| Titel: | Verfahren zum Starrmachen der Spuren von Fußtritten im lockersten Boden, bei Criminal-Untersuchungen; von Hugoulin. | 
| Fundstelle: | Band 119, Jahrgang 1851, Nr. LVI., S. 303 | 
| Download: | XML | 
                     
                        
                        LVI.
                        Verfahren zum Starrmachen der Spuren von
                           								Fußtritten im lockersten Boden, bei Criminal-Untersuchungen; von Hugoulin.
                        Aus den Annales de Chimie et de Physique, Novbr. 1850,
                              									S. 365.
                        Hugoulin's Verfahren zum Starrmachen der Spuren von
                           								Fußtritten.
                        
                     
                        
                           Der Abdruck der Fußtritte von Menschen und Thieren, die Spuren welche von
                              									Wagenrädern, Flintenkolben, Stöcken etc. im Boden zurückblieben, liefern bei
                              									Criminaluntersuchungen wegen ihrer Vergänglichkeit oft keine genügenden Beweise
                              									mehr. Wenn daher der gerichtliche Chemiker im Stande wäre, die Abdrücke in allen,
                              									selbst den lockersten Bodenarten, wie im Sand, im Straßenstaub etc. starr zu machen,
                              									ohne daß sie eine Veränderung erleiden, so würde für die Voruntersuchung ein neuer
                              									Weg eröffnet, dessen sie sich in vielen Fällen bedienen konnte; denn
                              									Fußbekleidungen, Wagenräder, Thiere und Waffen der Angeklagten ließen sich dann
                              									während der ganzen Voruntersuchung durch die hinterlassenen Spuren nachweisen und
                              									nöthigenfalls wiederholten Untersuchungen unterziehen.
                           Folgendes leicht ausführbare Verfahren, welches ich mit meinem Schwiegervater, Hrn.
                              										Gras, Oberapotheker der Civilspitäler, bei einer sehr
                              									wichtigen Untersuchung (dreifachem Mord, mit darauffolgender Brandlegung, Ferraudin'scher Prozeß) anwandte, trug damals zur
                              									Entdeckung der wahren Thäter viel bei. In dieser Sache war der Versuch sehr leicht,
                              									weil die Fußtritte auf frisch umgegrabenes Erdreich erfolgten, welches die Eindrücke
                              									gern annimmt; das befolgte Verfahren wäre jedoch für Spuren im Staub oder Sand nicht
                              									anwendbar; die nun zu beschreibende Methode ist es hingegen in allen Fällen.
                           Wenn die Voruntersuchung bei einem Verbrechen aus dem Eindruck der Fußtritte Beweise
                              									ziehen zu können glaubt, so müssen vor Allem die Gerichtsbeamten die deutlichsten
                              									Spuren mit einer Kiste, einem Faß mit ausgeschlagenem Boden oder dergl. zudecken
                              									lassen, um die Spuren vor jeder Veränderung durch Wind, Schnee oder Regen zu
                              									beschützen und deren Bewachung dann einer sichern Person anvertrauen, bis der
                              									gerichtliche Chemiker an Ort und Stelle gelangen kann.
                           Der beigezogene Chemiker hat nun zuerst dafür zu sorgen, daß auf der Windseite eine
                              									Schutzwand aufgeführt wird, bevor er die Vorrichtung,  welche die Spuren zudeckt,
                              									wegnimmt. Um alsdann die vergänglichen Eindrücke starr zu machen, muß er wie folgt
                              									verfahren.
                           Er versteht sich mit einer Quantität Stearinsäure (oder aus solcher bestehenden
                              									Kerzen), die auf chemischem Wege gepulvert wird, welcher darin besteht, die
                              									Stearinsäure in ihrem gleichen Gewicht Alkohol von 82 Volumsprocenten warm
                              									aufzulösen und die Auflösung in eine große Menge kalten Wassers zu gießen, welches
                              									dabei mit einer Spatel umgerührt wird; man seiht durch dichte Leinwand, drückt den
                              									Niederschlag aus und breitet ihn auf Papierbögen aus, um ihn an der Luft trocknen zu
                              									lassen; auf diese Weise erhält man die Säure als unfühlbares Pulver.
                           Der Sachverständige verschafft sich ein Stück dünnes Eisenblech von etwas größerer
                              									Oberfläche als die festzumachenden Abdrücke; die Ränder desselben biegt er aufwärts
                              									und durchbohrt sie in gewissen Abständen, damit die Luft leicht durchziehen kann; er
                              									legt nun dieses Blech auf einen Rost von Eisendraht, so daß die es tragenden
