| Titel: | Ueber die am 23. December 1850 auf dem Frankfurter Bahnhof der Frankfurt-Hanauer Eisenbahn erfolgte Explosion eines Locomotivdampfkessels und ihre Ursache, nebst Beschreibung eines von Hrn. Ingenieur Meggenhofen vorgeschlagenen verbesserten Sicherheitsventils; von Dr. Adolph Poppe. | 
| Autor: | Dr. Adolph Poppe [GND] | 
| Fundstelle: | Band 120, Jahrgang 1851, Nr. XIX., S. 81 | 
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                        XIX.
                        Ueber die am 23. December 1850 auf dem
                           								Frankfurter Bahnhof der Frankfurt-Hanauer Eisenbahn erfolgte Explosion eines
                           								Locomotivdampfkessels und ihre Ursache, nebst Beschreibung eines von Hrn. Ingenieur
                           									Meggenhofen
                           								vorgeschlagenen verbesserten Sicherheitsventils; von Dr. Adolph Poppe.
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              									II.
                        Poppe, über die Explosion eines Locomotivdampfkessels und
                           								Meggenhofen's Sicherheitsventil.
                        
                     
                        
                           Dampfkessel-Explosionen gehören in Deutschland, Dank der Vorsicht und Sorgfalt
                              									womit die Kessel behandelt werden, zu den seltenen Unglücksfällen. Kommt aber eine
                              									solche vor, so ist es Pflicht der Behörde, den Sachverhalt von Sachverständigen in
                              									allen Einzelheiten auf das genaueste untersuchen und die Umstände, welche die
                              									Herbeiführung der Katastrophe veranlaßten, mit der größten Sorgfalt erforschen zu
                              									lassen.
                           Die Thätigkeit sollte jedoch in einem solchen Falle nicht eine rein polizeiliche
                              									seyn, um bei etwa stattgefundener Fahrlässigkeit die Schuldigen zur gebührenden
                              									Rechenschaft ziehen zu können; sondern die Behörde sollte dabei auch den Grundsatz
                              									im Auge haben, die bei solchen Gelegenheiten gemachten Erfahrungen, insofern sie zur
                              									Vervollkommnung der Sicherheitsmaaßregeln führen können, nicht für sich zu behalten,
                              									sondern zum Gemeingut zu machen.
                           Von diesem Gesichtspunkte geleitet, glaube ich einen Fall veröffentlichen zu sollen,
                              									aus welchem vielleicht eine wichtige Lehre für die Construction der
                              									Sicherheitsvorkehrungen an Dampfkesseln geschöpft werden kann.
                           
