| Titel: | Die Verarbeitung der Gutta-percha, beschrieben von Prof. Payen. | 
| Fundstelle: | Band 120, Jahrgang 1851, Nr. XXVII., S. 117 | 
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                        XXVII.
                        Die Verarbeitung der Gutta-percha,
                           								beschrieben von Prof. Payen.
                        Aus dessen Précis de Chimie industrielle, Paris
                              									1851.
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              									II.
                        Payen, über Verarbeitung der Gutta-percha.
                        
                     
                        
                           1. Ursprung. — Seit sechs Jahren wird in Europa aus
                              									Asien unter dem Namen Gutta-percha eine dem Kautschuk ähnliche Substanz
                              									eingeführt, deren Anwendungen sehr wichtig zu werden beginnen.
                           Die Gutta-percha (das Sumatra-Gummi) kömmt zu uns aus den großen
                              									Wäldern der Halbinsel Malacca und der malayischen Inseln; der Baum, welcher den
                              									Milchsaft liefert, woraus die Gutta-percha gewonnen wird, gehört der Familie
                              									der Sapoteen des Geschlechtes Isonandra an; er findet sich hauptsächlich auf der
                              									Insel Singapore und den benachbarten Inseln; sein Stamm erreicht einen Durchmesser
                              									von 3–6 Fuß und eine bedeutende Höhe. Ein Baum von mittlerer Dicke liefert
                              									20–33 Liter Saft; das Holz hat ein lockeres Gewebe und ist nicht
                              									verkäuflich.
                           2. Gewinnung. — Man fällt den Baum und bringt unter
                              									seinen etwas gehobenen Stamm Bananenblätter, in denen der Milchsaft aufgefangen
                              									wird, welcher aus den durch die Rinde 1 Fuß weit aus einander gemachten Einschnitten
                              									ausfließt; diesen Saft läßt man an der Luft eintrocknen.
                           3. Reinigung. — Die Gutta-percha kömmt in
                              									den Handel in blätterigen oder zusammengerollten unreinen Massen, zwischen welchen
                              									erdige Substanzen, Holztrümmerchen etc. eingeschlossen sind. Um sie zu reinigen,
                              									zertheilt man sie zuerst mittelst einer Wurzelschneidemaschine (Fig. 23, 24 und 25), deren Hauptstück
                              									eine mit drei ebenen oder gebogenen Hobelklingen A, A′, A″ (Fig. 23)
                              									versehene Scheibe ist; jede dieser Klingen begegnet abwechselnd den
                              									Gutta-Percha-Massen A (Fig. 25) und zerschneidet
                              									sie in unregelmäßige Späne, welche in die Oeffnung der Scheibe (Fig. 25) gelangen und
                              									vorwärtsfallen.
                           Diese Späne wirft man in Wasser, welches auf 72 bis 80° R. erhitzt ist, damit
                              									die Holztrümmer sich ansaugen, und schwerer werden als die obenaufschwimmende
                              									Gutta-percha; die erweichte Masse wird  alsdann unter eine geneigte Ebene A (Fig.
                                 										21) gebracht, und durch zwei Walzen vor einem Cylinder B fortgezogen, der mit Klingen versehen ist und sich
                              									über einem Trog C umdreht, welcher mit heißem Wasser
                              									gefüllt ist, welches mittelst eines Schlangenrohrs oder eingelassenen Dampfs auf 72
                              									bis 80° R. erhalten wird. Die durch diesen Cylinder bewirkte neue Zertheilung
                              									setzt die fremdartigen Substanzen in Freiheit; dieselben setzen sich ab, während das
                              										„Gummi“ über dem Wasser bleibt und bald auf ein endloses
                              									Tuch D gelangt, welches dasselbe vor einen
                              									Zertheilungs-Cylinder E, ähnlich dem frühern,
                              									führt; es fällt bei F wieder auf das Wasser, erfährt im
                              									zweiten Trog eine gleiche Reinigung und gelangt unter einen dritten Cylinder H.
                           Nachdem die Gutta-percha diese drei Reinigungen durchgemacht hat, wird sie auf
                              									dem heißen Wasser immer umhergetrieben und auf das endlose Tuch I unter den mit dicken Messern oder Schienen versehenen
                              									Cylinder J getrieben, wo sie zwischen diese Schienen und
                              									ähnliche unbewegliche Schienen einer gekrümmten Platte, ähnlich dem Grundwerk eines
                              									Holländers, hineingeräth; letztere Zermalmung macht sie fähig sich zusammenzuballen;
                              									was geschieht, nachdem sie von dem Drehkreuz K umgerührt
                              									wurde, um von dem Tuch L. geführt, zwischen fünf
                              									Walzenpaaren von M bis M′ hindurchzugehen; ein letztes endloses Tuch M′, N, dessen Bewegung sie folgt, führt
                              									sie zwischen die zwei Walzen N, welche das Wasser aus
                              									ihr herausdrücken; sie kann von da sogleich entweder in ein Walzwerk O geführt werden, welches sie in ein mehr oder weniger
                              									dickes Blatt verwandelt, oder zwischen zwei gekerbte Walzen, Fig. 22, welche durch das
                              									Zahnrad A und die Transmission B, C in entgegengesetztem Sinne bewegt werden
                              									und sie, je nach der Form und Größe ihrer Kerben, in Streifen, Riemen, cylindrische
                              									oder rechteckige Schnüre (Fäden) etc. zerschneiden.