                              									Roststangen ungefähr ½ Zoll vom Abdruck entfernt sind; mit einigen
                              									Ziegelstücken kann man den Rost leicht in dieser Entfernung befestigen. Man legt nun
                              									auf das Blech weißglühende Kohlen; dasselbe erhitzt sich, wird rothglühend, und
                              									erwärmt den Abdruck durch Strahlung. Man kann an den Ecken des Eisenblechs
                              									Eisendrähte befestigen, um den improvisirten Ofen nach Belieben wegnehmen oder
                              									wieder hinstellen zu können.
                           Der so erwärmte Abdruck hat eine Temperatur von mehr als 80° R. Man bringt nun
                              									etwa 100 Gramme (3⅓ Unzen) Stearinsäurepulver auf ein dichtes Haarsieb und
                              									siebt dieses Pulver auf den Abdruck. Die Säure fällt in einem schneeartigen und so
                              									leichten Staub darauf, daß sie die noch so vergängliche Spur nicht zu verändern
                              									vermag; kaum auf dem Boden angelangt, schmilzt dieser Staub und wird vom Erdreich
                              									eingesogen; man siebt so lange auf das Erdreich, bis dasselbe so weit erkaltet ist,
                              									daß es die Stearinsäure nicht mehr schmilzt. Man kann auch mehr von dieser Säure
                              									aufsieben und sie dann durch Umherfahren mit dem rothglühenden Eisenblech in einiger
                              									Entfernung von der Spur zum Schmelzen bringen.
                           Damit ist es nun geschehen; man läßt den Boden vollkommen erkalten. Die Zeit des
                              									Erkaltens ist verschieden; man wartet lieber länger, um den Abdruck ja nicht zu
                              									zerbrechen. Im Winter geht dieß schneller vor sich als im Sommer. Wenn der Erdboden
                              									sehr beweglich ist, in Sand, Staub oder Asche besteht, so braucht man die mit
                              									Stearinsäure überzogene Spur nur mittelst einer Spatel, womit man unter den Abdruck
                              										 fährt, abzuheben;
                              									man bringt das abgehobene Stück mit Vorsicht umgekehrt auf ein mehrfach
                              									zusammengelegtes Leinentuch, dessen Ränder man mittelst einiger Holzstücke oder
                              									Steine in die Höhe richtet, so daß eine Kapsel gebildet wird, deren Boden der
                              									Abdruck ist; diese Kapsel gießt man mit dünn angerührtem Gyps zu einer
                              									gleichförmigen, 1 Zoll dicken Schicht aus. Nachdem der Gyps erhärtet ist, hat der
                              									Abdruck die erforderliche Festigkeit, um in eine Schachtel zwischen zwei Lagen roher
                              									Baumwolle verpackt werden zu können.
                           Ist der Erdboden fester, so gräbt man um den Abdruck herum mit Vorsicht einen kleinen
                              									Graben, macht ihn am Rand herum durch Gyps etwas fester und gräbt darunter hinein,
                              									um ihn wegzuheben, ohne ihn zu zerbrechen; nachdem er abgelöst ist, schneidet man
                              									das Ueberflüssige mit einem Messer weg und übergießt das Ganze auf der Rückseite des
                              									Abdrucks mit Gyps wie vorher.
                           Befindet sich der Abdruck in kothigem, sumpfigem Boden, so muß man vor dem Erhitzen
                              									des Abdrucks rings um ihn einen Graben aushöhlen und mit trockenem Gyps ausfüllen,
                              									welcher einen Theil der Feuchtigkeit absorbirt und fest wird; man gräbt unter dieser
                              									Einfassung hin und hebt das Ganze ab, um es, vor dem Sonnenlicht geschützt,
                              									austrocknen zu lassen, wobei sich keine Sprünge erzeugen. Erst nach zweibis
                              									dreitägigem Austrocknen kann man das Starrmachen mittelst Stearinsäure
                              									vornehmen.
                           Es versteht sich, daß dieses Verfahren mit wenigen Abänderungen auf alle Fälle von
                              									Abdrücken im Boden anwendbar ist.
                           Diese Operationen wurden im Amphitheater der medicinischen Marineschule zu Toulon in
                              									Gegenwart mehrerer hohen Beamten und Professoren wiederholt und haben die Anwesenden
                              									vollkommen befriedigt. Ein einziger Einwurf wurde mir gemacht: wie könnte man die Eindrücke im Schnee festhalten? Dazu ist mein Verfahren
                              									nicht anwendbar; doch hoffe ich im nächsten Winter auch diese Aufgabe zu losen.