                           Am 23 December des verflossenen Jahres 12½ Uhr Mittags war der Frankfurter
                              									Bahnhof der Frankfurt-Hanauer Eisenbahn der Schauplatz einer Explosion,
                              									welche von den traurigsten Folgen hätte begleitet seyn können, wenn nicht durch eine
                              									besonders glückliche Fügung größeres Unheil abgewendet worden wäre. Der Zug war im
                              									Begriff nach Hanau abzufahren, die Passagiere hatten ihre Plätze eingenommen und die
                              									Locomotive, aus der Keßler'schen Maschinenfabrik in
                              									Karlsruhe, stand vom Zuge getrennt noch neben der Locomotivremise. Beide Ventile sah
                              									man stark Dampf ausblasen; da barst in dem Augenblicke, wo der Führer und Heizer auf
                              									die Maschine steigen wollten, der Kessel mit einem Knall, ähnlich dem einer
                              									abgefeuerten Kanone. Zum großen Glück erfolgte die Explosion und die sie begleitende
                              									Dampf- und Wasserausströmung nach der beiden Männern entgegengesetzten Seite,
                              									so daß diese unbeschädigt davonkamen.
                           Nachdem der die ganze Scene verhüllende Dampf sich verzogen hatte, fand man die
                              									Locomotive umgestürzt, die Räder nach oben gekehrt, auf den Schienen liegend, in der
                              									Lage wie sie die Skizze Fig. 1 darstellt. Der
                              									durch die Explosion zerrissene Dom wurde in dem Zustande gefunden, wie ihn die von
                              									Hrn. Ingenieur Meggenhofen an Ort und Stelle aufgenommene
                              									Skizze Fig. 2
                              									zeigt. Die zu seiner Verstärkung dienlichen Ankerstangen waren zum Theil zerrissen,
                              									zum Theil verbogen und verkrümmt. Die ganze rechte Seitenwand des Doms, ein Stück
                              									von ungefähr fünf Centnern, Fig. 3, wurde durch die
                              									Gewalt der Explosion in einem flachen Bogen durch den Bahnhof, über die Hanauer
                              									Chaussee hinweg, mehrere Hundert Fuß weit in einen benachbarten Garten geschleudert.
                              									Verschiedene unterwegs angerichtete Verheerungen bezeichneten die Bahn dieses
                              									Eisenstücks; zuerst zerknickte es ein Tannenbäumchen, schlug dann von der
                              									Einfassungsmauer des Bahnhofs eine schwere Steinplatte herab, durchschlug jenseits
                              									der Chaussee eine Bretterwand, und riß einige steinerne Säulen, welche diese Wand
                              									halten, um.
                           Die mit dem Dom zunächst verbundenen Maschinentheile wurden zum Theil in große
                              									Entfernungen hin zerstreut; so wurde die mindestens 25 Pfund wiegende Umhüllung der
                              									Ventile (valve-cover) bei der englischen
                              									Gasfabrik, beinahe ¼ Stunde von dem Orte der Explosion entfernt, gefunden.
                              									Die rechte Kupferwand des Feuerkastens zeigte sich nach innen gewölbt, und aus den
                              									Kupferbolzen, welche sie mit der Kesselwand verbinden, gleichsam
                              									herausgestreift.
                           
                           Die Lage Fig.
                                 									1, in welcher die Locomotive gefunden wurde, konnte allem Anscheine nach nicht
                              									die Folge des einfachen Umstürzens durch den Rückstoß seyn; es ist vielmehr, um
                              									diese Lage erklären zu können, anzunehmen, daß die Maschine durch die Rückwirkung
                              									der schräg nach unten gerichteten explosiven Wasser- und Dampfabströmung
                              									vollständig in die Höhe gehoben wurde, indem sie zugleich eine Drehung um ihre
                              									Längenachse erhielt, so daß bei ihrem Fall der bereits zerrissene Dom bei O, Fig. 2, eingedrückt wurde.
                              									Diese Erklärung findet sich auch durch einen starken und unverkennbaren Eindruck des
                              									einen Schienenstranges am obersten Theil der Rauchkammer bestätigt.
                           Ueber die Ursache dieser Explosion gab der zur Untersuchung herbeigezogene
                              									Maschinen- und Bahningenieur der Main-Weser Eisenbahn Hr. Meggenhofen sein Gutachten ab, in welchem er nachweist,
                              									daß ein sich steigernder Dampfdruck in Folge der Anhäufung der Dämpfe, bei zwar
                              									richtigem Wasserstande, aber ungenügender Ventilöffnung, die Katastrophe
                              									herbeigeführt hat. Durch die gefälligen Mittheilungen des Hrn. Meggenhofen bin ich in Stand gesetzt, die nähere Begründung seiner
                              									Ansicht, der ich vollkommen beistimme, in Folgendem beinahe dem Wortlaute nach
                              									wiederzugeben.
                           Das Material, woraus die geborstenen Theile bestehen, insbesondere die abgerundeten
                              									Winkeleisen a, Fig. 2 und 3, welche die Seitenwände
                              									des Doms verbinden und vorzugsweise gerissen sind, ist ein vorzügliches, und wurde
                              									von mehreren anwesenden Sachverständigen auch dafür erkannt. Nur der Anker b, Fig. 3, zeigte eine
                              									schlechte Schweiße. Daß aber dieser Umstand die Veranlassung der Explosion nicht
                              									gewesen seyn konnte, wird bald erhellen. Da sämmtliche Seitenwände an den Stellen
                              									ihrer Verstrebungen c, Fig. 2 und 3, woran die Anker
                              									befestigt sind, in keiner Weise Durchbiegungen oder Risse bekommen haben, so ist mit
                              									Sicherheit anzunehmen, daß die Widerstandsfähigkeit dieser Seitenwände gegen
                              									Durchbiegung größer gewesen war, als die absolute Festigkeit der gerissenen
                              									Winkeleisen. Es wäre daher zunächst zu untersuchen, ob es möglich ist, daß ein
                              									Dampfdruck im Kessel, welcher angeblich nicht mehr als 75 Pfund per Quadratzoll
                              									betrug, die Winkeleisen zu zersprengen vermochte, wobei wir voraussetzen wollen, daß
                              									gar kein Queranker vorhanden, oder dieselben vor der Explosion herausgenommen worden
                              									waren.
                           
