| Titel: | Mittheilungen aus meinem Leben und Wirken als Maschinenbauer; von Dr. Ernst Alban in Plau. | 
| Autor: | Dr. Ernst Alban [GND] | 
| Fundstelle: | Band 119, Jahrgang 1851, Nr. XXXI., S. 161 | 
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                        XXXI.
                        Mittheilungen aus meinem Leben und Wirken als
                           								Maschinenbauer; von Dr. Ernst
                              									Alban in Plau.
                        G. Beschreibung einer
                              									größeren Schiffsmaschine und ihrer Räder.
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              									I, II und III.
                        Alban's Mittheilungen aus seinem Leben und Wirken als
                           								Maschinenbauer.
                        
                     
                        
                           (Schluß von S. 94 des vorhergehenden Heftes.)
                           So viel von diesem Schiffstreibapparate in größerm Maaßstabe. Daß derselbe alle von
                              									mir erwarteten, und an dem hiesigen Dampfschiffe bestätigten Vortheile gewähren
                              									werde, daran zweifle ich keinen Augenblick, auch hoffe ich die Zahl der daran
                              									Zweifelnden bald zu vermindern, wenn ich jenes oben versprochene Modell erst dem
                              									großen Publicum werde vor Augen gestellt haben. Um die durch ihn zu erreichenden
                              									Vortheile dem Leser noch einmal vorzuführen, will ich mir noch folgende Bemerkungen
                              									erlauben.
                           1) Der Apparat (Maschine und Räder) nimmt in jeder Beziehung einen viel kleinern Raum
                              									ein als die besten der ältern Einrichtungen, selbst die Penn'schen. Hiervon kann man sich gar nicht besser überzeugen, als wenn
                              									man die Abbildung einer Penn'schen Vorrichtung der Art,
                              									wie sie im Treatise on the steam engine by the artisan
                                 										club auf Tab. XIII und XIV enthalten ist, mit der meinigen vergleicht.
                              									Nimmt sie doch fast nur den halben Raum dieser ein, und das sowohl in der Länge als
                              									Breite, und dessen ungeachtet hat man allenthalben um Maschine und Kessel herum mehr
                              									Platz als bei der Penn'schen Einrichtung. Welche größere
                              									Ausdehnung können dadurch die Cajüten, die Güterräume und die Kohlenbehälter
                              									gewinnen, was in Bezug auf letztere bei Seeschiffen, die längere Reisen machen, von
                              									größter Wichtigkeit ist! Wegen der geringen Ausdehnung der Räderkasten ist auf dem
                              										 Deck und zur Seite
                              									desselben für die daselbst angebrachten Räumlichkeiten mehr Platz gewonnen, und
                              									selbst die Maschinenmeister und Heizer können jeder ihr bequemes Zimmer
                              									erhalten.
                           2) Der Apparat ist ferner viel einfacher als die gewöhnlichen Treibapparate. Dieß
                              									gilt vorzugsweise von der Dampfmaschine selbst, mit Rücksicht auf die neuesten
                              									direct wirkenden Maschinen der Engländer. Schon dadurch, daß nur eine einfache
                              									Maschine nöthig ist, ist ein wichtiger Schritt vorwärts gethan, und diese einfache
                              									Maschine, wieviel kunstloser ist sie gebaut, und wieviel weniger Theile enthält sie
                              									gegen älteren Maschinen, selbst die Penn'schen? —
                              									Vorzüglich dürfte dieß aber von der neuen Steuerung gelten, die gerade weil sie so
                              									einfach ist, auch um so viel weniger in Unordnung kommen kann, was auf längern
                              									Seereisen von wichtiger Bedeutung ist; auch ist ihre Behandlung und Handhabung viel
                              									einfacher und kunstloser. Ist ein Treibapparat geeignet, die Segelschiffe für die
                              									Zukunft immer mehr in den Hintergrund zu drängen, so ist es gewiß dieser, zumal
                              									er
                           3) auch weniger Gewicht hat als die bisherigen Apparate. Dieß gilt nicht bloß von der
                              									Maschine, sondern auch von dem Kessel und den Rädern. Es wäre dieß leicht zu
                              									berechnen, aber der bloße Ueberblick wird schon genügen zu zeigen, daß hier kaum die
                              									Hälfte des Gewichtes der gewöhnlichen Apparate in Anspruch komme, bei der Maschine
                              									selbst kaum ein Drittel. Es ist dieß wieder ein großer Schritt vorwärts, vorzüglich
                              									bei Lastschiffen, die nun weniger tief tauchen und um so weniger Betriebskraft
                              									erfordern, oder bei gleicher Kraft bedeutend schneller fahren werden, zumal
                           4) noch diese Räder bei gleicher Kraft und Geschwindigkeit des Schiffes einen größern
                              									Nutzeffect geben als die gewöhnlichen Räder. Unser Plauer Dampfschiff stellt dieß
                              									auf eine so ausgezeichnete Weise heraus, und selbst das von mir in
                              									Klein-Wehnendorf früher versuchte Modell hat hier so allen Zweifel gehoben,
                              									daß jeder unbefangene Kenner mir in dieser Annahme beipflichten muß.
