| Titel: | Ueber Verbesserung der Weine durch die Kälte; von Hrn. Bouchardat. | 
| Fundstelle: | Band 119, Jahrgang 1851, Nr. XCV., S. 460 | 
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                        XCV.
                        Ueber Verbesserung der Weine durch die Kälte; von
                           								Hrn. Bouchardat.
                        Aus dem Moniteur industriel, Nr.
                              								1397.
                        Bouchardat, über Verbesserung der Weine durch die
                           								Kälte.
                        
                     
                        
                           Hr. de Vergnette hat eine Abhandlung über die Wirkung der Kälte und des Gefrierens auf den WeinPolytechn. Journ. Bd. CXII S. 300 veröffentlicht,
                              									und Hr. Boussingault eine denselben Gegenstand
                              									betreffende, betitelt: Bemerkungen über das Gefrieren des
                                 										Weins und der Mischungen aus Wasser und Alkohol.Polytechn. Journ. Bd. CXII S. 306. Indem ich mich
                              									auf diese Abhandlungen beziehe, will ich über die praktischen Angaben des Hrn. Vergnette meine Bemerkungen mittheilen.
                           Bei den geringen Weinen (gamets oder gamays) sagt Vergnette, muß
                              									man auf diese Verbesserung durch das Gefrieren verzichten, weil der für die
                              									arbeitende Classe bestimmte Wein noch alle seine Salze enthalten und überdieß zum
                              									möglichst wohlfeilen Preis geliefert werden soll. Ich bin ganz derselben
                              									Ansicht.
                           Auch bin ich ganz der Meinung, daß bei den Weinen ersten Gewächses in dem Weinbau
                              									günstigen Gegenden es mindestens unnöthig ist, zur Verbesserung durch das Gefrieren
                              									seine Zuflucht zu nehmen. Ferner halte ich es auch für ganz richtig, daß die
                              									Concentrirung des Weins durch Frost sich besonders für die mittelmäßigen Producte
                              									der ersten Gewächse eignet, jene feinen und leichten Weine der Auvergner Traube (pineau), die aber von geringer Beschaffenheit und daher
                              									nicht sehr verkäuflich sind.
                           Jetzt aber komme ich auf jene Fälle hinfichtlich welcher ich Hrn. Vergnette's Ansicht nicht ganz theile. „Alle
                                 										Sorten Weine, sagt er, können der Einwirkung der Kälte ausgesetzt werden, die
                                 										Concentration durch Frost gelingt bei alten wie bei jungen“.
                           Aus meinen Untersuchungen über die geistige Gährung (Mémoire
                                 										sur les fermentations alcooliques, Annuaire de thérapeutique 1840)  1840) scheint im
                              									Gegentheil hervorzugehen, daß man die Weine jeden Alters nicht unbedingt gefrieren
                              									lassen kann. Vergnette hat gefunden, daß die dem Frost
                              									ausgesetzten Weine nicht mehr nachgähren. Dieß ist für abgelegne Weine recht gut;
                              									bei Weinen aber, welche noch viel zu gewinnen haben, finde ich es gar nicht am
                              									Platze; denn die Nachgährung entwickelt die Blume (das Bouquet), welche dem Wein den
                              									ihn auszeichnenden eigenthümlichen Geschmack (cachet)
                              									ertheilt; würde man diese langsame, aber stetige Gährung der Weine zu früh
                              									unterbrechen, so bekäme man Flüssigkeiten, welche sich zwar sehr gut conserviren,
                              									aber keine vorzüglichen Eigenschaften besitzen.
                           Die Gränze, innerhalb welcher das Gefrierenlassen des Weins von gutem Erfolge seyn
                              									wird, ist demnach die (je nach dem Jahrgange, dem Gewächse und der Rebensorte
                              									verschiedene) Zeit, wo der Wein durch die Nachgährung die ihm Werth verleihenden
                              									Eigenschaften erlangt hat, wo eine längere Aufbewahrung ihn der Gefahr aussetzt
                              									bitter zu werden, allzusehr an Farbe zu verlieren, kurz, jene vielen Veränderungen
                              									zu erfahren, welchen die nicht mit gehöriger Sorgfalt oder in ungünstigen Jahrgängen
                              									geernteten oder schlecht behandelten Weine ausgesetzt sind.
                           Das sind die Umstände, unter welchen das Gefrierenlassen, wenn man es eintreten
                              									lassen kann, jederzeit gute Resultate geben wird.
                           Ich komme jetzt an die Hauptschwierigkeit. Vergnette
                              									gesteht, daß die nicht strengen Winter des mittlern Frankreichs auf das Gelingen
                              									nicht immer zählen lassen. Ich glaube, daß diese Unsicherheit der Witterung viele
                              									Weinbauer abhalten wird, die Kosten aufzuwenden, welche das Umfüllen des Weins in
                              									kleine Fässer und das Hinschaffen derselben auf die zum Gefrieren geeigneten Plätze
                              									ihnen verursacht. Ich schließe mit Betrachtungen, welche mir zur Hebung dieser
                              									Schwierigkeit geeignet erscheinen.
                           Ich bin überzeugt, daß wenn man das Gefrieren der Weine auch nicht erreicht, doch die
                              									Erniedrigung der Temperatur innerhalb der Gränzen von + 10° und —
                              									6° C. (+ 8° und — 4 4/5° R.) bei gewissen Weinen schon
                              									ein sehr gutes Resultat gibt.
                           Weiße Weine, welche zähe zu werden anfangen, und rothe Weine, welche den Grad
                              									erreicht haben, wo sie nichts mehr gewinnen, aber viel verlieren können, werden
                              									unter dem Einfluß einer niedern Temperatur eine sehr vortheilhafte Veränderung
                              									erleiden.
                           