                              
                                 Der diagonale Durchmesser des Doms ist
                                 60
                                 Zoll
                                 
                              
                                 Die Dicke des Winkeleisens
                                 0,5
                                 —
                                 
                              
                           Angebliche Dampfspannung im Kessel 75 Pfund per Quadratzoll.
                           
                           Nimmt man nun die absolute Festigkeit einer Eisensorte mittlerer Qualität per
                              									Quadratzoll Querschnitt = 64000 Pfund an, so hat man 75 × 60 = 4500 Pfund auf
                              									den Quadratzoll Winkeleisen, folglich 64000/4500 = 14,22fache Sicherheit bis zum
                              									Bruche desselben; oder die Dampfspannung im Kessel müßte, um diese Winkeleisen
                              									zerreißen zu können, 14,22 × 75 = 1066,5 Pfund per Quadratzoll gewesen seyn,
                              									was unter den vorliegenden Umständen nicht wohl möglich ist. Hieraus folgt, daß der
                              									oben erwähnte fehlerhafte Ankerstab nicht die Ursache der Explosion gewesen seyn
                              									kann.
                           Robert Stephenson nimmt zu seinen Locomotiven bei der
                              									nämlichen Größe wie die in Rede stehende
                           
                              
                                 die Röhrenwand des kupfernen Feuerkastens
                                 ¾
                                 Zoll
                                 dik
                                 
                              
                                 die drei andern Wände
                                 ⅜
                                 —
                                 —
                                 
                              
                                 die eisernen Seitenwände des Doms
                                 5/16
                                 —
                                 —
                                 
                              
                           Die kupfernen ¾ Zoll starken Verbindungsbolzen, welche er 4⅝ bis 5 Zoll
                              									weit auseinander setzt, vermögen einem Dampfdruck im Kessel von 200 Pfund per
                              									Quadratzoll einen vollkommenen Widerstand entgegenzusetzen. Da aber der
                              									Maschinenfabrikant Hr. Keßler alle diese
                              									Stärkenverhältnisse bei gutem Material noch größer gehalten hat, so muß jedenfalls
                              									eine zu hohe Dampfspannung im Kessel die Ursache der Explosion gewesen seyn. Es soll
                              									nun nach dem Zustande, in welchem sich die Locomotive vor ihrer Explosion befand,
                              									untersucht werden, ob es in der That wahrscheinlich ist, daß eine zu hohe
                              									Dampfspannung im Kessel stattgefunden hat, welche die Explosion zur Folge haben
                              									konnte.
                           Nach Aussage wurde mit dieser Locomotive, da sie eben aus der Reparatur gekommen war,
                              									eine Probefahrt nach dem nächst gelegenen Wäldchen hin und zurück gemacht, bevor sie
                              									den Personenzug fortbringen sollte. Sie war demnach vollständig geheizt.
                           Nachdem frische Kohts aufgeschüttet worden waren, kam die Maschine neben die
                              									Locomotivremise zu stehen, wo zur Mäßigung der fortwährenden Dampfentwickelung auf
                              									die obere Mündung des Schornsteins ein eiserner Deckel gelegt wurde. Weil aber
                              									dennoch beide Ventile stark Dampf ausbliesen, so wurde auch noch ein Wärmehahn
                              									geöffnet um Dampf aus dem Kessel in das in dem Tender befindliche Wasser strömen zu
                              									lassen. Und so soll die Locomotive bei fortwährend ausblasenden Ventilen ungefähr 10
                              									Minuten gestanden haben, als plötzlich die Explosion erfolgte.
                           