                           5) Dieser Treibapparat hat weniger schädliche Wirkung auf den Bau des Schiffes, indem
                              									er ruhiger wirkt, und nicht die Erschütterung der gewöhnlichen Räder hervorbringt;
                              									überhaupt wird er alle diejenigen Vortheile in dieser Beziehung gewähren, die ich
                              									bei der Beschreibung und Würdigung des Plauer Dampfschiffes angegeben habe. Selbst
                              									die Passagiere werden weniger in Absicht auf das Rauschen und Tosen der Räder,
                              									wodurch bisher ihr Ohr immer so unangenehm berührt wurde, zu leiden haben, werden
                              									sich freuen über die geringere Störung ihrer  Vergnügungen in der Cajüte durch widernatürliche Stöße
                              									und Bewegungen des Schiffes, vorzüglich bei unruhiger See, und mehr beruhigt seyn
                              									können in gefährlichen Augenblicken, bei stürmischem Wetter und hoher See, wo diese
                              									Räder sich als ganz vorzüglich bewährt haben, viel regelmäßiger und kräftiger
                              									arbeiten als die bisherigen Treibapparate, die größtentheils hohem Wellendrange mehr
                              									preisgegeben sind und ihm mehr Widerstand entgegensetzen, daher leichter in
                              									Unordnung kommen und ihren Dienst versagen.
                           6) Dieser Treibapparat wird bedeutend Brennmaterial ersparen, theils schon darum,
                              									weil seine Räder einen größern Nutzeffect haben als die gewöhnlichen, und daher
                              									keine so große und kräftige Maschine zu ihrem Betriebe erfordern, theils in
                              									Beziehung auf Kessel und Maschine selbst, von denen letztere eine Hochdruckmaschine
                              									nach meinem neuesten Principe ist, und alle die daran hervorgehobenen Vortheile,
                              									weniger Reibung und Hindernißlast und eine ökonomischere Verwendung der Dämpfe
                              									gewährt, von denen ersterer aber fast alle und jede Gefahr gänzlich entfernt, und in
                              									Bezug auf Absorption der Hitze des Brennmaterials alles leistet, was man von einem
                              									tüchtigen und brauchbaren Kessel erwarten darf. Hat doch unser Dampfschiff nur einen
                              									Brennmaterialverbrauch von 6 Pfd. Steinkohlen pro Stunde
                              									für die Pferdekraft herausgestellt, und arbeitet doch die Maschine in demselben mit
                              									ganzer Cylinderfüllung (mit Dampf), wie viel größer muß die Ersparung an
                              									Brennmaterial seyn, da, wo dieser Dampf wie hier in der eben beschriebenen Maschine,
                              									expansiv zu wirken gezwungen ist, und die Leere zugleich in Anspruch kommt, indem
                              									die Maschine mit einem Condensator versehen ist. Auf allen Schiffen, die ich in
                              									Lübeck und Travemünde sah, gab man mir den Brennmaterialverbrauch auf wenigstens 10
                              									Pfd. Steinkohlen pro Stunde auf die Pferdekraft an, und
                              									es wurden sehr gute Kohlen größerer Sorte verwendet, während auf unserm Plauer
                              									Schiffe die ersten Schätzungen beim Verbrauche von kleinen Kohlen vorgenommen
                              									wurden. Alle diese Umstände berücksichtigend, dürfte ein Schiff mit einem solchen
                              									Treibapparate bei gleicher Geschwindigkeit nur ⅔ der bisher angewandten Kraft
                              									bedürfen, und wenigstens ⅓ des sonst verwandten Brennmaterials, wo nicht gar
                              									die Hälfte, ersparen. Aufforderung genug, der Sache seine ganze Aufmerksamkeit
                              									zuzuwenden, sich einmal von dem alten Schlendrian loszurütteln, und den
                              									eingefleischten englischen Jdeen und Vorurtheilen zu entsagen.