                           4. Chemische Zusammensetzung. — Die
                              									Gutta-percha hat dieselbe Elementarzusammensetzung wie der Kautschuk, welche
                              									durch C8H7 ausgedrückt
                              									wird.
                           5. Eigenschaften. — Die reine Gutta-percha
                              									ist weiß, durchsichtig, in der Kälte härter, in der Wärme weicher als der Kautschuk,
                              									und bei allen Temperaturen weit weniger elastisch; bei 80° R. sehr
                              									geschmeidig, leicht zu kneten und zu formen; bei gelinder Wärme läßt sie sich in
                              									Fäden oder Blätter ausziehen, die sich bei größerer Kraftanwendung noch weiter
                              									ausdehnen oder mehr in die Länge ziehen lassen. In der Wärme läßt sie sich mit dem
                              									Kautschuk verbinden, welches Gemenge  die durchschnittlichen Eigenschaften beider Körper
                              									besitzt und bereits technisch angewandt wird.
                           6. Verarbeitung in Blätter, Schnüre, Reitpeitschen und
                                 										Riemen. — Man verfertigt aus Gutta-percha durch das Walzen
                              									starke Riemen zur Fortpflanzung der Bewegung in Papier- und andern Fabriken,
                              									wo diese Riemen in der Regel genetzt oder wenigstens vor einer
                              									Temperatur-Erhöhung geschützt sind, durch welche sie zu weich würden und dann
                              									sich ausdehnen oder brechen könnten.
                           Schnüre und Streifen aus Gutta-percha dienen zu zähen, der Feuchtigkeit
                              									widerstehenden Verbänden; man flechtet daraus weiche, recht dauerhafte
                              									Reitpeitschen. Eine nützliche Anwendung dieser in sehr dünne Blätter gewalzten
                              									Substanz ist das Einlegen derselben zwischen das Futter leichter Zeuge, an jenen
                              									Stellen der Kleider, wo man der Wirkung des Schweißes begegnen und die mehr oder
                              									weniger veränderlichen Farben schützen will.
                           7. Geformte Gegenstände. — Durch das Abformen mit
                              									Pression liefert die vorher durch Erwärmen erweichte Gutta-percha Denkmünzen
                              									oder Medaillen mit erhabenen Figuren und Buchstaben, deren man sich zur Mittheilung
                              									von Adressen oder verschiedener Anzeigen bedient. Man hat
                              									Gutta-percha-Kapseln zum Einschließen des Impfstoffs benutzt, welcher
                              									sich einen Monat lang gut darin erhielt, selbst in Singapore, wo der Impfstoff
                              									gewöhnlich in einigen Tagen schon zu verderben beginnt.
                           8. Mit Kautschuk verbundene vulcanisirte
                                 										Gutta-percha. — Ein inniges Gemenge von einem Theil
                              									Gutta-percha mit zwei Theilen Kautschuk gibt nach dem Vulcanisiren eine
                              									Substanz, welche in Brode zusammengeballt, in Blätter, Schnüre oder Riemen
                              									geschnitten, zu vollen oder hohlen Cylindern geformt, zur Verfertigung verschiedener
                              									Gegenstände angewandt werden kann, von welchen man verlangt daß sie fester als
                              									solche von Kautschuk, aber minder ausdehnbar seyen.
                           Man hat sich dieses Gemenges schon mit gutem Erfolge zur Verfertigung von Scheiben
                              									für Hähne, zu Schiebern und Ventilen für Gaswasser-Apparate bedient.
                           9. Umhüllen des Kupferdrahts für elektrische Telegraphen.
                              									— Man bedient sich in neuerer Zeit der Röhren aus Gutta-percha zum
                              									Einhüllen der die elektrischen Ströme unter dem  Boden fortpflanzenden
                              									Metalldrähte. Diese Hüllen sind leicht zu verfertigen, indem man die Drähte in die
                              									Oeffnung einer Fadennudelmaschine leitet; der leere Ring um den Draht herum füllt
                              									sich mit der bei 80° R. weich erhaltenen Gutta-percha aus, die sich
                              									auszieht wie eine hohle Maccaroni-Röhre; desselben einfachen Verfahrens
                              									bedient man sich zur Verfertigung von Gutta-percha-Röhren von
                              									verschiedenem Durchmesser; sobald diese Substanz von der sie ausziehenden Presse in
                              									das kalte Wasser gelangt, wird sie sehr consistent.Das Verfahren von Siemens den Kupferdraht für
                                    											Telegraphenleitungen mit Gutta-percha zu umpressen, ist im polytechn.
                                    											Journal Bd. CXV S. 260 beschrieben.
                           10. Verschiedene Anwendungen. — Man benutzte solche
                              									Röhren mit gutem Erfolge zur Verfertigung von Sonden, Bougies und anderen
                              									chirurgischen Instrumenten, welche den Vorzug haben sich durch die Wärme etwas zu
                              									erweichen und so nach den Theilen besser zu formen; allein zuweilen tritt auch der
                              									Uebelstand ein, daß sie zu schwach werden, um dem Druck und Zerreißen hinreichend zu
                              									widerstehen.
                           
                        
                     
                  
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