                           Da selbst bei geöffnetem Wärmehahn beide Ventile stark Dampf ausgeblasen haben, so
                              									ist nicht zu bezweifeln, daß fortwährend eine bedeutende Dampfentwickelung
                              									stattgefunden hat, was auch leicht der Fall seyn konnte, weil der auf den
                              									Schornstein gelegte Deckel nicht vollkommen schließbar ist und deßhalb dem Feuer
                              									Luftzug gestattet. Es soll nun untersucht werden, wie hoch die Dampfspannung im
                              									Kessel gestiegen seyn konnte und zwar bei geöffnetem Wärmehahn, größtmöglicher
                              									Oeffnung beider Ventile und fortgesetzter Feuerung.
                           Die Ausströmungsöffnung des Wärmehahns ist höchstens 1 Quadratzoll englisch, die
                              									größtmögliche Oeffnung beider Ventile — unter dieser den ringförmigen
                              									Querschnitt verstanden, durch welchen der Dampf nach Hebung des Ventils seitwärts
                              									entströmt — beträgt nur 2 Quadratzoll englisch, mithin die Summe der
                              									Oeffnungen, durch welche der Dampf aus dem Kessel entweichen konnte, 3 Quadratzoll
                              									engl. oder 2, 8 Wiener Quadratzoll. Da nun, sobald beide Ventile diese Oeffnung
                              									erreicht haben, die Widerstandsfläche eines jeden Ventils von 8,29 bis zu 10,31
                              									Quadratzoll sich vergrößert haben muß, so kann auch keine geringere Dampfspannung
                              									als von 80,4 Pf. per Quadratzoll in dem Kessel gewesen seyn, indem gerade 100 Pf.
                              									per Quadratzoll auf der Scale der Federwaage mit dem Ende des Schlitzes coincidiren,
                              									wo dann der Zeiger anstößt und die Ventile sich nicht höher heben können.
                           Um nun zu untersuchen, ob die Summe dieser Oeffnungen = 2,8 Wiener Quadratzoll, groß
                              									genug ist, um so viel Dampf entweichen zu lassen, als der Kessel bei fortgesetzter
                              									Feuerung nur immer zu erzeugen im Stande ist, so soll mit Rücksicht auf obige
                              									Dampfspannung von 80, 4 Pfund per Quadratzoll und die gegebene Größe der Heizfläche,
                              									die kleinste Oeffnung gesucht werden, durch welche der erzeugte Dampf, ohne eine
                              									höhere Spannung annehmen zu können, entweichen kann. Man findet dafür den
                              									Durchmesser d in Wiener Zollen aus der Formel
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 120, S. 85
                              
                           (siehe Burg's Compendium der
                              									Mechanik §. 501), wobei F die totale Heizfläche
                              									in Quadratfuß, und m die absolute Dampfspannung im
                              									Kessel, in Atmosphären ausgedrückt, bezeichnet; da nun F
                              									= 800 und m nahezu = 6,5 ist, so ergibt sich, wenn man
                              									diese Werthe in die Formel substituirt, für den gesuchten Durchmesser der Werth
                           d = 3,6 Wiener Zoll.
                           
