeter lange, gefangen, welche sich alle sehr wohl befanden. Cocons aber
                              									konnten, so sorgsältig man auch darnach suchte, weder in der das Bassin umgebenden
                              									Erde, noch im Thon, noch in der Erde und dem Rasen der Insel aufgefunden werden.
                           Daraus durfte man jedoch keineswegs schließen, daß die Umstände der Vermehrung der
                              									Egel nicht günstig waren; denn bei näherer Untersuchung der Blätter der Typha und Iris wurden etwa
                              									100 ungefähr 1 Centimeter lange Blutegel darauf gefunden. Sie verbargen sich
                              									vorzüglich in der innern Falte der Blätter, hauptsächlich jener der Iris,
                           Zugleich mit den Blutegeln enthielt das Bassin aber ein blasses, 14-füßiges
                              									Thierchen mit länglichem, plattem Körper und vier gegliederten Fühlern, von denen
                              									zwei etwas länger waren, und am Hintertheil des Körpers einem, aus einem einzigen
                              									Segment bestehenden Schwanz mit zwei zweitheiligen Spitzen. Unter diesem Schwanz
                              									befanden sich Anhänge, welche beständig das Wasser schlugen, um es auf der
                              									Oberfläche der Respirationsorgane zu erneuern. Seine Füße sind mit Haken versehen.
                              									Dieses Thier schwamm nicht, sondern kroch auf dem Boden des Bassins herum und längs
                              									der im Wasser stehenden Stengel hinauf; es fand sich in großer Menge auf den Sieben,
                              									deren man sich zum Fischen der Blutegel bediente, und auf den Stengeln der Iris und der Typha; in der
                              									größten Anzahl aber in der innern Falte der Blätter bei den jungen Blutegeln.
                           Ich brachte einige von diesen Thierchen in einem zur Hälfte mit Wasser gefüllten
                              									Gefäße mit einigen jungen Blutegeln zusammen, auf welchen sie sich bald festsetzten
                              									und die sich trotz aller Anstrengung und Bewegungen nicht von ihnen befreien
                              									konnten. Von ihrem siegenden Feinde ausgesaugt, hörten sie bald auf sich zu wehren
                              									und unterlagen.
                           
                           Ich wollte sehen, ob diese Thierchen auch große Blutegel angreifen, und wiederholte
                              									hierzu obigen Versuch. Nach einigen Minuten hatten sie sich schon auf den Blutegeln
                              									festgesetzt, welche sich mit aller Kraft ihrer kaum erwehren konnten. Doch glaube
                              									ich nicht, daß ausgewachsene Blutegel sie wirklich viel zu fürchten haben, denn
                              									nachdem sie sechs Tage lang mit ihnen beisammen waren, schienen sie nicht von ihnen
                              									gelitten zu haben und flohen sie nicht mehr.
                           Dieses Thier ist eine im Seinewasser und einigen Sümpfen in der Umgegend von Paris
                              									sehr gewöhnliche Crustacee, die Süßwasserassel (asellus vulgaris Geoff., oniscus
                                 										aquaticus Linn.)
                           Wässer, worin sich dieses Thierchen in großer Menge vorfindet, werden sich daher zur
                              									Vermehrung der Blutegel schwerlich eignen.
                           Eine von den Blutegelhändlern in Paris schon öfters gemachte Bemerkung findet dadurch
                              									ihre Erklärung; dieselben sahen nämlich schon sehr oft in ihren Sümpfen junge
                              									Blutegel, welche von den eingelegten erwachsenen erzeugt waren, in kurzer Zeit war
                              									aber die Hoffnung auf dieses nachwachsende Geschlecht immer wieder ganz
                              									verschwunden. Man muß sich mithin bei neuen Blutegelanlagen stets vorher überzeugen,
                              									ob die betreffenden Sümpfe neben andern Feinden des Blutegels, nicht von
                              									Wasserasseln bewohnt sind.