                           
                           Ich habe durch meinen würdigen Freund, den Hrn. Maschinenbauer Hummel in Berlin, ein Patent bei der preußischen Patentbehörde nachgesucht
                              									auf diese eigenthümliche sehr einfache und bequeme Steuerung für Marinemaschinen und
                              									die hölzerne Lagerung der Schwingzapfen meiner Hochdruckmaschinen mit schwingenden
                              									Cylindern, darauf aber folgenden Bescheid von der Patentprüfungscommission
                              									erhalten.
                           „Auf die Eingabe vom 20. April d. J. wird Ihnen unter Rücksendung der Anlagen
                              									eröffnet, daß dem darin gestellten Antrage wegen Ertheilung von Patenten auf die von
                              									dem Dr. Alban in Plau
                              									vorgeschlagenen Verbesserungen an Schiffsdampfmaschinen, und zwar:
                           1) auf eine neue Steuerung für Schiffsdampfmaschinen mit schwingenden Cylindern;
                           2) auf eine bessere Lagerung der Schwingzapfen dieser Cylinder, nicht stattgegeben
                              									werden kann.
                           Was zunächst die Einrichtung der Steuerung betrifft, so ist die Anwendung zweier auf
                              									einander gleitender Schieber nicht neu, sondern, wie z. B. bei den Vorsig'schen Locomotiven, eine ganz gewöhnliche, und auch
                              									die Arretirung des Expansionsschiebers in seiner Hubhöhe, durch Darbietung eines
                              									Widerstandes, ist bereits früher ausgeführt. Die Anwendung hohler Schieber, durch
                              									deren innere Höhlung der Dampf dem Cylinder zugeführt wird, hat bei
                              									Steuerungsschiebern anderer Form schon mehrfach stattgefunden. Die von dem Dr. Alban angeordnete
                              									Construction des Schiebers, insbesondere die von ihm angebrachte Rückwand mit
                              									Kautschuk oder Hanfliederung in einer Rinne, zur Erzielung einer gewissen
                              									Elasticität im Schieber selbst, ist ebenfalls nicht für patentfähig zu erachten,
                              									weil der einzige Unterschied gegen bereits früher ausgeführte, in der Ersetzung
                              									einer Metallliederung durch eine Hanf- oder Kautschukliederung gewöhnlicher
                              									Art besteht, womit allerdings einige Veränderungen in der Schieberconstruction
                              									verbunden sind. Endlich ist auch die Art der Bewegung der Steuerung bereits mehrfach
                              									in Anwendung gekommen. Die ganze Steuerung kann daher nicht für patentfähig
                              									angesehen werden.