                           Dieses entspricht einer Oeffnung von 10,17 Wiener Quadratzoll oder 10,93 engl.
                              									Quadratzoll. Demnach war die Summe der Oeffnungen der beiden
                                 										Ventile und des Wärmehahns, welche wie oben gezeigt wurde, nur drei Quadratzoll
                                 										engl. betrug, über das Dreifache zu klein.
                           Obiger Summe (2,8 Wiener Quadratzoll) der Dampfausströmungsöffnungen entspricht, wenn
                              									sie als Kreisfläche betrachtet wird, ein Durchmesser von 1,88 Zoll. Substituirt man
                              									diesen Werth d, sowie den Werth für F in die Formel (I) und löst
                              									sie nach m auf, so folgt
                           II.) m =
                              									800 (0,312/1,88)2 + 0,412 = 22,4 Atmosphären.
                           Es kann daher bei vollständig abblasenden Ventilen und einem
                                 										geöffneten Wärmehahn die Dampfspannung im Kessel bis zu 22 Atmosphären zugenommen haben, was einem absoluten Drucke
                                 										von 330 Pfund auf den Quadratzoll gleichkommt.
                              									Ein solcher Druck ist jedenfalls höchst gefährlich, da derartige Kessel an der Scale
                              									der Federwaage im äußersten Falle eine Dampfspannung von 90 Pfund per Quadratzoll
                              									zeigen dürfen und selten, selbst bei der hydraulischen Probe in der Fabrik, mit
                              									einem höheren Druck als zwölf Atmosphären oder 176 Pfund per Quadratzoll engl.
                              									probirt werden.
                           Da an dem explodirten Kessel weder eine Spur von zu niedrig gewesenem Wasserstande,
                              									noch von Kesselstein zu finden war, und wohl zu bedenken ist, daß die größte
                              									Leistung solcher Kessel in 10 Minuten 5300 Kubikfuß Dampf zu 6,5 Atmosphären
                              									Spannung zu erzeugen vermag, da ferner der vorhandene Dampfraum höchstens circa 56
                              									Kubikfuß beträgt, so ist anzunehmen, daß die Dampfspannung im Kessel, wenn auch
                              									nicht ganz auf jenen Druck von 330 Pfund per Quadratzoll, doch auf einen diesem nahe
                              									kommenden Druck sich steigerte. In Folge dieser enormen Dampfspannung wurde zuerst
                              									die Kupferwand E, Fig. 2, 5 und 6, in der Regel der am
                              									schwächsten gehaltene Theil des Kessels, zwischen den Kupferbolzen d an den Stellen e etwas
                              									eingebogen. Durch diese Einbiegungen wurde den Bolzen d,
                              									welche ohnedieß schwache Köpfe haben und durch das Feuer bald abgebrannt werden, in
                              									Folge der nun gebildeten conischen Erweiterungen f der
                              									Löcher, der Halt in den Gewinden genommen, so daß sie nun leicht herausgestreift
                              									werden konnten. Die Kupferwand selbst aber wurde sofort durch ihre Dehnbarkeit bis
                              										 zu derjenigen
                              									Bogenhöhe h, Fig. 6, eingedrückt, wo
                              									sie dem Gegendruck des Wassers und des Dampfes das Gleichgewicht halten konnte. In
                              									demselben Moment, wo die Kupferbolzen losrissen, hatte auch die Wand D, Fig. 3, an dieser Stelle
                              									ihre Widerstandsfähigkeit gegen Durchbiegung verloren, und so konnte es nun nicht
                              									fehlen, daß die dadurch in Thätigkeit gekommene Hebelkraft, welche zugleich auf die
                              									absolute und relative Festigkeit der Seitenwand und der verbindenden Winkeleisen
                              									wirkte, das in diesem Zustande viel zu wenig dehnbare Eisenblech und Winkeleisen
                              									zuerst an den Stellen g, g,
                              										Fig. 2 und
                              										3, brechen
                              									und dann alle übrigen Brüche zur Folge haben mußte.
                           Wie schließlich aus obiger Darstellung hervorgeht, kann nur eine sich mehr und mehr
                              									steigernde allzuhohe Dampfspannung, für welche solche Kessel nicht construirt sind,
                              									bei ungenügenden Ventilöffnungen die Ursache einer so kräftigen Explosion gewesen
                              									seyn. Damit aber, namentlich beim Stationiren der Locomotive, ähnliche Unfälle nicht
                              									mehr vorkommen können, ist folgendes zu beobachten:
                           So lange sich eine Locomotive in geheiztem Zustande befindet, muß sie unter
                              									beständiger Aufsicht eines Führers oder eines Heizers, welcher mit der Behandlung
                              									derselben vertraut ist und fahren kann, stehen. Dieser hat sich von dem guten
                              									Zustande der beiden Ventile zeitweise zu überzeugen, und sobald die Dampfspannung im
                              									Kessel zugenommen hat, so daß die Ventile Dampf ausblasen, sogleich die
                              									Dampfspannung bis auf den gesetzlich bestimmten Druck zu mäßigen. Er kann sich dazu
                              									je nach Umständen des einen oder des andern oder auch gleichzeitig mehrerer der
                              									folgenden Hülfsmittel bedienen:
                           1) Schließung der oberen Schornsteinöffnung;
                           2) Schließen der Klappe am Aschenfall;
                           3) Oeffnen der Feuerungsthür;
                           4) Oeffnen der beiden Wärmehähne;
                           5) Nachlassen der Feberwaagen;
                           6) Pumpen von Wasser in den Kessel.
                           Das letztere wird bewerkstelligt, indem man die Klappe am Aschenfall schließt, die
                              									Feuerungsthür öffnet und mit der Maschine auf- und abfährt, wobei man durch
                              									den unteren Wasserablaßhahn am Kessel so viel Wasser abfließen läßt, daß der normale
                              									Wasserstand im Kessel unverändert bleibt. Sollten aber Local- und
                              									Dienstverhältnisse das Aufund Abfahren mit der Maschine, um Wasser in den Kessel zu
                              									pumpen, nicht gestatten, so ist an der Locomotive eine Dampfpumpe anzubringen,
                              									welche höchstens 450 fl. kostet
                           
