| Titel: | Der neue Schreibtelegraph. | 
| Fundstelle: | Band 120, Jahrgang 1851, Nr. XXV., S. 103 | 
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                        XXV.
                        Der neue Schreibtelegraph.
                        Neuer Schreibtelegraph.
                        
                     
                        
                           Vor kurzer Zeit kam aus Amerika die Zeitungsnachricht, daß man dort einen Telegraphen
                              									erfunden habe, welcher die Nachrichten sogleich geschrieben mittheile, und welcher
                              									geeignet sey größere Reden und Actenstücke auf große Strecken hin wörtlich zu
                              									telegraphiren, ohne daß hierdurch gegenüber der jetzigen Telegrapheneinrichtung an
                              									Zeit verloren gehe, indem eine Hand- oder Druckschrift mittelst durch
                              									Uhrwerke in Bewegung gesetzter Walzen, und durch einen mit einer galvanischen Kette
                              									verbundenen und darüber hergehenden Stift auf größere Entfernungen hin abgedruckt
                              									werden könne, wenn entweder die ganze Papierfläche, auf welche geschrieben wurde,
                              									ein elektrischer Leiter, die Schrift aber nicht leitend, oder umgekehrt die
                              									Buchstaben leitend, die Papierfläche aber durch einen Firnißüberzug nicht leitend
                              									gemacht sey. Durch eine auf diese Weise veranlaßte Unterbrechung und
                              									Wiederherstellung des elektrischen Stroms entstehe dann auf der Station, woyin man
                              									telegraphiren wolle, eine Copie der Schrift.
                           Der durch sein Chronoskop rühmlichst bekannte Mechanikus Hipp in Reutlingen (derselbe verfertigt gegenwärtig für den Erfinder des
                              									elektromagnetischen Zeigertelegraphen, Professor Wheatstone in London, eine Maschine zur Messung der Geschwindigkeit der
                              									Elektricität und des Lichts, wodurch der vierzehnhundertste Theil einer Zeitsecunde
                              									aufs genaueste bestimmt wird) versuchte es auf diese Zeitungsnachrichten hin einen
                              									Telegraphen zu construiren, dem die Grundsätze zu Grunde liegen, welche aus diesen
                              									Nachrichten ersichtlich waren, und schon nach kurzer Zeit war derselbe im Stande,
                              									sehr schön und richtig mit demselben zu telegraphiren. Die Einrichtung desselben
                              									ist, so weit sie sich ohne Abbildung beschreiben läßt, folgende: auf jeder Station
                              									hat man eine Walze, welche durch ein Uhrwerk um eine Achse bewegt und um ihre Länge
                              									vorwärts geschoben wird. Die erste Bedingung hierbei ist, daß diese beiden
                              									Bewegungen der Walzen auf jeder Station möglichst gleichmäßig geschehen. Nenne ich
                              									die beiden Walzen I und II.
                              									Auf die Walze I wird ein Papier von metallischer Leitung
                              									aufgeklebt (Hr. Hipp verwendet hierzu vorderhand
                              									Gold- oder Silberpapier), und auf dieses Papier schreibt man mit einer die
                              									Elektricität nicht leitenden Dinte die Nachricht, welche man geben will. Ueber der
                              									Walze I ist ein metallischer Stift befestigt, welcher
                              									bei der Umdrehung derselben sie berührt.  Berührt nun dieser Stift das leitende Papier, so wird,
                              									wenn mit ihm der Leitungsdraht einer galvanischen Kette verbunden ist und das andere
                              									Kettenende zu der sogleich zu beschreibenden Vorrichtung an der Walze II auf die andere Station geht, der elektrische Strom
                              									geschlossen, währenddem er unterbrochen wird, wenn der Stift über der nichtleitende
                              									Schrift hergeht. Auf die Walze II wird nun ein
                              									gewöhnliches Schreibpapier befestigt, und wie über der Walze I der Stift, so befindet sich über dieser ein Elektromagnet mit dem
                              									Leitungsdraht in Verbindung. Steht der Stift über der Walze I auf dem metallischen Ueberzug des Papiers, so wird der Elektromagnet
                              									über der Walze II magnetisch und zieht einen Anker an,
                              									weil die Verbindung hergestellt ist; steht dagegen der erwähnte Stift auf der nicht
                              									leitenden Schrift, so hört der Magnetismus wieder auf, und der Anker fällt ab. An
                              									diesem Anker ist nun ein beweglicher Schreibstift angebracht, und dieser berührt das
                              									Schreibpapier wenn der Anker abfällt, und wirb wieder davon entfernt, wenn er
                              									angezogen wird. Sowie der Schreibstift, welcher innen mit Dinte gefüllt ist, das
                              									Papier auf der Walze berührt, so entsteht ein Punkt oder Strich auf derselben, und
                              									geht die Rotation und die Vorwärtsschiebung der Walzen auf beiden Stationen
                              									gleichmäßig, läuft also der Stift über der Walze I nach
                              									und nach über den ganzen Umfang des Papiers und der Schrift her, so entsteht hier in
                              									Strichen und Punkten eine genaue Copie der Handschrift des Metallpapiers Die
                              									Schließung der Kette wird bei diesem Telegraphen wie bei den andern durch die Erde
                              									bewerkstelligt.