                           Was zweitens die Lagerung der Schwingzapfen der Cylinder anlangt, so besteht solche
                              									wesentlich in der Ausfütterung der Lager mit Holz statt mit Metall, und ist eine
                              									längst bekannte Methode, welche der Hr. Dr. Alban auch bereits in Dingler's polytechn. Journal Bd. CXIII S. 245
                              									selbst beschrieben hat. Die Abweichungen der vorliegenden gegen die an  jener Stelle beschriebene
                              									Holzfutterung sind so geringfügig, daß das darauf nachgesuchte Patent ebenfalls
                              									nicht ertheilt werden kann.
                           Berlin, den 1. Juni 1850.
                           Ministerium für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten, IVte Abtheilung.
                           An
                           den Mechanikus Hrn. C. Hummel,
                           Wohlgeboren
                           hier. “
                           Bei genauer Prüfung dieses Bescheids (die von mir an die Patentbehörde gelieferte
                              									Beschreibung meiner Steuerung und der neuen Lagerung war wörtlich die oben
                              									angegebene) muß es jeden Mechaniker sogleich befremden, daß die Behörde mein Gesuch
                              									größtentheils durchaus ganz falsch aufgefaßt hat, indem sie dasselbe auf Gegenstände
                              									ausdehnt, auf welche ich gar kein Patent verlange, weil ich sie ihrem Hauptprincip
                              									nach längst bekannt gemacht und beschrieben habe. Dieß gilt von der Einrichtung der
                              									zwei auf einander arbeitenden Schieber, der Erfindung des Hrn. Humphrey Edwards und Cavé, denen ich
                              									die Ehre dieser Erfindung, wie dieses Journal Bd.
                                 											CXIII S. 329 und 331 beweist, durchaus
                              									nicht zu rauben und mir zuzueignen geneigt mich gezeigt habe. Mich dünkt in der
                              									Beschreibung meiner Schiebersteuerung ist das Hauptmoment meiner Erfindung deutlich
                              									genug angegeben, und zwar dadurch, daß ich mit dürren Worten erkläre, auf eine
                              									eigenthümliche Weise den Dampfdruck von der obern Schieberfläche abhalten zu wollen
                              									— eine Weise, die viel einfacher und weniger kostspielig und leichter
                              									anzufertigen ist, als die von mir auch angegebene Crampton'sche Einrichtung mit Metallliederung und die jetzt von dem Hrn.
                              										Penn angewandte eigenthümliche Hanfliederung seyn
                              									dürfte. Wenn ich die längst beschriebene übrige Einrichtung des Wechsel- und
                              									Abschlußschiebers hier bei der Beschreibung meiner Einrichtung anzog, so war das
                              									nothwendig, um meine Beschreibung verständlich zu machen, und besagte sie durchaus
                              									nicht, daß ich auch sie patentirt wissen wollte. Wenn nun aber vollends die
                              									Commission angibt, meine Liederung von vulcanisirtem Kautschuk hätte den Zweck, den
                              									Schieber mit einiger Elasticität an seine Grundfläche anzudrücken, so muß man doch
                              									bekennen, daß sie mich gar nicht verstanden hat (und ich sollte glauben, daß ich
                              									mich in dem Vorhergehenden so unverständlich nicht ausgedrückt habe, und auch sonst
                              									in meinen Beschreibungen eben nicht dunkel bin), oder meine Patentbeschreibung zu
                              										 meinem großen
                              									Nachtheil mit bedeutender Unaufmerksamkeit und Flüchtigkeit gelesen habe.