                           Es ist eine durch vielfache Erfahrungen bestätigte Thatsache, daß
                              									Dampfkessel-Explosionen gewöhnlich während des Stillstandes der Maschine und
                              									in vielen Fällen bei ausblasenden Ventilen erfolgen, und ich halte es für
                              									wahrscheinlich, daß die Mehrzahl derselben in einer allmählich sich steigernden
                              									Dampfanhäufung wegen zu geringer Ausströmungsöffnung ihren Grund hat.
                           Bei Locomotiven insbesondere, wo der Hub des Ventils durch die Verbindung mit der
                              									Federwaage sehr beschränkt wird, ist die Summe der ringförmigen Oeffnungen durch
                              									welche der Dampf nach Lüftung der Ventile entströmt, gewöhnlich zu gering, um beim
                              									Stillstand der Maschine und bei stark fortgesetzter Heizung den in jedem Augenblicke
                              									sich bildenden Dampf vollständig abführen zu können. Wenn nun auch eine in Folge
                              									dieses Umstandes eintretende gefährliche Steigerung der Dampfspannung durch
                              									Befolgung der oben aufgezählten Maaßregeln abgewendet wird, so ist die Gefahr einer
                              									Explosion, so lange die Sicherstellung gegen dieselbe von der Zuverlässigkeit des
                              									Führers abhängig gemacht wird, keineswegs als vollständig beseitigt zu betrachten.
                              									Dieses führt mich auf zwei von Hrn. Meggenhofen
                              									angegebene sehr beachtenswerthe Verbesserungen in der Construction der
                              									Sicherheitsventile für Locomotiven.
                           Die erste dieser Verbesserungen betrifft eine ebenso
                              									einfache als sinnreiche Vorkehrung, welche Hr. Meggenhofen an der Federwaage anbringt, um die Dampfausströmungsöffnung in
                              									dem Moment, wo der Dampf eine dem höchsten Punkte der Scale nahe kommende Spannung
                              									erreicht, bedeutend zu vergrößern. Fig. 7 stellt die
                              									Anordnung in Verbindung mit der Federwaage in 1/6 der natürlichen Größe gezeichnet,
                              									in der Seitenansicht, Fig. 8 in der vorderen
                              									Ansicht dar. Die Stange, welche die Spannung der Feder auf den Ventilhebel
                              									überträgt, besteht nämlich aus zwei Theilen a und b, welche durch ein Gelenk c
                              									mit einander verbunden sind. Dieses Gelenk ist jenseits des einen Bolzens in eine
                              									Stange d verlängert, welche an der Seite des
                              									cylindrischen Federgehäuses sich abwärts erstreckt und an ihrem Ende mit einem Haken
                              									versehen ist. Die Stange d bewegt sich zwischen zwei
                              									Hervorragungen m und i wie
                              									in einer Führung, so daß, so lange die untere Fläche des Hakens unterhalb der oberen
                              									Seite der Hervorragung m sich befindet, eine Abweichung
                              									der Hakenstange aus ihrer senkrechten Lage unmöglich ist.
                           Dieses soll z. B. hier der Fall seyn, so lange der Zeiger durch Umdrehung der
                              									Flügelmutter tiefer als auf 80 Pfund per Quadratzoll  auf der Scale gestellt ist, wo
                              									bann der Apparat wie eine gewöhnliche Federwaage wirkt. Wird aber die Feder so
                              									gespannt, daß der Zeiger auf 80, welches das Maximum der Spannung seyn soll, steht,
                              									so wird in dem Augenblick, wo durch die diesen Grad übersteigende Dampfspannung das