                           Die Vortheile dieses neuen Telegraphen sind so bedeutend, daß derselbe in kurzer Zeit
                              									alle übrigen Telegraphen verdrängt haben wird; in einigen Jahren wird man weder
                              									Zeiger- noch Drucktelegraphen mehr sehen; der neue Schreibtelegraph ist wohl
                              									das äußerste was man in dieser Beziehung erreichen kann. Ich will diese Vortheile
                              									kurz aufzählen.
                           Alle Unsicherheit und Nachlässigkeit von Seite der Telegraphisten ist aufgehoben,
                              									indem der Telegraph von selbst arbeitet, das überschriebene Papier darf nur auf die
                              									Walze geklebt und das Uhrwerk in Gang gesetzt werden. Hat man eine Nachricht
                              									mitzutheilen, so braucht man sie nur auf ein solches Papier zu schreiben, dessen
                              									Format wegen der Größe der Walze vom Telegraphenbureau bestimmt ist; man übergibt
                              									dann dieses Papier dem Telegraphisten, der es gar nicht anzusehen braucht und es auf
                              									die Walze klebt. Es wird dadurch das vollständigste Geheimniß bewahrt, wenigstens an
                              									dem Ort, von welchem aus telegraphirt wird. Auf der Station, für welche die
                              									Nachricht bestimmt  ist,
                              									entsteht dann eine treue Abschrift des Originals, und diese ist so genau, daß man
                              									selbst die Handschrift des Verfassers erkennen kann. Kein Fehler, welcher bei den
                              									Zeiger- und Drucktelegraphen vorkommen kann, ist hier möglich, außer der
                              									Fehler liege in der Schrift selbst, nebendem daß das Entziffern, das Ab- und
                              									Aufschreiben der Depeschen völlig umgangen wird; man kann also mit diesem
                              									Telegraphen diplomatische Actenstücke befördern, da dieselben aufs treueste copirt
                              									werden und sogar, um völliges Geheimniß zu bewahren, jede Chiffernschrift anwenden.
                              									Die Größe einer Depesche ist durch gar nichts begränzt, da, wenn man auf das
                              									Metallpapier sehr klein schreibt, es ganz einerlei ist, ob tausend Worte oder ein
                              									einziges darauf steht; die Geschwindigkeit der Mittheilung hängt nur davon ab, wie
                              									geschwind sich die Walzen nach beiden Richtungen bewegen; natürlich hat diese
                              									Geschwindigkeit auch ihre Gränzen; immerhin können aber auf diese Weise in derselben
                              									Zeit, welche man bei unsern jetzigen Telegraphen braucht um zehn Worte mitzutheilen,
                              									sehr leicht hundert Worte telegraphirt werden, neben dem daß durch Auf- und
                              									Abschreiben, wie oben schon bemerkt, keine Zeit verloren geht.
                           Die neue Erfindung wird in dem gesammten Telegraphenwesen eine Umwälzung hervorrufen,
                              									und da Hr. Hipp in Reutlingen der erste ist, welcher
                              									dieselbe in Deutschland nachgeahmt und wesentlich
                              									verbessert hat, so wäre es diesem genialen Künstler zu wünschen, daß er auch einige
                              									Früchte davon zu genießen bekommen würde. S. (Allgem. Zeitung, 1851 Nr. 108.)