| Titel: | Ueber den Wassergehalt des in den Jahren 1849 und 1850 geernteten Weizens; von Millon. | 
| Fundstelle: | Band 119, Jahrgang 1851, Nr. LX., S. 312 | 
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                        LX.
                        Ueber den Wassergehalt des in den Jahren 1849 und
                           								1850 geernteten Weizens; von Millon.
                        Aus dem Moniteur industriel, 1850, Nr.
                              								1505.
                        Millon, üder den Wassergehalt des Weizens.
                        
                     
                        
                           Die Analyse des im J. 1849 im nördlichen Frankreich geernteten Weizens lieferte mir
                              									Resultate, welche ich noch nicht veröffentlicht habe; ich wollte die vergleichende
                              									Analyse des Weizens von 1850 damit verbinden; hinsichtlich des Wassergehalts dieses
                              									letztern machte ich eine auffallende Beobachtung, welche einige praktische,
                              									unmittelbar anwendbare Andeutungen gibt.
                           Ich erhielt von drei ausgezeichneten Landwirthen im Lille-Departement, deren
                              									Grundstücke ziemlich weit auseinander liegen, acht Weizenproben, welche einerseits
                              									die im Norden verbreitetsten Weizensorten, andererseits den mittleren Zustand der
                              									dießjährigen Ernte darstellten.
                           Diese Ernte war bekanntlich zur Zeit des Schneidens durch so starken und andauernden
                              									Regen gestört, daß zu rechter Zeit weder geschnitten, noch in Schwaden gelegt, noch
                              									eingefahren werden konnte. Die Garben wurden sehr naß, das Wasser drang in die
                              									Schober ein und es stellte sich darin Gährung ein; das Getreide keimte endlich sogar
                              									auf dem Halm.
                           Ich mußte demgemäß in den Körnern einen sehr großen Gehalt an Hydratwasser vermuthen;
                              									dem war aber nicht so. Er zeigte sich bei den acht Mustern, für welche ich die von
                              									den Einsendern gegebenen Benennungen beibehalte, wie folgt:
                           Weizen I (blé
                              									blanzé) 15,22 Proc. Wasser. — Weizen II (anderes blé
                              									blanzé) 15,22. — Wollichter Weizen (blé à duvet) 16,05. — Bartweizen (barbu) 15,74. — Rother englischer Weizen 15,48.
                              									— Märzweizen 15,67. — Maiwaizen 15,64. — Spanischer Weizen
                              									15,52. — Mittlerer Wassergehalt 15,56.
                           Sieben Muster von der vorigen Ernte (1849) enthielten folgende Wassermengen:
                           Weizen I (blé blanzé) 17,05
                              									Proc. — Weizen II (anderes blé blanzé) 17,00. — Wollichter Weizen 17,01. — Bartweizen
                              									17,15.— Rother englischer Weizen 17,10. — Spanischer Weizen 16,50.
                              									— (Ausnahmsweise gebauter) Wunderweizen (blé de
                                 										miracle) 17,70. — Durchschnittszahl 17,07.
                           