                           Ob ferner meine neue Einrichtung zur Fütterung der Schwingzapfenlager mit Holz
                              									vornherein zu geringfügig sey, um eine Patentirung zu verdienen, will ich nicht
                              									untersuchen, vielmehr dürfte dieses Urtheil einen Beweis liefern, daß die Commission
                              									die Sache von einer zu wenig praktischen Seite aufgefaßt hat. Ein Vergleich mit
                              									meiner frühern Holzfütterung wird jedem praktischen Mechaniker sogleich zeigen, daß
                              									die neue sich vor dieser an Einfachheit und in Beziehung auf leichtere Anfertigung
                              									und Ausführung, sowie auf Holzersparung und Sicherheit und Dauerhaftigkeit bei der
                              									Anwendung sehr wesentlich unterscheide, auch bis jetzt noch nicht so bekannt seyn
                              									dürfte als die Commission behauptet. Verbesserungen an technischen Maschinen und
                              									ihren einzelnen Theilen sind, wenn sie eine größere Vereinfachung derselben sowohl
                              									bei der Anfertigung als Anwendung bezwecken und auch wirklich erzielen, immer
                              									Gegenstände von wichtigem Interesse, und je einfacher und kunstloser die gewählten
                              									Mittel sind, um so größer ist das Verdienst des Erfinders, und um so mehr Aussicht
                              									auf Brauchbarkeit eröffnen sie für die Zukunft. Die Commission sollte hier aber
                              									nicht so geringschätzend über diese meine Verbesserung aburtheilen, zumal sie gar
                              									nicht ermessen kann, welche Wichtigkeit eine ihr so unbedeutend scheinende
                              									Veränderung in Zukunft und unter besondern Umständen gewinne, und welchen pecuniären
                              									Vortheil sie dem Erfinder dann gewähren kann. Diesen Vortheil aber dem Erfinder
                              									durch eine bloß individuelle, vielleicht gar unrichtige Ansicht dictatorisch zu
                              									vereiteln, ist eine große Gewissenssache. Bei meiner Anwesenheit in London besuchte
                              									ich einmal einen Advocaten Notch, und dieser erzählte
                              									mir, daß er eben ein Patent für 2000 Pfd. Sterl. verkauft habe, welches einen
                              									kleinen einfachen Hebel beträfe, den er am Mast eines Schiffes anbringe, um den
                              									obern Mast schnell herunter lassen zu können. Er lachte selbst darüber, wie hoch er
                              									eine so geringfügig scheinende Einrichtung, die ihm kaum eine halbe Stunde
                              									Nachdenken gekostet, bezahlt erhalten habe. Der Käufer des Patents hatte aber doch
                              									einen großen Werth darauf gelegt. Wozu überhaupt diese Untersuchung über Wichtigkeit
                              									oder Unwichtigkeit einer Erfindung? Wo soll hier die Gränze seyn, und das Publicum
                              									gewinnt dadurch nicht und die Wissenschaft noch viel weniger; denn das Unwichtige
                              									führt oft zum Wichtigen und das Unbrauchbare zum Brauchbaren.
                           Es ist hier gewiß ein fauler Punkt in der preußischen Patentgesetzgebung vorhanden,
                              									der gebessert werden müßte, und dieser ist der,  dem Urtheile einer solchen
                              									Commission bei einem Patentgesuche sich ohne Weiteres unterordnen zu müssen, deren
                              									Befähigung dazu oft zweifelhaft bleiben dürfte, und zweifelhaft aus dem Grunde seyn
                              									muß, weil von den einzelnen Mitgliedern derselben nicht erwartet werden darf, ihnen
                              									auch nicht einmal zugemuthet werden kann, daß sie die ihrem Urtheile untergestellten
                              									Gegenstände alle ohne Unterschied so genau durchschauen und alle an sie von der
                              									Wissenschaft und Praxis zu machenden Anforderungen in dem Maaße kennen, als
                              									erforderlich ist, um einen streng wissenschaftlichen und gerechten Spruch zu thun.
                              									Der Patentbewerber und das Geschick seiner Erfindung hängt hier also von subjectiven
                              									Ansichten und Urtheilen Einzelner ab, die mit und ohne Schuld irren können, und die
                              									nach meiner Ueberzeugung in ihrem Urtheil über meine Erfindungen auch schon mehrmals
                              									den Beweis geliefert haben dürften, daß sie nicht infallibel sind. Und nun wird
                              									nicht einmal der Erfinder gehört. Es wird über ihn und seine Erfindung dictatorisch
                              									abgeurtheilt, ohne ihm eine Vertheidigung zu gönnen. Ist das recht und billig?