                           Es ist bekannt, daß die Hauptagentien der beständigen, sowohl guten als schlimmen
                              									Veränderungen, welche der Wein erleidet, die stickstoffhaltigen Materien sind,
                              									welche sich beständig aus ihm absetzen; die Kalte befördert das Absetzen derselben,
                              									vermindert den zu großen Gehalt an Weinstein und Farbstoff, und ertheilt dem Weine
                              									eine Eigenschaft, die von hoher Wichtigkeit ist, nämlich eine vollkommene und
                              									andauernde Klarheit. Viele gute Pineaur-Weine sind bloß deßwegen nicht
                              									beliebt, weil sie ungeachtet sorgfältigen Abziehens und Abklärens, in den Flaschen
                              									eine Heft absetzen, welche dem Glase nicht sehr fest anhängt. Würden diese Weine zu
                              									einer passenden Zeit der Kälte ausgesetzt, so wären sie dieser mißlichen Veränderung
                              									minder unterworfen.
                           Wie man sieht, ist gegen die Anwendung des von Vergnette
                              									vorgeschlagenen Gefrierenlassens nichts einzuwenden, wenn man es auf die Weine von
                              									schwacher Beschaffenheit beschränkt, welche nichts mehr zu gewinnen haben; denn,
                              									wenn auch die Temperatur nicht so weit sinkt, daß Frost eintritt, so ist sie doch
                              									hinreichend, um das Absetzen der färbenden stickstoffhaltigen Materien und des
                              									überschüssigen Weinsteins zu bewirken.
                           Ich bin fest überzeugt, daß innerhalb der von mir angegebenen Gränzen das
                              									Erkaltenlassen den Weinbauern große Dienste leisten kann, da jeder Eigenthümer nur
                              									einen nach Norden gelegenen Schoppen herzustellen braucht, worin er die von mir
                              									bezeichneten Weine während der Monate December, Januar und Februar der Kälte
                              									aussetzt; abgezogen wird dann im März, bei kühlem Wetter. Tritt Frost ein, so wende
                              									man Vergnette's Verfahren an; wo nicht, so sichert ein
                              									rechtzeitiges Abziehen die Klarheit und Haltbarkeit delicater Weine.
                           Nicht nur die Pineaur-Weine können durch diese Behandlung gewinnen, sondern
                              									alle Weine des mittäglichen Frankreichs, welche sehr viel stickstoffhaltige Materien
                              									enthalten, die sie jeder Art von Verderben aussetzen.