                              									Ventil sich zu heben beginnt, die untere Fläche des Hakens über die obere der
                              									Hervorragung m treten, und somit der Haken seinen
                              									Rückhalt verlieren; zugleich wird derselbe sich rückwärts bewegen, indem seine
                              									schiefe Fläche mit der andern Hervorragung i in
                              									Berührung kommt. Sobald aber die Hakenstange d aus der
                              									senkrechten Lage gekommen ist, wird sie durch den Zug der Feder und den ihr
                              									entgegenwirkenden Dampfdruck, einen Bogen von 180° beschreibend, vollständig
                              									umschlagen und dadurch der durch das Gelenk unterbrochenen Stange, welche den
                              									Ventilhebel mit der Feder verbindet, gestatten, um die doppelte Länge des Gelenkes
                              										c sich zu verlängern. Wegen der nun plötzlich
                              									erfolgenden Abspannung der Feder wird der Dampf das Ventil mit Leichtigkeit höher
                              									heben, mithin in weit größerer Menge entweichen können, als es ohne diese
                              									Vorrichtung möglich wäre. Nachdem der Apparat seine Wirkung gethan hat, kann der
                              									Locomotivführer die vorherige Lage desselben leicht wiederherstellen.
                           Die zweite Verbesserung bezieht sich auf ein
                              									Sicherheitsventil, welches bei verhältnißmäßig geringer Widerstandsfläche eine weit
                              									größere und freiere Ausströmungsöffnung darbietet, als das gewöhnliche. Dieses
                              									verbesserte Ventil ist Fig. 9 in 1/6 der
                              									natürlichen Größe im Verticaldurchschnitt dargestellt. Der messingene Ventilsitz B besteht aus mehreren concentrischen Ringen a, a, a, wovon der äußere mit Flanschen versehen und auf den Dom festgeschraubt
                              									ist, die übrigen aber nebst dem soliden Centralstück b
                              									an ein Kreuzstück befestigt sind.
                           Diese Ringe bieten ebensoviele ringförmige Oeffnungen, durch welche der Dampf
                              									entweichen kann, dar, und sind an ihrer oberen Seite in eine Ebene geschliffen. In
                              									das Centralstück b ist ein starker Kupferbolzen c eingelassen, welcher für den Obertheil A oder das eigentliche Ventil die Führung bildet. Das
                              									auf dem Kupferbolzen gleitende Ventil A besteht
                              									gleichfalls aus concentrischen Ringen, welche mit ihren unteren Flächen auf die
                              									zwischen den Ringen des Ventilsitzes befindlichen ringförmigen Oeffnungen passen und
                              									somit diese Oeffnungen vollständig verschließen.
                           Die Einrichtung des Ventilhebels und der Federwaage ist die gewöhnliche und bedarf
                              									keiner näheren Erläuterung. Fig. 10 stellt den
                              									Ventilsitz B in der oberen, Fig. 11 in der unteren
                              									Ansicht; Fig.
                                 										12 das  Ventil
                              									in der oberen, Fig.
                                 										13 in der unteren Ansicht dar. Sobald nun dieses Ventil durch den
                              									Dampfdruck gehoben wird, findet der Dampf sogleich eine bedeutende
                              									Ausströmungsöffnung und zwischen den Ringen des Obertheils A einen ungehinderten Abzug. Dabei ist die Widerstandsfläche des Ventils
                              									verhältnißmäßig gering, weßhalb dasselbe auch eine geringere Belastung erfordert als
                              									das gewöhnliche Ventil.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