                           In frühern Aufzeichnungen finde ich noch, daß ein Weizen vom J. 1847 aus der Gegend
                              									von Lille mir 18,05, und ein anderer von 1848 — 14 Proc. Wasser gegeben
                              									hatte.
                           Demnach enthält der Weizen der letzten Ernte, obgleich er so lange naß blieb, weniger
                              									Wasser als derjenige von 1849, dessen Vortrefflichkeit anerkannt wurde; er enthält
                              									viel weniger Wasser als der von 1847 und etwas mehr als der von 1848. Im allgemeinen
                              									gehört er unter die Weizensorten vom geringsten Wassergehalt.
                           Dieser scheinbare Widerspruch zwischen der Beschaffenheit des Weizens und den
                              									hygrometrischen Zuständen zur Zeit seiner Ernte, erklärte sich durch eine genauere
                              									Untersuchung der Wasserbindung.
                           Ich erinnerte mich einmal einen zarten exotischen Weizen analysirt zu haben, der zu
                              									Wasser transportirt worden war und an feuchten Plätzen lagern mußte; das feine Mehl
                              									desselben enthielt nur 15,2 Proc. Wasser, während das rohe Mehl 15,7 und die Kleie
                              									sogar 16,3 enthielt.
                           Ich fragte mich also, ob in dem Weizen der letzten Ernte das Wasser sich nicht
                              									ebenfalls vorzugsweise an der Peripherie des Samenkorns aufgehalten habe. Der
                              									Versuch war entscheidend. Ich fand in dem feinen Mehl constant eine geringere Menge
                              									Wassers als in dem rohen Mehl; der Unterschied betrug durchschnittlich ein halbes
                              									Procent. Hätte ich von jeder Weizensorte eine hinreichende Menge gehabt, um sie in
                              									der Mühle mahlen zu lassen, statt eine kleine eiserne Mühle anwenden zu müssen, so
                              									hätte die gehörig ausgeschiedene Kleie einen Mehrgehalt an Wasser gezeigt, den ich
                              									zu 2 Proc. anschlage.
                           Aber schon obiger Unterschied reicht hin um zu zeigen, daß der Wassergehalt des
                              									Weizens ungleich vertheilt ist; das Regenwasser war nur in den Rindentheil des Korns
                              									eingedrungen; hier hatte es sich angehäuft, in die Mitte war es nicht eingedrungen.
                              									Diese bleibt so trocken, daß die Conservirung derselben vorauszusehen ist.
                           Diese Art des Wassergehalts stimmt überein mit dem Wechsel des atmosphärischen
                              									Zustands und mit den Beobachtungen unserer Landleute, welche alle wissen, daß das
                              									Getreide die vollkommenste Reife erlangt hatte als es zum Mahlen kam. Ihre Ansicht
                              									wird durch das Resultat der chemischen Analyse erklärt und bestätigt.
                           Wenn nun — hier werden die im Laboratorium gewonnenen Thatsachen in praktische
                              									Formeln umgewandelt — das Getreide gemahlen ist und das Mehl in rohem
                              									Zustande belassen wird, so theilt ihm die Kleie  bald ihre Neigung zum Gähren
                              									mit; wird aber durch das Beuteln die Kleie von dem Mehl sogleich getrennt, so wird
                              									hierdurch auch der befeuchtete Theil vom trockenen, oder mit andern Worten, der dem
                              									Verderben unterworfene vom gesunden Theil getrennt. Wenigstens ist vorauszusetzen,
                              									daß die Kleie alle Nachtheile der Feuchtigkeit erleidet, während das von der Kleie
                              									getrennte, feine Mehl von nun an der Gefahr nicht mehr so ausgesetzt ist und ohne
                              									Zweifel sich besser aufbewahrt.
                           Man säubere und reinige solchen Weizen, schaufle ihn fleißig um und siebe ihn; beeile
                              									sich nicht zu sehr mit dem Einfüllen in Säcke; breite ihn in dünnen Schichten auf
                              									dem Boden des Speichers aus, welchen man nach allen Richtungen von Luft durchziehen
                              									läßt, wenn dieselbe trocken ist; wenn je, sind in diesem Falle kräftige Ventilatoren
                              									anzuwenden. Man ersetzt so hundertmal am Werthe des Products, was durch Abgang
                              									verloren geht.
                           Man lasse folglich die Beruhigung nicht unbeachtet, daß die Feuchtigkeit, welche sich
                              									des Getreides bemächtigt, eine oberflächliche ist, und daß man um so leichter und
                              									wirksamer helfen kann, je weniger tief das Uebel sitzt.
                           
                        
                           Zusatz.
                           Hr. Millon hat in obiger Abhandluug gezeigt, daß bei dem
                              									durchnäßten und gekeimten Weizen im Nord-Departement nur die Rinde gelitten
                              									hatte, daß der Kern des Korns, welcher das Mehl gibt, unversehrt geblieben ist.
                           In der Orne wurde im Jahr 1850 die Hälfte des Getreides durchnäßt und keimte. Der
                              									Preis des Hektoliter war auf den Märkten 7 Fr. 50 Cent. für das durchnäßte, und 13
                              									Fr. 50 Cent. für das trocken geerntete.
                           Der niedere Preis des ersteren Weizens verlockte die Bäcker zuerst 1/12, dann 2/12,
                              									hierauf ⅓, dann ½, endlich ¾ dem letzteren beizumengen, und das
                              									Brod blieb von gleicher Beschaffenheit.
                           Gegenwärtig, am 1. Januar 1851, ist der Preis des nicht durchnäßten Weizens 6 Fr. 50
                              									Cent. bis 6 Fr. 75 Cent. Der nicht gekeimte durchnäßte Weizen kostet auf dem Markt
                              									zu Mortagne, Orne-Depart., 6 Fr. Die geringeren Sorten wurden nicht
                              									verkauft.
                           
                           Es lieferte ein halbes Hektoliter:
                           
                              
                                 
                                 Korn.
                                 Mehl.
                                 Brod.
                                 
                              
                                 nicht durchnäßter Weizen
                                 78 Pfd.
                                 58 Pfd.
                                 70 Pfd.
                                 
                              
                                 Nicht gekeimter durchnäßter Weizen
                                 72 Pfd.
                                 51 Pfd.
                                 63 Pfd.
                                 
                              
                                 gekeimter und durchnäßter Weizen
                                 68 Pfd.
                                 44 Pfd.
                                 56 Pfd.
                                 
                              
                                 Dureau de la Malle. (Comptes rendus, Decbr. 1850, Nr. 27.)