                              									— Nein, in diesem Punkte gefällt mir die englische Einrichtung besser. Bei
                              									der Patentausnahme ist keine Frage, ob die Erfindung neu oder wichtig genug zur
                              									Ertheilung eines Patentes sey. Erweist sich hinsichtlich beider Punkte im Verlaufe
                              									der Zeit das Gegentheil, so hat es der Erfinder zu verantworten, und sein ist der
                              									Schade, aber es steht ihm doch eine Vertheidigung bei den gewöhnlichen Gerichten
                              									frei.
                           Daß meine neue Steuerung in Bezug auf den Bewegungsmechanismus für die Schieber keine
                              									neue Erfindung von mir sey, darüber möchte die Commission den Beweis schwerlich
                              									führen können, sie müßte es denn in der Art thun, wie sie es bei meinem neuesten
                              									Kessel ausführte, den sie mit dem des Delphin zusammenstellt, welchem er so wenig
                              									ähnlich ist wie das Huhn dem Ei. Man hat freilich Schieberbewegungen durch schiefe
                              									Ebenen hervorgebracht, aber dieses Princip in solcher Vollkommenheit benutzt, für so
                              									viele verschiedene Zwecke angewendet, und in solcher Einfachheit ausgeführt, ist mir
                              									noch nirgends vorgekommen, nicht einmal in den leisesten Andeutungen, und ich denke
                              									doch auch mit der Zeit fortzuschreiten. Die Commission ist aber hier wieder von
                              									ihrem alten, mir nicht richtig scheinenden Grundsatze ausgegangen, an einer
                              									Erfindung müsse alles absolut neu seyn, sowohl der Construction als dem Princip
                              									nach. Eine solche Erfindung ist aber fast undenkbar, wie ich mich schon früher
                              									einmal ausgesprochen habe (siehe dieses Journal Bd. CXII S. 252), was ich darüber nachzulesen
                              									bitte; auch hält die Commission diesen Grundsatz keineswegs immer fest, wie ich
                              									schon oft  zu bemerken
                              									Gelegenheit gehabt habe.So habe ich mich sehr gewundert, daß sie mir auf meine neue Feuerspritze in
                                    											Kanonenform ein Patent gegeben hat, denn an dieser ist nur die Anordnung und
                                    											Zusammenstellung einzelner Theile untereinander und die Form des Ganzen neu.
                                    											Nach den mir von ihr bei Prüfung meines neuesten Kessels und dieser
                                    											Steuerung etc gegebenen Erklärungen kann sie aber nicht darauf eingehen,
                                    											jene zu berücksichtigen. Nach diesem Grundsatze würde der große
                              										Watt von der preußischen Prüfungscommission
                              									wahrscheinlich kein Patent auf seinen Condensator mit Luftpumpe erhalten haben; denn
                              									sie würde ihm geantwortet haben: Verdichtung von Dämpfen in einem verschlossenen
                              									Gefäße durch Einspritzung von kaltem Wasser ist nicht neu. Dieß gilt auch von dem
                              									Ausziehen von Flüssigkeiten und Luft aus einem solchen Gefäße durch eine Pumpe, weil
                              									man schon Wasser- und Luftpumpen hat, die ganz wie die Watt'sche Luftpumpe gebaut sind.
                           Es wäre sehr wünschenswerth, daß die Commission zum Nutz und Frommen aller, die
                              									Patente suchen, ihre Grundsätze einmal öffentlich bekannt machte, damit man seine
                              									Maßregeln darnach treffen könne. Vielleicht ist sich die Commission aber selbst
                              									nicht so recht klar bestimmter Grundsätze bewußt, wenigstens scheint ein gewisses
                              									Schwanken darin unverkennbar hervorzutreten. Ich gebe gerne zu, daß es sehr
                              									schwierig, ja vielleicht unmöglich sey, hier solche bestimmte Grundsätze
                              									aufzustellen. Aus diesem Grunde sollte man aber auch lieber ganz davon abstehen und
                              									dem englischen Principe huldigen, als sich unsicher und inconsequent zeigen.
                           
                        
                     
                  
               

